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Transparente an Studierenden-Wohnheimen

Offener Brief des Studentenwerks
Studentenwerk will Transparente verbieten

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Offener Brief des Studentenwerks

Der offene Brief ist im Original zu lang für eine Wiedergabe hier, wir verweisen auf die >>Dokumentation auf den Seiten des Studentenwerks.

20.11.14 / Nachdem der Geschäftsführer des Studentenwerks mehrfach kritisiert wurde wegen des Verbots von Transparenten an Studihäusern hat nun der Vorstandsvorsitzenden des Studentenwerks Göttingen, Prof. Dr. Hubert Merkel, in einem >>Offenen Brief den Geschäftsführer Magull verteidigt. (Merkel ist Prof an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Das Studentenwerk betreibt ein Bistro in der HAWK )


Magull und Merkel bei einem Pressegespräch 2012

Dr. Hubert Merkel beschäftigt sich mit den Pressemitteilungen und kritisiert, dass Dr. Magull insbesondere mit einer Stellungnahme der Grünen persönlich "in herabwürdigender Weise" angegriffen werde. Er beklagt dassdessen "Wohnort auf dem Land" ins Spiel gebracht werde um davon Unfähigkeit in städtischen Belangen abzuleiten. Darauf hätte die Kritik in der Tat ebenso verzichten können wie auf den Vorschlag, Magull wäre vielleicht besser zur Verwaltung von Altenheimen geeignet.

Merkel: Transparente per Mietvertrag "nicht gestattet"

Durch den Offenen Brief von Dr. Merkel wird jedenfalls auch geklärt, worauf sich das Studentenwerk bei seinem Kampf gegen Transparente rechtlich stützen will: in den Mietverträgen des Studentenwerkes, so Merkel, gibt es "die Regelung, dass das Anbringen von Außenantennen,Plakaten, Schildern und Transparenten an den Fassaden der Wohnheime nicht gestattet ist." Wenn dem so ist, könnte man sich rechtlich nur noch über den Begriff "Anbringen" und "Fassaden" streiten, also die Frage aufwerfen, ob Plakate im Fenster nicht Fassade betreffen und ob Transparente aus den Fenstern hängen kein "Anbringen" bedeutet. Juristisch zweifelhaft – also vor Gericht käme Magull wahrscheinlich durch.

Vorgeschobene Argumente
Etwas verwunderlich ist allerdings der Zeitpunkt, wo dies nun mit Härte durchgesetzt werden soll, nachdem seit mehr als 14 Jahren Transparente an den Häusern in der Roten Straße hängen. Denn zu diesem Zeitpunkt sind die Transparente Teil einer Auseinandersetzung um die Selbstverwaltung in den Häusern und dienen zur Meinungsäußerung zu einem Thema, bei dem Magull zum Streitgegner zählt. Die plötzliche Durchsetzung eines Transparentverbotes ist also der Versuch, die mediale Präsenz seiner Gegner in den selbstverwalteten Häusern zu beschränken.
Behauptungen des Studentenwerks, durch die Transparent könnten Fußgänger gefährdet werden sind eher vorgeschobene Begründungen, denn Transparente wurden nur in Einzelfällen mit wassergefüllten Plastikflaschen an den Enden beschwert und stellen kein Gefährdungspotential dar.

Seit mehr al 14 Jahren hängen das Transparente z.B. an den Häusern "Rote Straße" im Jahr 2000 "Gemeinsam Gegen Nazis"

Jetzt 2014 will Magull das auf einmal verbieten

Am Rande eine Frage grundsätzlicher Art nach den Grenzen der Meinungsfreiheit
Schließlich stellt Merkel eine Frage, die unabhängig vom gegebenen Anlass ein grundsätzliches Problem berührt: "Was wäre, wenn an einer Fassade des Studentenwerks ein Transparent hinge, das eindeutig keine Rechte verletzt und gleichzeitig ebenso eindeutig rechtsextremes Gedankengut zum Ausdruck brächte. Wäre das auch eine Bereicherung des Göttinger Stadtbildes und wäre das wirklich eine Bereicherung einer offenen Diskussionskultur? Würden Sie dann mit gleichem Eifer und gleicher Vehemenz für die Meinungsfreiheit an gerade dieser Hausfassade "kämpfen", oder müssten Sie dann nicht doch mit einem ganz anderen Ziel ganz anders argumentieren?"

 

Studentenwerk will Transparente verbieten

15.11.14 / Mehrere Hausgemeinschaften von Mietshäusern des Studentenwerks z.B. Rote Straße 4, haben mitgeteilt, dass der Geschäftsführer des Studentenwerks, Prof. Dr. Magull (ehemaliger Dekan der Chemie Fakultät) Aufforderungen verschickt hat, an der Außenwand sichtbare Transparente zu entfernen.

Die Transparente enthalten, soweit sie unserer Redaktion bekannt sind, keine Beleidigungen und/oder unwahre Aussagen. Vielmehr handelt es sich vorwiegend um politische Meinungsäußerungen. Prof. Magull versucht dem Vernehmen nach in Briefen am 30.10. und 13.11.14 unter Androhung mietrechtlicher Konsequenzen diese Meinungsäußerungen einzuschränken oder ganz zu unterbinden, wenn die Transparente bis 17.11.14 nicht abgehängt werden.

Es ist ein wenig befremdlich, dass ein ehemaliger Beamter (besondere Treuepflicht gegenüber Staat und Verfassung) dabei keine Abwägung unter Berücksichtung der grundgesetzlich verankerten Meinungsfreiheit vornimmt. Muß man tatsächlich an Artikel 5 Grundgesetz erinnern? "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre."

Der Schutz der Jugend und das Recht auf persönliche Ehre werden in den Transparenten nicht verletzt. Die Transparente gefährden auch nicht den Verkehr oder Fußgänger und aufgehängte Tücher beschädigen auch nicht die Fassaden. Aufgrund welcher Gesetze also meint Prof. Dr. Magull das Anbringen von Transparenten verbieten zu können? Gelegentlich wird in ähnlichen Fällen, die von Vermietern befürchtete Wertminderung einer Immobilie zum Gegenstand von Rechtstreits; weil Transparente angeblich Kaufinteressenten verschrecken könnten. Die Häuser des Studentenwerks stehen nicht zum Verkauf an, das kann also auch nicht Anlass für rechtliches Vorgehen sein. Und Mieter werden sich im Fall der Stuheime auch nicht von Transparenten abschrecken lassen, sollte ihnen bei der herrschenden Wohnungsknappheit einer der begehrten Wohnheimplätze angeboten werden.

Herr Magull überträgt möglicherweise unreflektiert die Zero-Tolerance-Strategie, wie sie im Bereich des Campus gefahren wurde, auf die Mietwohnungen für Studierende. Mit Zero-Tolerance (einem feststehenden Begriff der polizeilichen Prävention) auf dem Campus wurde irgendwann begonnen, alle Graffiti zu entfernen und das Aufhängen von Plakaten zu reglementieren bzw. streng an eine Anmeldung und Erlaubniserteilung zu binden. Nun denkt Magull offensichtlich, wenn er bislang unangefochten das Aufhängen von Plakaten an Wänden der Mensa als unerlaubte Werbung verbieten darf (>Auslagenverbot), dann darf er auch das Aufhängen von Transparenten an Studiwohnheimen verbieten. Das zeigt, dass die Einschränkung der Meinungsfreiheit auf dem öffentlichem Raum "Campus" früher hätte bekämpft werden sollen. (Siehe die goest-Seite Privatisierung des öffentlichen Raums )

Der 2014 neu gewählte SPD-Stadtverbandsvorsitzende Rechtsanwalt Christoph Lehmann hat sich in einer Erklärung gegen die Bemühungen Magulls um ein Transparentenverbot ausgesprochen. Ohne auf Rechtsfragen einzugehen, betone er vielmehr in einer Stellungnahme, man solle "annehmen, dass es derzeit weitaus dringendere Probleme mit studentischem Wohnraum gäbe, denen sich das Studentenwerk widmen sollte." (Zit.Quelle SPD)

Man ist tatsächlich geneigt, das ganze irgendwie als Kinderei zu betrachten, sowohl das Agieren Magulls als auch hilflose Reaktionen wie das Aufhängen von Transparenten mit der Aufschrift "Dieses Transparent ist verboten". Aber Vorsicht: der in der Verbotsdrohung versteckte Mentalität einer Einschränkung des öffentlichen Raumes und der Meinungsfreiheit sollte mit Ernsthaftigkeit begegnet werden. Deshalb sollten die Transparente hängen bleiben. Eine aufmerksame Öffentlichkeit sollte die rechtliche Klärung kritisch verfolgen und die Verteidigung der Meinungsfreiheit unterstützen.
(Allerdings gilt Meinungsfreiheit nicht nur für Meinungen mit denen man übereinstimmt! Dieses problematische Thema wird oft kurzschlüssig abgeschnitten)

 

Ratsfraktionen der Grünen und GöLinke haben am 17.11. Kommentare abgegeben:

GRÜNE: "Jörg Magull mag auf dem beschaulichen Land wohnen, wo politische Meinungsäußerungen durch Transparente nicht üblich sind. In Göttingen sind sie Teil einer lebendigen Stadtkultur. Sie gehören zu einem offenen und universitären Umfeld und insbesondere in der Roten Straße zu Göttingen wie das Gänseliesel", "Wir möchten die Stadt eher auffordern, diese Kultur als Teil des Stadtmarketings zu pflegen und sich über das Interesse an gesellschaftlichen Prozessen durch die Studierendenschaft zu freuen", "Das Ganze erinnert eher an Kindergartengeplänkel. Vielleicht sollte Jörg Magull lieber Altenheime verwalten, hier ist die Gefahr politischer Transparente nicht so groß. Aber Vorsicht, auch Senioren sind politisch engagiert und können ganz schön anstrengend werden."

GöLINKE: „Wir teilen die Meinung der Hausgemeinschaft, dass politische Aussagen in unser Stadtbild gehören. Gerade nach der Einigung im Konflikt zwischen Studentenwerk und den BewohnerInnen der Humboldtallee 9, erwarten wir einen anderen Umgang des Studentenwerks mit den BewohnerInnen der selbstverwalteten Häuser, schließlich gehören politische Transparente auch zu einer in Jahrzehnten gewachsenen politischen Kultur und Ausdrucksweise und sind feste Bestandteile einer Selbstverwaltung“, „Das Studentenwerk sollte sich nun um das dringende Problem der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum kümmern, statt selbstverwalteten Strukturen kleinliche Vorschriften zu machen.

Am 22.4.14 wurden in der Studi-Siedlung Theodor-Heuss Str. 13, Transparente aufgehängt

2014 Rote Str.

Als täglich über die Bombardierung des Gaza-Streifens durch die israelische Armee berichtet wurde hing dieses Transparent als deutliche Meinungsäußerung in der Roten Str.

Humboldallee 9 / 2014

Die Auseinandersetzung um die Selbstverwaltung der Wohnheime eskaliert 2014 durch die Versuche Magulls, seine Vorstellungen mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen.

Rote Str. 2014

Das Symbol der Wohnrauminitiative als Zusammenschluß der Studi-Wohnheime mit "Alle Häuser Bleiben" bezieht sich auch auf die Forderung nach dem Erhalt der kleineren "weniger wirtschaftlichen" Wohnheim-Häuser

Geiststr. 2009

Angesichts der damals drohenden (und inzwischen durchgeführten) Schließung hatten Bewohner_innen das Transparent "Stoppt die Schließung" aufgehängt

Inzwischen steht das ehemalige Wohnheim seit Jahren leer während gleichzeitig Studenten/innen händeringend Wohnungen suchen.


Transparent an den Häusern im Kreuzbergring 2006 (Foto: H.R.)