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Sinti / Roma

Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma durch die Nazis
Abgrenzung zwischen Sinti und Roma ?
Göttingen und seine Roma-Politik (Von Tilman Zülch 2009)
Großfamilie Weiß beharrt auf einer Unterscheidung
Warum Unterscheidung Sinti und Roma?
....romahistory.com
....Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
....Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
....Niedersächsischer Verband Deutscher Sinti e.V.

 

Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma durch die Nazis
Bzgl. "Sinti und Roma" sei auf den Artikel >"Abgrenzung von Sinti und Roma?" hingewiesen

Marianne Rosenberg und ihre Schwester Petra Rosenberg (Vorsitzende des Landesverbandes deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg) sowie der Gitarrist Ferenc Snétberger erinnern an die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma durch die Nazis. Mit einem Konzert und einer Lesung im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus" haben Marianne und Petra Rosenberg in Göttingen an die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma erinnert. Gedenkveranstaltung am Freitag, 27. Januar 2012, um 20 Uhr in der Aula am Waldweg, , Waldweg 26.

20.1.12 / (Text und Fotos © , Pressematerial der VeranstalterInnen )
Marianne Rosenberg liest aus ihrer Autobiographie "Kokolores". Ihre Schwester Petra Rosenberg liest aus den Erinnerungen ihres Vaters Otto Rosenberg "Das Brennglas". Ferenc Snétberger spielt Gitarrenimprovisationen aus seinem Werk "Themes for my people", das er den ermordeten Sinti und Roma gewidmet hat und das 2007 zum Tag der Befreiung im Haus der Vereinten Nationen in New York aufgeführt wurde, und begleitet Marianne Rosenberg bei themenbezogenen Chansons. "Die Sinti und Roma, die den NS-Völkermord überlebt haben", sagt Petra Rosenberg, Vorsitzende des Landesverbandes deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, "sind durch ihre traumatischen Erfahrungen so nachhaltig geschädigt worden, dass ihr Vertrauen in die bundesrepublikanische Gesellschaft gestört ist. Aber auch das Bewusstsein der zweiten und dritten Generation ist von der Erfahrung geprägt, Teil einer Minderheit zu sein, die von der völligen Vernichtung bedroht war und immer noch in hohem Maße unter Diskriminierung zu leiden hat." Ihre Schwester Marianne Rosenberg gehört zu den bekanntesten deutschen Sängerinnen. Seit drei Jahrzehnten kennt man ihre Lieder, ihr Leben ist dennoch wenig öffentlich: "Mein Weg erschließt sich aus der Geschichte unserer Familie", schreibt sie in ihrer Autobiographie "Kokolores". Der Vater, selber Musiker, entdeckte früh ihre Stimme und förderte ihr Talent. "Die Schicksale derer, die nicht überlebt hatten, begleiteten uns. Für meinen Vater war es ein Segen, dass ich sang, denn die Zeit der Almosen und Entbehrungen, der verlorenen Kämpfe um die ‚Blutgelder' war vorbei." Heute singt sie Jazz und Chansons. "Singt sie", so die FAZ, "in kaum erträglicher Intensität. Singt Gefühle, die ein Leben jagen.". "Sing mit dem Herzen", hatte ihr der Vater gesagt.


Ferenc Snétberger

Petra Rosenberg

Marianne Rosenberg

Otto Rosenberg, geboren 1927 in Ostpreußen und aufgewachsen in Berlin, schreibt in seinen Erinnerungen: "Wir waren seit jeher, solange ich denken kann und nach allem, was mir erzählt worden ist, deutsche Sinti. Wir waren nicht reich, wir hatten das Nötige, wir haben in Frieden gelebt. Und dann eines Morgens, es kann früh um vier, fünf Uhr gewesen sein, wurden wir durch SA und Polizei aufgeschreckt: 'Los, anziehen! Schnell, schnell!' Ich war gerade neun Jahre alt geworden." Für die Olympiade 1936 sollte Berlin ‚zigeunerfrei' sein. Familie Rosenberg wird in Berlin-Marzahn in eines der ersten kommunalen Zwangslager für rassisch Verfolgte gesperrt. Tausende werden von hier aus in die KZ verschleppt. Kurz vor seinem 16. Geburtstag sitzt Otto Rosenberg in einem Zug voller Kinder. Fein gekleidet, mit Stullentäschchen und Mappen. Sinti-Kinder, Roma-Kinder, ich weiß es nicht. Süße Gesichter, alle so sechs, acht Jahre alt, der ganze Waggon war voll. So kam ich in Auschwitz an." Otto Rosenberg hat Auschwitz überlebt, Buchenwald, Dora, Bergen-Belsen. Er hat den Tag seiner Befreiung erlebt. Bis zu seinem Tod 2001 kämpfte er für die Rechte der Sinti und Roma, ihre Anerkennung als Verfolgte des NS-Regimes. 500.000 Sinti und Roma fielen dem NS-Völkermord zum Opfer. Auch heute noch ist der Alltag vieler Sinti und Roma in Deutschland von Ausgrenzungserfahrungen geprägt. Es wird ein sehr persönlicher Abend, an dem Marianne Rosenberg und Petra Rosenberg an ihren Vater erinnern.

Die aus Lesung und Konzert bestehende Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus beginnt um 20 Uhr in der Aula am Waldweg, Göttingen, Waldweg 26. Einlass ist um 19 Uhr. Auf Wunsch der Mitwirkenden ist der Eintritt kostenlos. Kartenreservierung ist jedoch unbedingt erforderlich unter: 27.Januar@web.de oder DGB Göttingen, Telefon (0551) 44097. Spenden sind zur Deckung der Kosten erwünscht. Veranstalter sind das Bündnis "Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus - 27. Januar" in Kooperation mit dem Methodenzentrum Sozialwissenschaften, Universität Göttingen. Kartenreservierung: per Mail an 27.januar@web.de oder telefonisch beim DGB Göttingen unter (0551) 44097.

 

Abgrenzung zwischen Sinti und Roma ?


Foto und Plakat vom "Sinti & Roma Kulturfestival"

17.9.10 goest / Die Veröffentlichung des Fotos vom "Sinti & Roma Kulturfestival" ohne weiteren Text hat dazu geführt, dass sie die in Göttingen ansässige Sinti-Großfamilie Weiß mit einer Stellungnahme an GOEST gewandt hat und um eine Abgrenzung zwischen Roma und Sinti gebeten hat. Eine Bewertung dieser Stellungnahme hat eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema erforderlich gemacht. Organisator des Festivals war das Romacenter Göttingen http://www.roma-center.de/ und wir versuchen noch zu ermitteln, wie die Unterscheidung Sinti und Roma bei der Beteiligung des Festivals zu bewerten sein könnte.

Fotos vom Kulturfestival 12.9.10

Auf jedenfall meinen wir, Sinti und Roma sollten angesichts einer gemeinsamen leidvollen Geschichte in Solidarität zueinander stehen, ebenso wie alle anderen auch z.B. sich gegen unmenschliche Abschiebungen einsetzen sollten. Zur Einleitung sei ein Zitat aus dem geharnischten Artikel Tilman Zülchs wiedergegeben:

 

Göttingen und seine Roma-Politik (Von Tilman Zülch 2009)

>> Zitat aus GfbV-Dossier:
" Auch in Göttingen wurden Bücher verbrannt, auch aus Göttingen wurden die jüdischen Bürger und die Sinti in die Vernichtungslager abtransportiert. Wir meinen, dass es eine besondere Verantwortung für die Roma-Minderheit in Göttingen geben muss. Sie sind längst Göttinger geworden. Wir appellieren an die Parteien, an die Politiker der Stadt, an den Oberbürgermeister, aber auch an alle Göttinger, zu diesem Unrecht nicht länger zu schweigen. Übrigens ist heute sicherlich jeder zweite Göttinger selbst Vertriebener oder Flüchtling oder hat mindestens ein Eltern- oder Großelternteil, das von diesen abstammt."
"Besessen und unerbittlich von seinem Rassismuswahn getrieben, unternimmt Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann alles, um die Vertreibungen von deutschsprachig gewordenen Roma-Familien durchzusetzen, die längst unsere Stadt oder unser Land als Heimat empfinden. Schünemann knüpft mit dieser Flüchtlings- und Minderheitenjagd an sehr böse rassistische Traditionen der Nazi-Zeit an. Uns erschreckt die Reaktion der Stadt Göttingen. Stadtsprecher Detlef Johannson versucht die Vertreibung dieser Kinder zu legitimieren und bezieht sich auf Berichte der Schule, nach denen im Umfeld der Familie kein Deutsch gesprochen werde. Mit den Menschen hat das Dritte Reich auch viele Dialekte des Romanes, der Sprache der Sinti und Roma, ausgerottet. Ausdrücklich hat die Europäische Union auch diese indigene Minderheitensprache mit ihrem Erlass für europäische Sprachgruppen geschützt. An welche Tradition will Johannson anknüpfen? An die Adolf Hitlers oder die der Europäischen Union? Dass die Ausländerbehörde Herrn Rama zu einem Gesprächstermin bestellt und dann mit der Verhaftung und dem Abtransport durch Polizei überraschte, sagt viel aus über die Art wie Roma von dieser Behörde oft genug behandelt werden."

 

Großfamilie Weiß beharrt auf einer Unterscheidung zwischen Sinti und Roma

17.9.10 goest / Die Großfamilie Weiß hat zahlreiche Angehörige in Göttingen und mit ca. 500 Mitgliedern noch mehr in Hamburg (>>Familie Weiß in Hamburg). Aus der Sinti-Großfamilie Weiß sind einige der berühmtesten Größen des Sinti-Swing wie Django Reinhardt hervorgegangen. Dazu gibt es eine Videodokumentation die mit dem Grimmepreis ausgezeichnet wurde. (>>Djangos Erben)

Email an die Goest-Redaktion 16.9.10

Hallo Redaktion Göttingen,
wir möchten gerne mal unseren Kommentar zu dem Sinti und Roma Kulturfest abgeben! Ich bin eine Sinti und der Rest meiner Familie auch. Wir haben mit dem Volk Roma keinerlei etwas gemeinsam. Meine Familie (SINTIS) sind ein ganz anderes Volk. Wir sprechen weder die gleiche Sprache und haben nicht die gleichen Ansichten weder noch irgend was gemeinsam! Wir finden es nicht gut, dass die Roma sich als Stinti bezeichen; sie sind Roma. Und Sinti ist die Bezeichung für Zigeuner die in Deutschland geboren sind. Die Großfamilie Weiss möchte sie bitten dieses ins Reine zu bringen. Mit freundlichen Grüßen Layla Weiss und Familie.

Warum Unterscheidung Sinti und Roma?

16.9.10 goest / Aus der Geschichte der Zigeuner in Hamburg ist in Erinnerung, dass die Unterscheidung "Zigeuner mit deutscher Staatsbürgerschaft" besonders wichtig war, um die Erlaubnis zur Arbeit zu erhalten. Diese Unterscheidung besteht quasi heute noch insofern, als die Roma als AsylbewerberInnen in diesem Punkt benachteiligt sind. "In Göttingen lebt seit ungezählten Jahrzehnten eine traditionsreiche Sinti-Gemeinschaft unter ihnen die große Familie Weiß." Es könnte also ein Interesse darin bestehen seitens der Familie Weiß diesen Unterschied zu betonen um damit den Unterschied zur Rechtlosigkeit der Roma aus dem Kosovo hervorzuheben. Allerdings ist angesichts der gemeinsamen Geschichte der Verfolgung und Unterdrückung eine Pflege der Gemeinsamkeit sicher sinnvoller als die intensive öffentliche Abgrenzung. Die Unterstützung der jeweils Schwächeren sollte aus den Erfahrungen der Geschichte heraus beibehalten werden. Im Folgenden einige Hinweise auf historische Untersuchungen und Stellungnahmen von Verbänden.

Zusammenfassung aus: >> www.romahistory.com >>Zeittafelüberblick
Viele Familien, die aus Osteuropa nach Deutschland zogen, versuchten sich in Hamburg niederzulassen. Zwar rühmte sich Hamburg seiner Offenheit aber 1890 verbot die Stadt durch einen Erlass den Zutritt für "jeden Zigeuner, der nicht zweifelsfrei nachweisen konnte, dass er deutscher Staatsbürger ist." So wie in anderen Städten auch wurden den Zigeunern die Ausstellung sogen. "Arbeitsbücher" verweigert, ohne die eine geregelte Arbeitsaufnahme ausgeschlossen war. "Der Versuch, Sinti und Roma aus der Stadt zu verdrängen, führten letztendlich dazu, ihre wirtschaftliche Existenz zu zerstören, sie in Armut und in soziales Elend zu treiben. Viele waren auf Gelegenheitsarbeiten angewiesen oder wurden von der Sozialunterstützung abhängig."
"Die vor fast sechs Jahrhunderten in Deutschland und Osterreich und die angrenzenden Regionen (Norditalien, Slowenien. Böhmen, Elsass, Lothringen) eingewanderten Zigeuner bezeichnen sich selbst als Sinti. Es gibt Theorien, die diese Bezeichnung auf das heute in Pakistan gelegene Land Sindh zurückfuhren, sodass sich z. B ein bekannter deutscher Sinti- Verband, die Freiburger "Sindhi-Union", heute an dieser Schreibweise orientiert."
"Erst seit 1945 sind Zigeuner aus Ost- und Südeuropa, die sich wie eine große Mehrheit der europäischen Zigeuner Roma nennen, nach Deutschland eingewandert oder geflüchtet. Die internationale Bürgerrechtsbewegung der Zigeuner benutzt heute den Begriff Roma (Romanes, für Mensch / Mann) für alle Zigeuner überhaupt, während sich in der Bundesrepublik seit 1979 weitgehend die Bezeichnung "Sinti und Roma" durchgesetzt hat."

Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma:
"Zigeuner" ist eine in ihren Ursprüngen bis ins Mittelalter zurückreichende Fremdbezeichnung durch die Mehrheitsbevölkerung und wird von der Minderheit selbst als diskriminierend abgelehnt. An ihre Stelle ist der authentische Eigenname "Sinti und Roma" getreten. Dabei bezeichnet "Sinti" die in Mitteleuropa seit dem Spätmittelalter beheimateten Angehörigen der Minderheit, "Roma" diejenigen südosteuropäischer Herkunft. Außerhalb des deutschen Sprachkreises wird Roma - oder einfach Rom - auch als Sammelname für die gesamte Minderheit verwendet. Wird im Kontext der historischen Quellen die Bezeichnung "Zigeuner" benutzt, so müssen die hinter diesem Begriff stehenden Klischees und Vorurteile stets mit bedacht werden. "

Zentralrat Deutscher Sinti und Roma:
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wurde im Februar 1982 gegründet. Zum Zentralrat gehören neun Landesverbände, das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma und weitere regionale Mitgliedsvereine. (...) "Vom 16. bis 20. Mai 1981 wurde in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Sinti und mit organisatorischer Unterstützung der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen der 3. Roma-Weltkongress mit Teilnehmern aus 28 Staaten durchgeführt. Unter Federführung von Herrn Rose bewirkte dieser Kongress unter den Verbänden der deutschen Sinti und Roma eine wichtige Einigung auf die gemeinsamen politischen Forderungen und eine Festlegung der künftigen Zusammenarbeit."

Niedersächsischer Verband Deutscher Sinti e.V.
"
Der Niedersächsische Verband Deutscher Sint e.V. vertritt die Interessen der etwa 12.000 in Niedersachsen lebenden Sinti. (...) Die offizielle Eröffnung der Beratungsstelle für Sinti und Roma fand im Oktober 1983 statt. Vorausgegangen war eine Vielzahl an Aktivitäten von Sinti-Vereinen wie dem Osnabrücker Sinti-Forum, von lokalen Vereinen in Leer, Hameln, Hildesheim und Göttingen und von einzelnen Sinti, die schon seit etwa 20 Jahren in der Bürgerrechtsarbeit für Sinti und Roma engagiert waren. Seit 1981 fanden vierteljährlich Treffen im niedersächsischem Sozialministerium statt. Daran nahmen Vertreter der Sinti-Vereine, verschiedene Stadtverwaltungen, die evangelische und katholische Kirche und die Gesellschaft für bedrohte Völker teil. "