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Berichte zu den Hausdurchsuchungen am 5.12.17

Hausdurchsuchung bei einem Kreistagsabgeordneten

11.12.17 / Bei einem Pressegespräch der Kreistagsfraktion DieLinke/Piraten/Partei -Gruppe wies Dr. Meinhardt Ramaswamy auf einige Merkwürdigkeiten und Bedenklichkeiten einer Hausdurchsuchung hin, die in seiner Wohnung, Keller, Arbeitsraum Auto stattgefunden hat:
11.12.17 / Pressegespräch der Kreistagsfraktion

Mitarbeiterin der Ausländerbehörde begleitet Polizei als "Zeugin"
Der Kreistagsabgeordnete Ramaswamy setzt sich bekanntermaßen für die Rechte und den Schutz von Flüchtlingen ein. Während der Hausdurchsuchung beim nicht beschuldigten Kreistagsabgeordneten Ramaswamy wurde nun die Polizei von einer "neutralen Zeugin" begleitet**, die als Mitarbeiterin in der Ausländerbehörde des Landkreises tätig ist. Da der leitende Polizist diese Zeugin duzte, schien auch noch eine persönliche Bekanntschaft zwischen "neutraler Zeugin" und Exekutive vorzuliegen.

Vertrauliche/Nichtöffentliche Unterlagen des Kreistags beschlagnahmt
Desweiteren ist es reichlich problematisch, dass sämtliche Daten und Unterlagen eines Kreistagsabgeordneten beschlagnahmt und zur Auswertung abtransportiert wurden, wobei auch Informationen aus nicht-öffentlichen Sitzungen des Kreistages mitgenommen wurden. Ein Hinweis auf diese Tatsache im Beisein einer Rechtsanwältin gegenüber der Polizei wurde laut Aussage von Ramaswamy von dem verantwortlichen beamten mit "Das interessiert mich nicht" beantwortet.

Die Kreistagsgruppe DieLinke/Piraten/Partei + nahm diese Umstände am 7.12.17 zum Anlass für eine Anfrage an Landrat Reuter, in der sie u.a. fragt, warum ausgerechnet eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde bei der Durchsuchung der Wohnung dabei sein sollte und wie der Landrat dazu steht, dass vertrauliche Unterlagen aus der Kreistagsarbeit von der Polizei beschlagnahmt wurden.

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** Bei Hausdurchsuchungen sieht die Strafprozessordnung § 105 Verfahren bei der Durchsuchung (2) vor, dass ein Richter oder andere Personen als Zeugen anwesend sind, die "nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein" dürfen. Wenn möglich, soll dann "ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt" hinzugezogen werden.

 

Bericht am Tag der Durchsuchungen

goest/ 5.12.17 /Heute Morgen am 5.12.17 um 6 Uhr wurde in der Langen Geismar Strasse mit einer Metall-Rammvorrichtung die Haustür aufgebrochen. Auf die zivilisierte Vorgehensweise des Klingelns an der Tür verzichtete die Polizei. Anschließend drangen mehr als 50 Beamte ins Haus ein. Polizisten des Landeskriminalamtes LKA Niedersachsen verschafften sich Zugang in eine Wohnung im oberen Stockwerk und durchsuchten diese. Die ebenfalls im Hause befindlichen Büros des Kreisverbandes der Partei DieLinke sowie der Europaabgeordneten Sabine Lösing blieben unbehelligt, ebenso die Veranstaltungsräume im Nachbargebäude und die Geschäftsräume eines Sozialprojekts im Erdgeschoß. Beharrliche Nachfragen der Hausbewohner*innen vor der Tür der gestürmten Wohnung führten zu einer harschen Reaktion der Polizei in deren Folge eine Person verletzt wurde und mit einer, die Atmung beeinträchtigenden Rippenprellung in die Klinik gefahren werden mußte. Die Reparatur der zerstörten Haustür überließ die Polizei den Bewohner*innen des Hauses, die soweit bis jetzt bekannt ist befürchten müssen, auf den Kosten sitzen zu bleiben.


Links: demolierte Tür / Bild rechts: Haus "Rotes Zentrum"

Während der Durchsuchung wurden die Plätze vor dem Haus durch gewaltbereite BFE-Beamte gesichert. Dem Vernehmen nach wurden auch Pressevertreter*innen kein Zugang ermöglicht. "Es sind dort mehrere Hundertschaften gewesen, sehr viele Mannschaftswagen, auf dem Parkplatz Albani-Platz und die gesamte Straße runter und in der Langen Geismar Straße." Ebenso war Polizei auch vor den studentischen Wohngebäuden der Roten Straße und der Humboldtallee aufgefahren. Durchsucht wurden aber lediglich die Räume in der Geismar Langen Straße

Eine weitere Durchsuchung fand in einem Haus statt, vor dem sich bereits Nazis des sogenannten "Freundeskreises" dieses Jahr versammelt hatten, um die darin wohnende Familie eines Kreistagsabgeordneten zu bedrohen. Damals kam die Polizei nicht, obwohl die Wohnungsinhaber sie um Hilfe gebeten hatte. Diesmal kamen die Polizist*innen unerwartet und ungebeten, drohten durch Schläge gegen eine Glastür diese zu zerstören und drangen mit 25 Beamten in die Wohnung ein nachdem der Kreistagsabgeordnete die Tür schnell geöffnet hatte. Sie durchsuchten Wohn- und Arbeitsräume und das Auto, das der Abgeordnete wegen der Bedrohung durch Nazis stets entfernt von der Wohnung abgestellt hatte. Die Polizei behauptet bei einer Pressekonferenz in Hamburg danach, da hätte jemand besonders schlau sein wollen und habe sein Auto versteckt - aber die Polizei sei schlauer (sic!). Der Durchsuchungsbefehl bezog sich ausschließlich auf die Ehefrau des Abgeordneten, der jedoch nur der puren Teilnahme an der G20 Demo vorgeworfen werden könnte. Von ihr wurde aber lediglich das Handy beschlagnahmt, von dem Kreistagsabgeordneten hingegen wurden sämtliche Festplatten, Computer, Sticks, Speichermedien mitgenommen (Siehe hierzu den >Artikel vom 11.12.17). Eine 92jährige Tante der Familie wurde in der Wohnung von der Polizei ebenfalls erschreckt.

Eine Polizeipressemeldung lautet: "Die Durchsuchungen erfolgen im Zusammenhang mit den Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs im sogenannten "Rondenbarg-Komplex" . durch die Sonderkommission "Schwarzer Block". (Quelle Gö-Polizei)
>>Hamburger Pressekonferenz am 5.12.17 zu den Razzien

goest-Kommentar
Zum Begriff "Polizeiaktion im linken Milieu"
Die Medien berichten von einer Polizeiaktion im "linken Mileu". Zugehörigkeit zum linken Milieu ist nicht strafbar. Durchsuchungen und Verletzungen der Wohnungsphäre sind nach geltendem Gesetz nur rechtmäßig, wenn der dringende Verdacht einer Straftat oder der Gefahr im Verzug besteht. Unrecht ist also, wenn bei der Aktion in Göttingen z.B. von einer Person, die überhaupt nichts mit den G20 Protesten zu tun hatte die digitalen Arbeitsmaterialien beschlagnahmt werden. Rechtlich ist nun genau die Begründung der Durchsuchungsbeschlüsse zu prüfen. Wenn die Razzien mit der "Suche nach den Hintermännern" begründet wird, reicht das nicht aus. Es muß der Verdacht auf eine konkrete strafbare Handlung vorliegen. Wenn mehrere Teilnehmer*innen einer Demo juristisch anfechtbare Handlungen begehen, dann kann den übrigen Demo-Teilnehmer*innen nicht unterstellt werden, dass sie an der Planung dieser Taten beteiligt gewesen sind. Dies kann dann auch keine Rechtfertigung für eine Hausdurchsuchung sein. Genau dies aber versuchte die Polizei mit ihrer Pressekonferenz in Hamburg zu rechtfertigen um diejenigen einzuschüchtern, die friedlich gegen den G 20-Gipfel demonstriert haben. G. Schäfer / 5/6.12.17

 

Die Antifaschistische Linke International >A.L.I.< schreibt dazu u.a.:
"....Am frühen Morgen des 07.07.2017 wurden DemonstrantInnen am Rondenbarg von Einsatzkräften der Polizei brutal angegriffen, teilweise schwer verletzt und rechtswidrig in Gewahrsam genommen. Seitdem stehen Polizei und Staatsanwaltschaft unter Druck diesen Angriff zu rechtfertigen und verfolgen die AktivistInnen kollektiv wegen Schweren Landfriedensbruchs. Die Polizei kann diese Vorwürfe offensichtlich nicht belegen und versucht nun alles erdenkliche, um die AktivistInnen nachträglich zu kriminalisieren. Sie versuchen sich so öffentliche Sündenböcke für die Gesamtheit der G20-Proteste zu schaffen . Die Betroffenen der Hausdurchsuchung haben sich zuvor in Stellungnahmen in den Medien kritisch zu dem brutalen Einsatz der Polizei am Rondenbarg geäußert oder klagen gegen diesen. (...) Mit den Durchsuchungen rächt sich offensichtlich die Polizei für die kritische Berichterstattung.
Als Antwort auf die Durchsuchungen und die staatliche Repression ruft die A.L.I. für den 09.12.2017 ab 16:00 Uhr, Start am Platz der Synagoge, zu einer Demonstration gegen die fortgesetzte Kriminalisierung der G20-Proteste auf."

>Kommentar von Gerd Nier : Solidarität mit Anette und Meinhardt Ramaswamy 6.12.17

Vorläufiger erster Bericht
Demonstration gegen die Hausdurchsuchungen und Polizeigewalt

9.12.17./überarbeitet 10.9.12 / Vorsichtig geschätzt protestierten am Abend des 9.12.17 ca. 500 Teilnehmer*innen in einem Demonstrationszug gegen Polizeigewalt und -willkür in Erinnerung an die Anti-G20-Proteste und aktuell gegen die kürzlich erfolgten Hausdurchsuchungen u.a. in Göttingen (Schätzung der Polizei: 600, Schätzung der ALI: 700). Die Demo begann um 16 Uhr am Platz der Synagoge, die Route ging über die Goetheallee, Papendiek, Groner Straße, Lange Geismar Str., Jüdenstraße, Rote Straße, Albaniplatz, Ecke Lange Geismar Straße wo sie vom Anmelder für beendet erklärt wurde.


Demozug in der Goetheallee


Goetheallee


Im Papendiek

Bei mehreren Haltepunkten berichteten Betroffene über Lautsprecher von den entwürdigenden Umständen der Hausdurchsuchung und den absurden Begründungen der Durchsuchungsbeschlüsse. An der Spitze des Demozuges befand sich ein Block von ca. 100 Personen, die wie es im Polizeijargon heisst "vermummt" waren. Entgegen sonstiger Praxis ging die Polizei diesmal nicht gegen diese "Vermummung" vor. (Es wäre wohl auch schwerlich erklärbar gewesen, was nun gegen die Kälte und was gegen die permanente Videofilmerei der Polizei schützen sollte.)
In der Goetheallee, Groner und Rote Straße wurde von Demonstrant*innen Pyrotechnik eingesetzt, wodurch die Straße hell rot erleuchte wurde. Die Polizei antwortete mit Durchsagen und der Aufforderung dies nicht fortzusetzen.


Veranstalter und Teilnehmer*innen:
Polizei verprügelt deeskalierend wirkenden Ordner

In der Roten Straße eskalierte eine Auseinandersetzung nach Augenzeugenberichten. Ein als äußerst besonnen geltender Ordner der Demonstrationsleitung wollte deeskalierend eingreifen und bat die Polizei um etwas mehr Abstand von den Demonstrierenden. Daraus entwickelte sich eine Rangelei, die plötzlich von der Polizei mit Prügel gegen die Demonstranten beantwortet wurde. Dabei wurde dieser Ordner durch Schläge der Polizei verletzt und war nach der Auffassung eines Augenzeugen möglicherweise sogar für einige Zeit bewußtlos, lag jedenfalls reglos am Boden. Über Lautsprecher gab es einen Hilferuf nach Sanitätern. Kurz darauf kam der Hinweis, dass die Polizei keine Sanitäter zu dem Verletzten durchlässt. Schließlich wurde der Verletzte von der Polizei abtransportiert.
Die Polizei behauptete in einer späteren Presseerklärung (PM 9.12./21 Uhr), sie seien angegriffen worden. Sie hätten einen "mutmaßlichen Angreifer"ergriffen und überwältigt. Den habe man dan zur Dienststelle abtransportiert. Weiterhin behauptet die Polizei, der Mann sei "weder während seiner Festnahme noch anschließend in bewusstlosem Zustand" gewesen und eine "Rettungswagenbesatzung" habe "keine Hinweise auf bei dem Polizeieinsatz erlittene Verletzungen oder die zuvor beschriebene Bewusstlosigkeit." ergeben.
In einer Mitteilung des Basisdemokratischen Bündnisses werden die Vorgänge komplett anders beschrieben: "Ein Ordner, der sich in der Roten Straße deeskalierend und mit erhobenen Armen zwischen Demonstrationszug und Polizei stellte, wurde von den eingesetzten Beamten mit gezielten Schlägen ohnmächtig geprügelt. Herbeieilende Sanitäter wurden durch dieselben Einsatzkräfte von der medizinischen Versorgung abgehalten, selbst nachdem die Person minutenlang regungslos auf dem Boden lag. Stattdessen nahmen die Beamten den Verletzten fest und brachten ihn zur Polizeiwache an der Groner-Landstraße.".
Auch in einer Erklärung der beiden Demonstrationsanmelder Gerd Nier und Thomas Harms vom 10.12.17 wird eine völlig andere Darstellung als die der Polizei gegeben: "Besonders betroffen macht, dass ein junger Mensch, der als Ordner fungierte von der Polizei herausgegriffen und verletzt wurde. Gerade dieser junge Mann wirkte federführend dabei mit, dass sich die in einigen Situationen hochkochenden Emotionen im Demonstrationszug wieder beruhigten. So half er z.B. mit, dass der Demonstrationszug auf der vorgegebenen Route blieb und nicht, wie einige Demonstranten wollten, in die Gotmarstraße, Richtung Weihnachtsmarkt abbog. Auch in der Roten Straße versuchte er nach Absprache mit dem Demonstrationsanmelder zu vermitteln. Er wollte die Polizei bitten, an dem Ort einer Zwischenkundgebung etwas mehr Abstand von der Spitze des Demonstrationszuges zu halten"

Für den Demoeinsatz waren mehrere hundert Beamte der Zentralen Polizeidirektion in Göttingen angekündigt worden. Rainer Nolte, Leiter Einsatz der Polizeiinspektion Göttingen hatte die Einsatzleitung. Der Demozug wurde von mehreren Mitgliedern der "Bürger*innen beobachten die Polizei" begleitet, die auch eine Videodokumentation durchführten.

Nach dem offiziellen Ende der Demonstration vor dem Albaniplatz verharrte eine Gruppe von ca. ca. 100 Personen im Bereich Rotes Zentrum (Lange Geismar Str.) und forderte die Freilassung festgenommener Demonstrant*innen. Eigentlich war angemeldet worden weiterzuziehen über Lange-Geismar, Kurze-Geismar zum Abschluß am Neuen Rathaus, Hiroshimaplatz.


Hier trifft die Demo auf eine Sperre in der Prinzenstraße, weil die beantragte Route am Weihnachtsmarkt vorbei nicht erlaubt wurde

Ergänzende Auszüge aus dem Bericht der A.L.I, vom 9.12.17
Am Samstag, den 09.12.2017, demonstrierten 700 Menschen gegen Polizeistaat und die anhaltende Kriminalisierung der Anti-G20-Proteste. Am 05.12. durchsuchte die Polizei bundesweit mehrere Wohnungen von AktivistInnen. Zu der Demonstration in Göttingen riefen die Antifaschistische Linke International >A.L.I.< und mehrere linke Gruppen auf. (...) Auf der Prinzenstraße Ecke Papendiek kam es zu einer Auseinandersetzung mit Polizeibeamten. Eigentlich sollte die Demonstration über die Gotmarstraße gehen, dies hatten Ordnungsamt und Polizei aber verboten, weil der Weihnachtsmarktbetrieb nicht gestört werden solle. Eine Sprecherin der Antifa-Gruppe dazu: "Für die Polizei- und Ordnungsbehörden wiegt das kommerzielle Weihnachtsgeschäft wohl schwerer als das Recht seine Meinung frei und öffentlich zu äußern." In der Roten Straße wurde der Demozug unvermittelt von der Polizei gestoppt und die ersten Reihen mit Tritten und Schlägen attackiert. (...) Eine Gruppe von 80 Personen zog aus Solidarität mit dem Verhafteten zur Polizeiwache in der Groner Landstraße. In der Zwischenzeit ist er wieder frei und berichtete, dass ihm die medizinische Behandlung im Krankenhaus verwehrt wurde. Die solidarischen AktivistInnen zogen in einer Spontandemonstration zurück in die Stadt.

 

26.10.17 Veranstaltung
Neuere Polizeientwicklung, Kontrolldefizite und Sanktionsimmunität
Vortrag von und Diskussion mit Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt/Publizist & Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte)19:00 Uhr ZHG 104

Die Polizei in Bund und Ländern hat weit reichende Exekutivbefugnisse und wird - vor allem im Zuge der Terrorbekämpfung - weiter aus- und aufgerüstet. Immer wieder kommt es im Polizeialltag oder bei Demonstrationen zu überzogenen oder rechtswidrigen Polizeieinsätzen - zuletzt während des G-20-Gipfels in Hamburg. Polizei als Hauptvertreterin des staatlichen Gewaltmonopols ist eine Institution mit Lizenz zur Gewaltausübung. Aber es gibt eben auch illegale Polizeigewalt. Das Erscheinungsbild ist vielfältig: von rassistischen Diskriminierungen, informationellen Übergriffen, geheimer Ausforschung und unverhältnismäßiger Polizeigewalt bei Demonstrationen bis hin zu lebensgefährlichen Polizeigriffen, willkürlichen Festnahmen, Folterdrohungen, Misshandlungen auf Polizeiwachen und Todesschüssen. Bei der Aufarbeitung solcher Vorfälle stellt sich immer wieder heraus, dass eine unabhängige Kontrolle und Ahndung oft nicht gewährleistet ist. Und die neuere Polizeientwicklung verschärft dieses Problem: Freiheitsschädigende "Sicherheits- und Antiterrorgesetze" sowie eine neue "Sicherheitsarchitektur" führten zu einer fatalen Entgrenzung polizeilicher Aufgaben und Befugnisse sowie zu einer Erhöhung staatlicher Überwachungsdichte - mit der Folge, dass die Polizeimacht erheblich zunimmt und die öffentlichdemokratische Kontrolle von Polizeihandeln immer schwieriger wird. Was tun angesichts eines gefährlichen Kontrolldefizits, das oft zur Sanktionsimmunität von Polizeiführung und Einzelpolizisten führt? Wie kann die Position von Betroffenen gestärkt werden, die sich mit juristischen Mitteln gegen Polizeiübergriffe wehren? Der Referent Rolf Gössner, seit Jahrzehnten mit dieser Materie befasst und mit viel eigener Polizei-Erfahrung, behandelt Ursachen und Bedingungen für die Misere und stellt politische und bürgerrechtliche Lösungsansätze vor. Stichworte: Auskunft aus Polizeidateien, Kennzeichnungspflicht für Polizisten, unabhängige Kontrollinstitutionen. Und er berichtet von seinen Erfahrungen etwa mit "BürgerInnen beobachten / kontrollieren die Polizei", Demonstrations- und Prozessbeobachtungen etc.

Der Referent Dr. Rolf Gössner ist Rechtsanwalt/Publizist, Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte (www.ilmr.de), Mitherausgeber des "Grundrechte-Report. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland", Sachverständiger in Gesetzgebungsverfahren von Bundestag und Landtagen, Mitglied der Jury zur Verleihung des Negativpreises BigBrotherAward. Autor bzw. Mitautor des Bestsellers "Der Apparat. Ermittlungen in Sachen Polizei", von "Im Schatten des Rechts. Methoden einer neuen Geheim-Polizei" (beide zus. mit U. Herzog), "Polizei außer Kontrolle?" und "Erste Rechts-Hilfe" sowie zahlreicher weiterer Bücher zu Innerer Sicherheit, Bürgerrechten und Demokratie.

Es laden ein: Bürger*innen beobachten Polizei & Justiz, Grüne Jugend Göttingen und Grüne Hochschulgruppe Göttingen

 

Kennzeichnungspflicht für Polizei / 2016

Veranstaltung "Anonyme Polizei in Niedersachsen -
Ist die fehlende Kennzeichnung eine Gefahr für den Rechtsstaat; ein notwendiger Grundrechtsschutz für Demonstrant*innen oder ein Misstrauenvotum gegen Polizist*innen? 25.05.2015 | 19:30 | Alte Mensa Wilhelmsplatz Göttingen. Veranstaltung der Grünen Jugend und Amnesty International

Siehe auch >BFE

Das Problem

Polizist*innen bei Demonstrationseinsätzen sind nicht zu erkennen und nicht zu identifizieren.

Foto rechts: Polizist*innen beim Einsatz zum Schutz einer Nazi-Kundgebung am Bahnhof, Samstag den 21.5.16, völlig vermummt. Trotz Hitze folgten ca. 95% der eingesetzten Polizist*innen offensichtlich einer Anweisung, das Gesicht weitgehend verdeckt zu halten. Im Laufe des Einsatzes wurde OC-Gas ("Pfefferspray") eingesetzt, das Personen verletzte, (u.a. die Landtagsabgeordnete Dr. Andretta) .

Auch die zahlreichen Videoaufnahmen werden kaum erlauben, die unangemessen handelnden Polizist*innen zu identifizieren.

Vor dem Verwaltungsgericht (VG) Göttingen wurde eine Klage gegen den Pfeffersprayeinsatzes erhoben. Polizist*innen setzten ohne für den 59 jährigen Kläger nachvollziehbaren Grund Pfefferspray ein und verletzten ihn hierdurch. Rechtsanwalt Sven Adam, der den Kläger vertritt, schreibt: „Bei uns in der Kanzlei gehen derzeit aber ohnehin diverse Berichte über unverhältnismäßiges Polizeihandeln am 21.05.2016 ein. Wir gehen daher davon aus, dass auch noch Ermittlungsverfahren gegen bislang unbekannte Polizeibeamte folgen werden“

Aus dem Ankündigungstext: Gerade das umstrittene Vorgehen der Polizei bei gesellschaftlichen Großprotesten wie Stuttgart 21 hat für die Themen Polizeigewalt, Korpsgeist und Anonymität sensibilisiert. 156 Verfahren gegen Polizist*innen mussten in Stuttgart eingestellt werden, weil die Beamt*innen nicht identifiziert werden konnten. In Göttingen hat es ebenfalls immer wieder Anlässe gegeben, bei denen unangemessen hartes Agieren der Polizei beklagt wurde und eine gerichtliche Prüfung der Vorwürfe auf Grund der Anonymität der Beamt*innen nicht möglich war. Von Seiten der Polizei - insbesondere der Gewerkschaften - wurde hinter den Vorwürfen oftmals ein Generalverdacht gegen Polizist*innen vermutet und der Kennzeichnung eine Absage erteilt. Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben sich in den letzten Jahren eindeutig positioniert und eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen eingeführt. Auch im niedersächsischen Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen ist die Einführung vereinbart: "Nach dem Vorbild der anderen Bundesländer wird eine individualisierte, anonymisierte Kennzeichnung der Polizei bei geschlossenen Einsätzen angestrebt." doch die Umsetzung in Niedersachsen stockt. Woran liegt das? Ist die Kennzeichnungspflicht ein notwendiger Grundrechtsschutz für Demonstrant*innen oder ein Misstrauensvotum gegen die einzelnen Polizeibeamt*innen? Kann die Kennzeichnung ein Schutz für Polizeibeamt*innen gegen ungerechtfertigte Vorwürfe und Generalverdacht sein?

>> Audio-Mitschnitt der Podiumsdiskussion
>> Broschüre "How to BFE"

Folgendes Zitat von Prof. Dr. Rafael Behr Prof. für Polizeiwissenschaften am Fachhochschulbereich der Akademie der Polizei in Hamburg im Interview mit der Kontext-Wochenzeitung wurde von den Veranstalter*innen vor Beginn der Podiumsdiskussion verlesen:
"Wenn (...) man Straftaten nicht verfolgen kann, nur weil man die Leute nicht erkennt, dann ist das ein Problem für die demokratische Grundordnung. (...) Es sind ja keine Freisprüche wegen erwiesener Unschuld, sondern es ist die Unmöglichkeit der Identifizierung von Tatverdächtigen, die den Fortgang des Verfahrens verhindert."

Mehrfach wurde klargemacht: Bei der Forderung nach Identifizierbarkeit geht es nicht darum, dass die Polizist*innen bei Demonstrationen Namensschilder tragen, sondern es geht darum, dass sie gut sichtbar und lesbar eine Zeichenfolge zur Identifikation ihrer Person auf ihrer Uniform tragen. Die Zuordnung von Zeichenfolgen wie XY4356 zum Namen erfolgt unter den Maßgaben des Datenschutzes und den Erfordernissen von Gerichten bei Verdacht auf Straftaten.

Dem Argument, das die Forderung nach Identifizierbarkeit ein generelles Mißtrauen gegen Polizeibeamt*innen ausdrücke wurde entgegengehalten, dass im Alltag jede/r identifizierbar ist, bei Unterzeichnung eines Protokolls, einer Anzeige etc.

Kommentar: Vielen Polizist*innen leuchtet die Forderung nach einer Identifizierbarkeit nicht ein. Sie sind offensichtlich der Meinung, dass sie die staatliche Ordnung und das Recht in ihrer Person verkörpern und als verkörpertes Recht kein Unrecht ausüben können und wenn doch dann nur in Ausübung einer gerechten Sache - aus Versehen quasi - und dann vor einer Strafverfolgung geschützt werden müssen. Wer eine Identifizierung von Polizist*innen verlangt um evtl. Straftaten ahnden zu können darstellen kann nur ein/e Gegner*in des Rechtsstaates und der Polizist*innen als verkörpertem Recht sein. Notfalls müssen in Gerichtsverfahren auch Kolleg*innen einspringen und die Unschuld der Angeklagten bezeugen helfen. Daraus erklärt sich auch, dass die (gewerkschaftlichen) Personalvertreter*innen der Polizei sich "vor ihre Kolleg*nnen" stellen wollen, um sie vor - vermeintlich ungerechtfertigten - Strafverfahren zu schützen.

Dietmar Schilff (im Bild rechts) Landesvorsitzender Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnte die Kennzeichnungspflicht ab, vermochte aber keine plausiblen Gründe für seine Position zu nennen außer dem Mißtrauen, das dadurch zum Ausdruck komme.

Hartmut Seltmann, amnesty international, Polizeidirektor a.D. war da ganz anderer Meinung obwohl beide Polizisten und beide in der SPD.

Rechts im Bild: Rechtsanwalt Christoph Lehmann mußte sehr kurzfristig am selben Tag für Ulrich Watermann, innenpolitischer Sprecher Landtagsfraktion SPD Niedersachsen einspringen, der aus unerfindlichen Gründen abgesagt hatte. Er machte darauf aufmerksam, dass eine Identifizierung nicht nur zur Ermittlung eines Straftäters sondern auch zur Ermittlung wichtiger Zeug*innen dienen kann.

Lehmann im Gespräch mit Moderator Friedricht Selter, Superintendent Kirchenkreises Göttingen der evangelischen Kirche.

Meta Janssen-Kucz, innenpolitische Sprecherin Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen schilderte (vielleicht etwas zu) ausführlich die Probleme einer praktischen Umsetzung und stellte in Aussicht, dass eine Kennzeichnungspflicht als "Erlass" kommen werde, allerdings mit dem Nachteil, dass bei einer Änderung der politischen Mehrheiten der Erlass auch wieder abgeschafft werden könne.

(Die Kombination der Flaschenverschlüsse Rot-Rot-Grün ist vermutlich keine Symbolik für zukünftige Koalititonen sondern reiner Zufall)

Veranstalter*innen kritisieren Einfluß der Polizeigewerkschaft auf die SPD 27.5.16
"Amnesty International und Grüne Jugend ziehen aus der Podiumsdiskussion den Schluss: Die rot-grüne Landesregierung muss die Kennzeichnungspflicht sofort einführen. Das aktuell präferierte Modell, lediglich Gruppen von 3 bis 4 Beamt*innen kenntlich zu machen, ist nicht ausreichend, da auch hier eine lückenlose Aufklärung nicht gänzlich gewährleistet werden kann. ai und GJ fordern deshalb eine anonymisierte eindeutige Kenntlichmachung von Beamt*innen in allen Bereichen. Meta Janssen-Kucz hat die Einführung der Kennzeichnungspflicht durch die rot-grüne Regierungskoalition auf Landesebene für Ende 2016 in Aussicht gestellt.
Eine wichtige Positionierung zu diesem Vorhaben vom eigentlich eingeladenen Herrn Watermann hierzu blieb allerdings aus, weil er aufgrund eines Interessenkonfliktes die Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig absagte. Insbesondere die den Prozess der Einführung maßgeblich blockierende SPD muss sich daher die unangenehme Frage stellen lassen, ob auch die zahlreichen personellen Überschneidungen zwischen SPD und Polizeigewerkschaften die gebotene parlamentarische Kontrolle der Polizei durch ungehinderten Lobbyismus verhindern. (...)"

Podiumm
v.l.n.r: Hartmut Seltmann, amnesty international, Polizeidirektor a.D., Mitglied der Länderkommission zur Verhütung von Folter, // Dietmar Schilff, Landesvorsitzender Gewerkschaft der Polizei (GdP) Niedersachsen,Bezirksgruppe: Polizeidirektion Braunschweig Polizeibeamter (Schutzpolizei) Dienststelle: Polizeidirektion Braunschweig // Moderation: Friedrich Selter, Superintendent Kirchenkreises Göttingen der evangelischen Kirche // Christoph Lehmann, Vorsitzender des SPD-Stadtverbandes und Rechtsanwalt // Meta Janssen-Kucz, innenpolitische Sprecherin Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen



Publikum im gediegenen von-Trott-Saal der "Alten Mensa".

zum Anfang

 

Forderung nach einer Kennzeichnung von Polizeibeamten / 2013

Gemeinsame Pressemitteilung

28.5.2013

Antifaschistische Linke International A.L.I. // Attac Göttingen // BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz, Göttingen // Die Linke Kreisverband Göttingen // Grüne Jugend Göttingen // Jusos Göttingen
// GRÜNE Kreisverband Göttingen // Piratenpartei Landesverband Niedersachsen

Niedersächsischer Koalitionsbeschluss zur individuellen Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen muss zügig umgesetzt werden. +++ Gewerkschaft der Polizei (GdP) scheut öffentliche Diskussionsveranstaltung +++ Behauptete Gefährdung von PolizeibeamtInnen durch individuelle Kennzeichnung offensichtlich nicht haltbar +++ Nichtaufnahme von Ermittlungen gegen uniformierte GewalttäterInnen wegen Nichtidentifizierbarkeit: Sieben auf einen Streich!

Eine im Rahmen des Göttinger "Bündnis gegen Rechts" geplante Podiumsdiskussion über individuelle Kennzeichnungen von PolizeibeamtInnen scheiterte an mehrfachen Absagen von VertreterInnen der Gewerkschaft der Polizei. Weder der Niedersächsische Landesvorsitzende Dietmar Schillf, noch der Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut und auch nicht die Bundesvorsitzende der GdP-Jugendorganisation Junge Gruppe Sabrina Kunz waren bereit, auf dem Podium Platz zu nehmen. Zusagen gab es hingegen von VertreterInnen der Grünen, Linken und CDU, von GewerkschafterInnen, von der Bürgerrechtsgruppe "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" und aus dem Antifa-Spektrum. "Diese Zusammensetzung versprach eine hochkarätige Diskussion, aber durch die Absagen der GdP-VertreterInnen wurde das Vorhaben letztlich als nicht mehr sinnvoll erachtet, weil ein entscheidender Akteur fehlen würde", kommentierte Roland Laich, Mitorganisator der Diskussionsrunde.

Ein unter Anderem von der GdP oft angeführtes Argument gegen eine individuelle Kennzeichnung seien Gefährdungen und Angriffe auf KollegInnen, die nach einer bereits eingeführten Kennzeichnung in anderen Bundesländern erfolgt seien und auf die Kennzeichung zurück zu führen seien. In den Gesprächen und Mailwechseln mit den genannten GdP-VertreterInnen zur Vorbereitung der Diskussionsrunde, wurde dieses Argument aufgegriffen, mit der Bitte, die Angriffe auf dem Podium zu konkretisieren. Eine Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags auf europaweiter Datenbasis verneinte bereits im April 2011 derartige Vorkommnisse, mit Ausnahme "weniger Einzelfälle" in Spanien. ( >>Quelle
Bundestag-Dokument ) Auch auf dieses Papier wurden die GdP-VertreterInnen im Vorfeld hingewiesen. Roland Laich von "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" resümiert: "Vor diesem Hintergrund verstärken die Absagen seitens der GdP nochmals den Eindruck, dass die ins Feld geführten Angriffe auf PolizeibeamtInnen als kausale Folge einer individuellen Kennzeichnung nicht belegbar sind".

Auch der Göttinger Polizeipräsident Kruse ist strikter Gegner einer Kennzeichnung: Nach einer Stellungnahme Kruses gegenüber dem Stadtradio Göttingen sei die Erkennbarkeit von Polizeibeamten auch ohne eine Pflicht zur Kennzeichnung gegeben (>>Quelle:
stadtradio goettingen ).
Wie falsch diese Behauptung ist zeigt die "Massen-Einstellung" von Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte, die begangener Körperverletzungen beschuldigt wurden. Anlässlich eines Auftritts des damaligen niedersächsischen Innenministers Schünemann gemeinsam mit Kruse zu Beginn des vergangenen Jahres an der Göttinger Universität gingen PolizistInnen massiv gegen Demonstrierende vor. In Folge wurden insgesamt acht Strafanzeigen gegen BeamtInnen gestellt. Indem sie zwischenzeitlich sieben der acht Verfahren einstellte, widerlegt die Staatsanwaltschaft Göttingen Kruses Behauptung sehr anschaulich. "Allen Fällen ist gemein, dass von Seiten der Staatsanwaltschaft gesagt wurde, Tatverdächtige seien nicht zu ermitteln und in keinem der Fälle wurde die anzeigende Person oder benannte Zeugen auch nur einmal befragt", erläuterte dazu die Anwältin der AnzeigestellerInnen, Marlene Jendral.

Diese Begebenheiten belegen aufs Neue die Machbarkeit und Notwendigkeit einer individuellen Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen. Opfer von unrechtmäßiger Polizeigewalt bedürfen einer von staatlichen Behörden unabhängigen und mit eigenen Ermittlungsbefugnissen ausgestatteten Untersuchungsstelle. Zur Gewährleistung von Rechtssicherheit müssen diese Maßnahmen zügig auf gesetzlicher Grundlage umgesetzt werden.

Das Bündnis gegen Rechts Göttingen begrüßt auch die Bestrebungen der rot-grünen Landesregierung eine individualisierte und anonymisierte Kennzeichnung von PolizistInnen in geschlossenen Verbänden, sowie eine von der Polizei unabhängige Beschwerdestelle für Konfliktfälle, einzuführen.

 

„BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“

Einkesselung einer angeblich verbotenen Versammlung rechtswidrig

19.4.17 / Das Verwaltungsgericht (VG) Weimar hat mit Urteilen vom 20.02.2017, zugestellt am 5.4.2017, fünf Klägerinnen und Klägern aus Göttingen im Alter zwischen 29 und 72 Jahren wiederholt Recht gegeben,

Beim Neonazis hatten am 3.9.2011 einen "Heimattag" in Leinefelde abgehalten. Protestierende wurden nach abgeschlossener Gegenkundgebung von der Polizei daran gehindert zurück zum Bahnhof von Leinefeld zu gehen. Die Polizei kesselte insgesamt 77 Personen für mehr als eine Stunde ein filmte sie mit Videokameras und stellte die Personalien fest. Nebenbei wurde ihnen mitgeteilt, dass sie an einer verbotenen Versammlung teilgenommen hätten. Später erhielten sie dann noch Bußgeldbescheide wegen der angeblichen Teilnahme an einer verbotenen Versammlung. Sowohl die Einkesselung als auch das Bußgeld wurden vom Gericht als rechtswidrig verurteilt. Von den Demonstrierenden sei keine das Verbot einer Versammlung rechtfertigende Gefahr ausgegangen, so das Gericht.
(...) Geklagt hatte u.a. R.L. für die Organisation Bürger_innen beobachten Polizei und Justiz , der als Demonstrationsbeobachter am 3.9.2011 von den Polizeikräften rechtswidrig festgesetzt worden war und geklagt hatte. Ihn und weitere Kläger wurden von RA Sven Adam vertreten.

8.10.2015
Recht auf Dokumentation von polizeilichen Rechtsverstößen

Bereits am 24. Juli 2015 fällte das Bundesverfassungsgericht einen heute veröffentlichten Beschluss, mit dem das Engagement für Bürgerrechte bei Demonstrationen gestärkt wird. (Aktenzeichen 1 BvR 2501/13). Dem Gericht zufolge darf die Polizei nicht rein präventiv gegen das Anfertigen von Foto- und Filmaufnahmen ihres Auftretens vorgehen. Dies wäre nur dann erlaubt, wenn „tragfähige Anhaltspunkte“ dafür vorliegen, „dass die Filmaufnahmen der Versammlungsteilnehmer später veröffentlicht werden sollen und nicht anderen Zwecken, etwa der Beweissicherung, dienen.“, teilt das Gericht in seiner Pressemitteilung mit.
Der Beschwerdeführer wehrte sich im konkreten Fall gegen die Feststellung seiner Personalien am Rande einer Demonstration am 22.1.11 in Göttingen. Er und mehrere weitere Mitglieder der Göttinger Bürgerrechtsgruppe „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ richteten damals besonderes Augenmerk auf einen Dokumentationstrupp der Hannoveraner Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit. Dieser hatte die Demonstration nahezu die gesamte Zeit videografiert, ohne dass die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorgelegen hätten. Diese andauernde Provokation durch den Dokumentationstrupp führte zu einer kurzfristigen Eskalation der Demonstration. Im weiteren Verlauf der Demonstration wurde der Trupp noch mehrfach von VersammlungsteilnehmerInnen und auch Mitgliedern der Bürgerrechtsgruppe auf seinen Rechtsverstoß hingewiesen und zur Unterlassung aufgefordert. Kurz vor Ende der Demonstration eskalierte der Trupp die Situation erneut durch sein Vorgehen gegen den Beschwerdeführer und eine Begleiterin aus der Gruppe.

„Dieser Beschluss ist insbesondere wichtig für Bürgerrechtsgruppen wie die unsere. In der Vergangenheit wurde unsere Arbeit immer wieder stark durch die Polizei behindert oder unmöglich gemacht. Wir waren Einschüchterungen und Unterbindungen von Foto- und Filmaufnahmen, erzwungenen Löschungen von Aufnahmen, Androhungen von Kamerabeschlagnahmen, Personalienfeststellungen, Platzverweisen und sogar Einkesselungen ausgesetzt“, (...). „Der Beschluss geht in seiner Tragweite sogar noch weiter, denn er bezieht sich ausdrücklich auf alle TeilnehmerInnen an öffentlichen Versammlungen“. Vor dem Göttinger Verwaltungsgericht und dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Celle fand der Kläger kein Gehör. Vielmehr unterstellten diese Gerichte PolizeibeobachterInnen pauschal eine potentielle Rechtsuntreue. Die Einschätzungen der Gerichte bewegen sich regelmäßig zwischen „Anscheinstörern“ und „tatsächlichen Störern“. „Diese Unterstellung erscheint besonders absurd vor dem Hintergrund, dass unser Anliegen die Kontrolle der Rechtstreue der Polizei ist. Offensichtlich ist sie politisch motiviert, wir hoffen aber, dass unser für eine Demokratie essentielle Funktion nunmehr besser von den Behörden respektiert wird“,...

Hintergrundinformationen zur Göttinger Bürgerrechtsgruppe „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ Unverhältnismäßige polizeiliche Maßnahmen führen immer wieder zu Verletzungen bei DemonstrationsteilnehmerInnen. Diese Betroffenen von Polizeigewalt haben in der Regel wegen der fehlenden Kennzeichnungspflicht keine Chance, die GewalttäterInnen in Uniform zu identifizieren und den Übergriff zu dokumentieren. Sehr anschaulich wurde dieses Problem im juristischen Nachgang des „Schwarzen Donnerstag“ in Stuttgart. Die dortige Staatsanwaltschaft stellt über 150 Ermittlungsverfahren gegen PolizistInnen wegen Körperverletzung im Amt ein, weil die TäterInnen nicht zu ermitteln waren. TeilnehmerInnen an Demonstrationen werden immer wieder von PolizeibeamtInnen wahrheitswidrig beschuldigt wegen Beleidigung, Widerstand u.ä.. Vor Gericht werden diese falschen Beschuldigungen dann wiederholt und RichterInnen folgen oft den abgesprochenen und der jeweiligen Prozesslage angepassten Aussagen der BeamtInnen. Aus diesen Gründen beobachten und begleiten wir seit mehreren Jahren Demonstrationen, dokumentieren sie durch Fotos und Videos und stellen dieses Material Betroffenen von Polizeigewalt bei gerichtlichen Auseinandersetzungen zur Verfügung.
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Ein Beispiel aus der Praxis der goest-Berichterstattung ist ein Vorfall bei der Demo 2009 zur Erinnerung an den Tod von Conny - da wären Tonaufnahmen auch noch wichtig gewesen.

 

"Verlaufsberichte" über sogenannte "Wichtige Ereignisse"
Polizei überwacht Proteste gegen Kindesmißbrauch und Mahnwachen gegen AKWs

Auch der kleinste und harmloseste Protest wird an Innenministerium und Verfassungsschutz gemeldet. Gleichzeitig werden die Berichte über zahlreiche Verteiler an Polizeistellen weitergeleitet. Wer sein grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Demonstration und Meinungsfreiheit wahrnimmt gilt von vorneherein als "Störer" der beobachtet werden muß - er/sie könnte demnächst ja schlimmeres tun. Wer eine solche Veranstaltung einmal anmeldet hat ist für alle Zeit in allen möglichen Dateien - danach ist es wirklich egal wieviele Veranstaltungen er/sie noch anmeldet. Ist der Ruf erst ruiniert .... Aber das schreckt natürlich in der Wahrnehmung demokratischer Rechte ab.

Wichtige Ereignisse "sind Sachverhalte, die geeignet sind, auch bei nicht originärer Zuständigkeit der Polizei, - die öffentliche Sicherheit erheblich zu gefährden oder zu stören, - in der Öffentlichkeit Aufsehen oder Beunruhigung zu erregen, - in den Medien zu besonderen Erörterungen zu führen, - überregional Folgeaktionen auszulösen."

Verlaufsberichte "sind unmittelbar an das Lagezentrum des MI, an das Lage und Informationszentrum des Landeskriminalamtes Niedersachsen, an die zuständigen und beteiligten niedersächsischen Polizeibehörendn sowie an die Polizeiakademie Niedersachsen zu senden. Bei der Erstattung von Polzeiberichten ist die Zentrale Polizeidirektion immer zu beteiligen. Die Verfassungsschutzbehörde ist unter den Voraussetzungen dess NverfSchG zu beteiligen. Dies gilt insbesondere für Ereignisse im Zusammenhang mit den Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzen die den Polizeibehörden benannt wurden."
Siehe
Runderlass des innenminsteriums über die "Meldung wichtiger Ereignisse und Erstattung von Verlaufsberichten" vom 1.8.2012

Für die Abfassung der Berichte wurden zeitweise sonderbare Formulierungshilfen gegeben: "5.8. Welcher Altersschicht gehörten die Versammlungsteilnehmer bzw. Störer an? (Z.B. der Aufzug bestand überwiegend aus Jugendlichen der linken Szene)"

 

Beispiel 1: Kundgebung gegen Verdrängung von Mißbrauchsfällen

Am 4.9.2011 fand vor der St. Michaelkirche eine Kundgebung statt. "Gegen Vergessen und Verdrängen – Für Aufklärung und Verantwortung auch bei Jesuiten" im Zusammenhang mit Mißbrauchsfällen am Aloisius-Kolleg in Bonn Bad Godesberg und der Amtseinführung dessen ehemals stellvertretenden Leiters Pater Schneider in Göttingen. Die Anmelderin der Kundgebung hatte noch nie in ihrem Leben vorher eine Kundgebung angemeldet. Nun aber fand nach der Anmeldung beim Ordnungsamt der Stadt Göttingen ihr Name den Weg in den Verlaufsbericht der Polizei und quer durch die Dienststellen in Niedersachsen. Das spricht dem grundgesetzlichen "informationellen Selbstbestimmungsrecht" Hohn.

Es ging also um die Kritik im Zusammenhang mit Mißbrauchsfällen [Siehe >Artikel über die Kritik an der Amtseinführung von Pater Schneider ] und nun wird eine solche Kundgebung als "wichtiges Ereignis" ( in einer Reihe mit "Ereignissen mit terroristischen, extremistischen Hintergrund, Flugzeugentführungen, Todesfällen und Großschadenereignissen) eingeordnet was dann Anlass für die Erstellung eines Verlaufsberichtes bietet.


Protestveranstaltung gegen Amtseinführung von Pater Schneider 2011 / Zivilbeamte in der Kirche

Aufklärungsergebnisse hätten ergeben, dass nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, dass sich Versammlungsteilnehmer mit der Amtseinführung von Pater Schneider kontrovers auseinandersetzen würden. Der Verlaufsbericht notiert insgesamt 40 Teilnehmer, darunter 10 Angehörige mit Bezug zur linken Szene. Im Bericht wird auch erwähnt, dass zivile Polizisten in der Kirche saßen.

Im Runderlass gibt u.a. die Anweisung, dass aufgelistet werden soll, welche PressevertreterInnen anwesend waren. Unter "Auftreten von MedienvertreterInnen" wurde in diesem Fall notiert: Göttinger Tageblatt, HNA, Vertreter "Bürger beobachten die Polizei.

 

Beispiel 2: Mahnwachen gegen Atomkraftwerke

Ein anderes Beispiel sind die Verlaufsberichte zu den Mahnwachen gegen Atomenergie (vom 5..9.2011 und 10.10.2011) dabei wird die Anmeldende Person im Polizeibericht festgehalten, darauf hingewiesen, dass es um Erdbeben, Flutwelle und Katastrophe in Fukushima geht , wieviele Leute da waren, wie sich die Versammlungsleiterin verhalten hat, dass "40 Personen vor Ort im wesentlichen aus den Organisationen AAI, NAB, und der Linken" anwesend waren. Die Namen derer, die Redebeiträge hielten, und ihre Themen wurden notiert. U.a. Auf Veranlassung eines Vetreters "Bürger beobachten die Polizei" sei die Anwesenheit eines zivilen Polizeibeamten an der Versammlung theematisiert worden.

Bei der Mahnwache am 7.11.2011 verzeichnet der Verlaufsbericht u.a. "Überwaxhung der Veranstaltung in der Lange-Geismar-Str. 73 durch zivile Kräfte.

 

Inzwischen bereits 25 solcher Verlaufsberichte anwaltlich bekannt

In einer Pressemitteilung der Anwaltskanzlei Sven Adam am 17.12.14 hiess es, "Uns liegen derzeit rund 25 Verlaufsberichte von 2009 bis 2013 vor, in denen die Daten der Anmelderinnen und Anmelder von durchweg friedlichen und mitunter auch sehr kleinen Versammlungen per Fernschreiben an einen breiten Verteiler , u.a. an das Innenministerium bzw. den Verfassungsschutz , übermittelt wurden.

In mehreren Klagen soll die "Rechtswidrigkeit der standardmäßigen Übermittlung von personenbezogenen Daten in so genannten Verlaufsberichten an unzählige Polizeidienststellen, das Lagezentrum des Innenministeriums und den Verfassungsschutz" festgestellt werden.


Beispiele von Verlaufsberichten, die Rechtsanwalt Scven Adam in einem Pressegespräch im Dezember 2014 aufgestapelt hatte.

Aufgabe für die Landespolitik
Eigentlich ist es die Rolle der Medien, über solche Veranstaltungen zu berichten. Durch die interessensgebundene Berichterstattung der Polizei, die a) eher rechts und b) Interesse an Dramatisierung zum Zwecke höhrerer Mittelzuweisungen für Personal hat - gelangen verzerrte Darstellungen in die Hände des Innenministeriums und in Vorlagen für politische EntscheidungensträgerInnen. Daher sollten die Verlaufsberichte grundsätzlich veröffentlicht werden, damit unabhängige Medien die fehlerhaften Darstellungen kritisieren und richtigstellen können.
Eine Überwachung der Medientätigkeit bei Kundgebungen und Demonstrationen ist keine Polizeiangelegenheit.
Personenbezogene Daten dürfen nicht in die Berichte aufgenommen werden bzw. sind zu entfernen.

Aufgabe für den Rat der Stadt
Personenbezogene Daten dürfen für die Anfertigung von Verlaufsberichten weitergegeben werden, eine Mithilfe des Ordnungsamtes Göttingen in Form von Weitergabe der Namensdaten und anderen Informationen wäre durch die Stadtverwaltung per Anweisung zu unterbinden. Das Ordnungsamt ist keine Hilfsstelle für den sogenannten "Verfassungsschutz".


Klage gegen Observation durch Staatsschutz bei Anti-AKW-Mahnwachen / 2013

Stop spying us!
Am 6.11.13 ging es vor dem Verwaltungsgericht, Berliner Str. 5 um die Bespitzelung von "Mahnwachen Fukushima - für eine Abschaltung aller Atomanlagen". Diese Mahnwachen sind ein Ausbund an Friedfertigkeit mit Schweigeminuten und Ansprachen, am ersten Montag im Monat. Sicherheitshalber will die Polizei diese Mahnwachen genauestens überwachen und zwar mit uniformierten Beamten, die auch schon mal mitschreiben und dann gibt es noch die "Polizeibeamten in ziviler Kleidung".

Nun wurde noch einmal festgestellt - Zivilbeamte, die einen Auftrag zur verdeckten Ermittlung bei der Mahnwache hatten haben rechtswidrig gehandelt, weil sie der Veranstaltungsleiterin nicht zu erkennen gegeben wurden. Das ergibt sich eindeutig aus dem § 11 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes. (NVersG) "anwesende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben sich der Leiterin oder dem Leiter zu erkennen zu geben." Bei allen anderen Schlechtigkeiten, die in diesem Gesetz enthalten sind mochte es die Polizei wohl gar nicht begreifen, dass da etwas im liberalen Sinne reingerutscht war. Und das sollte auch noch die Polizei einschränken; das mochten die Einsatzleiter der Polizei in Göttingen einfach nicht begreifen. Einer der Einsatzleiter hatte der Veranstalterin der Mahnwache gegenüber zunächst zugegeben, dass zivile Beamte anwesend seien, hatte sich dann aber rechtswidrig geweigert, diese aufzudecken.

Rausgekommen ist die ganze Sache nur, weil die Gruppe "BürgerInnen beobachten die Polizei" die meisten Zivilpolizisten inzwischen kennt und die Versammlungsleiterin darauf aufmerksam gemacht hatte. Im Prozess am 6.11.13 verglich die Klägerin verdeckte Ermittlung bei den Mahnwachen mit den Stasimethoden, die sie in der ehemaligen DDR kennengelernt habe.

Auch wenn nun noch einmal festgestellt wurde, dass es rechtswidrig war, dass die Beamten sich nicht zu erkennen gegeben haben, bleibt die grundsätzliche Empörung wegen einer Überwachung einer "Mahnwache nach Fukushima" bestehen. Ob die zivilen Polizeibeamten offen oder verdeckt anwesend sind ändert nämlich nichts daran, dass sich Menschen dadurch in der Wahrnehmung ihres Versammlungsrechtes beeinträchtigt fühlen. Wer die Zivilbeamten übrigens als "Spitzel" bezeichnet muß auch noch befürchten, wegen Beleidigung angeklagt zu werden. (>>Quelle) Im Gerichtssaal ist der leitende Richter allerdings milde darüber hinweggegangen als dieser Begriff fiel.

Eher nebenbei viel eine Bemerkung, die aufhorchen ließ. Der Prozessbevollmächtigte der Polizei meinte sinngemäß, dass wenn alle Polizisten sich zu erkennen geben müßten, dann müßten ja auch die Polizeibeamten aufgedeckt werden, die als verdeckte Ermittler in der Szene drin sind.

Illustration der goest-Red. zum Artikeltext unten:

Sie stehen bei angemeldeten Demonstrationen in Zivil herum, mischen sich unter die Leute, machen auf locker einer läuft z.B. immer mit Rucksack über eine Schulter gehängt rum.

Die Polizei darf fotografiert werden, Urteil des >>
Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. März 2012, Aktenzeichen 6 C 12.11 / "Eine Einschränkung gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Bilder zur “Enttarnung” von Spezialkräften führen können. Aber auch hier sei ein Fotografierverbot nur das letzte Mittel. Die Polizei muss vielmehr vorrangig auf die Presse einwirken, dass Gesichter “gefährdeter” Beamter gepixelt werden." (>>law.blog)


Polizist in Zivil zusammen mit
Uniformierten bei einer Demonstration gegen Studiengebühren


27.3.12 // "Die Göttinger Anti-Atom-Initiative klagt exemplarisch gegen die langjährige, und rechtswidrige Observationspraxis der Göttinger Polizei.

Eine Vielzahl von politischen Kundgebungen und Demonstrationen sowie gewerkschaftlichen Arbeitskampfmaßnahmen, wurden und werden durch zivile Kräfte des örtlichen politischen Kommissariats überwacht.
"Wir protestieren entschieden gegen die verdeckte Bespitzelung politischen Engagements", so ein regelmäßiger Teilnehmer der Mahnwachen: "Auch Polizei und Staatsschutz müssen sich endlich an die Gesetze halten."
Der Anwalt der Klägerin, Johannes Hentschel, erklärt: "Polizeibeamtinnen und -beamte, die zu Mahnwachen oder Demonstrationen entsandt werden, sind gesetzlich verpflichtet, sich zu erkennen zu geben. Die heimliche Observation ist ein Grundrechtsverstoß. Diese polizeiliche Praxis schreckt von der Teilnahme an Demonstrationen ab und verletzt das Grundrecht der Versammlungsfreiheit."
Im Niedersächsischen Versammlungsgesetz, das am ersten Februar dieses Jahres in Kraft getreten ist, wird festgelegt, dass sich anwesende Polizeibeamtinnen und -beamte gegenüber der Versammlungsleitung erkennen zu geben haben; dies gilt auch für in Zivilkleidung auftretende Kräfte. Bereits im Bundesversammlungsgesetz, das früher galt, war eine solche Bestimmung festgelegt. Gleichwohl sieht die Göttinger Polizei weiterhin keinen Grund, sich an diese gesetzliche Regelung zu halten.
So wurden im letzten und auch in diesem Jahr eine Vielzahl von Versammlungen durch verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler überwacht. Neben praktisch allen Demonstrationen und Kundgebungen des linken Spektrums trifft dies auch auf alle, monatlich stattfindenden Anti-Atom-Mahnwachen zu, eine Demonstration Anfang Mai 2011 anlässlich eines bundesweiten Bildungsstreik-Aktionstags, aber auch auf eine Arbeitskampfaktion der Gewerkschaft ver.di Mitte Mai 2011 für bessere Arbeitsbedingungen beim Discounter Netto."

Gemeinsame Erklärung, 28.3.2012
BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz
AntiAtomPlenum Göttingen
Anti-Atom-Initiative Göttingen
ver.di Fachgruppe Einzelhandel in der Region Göttingen, Northeim Osterode
GrüneJugend Göttingen und Landesvorstand
Kreisverband Göttingen und Landesvorstand Niedersachsen der Piratenpartei
Stadtratsfraktion GöLinke
Kreistagsfraktion der Partei DieLinke
Patrick Humke MdL der Partei DieLinke

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Leserbrief zu diesem Artikel:
28.3.12 // „Eine Vielzahl von politischen Kundgebungen und Demonstrationen sowie gewerkschaftlichen Arbeitskampfmaßnahmen, wurden und werden durch zivile Kräfte des örtlichen politischen Kommissariats überwacht.“ Das ist ja sattsam bekannt. Nur in einem möchte ich widersprechen: es sind nicht unbedingt „Kräfte des örtlichen politischen Kommissariats“, die da im Einsatz sind. Seit langem begegnet mir am Rande von Kundgebungen immer wieder ein nicht mehr ganz junger Mann mit Stirnglatze, der in legerer Kleidung scheinbar unbeteiligt dort steht oder sitzt. Wir grüßen uns freundlich, denn wir kennen uns seit etwa 15 Jahren. Schon damals gehörte er zu einer Truppe, die mich zeitweise über Wochen und Monate hinweg polizeilich „begleitet“ hat – dies allerdings nicht aus politischen Gründen. Die Dienststelle, der er angehörte und vermutlich noch immer angehört, hatte im Lauf der Zeit viele Namen: Aufklärungs- und Festnahmekommando (AuFKdo), Zivilstreifenkommando (ZSK), Zivilstreifendienst (ZSD), „Dienstabteilung 5“ (DA 5). Heute heissen sie, glaube ich, „Verfügungseinheit“.

 

Repression gegen Anti-Repressions-Demo (22.1.11)

> Ankündigungen und Aufrufe zu dieser Demo


Ca. 700 DemonstrationsteilnehmerInnen - Berliner Str. / 22.1.11

Erster Augenzeugenbericht: Vorfälle während der Demonstration am 22.1.11

goest 22.1.11 / Die Demo hielt für eine Kundgebung am Waageplatz vor der Staatsanwaltschaft. Am Waageplatz stand die BFE-Kampftruppe bereit mit hochgezogenen Kapuzen, so dass man nur einen kleinen Ausschnitt ihres Gesichtes erkennen konnte. Der Kinnschutz der Helme ist ebenfalls so groß, dass er ebenfalls die untere Gesichtspartie bis zum Mund bedeckt. Ein leitender Polizist mit einem "I" auf dem Rücken monierte, dass die DemonstrantInnen keine Sonnenbrillen tragen dürfen und Schals nicht zu hoch im Gesicht getragen werden dürfen, sonst dürfe die Demonstration nicht weiterziehen.

Das Foto zeigt, wie die Demonstration nach einer Kundgebung vor der Staatsanwaltschaft am Waageplatz von Polizei blockiert und am Weitergehen gehindert wird.

Von den DemonstrantInnen wurde verlangt Schals nicht zu weit hoch zu ziehen und Sonnenbrillen abzusetzen.

Als sich in der Goetheallee zum wiederholten Male eine Polizeikette aufgebaut hatte stürmt die Demonstration darauf zu und nach kurzem Tumult zieht die Demo durch.

Das Foto zeigt zwei Polizisten, die durch fortlaufendes Filmen aus kurzer Distanz die Demonstrations-teilnehmerInnen provozieren.

Ein Polizist filmt, ein anderer dirigiert ihn mit der Hand auf der Schulter während dieser das Display betrachtet.

Ein Polizist filmte in der Goetheallee unablässig mit 3 Meter Abstand von der Seite aus die Demonstration. Als sich ein junger Mann zwischen ihm und der Demo aufhält, drängt der Polizist ihn erst ab und stösst ihn dann derart in den Rücken, so dass dieser nach vorne stolpert. In der Höhe der Leinekanalbrücke greifen sie den Demonstranten nochmals an. Daraufhin protestieren DemonstrantInnen gegen dieses Verhalten und stellen sich mit Transparenten um den Kamera-Polizisten und dessen Kollegen. Dann stürmen Polizisten aus Richtung Prinzenstraße in die Demomonstration auf der Leinebrücke.

Als DemonstrantInnen gegen das Filmen durch die Polizei protestierten, stürmten BFE-Einheiten mit Pfeffersprayeinsatz in die Demonstration.

Daraus entwickelt sich ein Tumult währenddessen Menschen , auch Unbeteiligte, an das Geländer der Brücke gequetscht werden wie z.B. eine ältere Dame (Name der Red. bekannt), die eine Rippenquetschung erlitt und ein Pressefotograf . Die Polizisten spritzen Kampfchemikalien ("Pfefferspray") in die Demonstration hinein. Dadurch werden ca. 10 Personen z.T. erheblich verletzt , so die erste Zählung von denen, die im Bereich Goetheallee auf dem Boden lagen, saßen oder behandelt werden mußten. Ein Mensch sitzt auf dem Bürgersteig, den Kopf nach hinten geneigt und bekommt von einem Helfer die Augen mit Wasser gespült. Auf die Frage, ob dieses Bild fotografisch dokumentiert werden darf , verneint der Betroffene leider, obwohl eine Anonymisierung zugesichert wurde. Daraufhin wird auf eine fotografische Dokumentation der gesamten Szene verzichtet. Ein Demonstrant kollabiert mit Atemnot und mehrfach laut aufschreiend vor Schmerzen. Er wird auf dem Boden liegend behandelt. Mehrere andere Menschen werden die Augen mit Wasser ausgespült, ein junger Mann irrt ohne Orientierung über die Straße, er kann aufgrund der Augenverletzung durch Pfefferspray nichts sehen und wäre fast über ein Hindernis gefallen, ihm wird von Passanten geholfen.

23.1.11 / Im Bericht der Polizeipressestelle , die offensichtlich die Version der beteiligten Polizisten übernommen hat ohne selbst dabeigewesen zu sein, hieß es dann: "Bei einem weiteren Zwischenfall in der Goetheallee mussten die Einsatzkräfte vereinzelt den Schlagstock und Pfefferspray einsetzen, weil Versammlungsteilnehmer sie bedrängt und mit Transparentstangen angegriffen hatten."

 

Polizei-Kampftruppe "BFE-Einheit" verletzt 30 DemonstrantInnen

22.1.11 / Aus Pressemitteilung der A.L.I. "(...) Zu mindestens 30 Verletzten kam es bei zwei Angriffen durch sogenannte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE). Nach einer Zwischenkundgebung vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft am Waageplatz verhinderten Polizisten ein Weitergehen der Demo, prügelten mit Tonfa-Schlagstöcken auf Menschen ein und entwendeten zahlreiche Transparente und Fahnen. Hier erlitten mindestens 5 Personen Prellungen und kleinere Platzwunden. Wenig später wiederholten sich in der Goetheallee diese Szenen. Ein Kamerateam der BFE inszenierte an der Leinekanalbrücke einen Zwischenfall, für den es weitere Beamte zur Hilfe beorderte. Eine Einheit der Prügeltruppe schlug sich daraufhin, großflächig Pfefferspray versprühend, durch die Demonstrationsspitze und verletzte dabei mindestens 25 weitere Menschen. Augenverletzungen und Atembeschwerden mussten von SanitäterInnen auf der Goetheallee behandelt werden. "Wir haben heute einen deutlichen Vorgeschmack davon bekommen, was uns bevorsteht, wenn diese Gewalttruppe in Göttingen stationiert wird",

Weiterhin berichtet die A.L.I einem Mitglied der "Initiative BürgerInnen beobachten die Polizei" mit Strafanzeige gedroht worden "weil angeblich ein filmender Polizist gefilmt wurde".
Der 20-jährigen Martin R. nach dem seit zwei Wochen bundesweit gefahndet wird, weil er sich der DNA-Entnahme entzogen hatte, nahm nach Darstellung der ALI ebenfalls an der Demonstration teil: "Ich bin wieder da und werde von nun an meinen Lebensalltag wieder aufnehmen!" erklärte "Martin R." in einem Redebeitrag in der Weender Straße."Die ALI kündigte an: "Sollte die Polizei unseren Freund und Genossen festnehmen und zwangsweise zur DNA-Abnahme vorführen, fordern wir alle auf, hinzuzueilen und den verfolgten Antifaschisten nicht mit der Polizei alleine zu lassen". Für den Abend einer solchen erzwungenen DNA-Abnahme wird um 18.00 Uhr am Markt / Gänseliesel eine Kundgebung stattfinden.

ver.di-Jugend fordert Kennzeichnung zur Identifizierung von Polizisten 24.1.11
"Eine Sprecherin der ver.di Jugend kommt zu der Einschätzung: „Die Demonstration am Samstag hat unter anderem verdeutlicht, wie dringend wir eine Kennzeichnungspflicht für Einsatzkräfte brauchen, um unser Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einklagen zu können.

Studierendenverband die Linke.SDS: Übergriffe gegen friedlich gestimmte Demonstranten 23.1.
Auf der Demonstration gegen Polizeigewalt am Samstagnachmittag kam es zu gewalttätigen Übergriffen der Polizei gegen friedliche Demonstranten. Wie Beobachter des Studierendenverbandes die Linke.SDS übereinstimmend feststellten, verlief die Demonstration über den gesamten Zeitraum friedlich. Umso unverständlicher war das Verhalten der Polizei, die wahllos Demonstranten durch den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray verletzte.

Patrick Humke, MdL Partei: Neues Versammlungsgesetz soll Demos verhindern 22.1.
bei einer Ansprache während der Demo für die er auch als Anmeldender auftrat verwies er auf die zukünftigen Schikanen des neuen Versammlungsgesetzes in Niedersachsen, "welches letztlich in seiner Wirkung vielmehr ein Versammlungsverhinderungsgesetz ist. So muss z.B. künftig der Leiter der Demonstration Anzahl und persönliche Daten von Ordnern angeben muss, wenn es die Behörde verlangt, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist; Persönliche Daten des Leiters aber auch der Ordner können bei Polizei und Verfassungsschutz abgeglichen werden. Deren Auskünfte können zur Ablehnung des Leiters oder der Ordner führen. Bild- und Videoaufzeichnungen können mehr oder weniger willkürlich vorgenommen werden, ..."

 

BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz

Übergriffe protokollieren: Hilfe durch Leitfaden

15.1.11 / Gedächtnisprotokoll-Leitfaden zum Download: Situationen, in denen es zu Festnahmen oder Polizeigewalt kam, sollten von den Betroffenen und auch den ZeugInnen grundsätzlich in einem Gedächtnisprotokoll festgehalten werden. Gedächtnisprotokolle dienen dazu, Beschuldigte und ZeugInnen für den Fall von Strafprozessen zusammenzubringen, bei Anzeigen gegen gewalttätige PolizeibeamtInnen, bei eventuell sehr viel später folgenden Prozessen Tathergänge rekonstruieren zu können und einen Überblick über das Ausmaß des Geschehens zu bekommen. Diese Protokolle sind nicht zuletzt für AnwältInnen eine wertvolle Unterstützung ihrer Arbeit. Um das Schreiben eines Gedächtnisprotokolls zu vereinfachen und damit keine wichtigen Angaben vergessen werden, haben die "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" in Zusammenarbeit mit Anwälten einen >>Gedächtnisprotokoll-Leitfaden erstellt und stellen diesen auf der Seite zum Download zur Verfügung.

BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz
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um Tag der offenen Tür bei der Polizei 2010

Wir, die neu gegründete Initiative "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz", nutzten am vergangenen Samstag den "Tag der offenen Tür" der Göttinger Polizei um die BesucherInnen über Beispiele polizeilichen Fehlverhaltens aus jüngerer Zeit zu informieren. Wir freuen uns über die große Offenheit der Teilnehmenden, sich mit unserer Kritik an Polizei und Justiz vertraut zu machen. Zugleich wirft die Werbeveranstaltung der Polizei - ausgerechnet unter dem Motto "Zivilcourage"- einige Fragen auf: Wie rechtfertigt die Polizeidirektion Göttingen die Verwendung des Begriffs "Zivilcourage", wenn sie es gleichzeitig nicht zulässt, auf ihrem Gelände couragiert Kritik an polizeilichem Handeln öffentlich zu äußern? Was hat es mit "Zivilcourage" zu tun, wenn Kinder Uniformen und Schlagstöcke ausprobieren können und ihnen Waffen präsentiert werden? Wie passt die Verwendung des Begriffs "Zivilcourage" dazu, dass die Polizei gegenüber der Öffentlichkeit Transparenz grundsätzlich verweigert? Während DemonstrantInnen stets mit Feststellung und Speicherung ihrer Personalien rechnen müssen, sind gleichzeitig Übergriffen durch Polizeibeamte aufgrund der fehlenden Kennzeichnung des/der einzelnen Beamtin/ des Beamten weiterhin Tür und Tor geöffnet.
Die Göttinger Initiative "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" fordert daher ebenso wie Amnesty International eine Kennzeichnung für Polizeibeamte und -beamtinnen sowie die Einrichtung unabhängiger Untersuchungskommissionen bei Vorwürfen gegen Polizisten. Im Vorfeld hatten wir Kontakt aufgenommen und bekamen die ablehnende Auskunft, es gäbe keinen Platz mehr auf dem Gelände, unsere Anfrage sei zu kurzfristig vorgetragen worden. Angesichts vieler Freiflächen auf dem Gelände erscheint uns dies im Nachhinein als Schutzbehauptung, was auch Polizeipräsident Kruse im persönlichen Gespräch bestätigte. Sinngemäß gab er ganz unumwunden die Auskunft, dass ein Informationsauftritt unserer Gruppe auf dem Polizeigelände an diesem Tag nicht erwünscht gewesen sei. Dies sei ihr Tag und dort würde sich die Polizei so vorstellen, wie sie es wolle. Wir finden es bedauerlich, dass die Polizeiführung nicht die Courage hatte, kritische Stimmen auf ihrer Veranstaltung zuzulassen. Die "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" treffen sich jeden ersten Donnerstag im Monat um 19 Uhr in den Räumen von Arbeit und Leben, Lange Geismarstr. 72-73

Rechts:Button der Göttinger BürgerInnen beobachten die Polizei und Justiz

Unten: Rund um das Gelände verteiltes Flugblatt Dokumentation des Textes (ohne Layoutübernahme - Blaue Schrift - Zitate der Polizeiveröffentlichungen)

Göttinger BürgerInnen beobachten die Polizei und Justiz

ZIVILCOURAGE HAT VIELE GESICHTER - ZEIG DEINS.

fordert uns das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration auf und nennt sechs kluge Möglichkeiten, Zivilcourage zu zeigen. Wir haben Zivilcourage, wir zeigen Zivilcourage. "Jeder kann etwas tun, wenn anderen etwas getan wird" diesen Ausspruch des Ministers Schünemann nehmen wir ernst.

1. Gefahrlos handeln. Das Wichtigste zuerst: Behalten Sie immer einen kühlen Kopf […] Provozieren Sie den oder die Täter nicht, aber geben Sie zu verstehen, dass sie nicht bereit sind, Gewalt gegen andere zu akzeptieren.

NPD-Demo 13. Mai 2006: Polizeibeamte überprüfen Demonstranten, einer entzieht sich der Kontrolle. Darauf hin wird er festgehalten und auf die Erde geworfen. Ein Journalist gibt dem handelnden Polizeibeamten durch Hand auf den Rücken legen zu verstehen, dass er die Gewalt gegen den anderen nicht akzeptiert. Folge: Der Journalist wird angeklagt, einen Beamten weggezerrt, getreten und Widerstand geleistet zu haben. Ein Videoband beweist das Gegenteil.

2. Mithilfe fordern Gemeinsam lässt sich mehr erreichen. Deshalb: Machen Sie auch andere auf die Situation aufmerksam. […]

Oktober 2006, Demo gegen die zunehmende Unterhöhlung des Versammlungsfreiheit durch die Polizei. Die Polizei, gereizt, erläßt zahlreiche Auflagen, kesselt die Demonstration ein und filmt ununterbrochen. (2 Jahre später wird dies Vorgehen als rechtswidrig eingestuft). Unter den Demonstranten befinden sich Schlapphüte, Clowns und Weihnachtsmänner. Nikoläuse machen andere mit Schildern "Vorsicht Kamera" auf das rechtswidrige Filmen aufmerksam. Nicht lange, dann wird einem das Pappschild weggerissen. Folge: Anklage,damit einen Polizeibeamten geschlagen zuhaben. Ein Video zeigt allerdings, dass der Polizei-Kameramann das Pappschild heruntergerissen und damit einen Kollegen leicht an der Mütze getroffen hatte. (Broschüre "Für gesellschaftliches Engagement - Gegen Kriminalisierung und politische Justiz", herausgegeben vom Göttinger Anti-Repressionsbündnis, 2010 S. 23 ff)

3. Genau hinsehen. Wenn die Täter erst einmal weg sind, braucht die Polizei Anhaltspunkte, um sie zu ermitteln. Eine genaue Beschreibung macht dann oft den Unterschied. Achten Sie darum auf jedes Detail: Unter Umständen gibt das kurz darauf den Ausschlag, um die Tatverdächtigen zu stellen.

Der Kampfanzug und die fehlende Kennzeichnung der Polizeibeamten verhindern eine genaue Beschreibung. Umgekehrt ist es hingegen so, dass auch falsche Beschreibungen von Polizeibeamten Angeklagte belasten.

Januar 2008 : Besetzung eines Zimmers in der Uni Göttingen, um einen selbstverwalteten Raum zu schaffen. Nach der Räumung demonstrieren nachts friedlich 300 Menschen. Ein Polizeibeamter behauptet, von einem Demonstranten geschlagen worden zu sein. Dessen Personenbeschreibung ist widersprüchlich bzw. falsch. Der Polizeibeamte hatte also nicht auf jedes Detail geachtet, wie empfohlen. Dennoch wird der Demonstrant verurteilt. (Broschüre, S. 15 ff)

4. Hilfe holen Notrufe sind kostenfrei […] Beantworten Sie die W-Fragen: Wer? Was? Wann? Wo? Und behalten Sie nichts für sich, das womöglich wichtig sein könnte: Auch Vermutungen helfen der Polizei oft weiter.

Die Göttinger Polizei greift gern mal auf Vermutungen zurück. Beim sog. Anschlag in der Teeküche in Landkreishaus mutmaßte sie schnell, "dass der Brandanschlag … aus dem linksextremistischen Umfeld begangen wurde." Nach acht Monaten Ermittlungen ist unklar, wer und was die Verpuffung in der Teeküche hervorgerufen hat.

5. Opfer versorgen
Wenn jemand verletzt ist, zählt manchmal jede Sekunde: alarmieren Sie sofort den Rettungsdienst und kümmern Sie sich unverzüglich um Verletzte. […]

Amnesty International zählt in seinem Bericht 2010 "Täter unbekannt" Fälle von mutmaßlicher Misshandlung und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung seitens der Polizei auf, in denen nicht sofort der Rettungsdienst alarmiert und sich nicht um die Verletzten gekümmert wurde.

6. Als Zeuge bereitstehen
Die Täter zu fassen ist das eine, sie später auch bestrafen zu können ist das andere. […] Wer sich als Zeuge zur Verfügung stellt, trägt entscheidend dazu bei, unser Zusammenleben sicherer zu machen. Wir zählen auf Sie!

November 2009, 20. Todestag von Conny Wessmann. Die Trauerdemonstration wird eingekesselt, an der Todesstelle greift die Polizei den Zug an und nimmt zwei Personen, darunter einen 14-jährigen Jungen, fest. Ein Göttinger Landtagsabgeordneter bittet um Auskunft über die Aktion. Die Reaktion: Schläge und Wegstoßen. Folge: Anzeige, weil der Landtagsabgeordnete sich mit Anlauf in die Polizeikette geworfen haben soll, um zu dem Festgenommenen zu gelangen. Zeugen stehen zur Verfügung: die Polizeibeamten, mehrere Demonstrationsteilnehmer. Die Ermittlungen werden aufgenommen. Auf Videoaufnahmen ist nichts zu erkennen von einem Angriff auf die Polizeibeamten. (Broschüre, S. 13 f)

Jede/Jeder kann etwas tun, wenn anderen etwas getan wird – das tun wir:
bei Abschiebungen von Asylsuchenden
bei Castortransporten
bei Nazi-Aufmärschen
bei Falschbeschuldigungen durch Polizeibeamte
bei Angriffen auf Minderheiten

ZIVILCOURAGE HAT VIELE GESICHTER - DAS IST UNSERES

ViSdP: Karin Kuckuk, Hainholzweg 15, 37085 Göttingen

>> Homepage der Initiative

 

Tag der offenen Tür

Gewalt und Puppenspiel

Ob etwas als Gewalt empfunden wird, das, so die Auskunft am Stand "entscheidet jeder Polizeibeamte selbst".

(Das Foto zeigt keinen Angriff gegen die dort stehende Polizistin, es ist lediglich eine Geste des Besuchers im Gespräch - hoffentlich hat das die Polizeibeamtin auch so verstanden)

Die Puppenbühne der Polizei Göttingen besteht schon seit 1977. Das Verkehrspuppenspiel für Kinder zwischen 3 und 7 Jahren soll die Verkehrsregeln vermitteln.

Für die Kinder der 5. und 6. Klassen der Sekundarstufe II wird ein Puppenspiel zur Gewaltprävention angeboten.

Foto: Verkehrspuppenspiel am Tag der offenen Tür

Pressemitteilung der GRÜNEN JUGEND Göttingen vom 2. September 2010

"Zivilcourage zeigen – Kundgebung gegen Polizeigewalt am 04.09. Am 04.09. findet in der Polizeidirektion Göttingen ein Tag der offenen Tür statt. Geplant ist ein großes Familienfest mit Musik und Shows, welches die Polizei gegenüber den Bürger_Innen als nette „Freunde und Helfer“ darstellen soll. Die GRÜNE JUGEND Göttingen stellt sich gegen diese undifferenzierte Selbstinszenierung der Polizist_Innen. Polizeigewalt ist ein immer wichtigeres Thema in der Gesellschaft, was nicht zuletzt der kürzlich veröffentlichte Bericht von Amnesty International zeigt, in welchem mitunter menschenrechtsverachtendes Verhalten der Polizei aufgedeckt wurde. Deshalb rufen wir zu einer Kundgebung vor dem Polizeigelände am 04.09. von 12 bis 15 Uhr auf, in welcher wir über das Vorgehen und besonders die Gewalt gegen Zivilist_Innen seitens der Polizei aufklären wollen. Ironischerweise hat sich die Polizei für ihre Feier das Thema Zivilcourage ausgesucht. Wie man vom Staatsapparat behandelt werden kann, wenn man sich in ebendieser Hinsicht engagieren will, hat die GRÜNE JUGEND erst kürzlich erfahren: Unser geplantes Blockadetraining für den Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf wurde verboten, und auch auf in Bad Nenndorf selbst zeigte sich die Polizei teilweise übertrieben brutal. Selbst unbeteiligte Anwohner bekamen die Aggressivität einiger Beamter zu spüren. „Wer sich entschließt, als Polizist_In zu arbeiten, sollte ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung besitzen, da man mit Situationen wie denen in Bad Nenndorf rechnen muss. Es ist die Aufgabe der Polizei, keine Personen einzusetzen, die leicht reizbar oder gewaltbereit gegenüber Demonstran_Innen sind.“ kritisiert ein Mitglied der GRÜNEN JUGEND. Am 04.09. wird die GRÜNE JUGEND bei der Kundgebung mit einem Stand vertreten sein, an dem wir nochmals ausführlich über unser Blockadetraining und andere Erfahrungen mit der Polizei berichten werden. Außerdem gibt es Informationen zum Bericht und der Kampagne von Amnesty International („Nichts zu verbergen – Mehr Verantwortung bei der Polizei“) und zu weiteren Fallbeispielen polizeilicher Gewalt und Unterdrückung im Raum Göttingen."


Infotisch von "Grüne Jugend" und "Gegenstrom"
auf der Kasseler Landstraße gegenüber dem Polizeigelände

Pressemitteilung der Gruppe Gegenstrom Göttingen 1.9.2010

"Für ein Ende der PolizeiGewalt ! Am 4. September ist Tag der offenen Tür bei der Polizeidirektion Göttingen. Die Polizei feiert sich selbst und hat sich dazu noch das passende Thema „Zivilcourage“ ausgesucht. Dabei hat die Polizei in Göttingen gerade in letzter Zeit mal wieder deutlich gemacht, dass sie weder Freunde noch Helfer sind. Im Rahmen der absurden Ermittlungen aufgrund des Brandes in der Teeküche der Ausländerbehörde durchsuchte sie ein selbstverwaltetes Wohnprojekt, kontrollierte tausende FahrradfahrerInnen auf der Suche nach „Rechtsaufsteigern“ und phantasiert von linkem Terrorismus wegen ein wenig Alleskleber, der Feuer gefangen hat. Auf Demonstrationen tritt sie aggressiv und brutal auf und in der Nacht stürmt sie dann in Wohnungen von „nicht-deutschen“ Menschen, verschleppt diese und schiebt sie gegen ihren Willen in ihre vermeintliche „Heimat“ ab. Während selbst Amnesty International in einer aktuellen Kampagne die Polizeigewalt und Straflosigkeit der Beamten anprangert; während die Polizei Proteste gegen Naziaufmärsche brutal verhindert; Zivilcourage verfolgt oder – wie jüngst das Blockadetraining der Grünen Jugend in Göttingen – verboten wird; während PolizistInnen mit über 1.600 Körperverletzungen im Amt die Statistik der politisch motivierten Gewalt 2009 anführen, will sich die hiesige Polizeidirektion mit Familienspaß und Technikshow als Beschützerin des gesellschaftlichen Friedens darstellen. Stattdessen ist jeder Streifenwagen nur trauriger Ausdruck davon, dass wir noch immer in einer Gesellschaft leben, die auf Gewalt gegründet ist und nur durch die permanente Androhung und regelmäßige Ausübung von Gewalt funktioniert. Die abstrakte Gewalt der gesellschaftlichen Ordnung konkret durchzusetzen, das ist die Aufgabe der Polizei. Zugleich ist die Existenz der Polizei auch ein Beleg, wie viel Gewalt zwischen den Menschen stattfindet, wie viel Aggression, Wut und Gleichgültigkeit das Gesellschaftssystem tagtäglich produziert. Der lähmenden Argumentation, die Polizei sei aufgrund der Diebe, Mörder und Vergewaltiger notwendig, stellen wir die Frage nach den gesellschaftlichen Ursachen dieser Gewalt entgegen. Kommt zur Kundgebung mit Infotischen am Samstag den 04.09.2010 um 12 Uhr bis 15 Uhr in der Nähe der Polizeiwache! "


Polizeihubschrauber am Leineufer mit Publikum des Tags der offenen Tür 2010
>> ganz andere Art von Polizeihubschraubereinsatz

Die Fraktion der WählerInnengemeinschaft Göttinger Linke (GöLinke) hat einen Antrag zur Sitzung des Rates der Stadt Göttingen am 10.9.2010 mit folgendem Wortlaut gestellt:

Entschuldigung der Göttinger Polizei
"Der Rat der Stadt möge folgende Resolution beschließen: Der Rat der Stadt Göttingen fordert die Göttinger Polizei, in Person von Polizeipräsident Robert Kruse, auf, sich für grobe Verfehlungen und Falschinformationen im Kontext der Ermittlungen einer Verpuffung im Kreishaus, bei der falsch informierten Öffentlichkeit und den in Mitleidenschaft Gezogenen Personen zu entschuldigen. Der Rat der Stadt Göttingen nimmt diese Rufschädigung von jungen Göttinger Bürgerinnen und Bürgern nicht hin und hofft, dass derartige Verfehlungen eines hochrangigen Beamten der Polizei ein weiteres Mal nicht vorkommen mögen. Dieser Beschluss des Rates der Stadt Göttingen wird dem niedersächsischen Landtag und dem Innenminister Schünemann zur Kenntnis gegeben.
Begründung: Als am 22. Januar diesen Jahres in einer Teeküche im Kreishaus eine Verpuffung stattfand, in deren Folge ein Mitarbeiter des Kreishauses verletzt wurde, informierte die Polizei die Öffentlichkeit von einem Anschlag Linker Aktivisten. Die Polizei teilte der Öffentlichkeit mit, dass ein vorgefundener Zettel mit der Forderung nach einem Abschiebestopp als Bekenner-schreiben gewertet werde. Die Bundesanwaltschaft wurde informiert, dass möglicherweise in Richtung versuchter Totschlag ermittelt werden müsse. Am 28. Januar durchsuchte die Polizei eine Wohnung in der Roten Strasse. Polizeivizepräsident Fladung wertete die Durchsuchung "als vollen Erfolg. Bei der benutzten "unkonventionellen Brand- und Sprengvorrichtung" habe es sich um "einen szenetypischen Brandsatz" gehandelt. Es sei "die Bewertung zulässig", dass "linksextremistische Gewalt zunimmt". Inzwischen wissen alle ein bisschen mehr, und wissen trotzdem immer noch nichts genaueres. Was hat die Göttinger Polizei unternommen, um das tatsächliche Geschehen im Kreishaus aufzuklären? Die offizielle Version, des "szenetypischen Brandsatzes" - Streichhölzer mit einer oder zwei Tuben Uhu - ist mittlerweile unglaubwürdig. Erst recht unglaubwürdig ist, dass damit eine Tötungsabsicht in Verbindung gebracht werden soll. Worin besteht der "volle Erfolg" der Hausdurchsuchung in der Roten Strasse? Auf den be-schlagnahmten Computern wurden keine Hinweise zu einem Anschlag gefunden. Der voll-kommen Überzogene Einsatz der sogenannten Maintrailer-Hunde verkommt angesichts ei-ner gutachtehrlichen Stellungnahme die besagt, dass der Einsatz der Hunde nicht beweis-relevant sei zur Farce. Offensichtlich ist die Polizeiführung in Göttingen nicht in der Lage, glaubwürdig ihre Arbeit zu erklären."

 

Einkesselung live, Wettbewerb um den goldenen Schlagstock ...?

Satirische Vorschläge zur Einbeziehung von vernachlässigten Tätigkeitsbereichen in die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei:

Dass die Polizei als ausführendes Organ politischer Repression tätig wird, steht bei der folgenden Satire im Vordergrund, weil dies beim "Tag der offenen Tür" völlig ausgeblendet wird. Die Polizeitätigkeiten umfassen eine große Zahl sinnvoller Aufgaben, aber der Mißbrauch der Polizei für die Durchsetzung politischer (und manchmal unmenschlicher) Fehlentscheidungen gegen die Bevölkerung kann nicht mit freundlicher Imagepflege aus der Welt geschafft werden.

Um die Widersprüchlichkeit von Sicherheits- und Ordnungsfunktion einerseits und politischer Repression andererseits bei solchen Veranstaltungen deutlich zu machen, könnte man folgende Aktionen für den Tag der offenen Tür mit einbauen:

1.) Einkesselungen live! Einzelne BesucherInnengruppen werden plötzlich von Polizeitrupps eingekesselt und dürfen 3 Stunden lang nicht raus, auch nicht aufs Klo. Das ist Abenteuer, das kribbelt, da hat man was zu erzählen. Und vor allen Dingen ist es so wie es sich immer wieder real abspielt bei Demonstrationen.

2.) Demo live! Filmaufnahmen von Prügelszenen gegen Castortransport-GegnerInnen werden auf Großbild vorgeführt. Eine Jury der christlichen Polizeivereinigung wählt die besten Szenen aus, der Gewinner erhält später auf der Bühne den goldenen Schlagstock überreicht.. Evtl. noch erreichbare Geschädigte werden auf der Bühne live mit vorgeführt.


Familienausflug mit Kindern

3.) Abschiebung - hautnah dabei ! Familien auf Besuch beim Tag der offenen Tür werden von Polzeitrupps überfallen, man erklärt ihren Paß für ungültig, ein Familienmitglied wird rausgerissen, in den Hubschrauber verfrachtet und zwecks Abschiebung auf die andere Seite der Leine geflogen. Parallel dazu wird die Nachricht verbreitet, der Abgeschobene habe unverschämterweise Widerstand geleistet hat und auch die Familie habe sich gewehrt. Da bekommt man das richtige Gefühl für die Arbeit der Polizei.

4.) Aus der Telefonüberwachung in Göttingen werden die schönsten Gespräche über Lautsprecher vorgespielt, dazu wird mit einer Power-Point-Präsentation heimlich aufgenommenen Bildmaterials aus dem Leben der jeweils sprechenden Personen gezeigt. in den Pausen spielt wieder die Göttinger Band Panzerknacker.

5.) Ein Vertreter der christlichen Polizeivereinigung hält Vorträge zu Themen wie: "Der finale Rettungsschuß in Putativnotwehr als Akt der Nächstenliebe" (siehe unten) oder "Der Schutz von radioaktiven Entsorgungsparks als ein Gleichnis der Paradies-Erettung" oder "Die Polizei als Reisebegleitung in fremden Ländern - Abschiebung eine vielfach verkannte Reiseform"

6.) Es wird eine Bilderausstellung von Bißwunden durch Polizeihunde bei Demonstrationen gezeigt - der schönste Biß wird prämiert.

Wir meinen, erst durch solche Beiträge würde die Leistung der Polizei in vollem Umfang gewürdigt. Es bringt doch nichts, wenn diese Bereiche einfach verdrängt werden, so etwas muß doch auch Bestandteil eines Tages der offenen Tür sein.

Keine Satire, sondern Realtität:
Christliche Polizeivereinigung: "Richtig gelebter Polizeitdienst ist praktizierte Nächstenliebe"


Christliche Polizeivereinigung mit Sprüchen auf der Stellwand, die nicht zu allen polizeilichen Aktivitäten passen

Beim Tag der offenen Tür 2005 wurde an einigen Informationsständen versucht, die Polizei als Schützerin von Umwelt und Tieren darzustellen.

Und dann gab noch die "Christliche Polizeivereinigung" mit Aufschriften wie "Richtig gelebter Polizeitdienst ist praktizierte Nächstenliebe" (Ein Zitat des bayrischen Innenministers Beckstein) oder "Die öffentliche Gewalt steht im Dienste Gottes zum Nutzen für jeden Einzelnen" (Die Bibel, Römerbrief 13) dazu ein Foto, wo ein Bereitschaftspolizist in Montur einem Punk mit Irokesenschnitt Feuer für die Zigarette gibt. Also besser kann des Zukleistern des öffentlichen Bewußtseins nicht beschrieben werden.

Die Polizei will sich als neutrale Sicherheits-Service-Institution darstellen und und vermeidet die Diskussion über ihre repressive Funktion

Warum das alles? Die Polizei hatte in der vergangenen Zeit ein negatives Bild in der Bevölkerung weil allzuoft klar wurde, dass sie neben den reinen Ordnungs- und Schutzfunktionen einen repressiven Charakter zur Durchsetzung von politischen Interessen gegen die Mehrheit der Bevölkerung hat: wie z.B. beim Einsatz gegen AntiAtomKraft-Demonstrationen, Anti-Castordemonstrationen oder zum Schutz von Naziparteien oder zur Durchsetzung menschenverachtender Abschiebungen. Diese zentralen dunklen Punkte der Polizei werden bei solchen Volksbelustigungen natürlich ausgeklammert. Da die öffentliche Kritik an der Polizei und die Stimmung als Machtfaktor entdeckt wurde, wird nun an der psychologischen Front gearbeitet. Es wird für Unterstützung der Polizeiarbeit in der Bevölkerung geworben indem sie als neutrale Sicherheits-Service-Institution dargestellt wird.

2005 waren die nebenstehenden Objekte noch ausgestellt. 2010 hat man völlig auf eine Darstellung der polizeilichen Tätigkeit in den Bereichen politischer Demonstrationen verzichtet.

2005 : Eingeschoben in die Vielzahl der Volksbelustigungsaktionen fanden sich damals z.B. noch die Aufzählung der Einsätze gegen Demonstrationen in Göttingen

 

2005: detaillierte Beschreibung von Kampfanzügen

Statt des Helms, der dann vielleicht doch etwas zu martialisch ausgesehen hätte und evtl. Leute zum Nachdenken gebracht hätte, nahm man lieber das leichte Barett für die Puppe.

2010 wird angeboten, über den Videoüberwachungswagen oder die "Ingewahrsamnahme"-Zelle zu staunen.

"Ingewahrsamnahme" heißt nichts anderes als Einsperrung ohne richterlichen Beschluß.

 

2005 Vorläufige Festnahme von KritikerInnen

2005: "35.000 Menschen im Alter von wenigen Monaten bis über 80 Jahren haben gestern den zweiten Tag der offenen Tür der Göttinger Polizei besucht. Vor fünf Jahren hatte es den ersten Tag der offenen Tür gegeben. Damals waren rund 25.000 Besucher gekommen. Obwohl der Beginn der Veranstaltung für 10 Uhr angekündigt war, strömten schon kurz vor 09:30 Uhr die kleinen und großen Gäste auf das Dienstgrundstück an der Groner Landstraße, um sich über das Angebot der Polizei zu informieren und den Kontakt zu ihrer Polizei zu suchen. Mit einem Rockkonzert der Göttinger Kultband "Die Panzerknacker" endete die Veranstaltung um 19 Uhr.
Höhepunkte für die Kinder waren u.a. das Kinderschminken, der Fahrradparcour, Fotoaufnahmen auf dem Motorrad, das Torwandschießen, der Polizeihubschrauber, der Kauf von Polizeihemden, die Vorführungen der Diensthunde, der Puppenbühne und des Singenden Polizisten. Ferner erhielten Interessierte Einblicke in die Spurensuche, Präventionstipps gegen Diebstahl, Gespräche mit der Polizeiseelsorge und Informationen über den Weißen Ring. Mittelpunkt der Veranstaltung war die Showbühne mit einem Nonstop-Programm von 10 bis 19 Uhr. Hier sahen die Gäste u.a. eine Höhenrettung der Berufsfeuerwehr Göttingen, Zauberer Gerhardo, Übungen der Bereitschaftspolizei und Dinner for one. Eingerahmt wurden diese Aufführungen von musikalischen Darbietungen der Bigband des Otto-Hahn-Gymnasiums und Hans mit seinen Polifriends. Durch das Programm führte der Moderator Andreas Lindemeier.
Während einer Vorführung der Diensthunde am Leineufer gegen 13 Uhr hatten rund 15 Personen auf der Otto-Frey-Brücke Transparente gegen die "Abschiebepraxis" entrollt. Nach dieser Aktion nahm die Polizei einen 23-jährigen im Dienstgebäude vorübergehend vorläufig fest. In seinem Rucksack fanden die Beamten: ein Diensthemd der Polizei, ein Merkbuch, ein Handy ohne Eigentumsnachweis sowie Flugblätter gegen die "Abschiebepraxis". Offenbar hatte er sich einer Führung durch die Polizeiwache angeschlossen und dann abgesetzt. Gegen ihn ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Weitere etwa zehn Sympathisierende erhielten Platzverweise."


Zuschauer bei der Vorführung der Hundestaffel - Hier wurde laut Polizeibericht gegen 13 Uhr ein Transparent mit Protest gegen die Abschiebepraxis der Polizei entfaltet.

Dabei sollte doch alles so niedlich sein ....


Halt Pop Stolizei

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Polizei - "Tag der offenen Tür" 2005

Publikum auf dem Gelände der Polizei während des Tags der offenen Tür

Die meisten Türen waren geschlossen, die Veranstaltung fand im Freien statt

Am 2.7.05 veranstaltete die Polizei auf dem Gelände der Göttinger Polizeizentrale Image-Pflege und lud die Bevölkerung zu allerlei Belustigung ein.

Kinder und Erwachsene werden mit technischem Spielzeug fasziniert

Bild links:

Fotos von Kindern auf einem Polizeimotorrad

Kleine Kinder durften auf dem Polizeimotorrad sitzen und sich fotografieren lassen oder Modellfahrzeuge anschauen, Erwachsene durften im Überschlagssimulator angeschnallt eine Rolle drehen.


Bild links: BesucherInnen durften angegurtet einen Überschlag mitmachen, die LKW-Kabine wurde an einem Simulator gedreht. Danach ließ man einen Dummy (hängt im linken Bild schlapp am Geländer) unangeschnallt in der Kabiner herumfallen. Bild rechts Modellfahrzeuge in Spielzeuggröße mit polizeilichem Bezug.

In den Großgaragen sang ein Polizistenduo mit Gitarre den Text, dass man beim Straßeüberqueren links und rechts schauen soll.


Gesangsduo mit Gitarre singt polizeilich relevante Lieder

"Festnahme Live" am Leineufer: da steht ein Tisch mit der Aufschrift "Bank" die geschützt werden soll und dann ist da ein böser Räuber, der vom Rottweiler in den Schutzanzug gebissen wird. Die ZuschauerInnen stehen dichtgedrängt am Geländer der Otto-Frey-Brücke oder am Leineufer und applaudieren.


Bank und Bankräuberspiel am Leineufer


Vorführung: Hund beißt Bankräuber, Hundestaffel mit Rottweiler

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Kinder- und Familienfest der Bundespolizei am Bahnhof

Am 4. Juli 2008 versucht die Bundespolizei mit Unterstützung der Poizeigewerkschaft ein Kinder-und Familienfest vor dem Bahnhof, einem der Zuständigkeitsbereiche der Bundespolizei , durchzuführen.

Die geringe Zahl an interessiertem Publikum wurde durch Polizeibeamte in Zivil und Uninformierte :-) aufgestockt, die zum Schutz gegen KritikerInnen anwesen waren.

Foto: Pewo

Wenn uns nicht alles täuscht, war auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Roland Schminke anwesend und wartete auf Publikum. Schminke war schon einmal für die Ordnung bei der Bahn aktiv, als die Lokführer streikten und er "Schluß mit dem Chaos" sowie ein Ende des Streiks forderte.

Die Bundespolizei sieht man am Göttinger Bahnhof sonst nur, wenn z.B. ein Castortransport durchfährt oder an den wenigen Tagen im Jahr an denen Koffer im Bahnhof gefunden werden.

 

Foto: Bahnhofabsperrung 2004 bei Castortransport

Während des Festes schrieben KritikerInnen mit Kreide ironische, sarkastische Sprüche auf den Boden und machten mit Transparenten darauf aufmerksam, dass die Bundespolizei mit ihrer Zuständigkeit für Bahnhöfe, Flughäfen und Grenzen immer häufiger auch die Abschiebepolitik polizeilich umsetzt.

Außer diesem friedlichen Protest war die Bundespolizei Ende 2007 aber auch mehrfach Ziel von Brandanschlägen auf ihre Dienstfahrzeuge gewesen. Siehe Artikel hierzu

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