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"Pfefferspray" - Kampfgaseinsätze der Polizei

> Polizei mit politischer Schlagseite
> BürgerInnen beobachten die Polizei

Das sogenannte verharmlosend "Pfefferspray" genannte Oleoresin Capsicum „OC“ darf in Deutschland nur als Abwehrmittel gegen Tiere verkauft werden. Eine Anwendung gegenüber Menschen ist nur bei Vorliegen einer Notlage und einem rechtswidrigen Angriff als Notwehr erlaubt. Der Einsatz durch die Polizei erfolgt durch Ausnahmegenehmigung der zuständigen Ministerien. Der Einsatz durch die Bundeswehr im Auslandseinsatz ist nach dem Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen kurz Genfer Protokoll, gegenüber Angehörigen gegnerischer Streitkräfte verboten. (nach Wikipedia/gekürzt)

 

Pfefferspray ist Gaseinsatz gegen Zivilbevölkerung

Stellungnahme der "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz", Göttingen,
aus Anlass des angekündigten massiven Pfefferspray-Einsatzes beim Castortransport 2011


Am Montag, den 7. November 2011, fand im Innenausschusses eine Expertenanhörung zu den Themen Pfefferspray und Kennzeichnungspflicht statt. Im Umfeld dieser fragwürdigen Anhörung (1) machte Rüdiger Reedwisch von der Polizeigewerkschaft DPolG bezüglich des Castortransportes deutlich, dass die Polizei erneut zu einem harten Durchgreifen bereit sein wird (2). Der nächste massive Pfefferspray-Einsatz ist also angekündigt. Wir sind aufgrund dieser polizeilichen Drohgebärde sehr besorgt und verurteilen diese scharf,

Medizinische Bedenken ignoriert: "Wir können nicht jeden fragen, ob er irgendwelche Medikamente nimmt", so Reedwisch (2). Diese Haltung kann nicht anders als ignorant bezeichnet werden, denn mit dieser Devise werden im Wendland oder anderswo weitere Todesfälle durch Pfefferspray bewusst in Kauf genommen. Die Warnungen aus medizinischer Sicht sind eindeutig: In der Begründung unserer Petition verweisen wir auf den Umstand, dass rund 25% der Erwachsenen Asthmatiker oder Allergiker sind, für die ein erhebliches Gesundheitsrisiko besteht. Somit riet Joachim Rahmann in der Expertenanhörung des Innenausschusses am Montag, 7. November 2011 (3) aus gutem Grund zu "extremer Zurückhaltung" beim Pfefferspray-Einsatz gegenüber Menschengruppen. Beim letzten Castortransport registrierten die BI Lüchow-Dannenberg und Demosanitäter 384 durch Pfefferspray Verletzte (4). Schätzungen gehen von insgesamt über 1000 Verletzten aus.

weil sie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit massiv bedroht: Herr Reedwischs Äußerung, wer sich ordnungsgemäß verhalte, "der kriegt auch kein Pfefferspray ab" (3) zeugt von erschreckendem polizeistaatlichem Denken. Im Rahmen unserer Arbeit, also der Beobachtung zahlreicher Versammlungen, wurden wir Augenzeugen mannigfaltigen rechtwidrigen Polizeiverhaltens. Dabei konnten wir viele Be- und Verhinderungen des im Grundgesetz, Artikel 8 allen Bürgerinnen und Bürgern garantierten Rechts auf friedliche Versammlung durch Polizeikräfte dokumentieren. Wer diese polizeiliche Willkür nicht augenblicklich hinnimmt, muss jederzeit damit rechnen, von den Einsatzkräften - genauso rechtswidrig - mit Pfefferspray angegriffen zu werden. Diese polizeiliche Praxis sowie deren Rechtfertigung nach Gutdünken der Einsatzleitung bei gleichzeitiger Unkenntnis oder gar bewusster Missachtung des gesetzlichen Rahmens, wie sie im obigen Zitat an die Oberfläche tritt, stellen eine ernsthafte Gefährdung eines der vornehmsten demokratischen Grundrechte dar.

weil sie das Ende der Politik und eine bedenkliche Nähe zu militärischen Niederschlagungsstrategien markiert: Zum Einsatz von Pfefferspray sagte Bernhard Witthaut, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, während der Anhörung in Innenausschuss, damit könne der Einsatz von Schusswaffen vermieden werden. Auch Jürgen Schubert, Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder, verwies darauf, dass man "zwischen Schusswaffe und Schlagstock" kein anders Mittel als Pfefferspray habe. Reedwisch argumentierte ebenfalls, Pfefferspray werde von Polizisten verwendet, um den Einsatz schärferer Mittel zu verhindern. (Alle aus (3).

Die Polizei kündigt nun einen weiteren flächendeckenden Einsatz von Pfefferspray und anderen Reizgasen an. Das tut sie im Bewusstsein, den Transport nicht mehr mit anderen Mitteln gegen den Protest und Widerstand von zehntausenden Bürgerinnen und Bürgern durchsetzen zu können. Die Politik hat hier vollständig versagt. Anstatt zum dringend notwendigen demokratischen Dialog zurückzukehren, wird eine bürgerkriegsähnliche Armada von 20 000 Polizeibeamtinnen und -beamten in Marsch gesetzt; Grundrechte wie Versammlungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit werden vorsätzlich mit Füßen getreten.
Zieht man den logischen Umkehrschluss aus der Äußerung "zwischen Schusswaffe und Schlagstock" habe man kein anderes Mittel als Pfefferspray, so drängt sich die Frage geradezu auf, zu welchem Mittel die Polizei wohl greifen würde, stünde ihr Pfefferspray nicht zur Verfügung. Diese Betrachtung ist entlarvend und erschreckend zugleich, zeigt sich doch gerade hier die umfassende Bankrotterklärung der Politik sehr deutlich. Aber gerade hiergegen entzündet sich immer stärkerer Protest und Widerstand, um die Mindestanforderungen einer demokratisch verfassten Gesellschaft zu verteidigen. Wir sind heute an einem Punkt angelangt, wo die Polizei offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, eine verfehlte Politik allein mit dem Schlagstock durchzusetzen. Wäre dies schon sehr bedenklich, so sind aber polizeiliche Mittel, die Tote bewusst in Kauf nehmen, absolut inakzeptabel.

Es ist nicht Aufgabe der Polizei, undemokratische Fehlentwicklungen von historischem Ausmaß mit quasi-militärischen Mitteln gegen eine große Mehrheit der Bevölkerung durchzusetzen. Tut sie es dennoch, so stellt sie sich außerhalb ihrer demokratischen Legitimation - ein Szenario, das alle alarmieren muss.

(1) Stellungnahme der "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz", Göttingen, an den Petitionsausschuss, 22.11. 2011:
(2) "Neues Deutschland" vom 11.2011
(3) Bericht über die Expertenanhörung des Innenausschusses am Montag, 7. November 2011, Textarchiv des Bundestages
(4) Reizgas und Schlagstock - die BI Lüchow-Dannenberg und die Demosanitäter ziehen Bilanz:

 

 

Petition gegen Pfefferspray unterzeichnen

10.6.11 / Die Göttinger Initiative "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" hat eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag eingereicht die das Verbot von Pfeffersprayeinsätzen fordert

>Direkter Link zur Petition

Die Initiative schreibt:
Bei Demonstrationen, Sitzblockaden und Verhaftungen setzt die Polizei immer häufiger ohne Not und in großem Umfang Pfefferspray ein. Gegen diese inflationär zunehmende polizeiliche Praxis hat die Göttinger Initiative "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" nun eine Petition an den Deutschen Bundestag eingereicht.
Darin fordert die Initiative, den Einsatz von Pfefferspray seitens der Bundespolizei gegen Versammlungen, Menschenmengen und Einzelpersonen soll mit Ausnahme der Notwehr zu verbieten. Außerdem soll mittels eines Bundesgesetzes sowie im Rahmen der Innenministerkonferenz die selbe Einschränkung für die Länderpolizeien erwirkt werden. Für AsthmatikerInnen (5 % der Erwachsenen) und AllergikerInnen (ca. 20 %), sowie für Menschen, die Beruhigungsmittel, Drogen sowie bestimmte Medikamente eingenommen haben, besteht ein erhebliches gesundheitliches Risiko. So ereigneten sich in Deutschland im Jahr 2009 mindestens drei Todesfälle nach einem Polizeieinsatz mit Pfefferspray, im Jahr 2010 ein weiterer und in diesem Jahr bereits einer. "Von Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Mittel kann keine Rede mehr sein, wenn z.B. eine Sitzblockade mittels Einsatz eines potenziell tödlichen Reizmittels aufgelöst wird.", schreibt die Initiative. Pfefferspray soll deshalb künftig nur noch ausschließlich zur Abwendung unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben der PolizistInnen erlaubt sein und dessen Verwendung dem Schusswaffengebrauch gleichgestellt werden.

Gaseinsatz gegen DemonstrantInnen ist gesundheitsgefährdend !

goest / "In den 90er Jahren haben mehrere europäische Staaten - u.a. Belgien, Luxemburg und die Schweiz - den Reizstoff Oleoresin Capsicum (OC) zur Polizeiwaffe erkoren. Herstellerfirmen preisen den aus scharfem Pfeffer gewonnenen Stoff - daher Pfefferspray - als "ideale nicht-tödliche Waffe". Seit kurzem ist sie auch in deutschen Polizeiarsenalen zu finden. Temporäre Blindheit bis zu 30 Minuten; ein brennendes Gefühl auf der Haut, das bis zu einer Stunde anhalten kann; Krämpfe im Oberkörper, die die Betroffenen zwingen, sich nach vorne zu krümmen; unkontrollierbarer Husten; Sprech- und Atemschwierigkeiten bis zu einer Viertelstunde - die Wirkungen von OC sind erheblich stärker als die anderer sogenannter Tränengase. Als pflanzliches Gift ist OC zwar durch das Abkommen über biologische Waffen von 1972 für den Kriegseinsatz verboten, nicht jedoch für den Einsatz im Inneren. (...) Besonders gefährlich ist OC für Personen, die unter Atemproblemen und Asthma leiden bzw. Medikamente oder Drogen nehmen. Schweden begründet seine Ablehnung des Pfeffersprays mit möglichen schweren Schädigungen der Hornhaut des Auges. Der STOA-Bericht beruft sich insbesondere auf die Ergebnisse einer Forschergruppe aus North Carolina (USA), wonach OC zu Schädigungen des Erbgutes, zu Degenerationen der Nervenfasern der Augenhornhaut und nervenlähmenden Hornhautentzündungen (die sich durch ein Hornhautödem manifestiert), Schädigungen von Gehirn, Leber und Nieren sowie Magengeschwüren führen kann. Dr. Stopford und seine KollegInnen nannten eine ganze Serie weiterer gesundheitlicher Risiken in Zusammenhang mit Pfefferspray: Augenschäden, Hautkrankheiten (Allergien, Blasen), Schädigungen von Atmungsorganen (Kehlkopfkrämpfe, Bronchialkrämpfe, Atemstillstand, Lungenödem), akuter Bluthochdruck und Unterkühlung. (..)
Die britischen Polizeien erwogen die Einführung von Pfeffergas, bis ein höherer Polizeibeamter sich zur besten Fernseh-Sendezeit life besprühen ließ, um zu beweisen, wie harmlos der Stoff sei. Die laufenden Kameras dokumentierten seine allergischen Reaktionen und die Panik, die ihn befiel. Die Tatsache, dass der Mann mehrere Wochen krankheitshalber dem Dienst fernbleiben musste, mag das Nachdenken über die gesundheitlichen Risiken von Pfefferspray beschleunigt haben. Dazu beigetragen hat wohl auch die Furcht vor möglichen Schadensersatzklagen von Polizeibeamten, die im Laufe ihres Berufslebens unweigerlich eine Dosis von Pfefferspray abbekämen."
>>Quelle : Bürgerrechte & Polizei/CILIP 69 (2/2001) abstand Pfefferspray "gefährdet die Gesundheit" Vermarktung, Einsatz und gesundheitliche Risiken von Steve Wright

 

Zum Weiterlesen:
>> Die Schwerpunktseite der "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" zum Thema:
>> Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags 2010
>
> Untersuchung der MdB Karin Binder: Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten 16.3.11
>> Verurteilung eines Polizisten wegen "Körperverletzung im Amt". taz vom 31.3.11
>> Statt Deeskalation wird Pfefferspray gespritzt .... taz 4.5.11