Widerspruch
gegen ALG 2 Bescheid ( Muster / Vorlage / Vorschlag)
Name
: Göttingen, den.................... Anschrift:............................................
An
das Sozialamt Göttingen/Bundesagentur für Arbeit Göttingen Begründung
zum Widerspruch gegen den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit/des Sozialamts
vom:................................. BG-Nr.:............................
zugestellt am:................ Ich
beantrage die Zahlung einer Arbeitslosenunterstützung in Höhe der realen
Lebenshaltungskosten, da die Höhe des derzeitigen Arbeitslosengeldes II (wie
auch die Höhe des neuen Rentenversicherungsbeitrags für Arbeitslosengeld-II-Bezieher)
nicht ein in Grundgesetz und BSHG garantiertes Leben in Würde er- möglicht
und durch das "Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Ar- beitsmarkt"
(Hartz-IV-Gesetz) eine Reihe weiterer Rechtsgrundsätze verletzt werden. Im
Detail lege ich Widerspruch ein: - gegen
die Höhe der Lebensunterhaltskosten von 345 Euro monatlich, sowie
- gegen
die Höhe der Mietpauschale von 245 Euro für die "Kaltmiete"
plus Betriebskosten, zusätzlich Heizkosten,
- gegen
die Verpflichtung, jedwede Arbeit, sofern die Bezahlung nicht sittenwidrig ist,
annehmen zu müssen, sowie gegen die niedrigen Hinzuverdienstregelungen,
- gegen
die abgesenkte Rentenversicherung für Arbeitslose in Höhe von 4,26 Euro
jährlich,
- gegen
das finanzielle Fordern, dem kein Fördern gegenüber steht.
Zu
1. Laut Erklärung der Bundesregierung soll der Betrag von 345 Euro der
durchschnitt- lichen Sozialhilfe entsprechen. In ihrer Anlage zur Musterrede "Agenda
2010" vom 7.4.2003 hat die SPD-Fraktion jedoch festgestellt, dass die durchschnittliche
Sozial- hilfe in Deutschland 379 Euro beträgt. Seither sind zwei Jahre vergangen,
in denen es eine Inflationsrate von etwa 3% gegeben hat, davon allein 2004 1,6%.
Der Betrag von seinerzeit 379 Euro hätte also selbst auf der Basis der Berechnungen
der SPD-Fraktion auf mindestens 390 Euro erhöht werden müssen. Die Wohlfahrtsverbände
sind in einer Analyse der Lebenshaltungskosten in Deutschland zu dem Schluss gekommen,
dass die Bemessung der Regelsätze nach Hartz IV in einem "nicht nach- vollziehbaren
Verfahren" erfolgt ist, d.h. dass eine "Regelsatzbemessung nach Kassenlage" erfolgt
ist und dass das Existenzminimum realiter bei 412 Euro ange- siedelt werden muss.
Auch die Bundesregierung hat zwischenzeitlich eingeräumt, dass die Berechnung
des 345-Euro Betrags auf den Zahlen der letzten Einwohner- und Verbrauchsstichprobe
von 1998 beruht, mithin auf Daten, die die Inflationsrate von 6 Jahren
nicht berücksichtigen. Die Pauschalierung des Lebensunterhaltsbetrags/Regelsatzes
für Arbeitslosen- geld-II-Bezieher ist nach allem dafür verwandt worden,
den Unterstützungsanspruch von Langzeitarbeitslosen unter das Existenzminimum
zu kürzen. Dies ist m.E. rechtswidrig, entspricht nicht dem Solidargedanken
des deutschen Grundgesetzes und verletzt das Diskriminierungsverbot (Art. 1, 3,
20). Das Gleiche gilt im übrigen für den - ökonomisch nicht begründbar
- noch niedriger angesetzten Lebensunter- haltssatz für Ostdeutsche in Höhe
von 331 Euro. Darüber hinaus ist zu klären, ob es rechtlich überhaupt
zulässig war, den Regelsatz im Rahmen einer Rechtsverordnung (und
nicht per Gesetz) festzulegen. Zu
2. Die Mietpauschale von 245 Euro für eine Person soll vorgeblich ein
angemessenes Mietpreisniveau für den Raum Göttingen widerspiegeln. Realiter
stellt dieser Betrag jedoch kein durchschnittliches und entsprechend angemessenes
Niveau dar, sondern das niedrigste Mietpreisniveau für eine Wohnung bis
50m2. Warum aber sollte die billigste Wohnung für
Arbeitslose die angemessene Wohnung sein? Darüber hinaus entnehme
ich dem Hartz-IV-Gesetz (§22), dass der kommunale Träger (Sozialamt) einem
ev. Umzug von Arbeitslosengeld-II-Beziehern zustimmen muss, und zwar dann, wenn
er erforderlich ist. Wann dies der Fall ist, soll offenbar das Sozialamt bestimmen
dürfen. Diese Regelung ist m.E. entmündigend und inso- fern undemokratisch
und stellt zudem neben einer Verletzung der Artikel 1 und 3 Grundgesetz (Diskriminierungsverbot)
eine Verletzung des Artikels 11 dar, nach dem Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet
garantiert ist. Ich bin, wie die große Mehrzahl der Arbeitslosen, gebildet
und eigenständig und kann bei Vorhandensein von Arbeitsplätzen meinen
Lebensunterhalt selbst verdienen. D.h. ich bin kein Untertan eines Sozial- oder
Arbeitsamtes, sondern entscheide selbst, ob ein Umzug (aus welchen Gründen
auch immer) erforderlich ist, zumal wenn ich die Kosten selbst zu tragen habe
und die Miete nur bis zur Höhe der "angemessenen" Pauschale übernommen
wird. Auch bei der Mietpauschale ist meines Erachtens die Pauschalierung wiederum
dafür verwandt worden, den ökonomisch erforderlichen Betrag für
Unterkunfts- kosten unter das reale Mietpreisniveau zu drücken. Dies
mag für die Bundesagentur für Arbeit bzw. das Sozialamt zweckmäßig
sein, wird hierdurch doch eine Menge Geld eingespart. Ich lebe jedoch in einem
Rechtsstaat, in dem Rechtmäßigkeit vor Zweckmäßigkeit
rangiert. Zu
3. Nach dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
(Hartz-IV-Gesetz, § 10) sind Langzeitarbeitslose verpflichtet, jedwede Arbeit
anzunehmen, auch unterbezahlte, nicht sozialversicherungspflichtige Arbeit, Minijobs,
1-Euro-Jobs sowie Arbeit, die mit der Berufsausbildungs absolut nichts mehr zu
tun hat. Dies ist für die Bundesagentur für Arbeit/das Sozialamt zunächst
einmal finanziell günstig, sofern ein solcher Arbeitsplatz überhaupt
zur Verfügung steht, denn durch Hartz-IV werden keine neuen Arbeitsplätze
geschaffen. Sinn der Vermittlungsbe- mühungen von Arbeitsagentur und Sozialamt
ist es jedoch, mich für den normalen, d.h. ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren.
Ich bin freilich der Meinung, dass ich durch die zuvor genannten Arbeitsverhältnisse
dequalifiziert werde, dass meine Chancen auf eine Stelle im normalen
Arbeitsmarkt sinken und dass das Sozialver- sicherungssystem durch die Akzeptanz
dieser Arbeitsverhältnisse und ihre Aus- weitung ausgehöhlt, d.h. finanziell
beschädigt wird. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten sind zudem, zumindest
was 400-Euro-Jobs anbelangt, so restriktiv geregelt, dass das Erreichen eines
Einkommens auf Höhe des Existenzminimums nicht möglich ist. Dies kann
nicht Sinn einer Sozialgesetz- gebung (und Verwaltungspraxis) sein, die sich am
Anspruch der Menschenwürde, am Solidargedanken des deutschen Grundgesetzes,
am Recht auf Berufsfreiheit und am Verbot der Zwangsarbeit zu orientieren hat
(Artikel 12 Grundgesetz). Zu
4. Seit 2005 werden Arbeitslosengeld-II-Bezieher nurmehr mit einem Beitrag
von 4,26 Euro jährlich rentenversichert. Dieser geringe Beitrag wäre
kein Problem, wenn es Arbeitsplätze zu Hauf gäbe und Arbeitslose bei
Eintreten von Erwerbslosigkeit un- verzüglich einen neuen Arbeitsplatz annehmen
könnten. In Deutschland fehlen je- doch nachweislich 7,5 Millionen Arbeitsplätze,
so dass Millionen Menschen (sofern sie nicht verbeamtet sind) mit längeren
Phasen von Arbeitslosigkeit rechnen müssen. Die ab 2005 abgesenkte Beitragszahlung
ist insofern völlig realitätsfern und unzureichend. Sie bedeutet, dass
ein Arbeitsloser, der das Pech hat, keinen Arbeits- platz, sondern lediglich 1-Euro-Jobs
zu finden, für eine Rente von 800 Euro zukünf- tig 2oo Jahre erwerbstätig
sein muss. Zu
5. Nach dem Hartz-IV-Gesetz sollen Arbeitslose ab 2005 gefördert
und gefordert wer- den (§§ 1, 14). Ich stelle jedoch fest, dass alles läuft
wie bisher: Ich bewerbe mich mit großem Engagement, halte mich trotz der
immensen finanziellen Einschrän- kungen fachlich auf dem Laufenden, bemühe
mich, meine Berufsfähigkeit belegbar zu machen, das Sozialamt aber hat den
Anspruch des "Forderns" (Hartz-IV-Gesetz) verwirklicht, d.h. mein Einkommen unter
das Existenzniveau gesenkt, die "Förde- rung" dagegen ist ausgeblieben. Dies
entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Wenn überhaupt, so wäre
die umgekehrte Reihenfolge angemessen: Arbeitslose sind zunächst einmal
zu fördern, d.h. in einen sozialversicherungspflichtigen, gesell- schaftlich
sinnvollen Arbeitsplatz, der ihren Fähigkeiten und Neigungen entspricht,
zu vermitteln. Sofern ein Arbeitsloser dies ablehnt, ist u.U. eine Forderung ange-
bracht. Ich
möchte in diesem Zusammenhang einmal grundsätzlich feststellen:
Ich bin nicht freiwillig arbeitslos, sondern werde als Folge einer unzulänglichen
Arbeitsmarkt- , Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik zur Untätigkeit gezwungen.
Ein solcher Sachverhalt sollte m. E. eher Veranlassung geben, mir Schadensersatz
und Schmerzensgeld zuzuerkennen, als an mir diejenigen Gelder einzusparen, die
der Staat, obgleich dazu verpflichtet (Der Staat hat nicht nur das Recht, sondern
die Pflicht, Steuern zur Finanzierung der Gemeinwohlaufgaben zu erheben.),
bei Unter- nehmern, Aktionären, Vermögenden, Erben und Spitzenverdienern
nicht einzu- ziehen wagt (Steuerermäßigung für Spitzenverdiener
2005: 6 Mrd. Euro entspre- chend den Einsparungen bei Arbeitslosen im Jahr 2005
in Höhe von ebenfalls 6 Mrd. Euro). Ich beantrage deshalb, den Lebensunterhaltsbetrag
(Regelsatz), die Hinzuverdienst- grenzen wie auch die Mietpauschale
auf eine Höhe anzuheben, die den realen Kosten in Deutschland und Göttingen
entspricht, die Zumutbarkeitsregelung in einer Weise zu verändern,
die die Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht (und nicht lediglich
die Ausweitung von Niedriglohnjobs in einem Hochpreisland fördert und die
Statistik "verbessert"), die Rentenbeitragszahlung für Arbeitslose zumindest
auf dem bis Ende 2004 geltendem Niveau zu belassen, besser: um mindestens 20%
anzuheben, sowie zunächst zu fördern, und erst bei Ausbleiben der
Bereitschaft, einen sozialversicherungspflichtigen Normalarbeitsplatz anzunehmen,
zu fordern. (Unterschrift) |