Startseite
redaktion@goest.de
Veranstaltungen
  Impressum

Protest gegen NPD-Demonstration 2001

> Überblicksseite gegen Rechtsradikalismus

Zusammenfassung: Was passierte im Juni 2001             
Kritik am Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes
Stadt verbietet Protestdemonstration

> Bilder zum 16.6.2001

Zusammenfassung der Ereignisse am 16.6.2001

(17.6.01) Der NPD-Parteivorstand hatte dazu aufgerufen, auf alle Fälle den Eindruck einer "friedlichen NPD" zu erhalten. Dies war sehr wichtig für den damaligen Prozess um ein Verbot der NPD, denn die NPD kann nicht anhand des Parteiprogramms, sondern nur nach offensichtlich verfassungsfeindlichem Verhalten der Parteimitglieder  in der Öffentlichkeit verboten werden. (Siehe hierzu den goest-Bericht über die Diskussionsveranstaltung zum NPD-Verbot). Wenn es der NPD mit höchstrichterlichen Segen gelingt, überall in Deutschland zu demonstrieren, hofft sie einen Teil der Verbotsargumentation auszuhebeln. Sie kann darauf verweisen, dass diese streng verfassungsmäßig orientiert waren und keine Gewalt davon ausging. Deshalb ordnet die NPD zu ihren Demos an:  "Verhaltet Euch friedlich - laßt Euch nicht provozieren".   "Trommeln, Fackeln, umstrittene bzw. verbotene Kennzeichen , Uniformen oder Uniformteile sind verboten! Das Tragen militärischer Kleidung ist untersagt.Alles, was als "Verherrlichung" oder "Glorifizierung" von NS-Organisationen ausgelegt werden könnte, ist zu unterlassen! .... Alkohol ist verboten." 
Die neuerliche Funktion der NPD als Sammlungsbewegung lässt gewaltbereite Gruppierungen unter ihrem Deckmantel mitlaufen und dies wäre das entscheidende juristische Argument für ein Verbot. Diese Gruppen sollen deshalb vorläufig ruhig gehalten werden, marschieren aber mit. Bei einer kurz zurückliegenden Demonstration in Frankfurt war es so, dass diese Gruppen zu "Selbstschutzmaßnahmen"  gegen Antifa-Demonstranten griffen.

Die NPD war in Göttingen also darauf bedacht, keinen Anlass für eine Verbotsargumentation zu liefern und "die Wahrnehmung demokratischer Rechte" zu mimen. Redner und TeilnehmerInnen hatten sich jedoch nicht immer so unter Kontrolle dabei. Über Lautsprecher kamen z.B. Drohungen wie: "Wenn wir uns nicht so zurückhalten würden, würden wir mit Euch am Straßenrand ganz schnell aufräumen."

Die Polizei sperrte fast alle Verbindungen zwischen Nazidemo und Innenstadt ab

Das Militanzgetue der NPD wirkte etwas albern auf dem Hintergrund der Tatsache, dass Tausende von Gegendemonstranten nur mit massiver Gewalt der Polizei daran gehindert wurden, sich der zahlenmäßig weit unterlegenen NPD-Demo zu nähern. Die Nazis schätzten ihre Situation völlig falsch ein. Es waren nicht nur die wenigen Gegen-Demonstranten, die sie zu Gesicht bekamen, es gab auch noch die ca. 3000 Gegendemonstranten die durch die Polizeisperren durchwollten. Die Teilnehmerzahl der NPD-Demo belief sich auf nur 350 Personen (einigermaßen sorgfältig am Straßenrand mitgezählt). Eine für die Nazis jämmerlich niedrige Zahl angesichts ihrer intensiven Mobilisierung in Norddeutschland und nur halb so viel wie angemeldet waren. Die Nazis beschimpften die Polizisten als diejenigen, die sie am Demonstrieren hindere, dabei hätten sie den Polizisten dankbar sein sollen, dass sie von ihnen vor den Gegendemonstranten beschützt wurden, denn die Polizei prügelte für die Nazis Gegendemonstranten. Insofern hatten die Nazis ein völlig falsches Bild von ihrer Situation.

Da in der NPD-Demo verbotene Parolen gerufen wurden und die NPD sich nicht an die angewiesene Demoroute hielt, löste die Polizei die Demonstration auf. Der Versuch der NPD, das Bild einer parlamentsfähigen Partei abzugeben war gescheitert. Zumal sie sich dann auch noch in Gerangel mit der Polizei einließen.

Blockade

60-70 Gegendemonstranten bewerkstelligten schließlich in er Weststadt, dass die Route der Nazis auf der Brücke im Hagenweg blockiert wurde. An diesem Punkt kamen die Nazis nicht weiter, sie hatten praktisch nur einmal den Maschmühlenweg hoch und runter demonstrieren können, mehr nicht.
Es ist schon merkwürdig: In den Medien und bei Veranstaltungen weist der Verfassungsschutz stets auf die Berge von Material hin, die die schlimmen Machenschaften der NPD-Anhänger belegen und einen Verbotsantrag am Bundesverfassungsgericht rechtfertigen, andererseits tun die Gerichte so als handele es sich um eine x-beliebige normale Partei.
Das Ordnungsamt in Göttingen neigt darüberhinaus noch dazu, eher die Antifa-Aktivitäten einzuschränken: so wurde zB der am gleichen Tag stattfindende "antirassistische Markt gegen Grenzen" am Johanniskirchhof von der Stadt verboten und aus dem Cheltenham-Park wurden die dort versammelten "Punker"  vertrieben.

Die NPD-Demo wurde vom Gericht erlaubt

Die Polizei zog zu ihrem Schutze schätzungsweise 6000 Beamte aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen. Seit klar war, dass die Demo erlaubt ist, mobilisierten alle rechtsradikalen Kräfte nach Göttingen. Die von den "freien Kameradschaften" angekündigte Demo in Erfurt wurde wieder abgesagt, stattdessen wurde inentsiv für die "bundesweite Demonstration des Nationalen Widerstandes in Göttingen" mobilisiert - so auch die Einschätzung des niedersächsichen Verfassungsschutzes (Sprecher Hans Rüdiger Hesse ).
Gerichtliche Auflagen für die NPD waren: Benutzung von Trommeln und Fahnen – außer der Bundesflagge, den Fahnen der Deutschen Bundesländer und der NPD-Parteifahnen – und von Transparenten strafbaren Inhalts, die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder gleichartigen Kleidungsstücken als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung sind untersagt.
Das Gericht erlaubte die NPD-Demo wegen der Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit und das grundgesetzlich verankerte Parteienprivileg sowie der Tatsache, dass mit der Demonstration der Kommunalwahlkampf eröffnet werden soll und sich Stadtratskandidaten der Partei vorstellen werden.

Das Gericht teilt nicht die Gefahrenprognose der Stadt Göttingen, es werde aus der Demonstration heraus zu strafbaren Handlungen und zu Gewalttätigkeiten kommen.

Für die gegenteilige Einschätzung der Stadt Göttingen gebe es anders als in der Vergangenheit keine ausreichenden Tatsachengrundlagen. Die NPD rufe im Vorfeld der Veranstaltung die Demonstrationsteilnehmer ausdrücklich zu einem friedlichen Verhalten öffentlich auf und habe ihre Absicht zugesichert, jegliche Gewalt aus der Versammlung heraus durch Ordnungskräfte zu verhindern.
Das Gericht sieht auch nicht die Gefahr eines polizeilichen Notstandes durch unkontrollierbare gewalttätige Übergriffe aus der linksautonomen Szene. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Polizei einen Schutz bedrohter Rechtsgüter nicht sicherstellen könne.Im Übrigen sei es Aufgabe der Stadt als Versammlungsbehörde, durch eine räumliche Trennung der angemeldeten Demonstration die Gefahr zu bannen, dass es aus den Zügen der Gegendemonstrationen heraus zu gewalttätigen Übergriffen von dort teilnehmenden Autonomen komme.

Göttingens Rechtsdezernent Wolfgang Meyer und Oberbürgermeister Danielowski ziehen sich zurück auf allgemeine Aufrufen gegen Gewalt. DGB-Kreisvorsitzender Sebastian Wertmüller zeigte sich enttäuscht, dass sich politische und kulturelle Repräsentanten der Stadt "einfach fein raushalten".

 

Zeitlicher Ablauf der Ereignisse

Freitag 15.6.01
Ganztägig Punkertreffen im Cheltenhampark (wurde aufgelöst)
17 Uhr bis ca. 18.30 Uhr, voraussichtlich im AStA
Erste Hilfe-Kurs der Demo-Sanis mit wichtigen Tipps
19 Uhr ZHG - 01 Info-Veranstaltung des "Linken Bündnis´" mit Neuigkeiten und Infos über Routen der verschiedenen Demonstrationen 
20 Uhr, Stadthalle Göttingen, Burschenschaftertreffen Festkommers anlässlich des 120. Verbandstages des Verbandes der Vereine Deutscher Studenten (VDSt Nikolausberger Weg 75) Großer Saal, Albaniplatz 2

Samstag 16.6.01:
9 Uhr - ab Uni-Campus - D
emo gegen den Naziaufmarsch
Autonome Gruppen werden sich nicht an der gemeinsamen Demonstration um 10.00 Uhr am Bahnhofsvorplatz beteiligen sondern starten um 9 Uhr auf dem Uni-Campus. Allerdings wollen sie auf der Bürgerstraße auf die vom DGB angemeldete Bündnis-Demonstration stoßen und an der Schlußkundgebung am Albaniplatz vor der Stadthalle mitmachen.
10 Uhr -   Bahnhofsvorplatz Demo gegen den Naziaufmarsch
Demonstration organisiert vom DGB-Bündnis, Rednerinnen und Redner: Esther Bejarano (Auschwitz-Überlebende), Angelo Luzifero (Landesleiter ver.di), ein Vertreter von Flüchtlingen aus Northeim; Sebastian Wertmüller, Hermann Engster (Betriebsrat VHS). Ein Beitrag über den Zentralrat der Juden kommt nicht zu Stande. Gruppe Coincidence (von Esther Bejarano gegründet)
10 bis ca. 15 Uhr geplant aber von der Stadt verboten: geplanter Markt gegen Grenzen auf dem Johannis-Kirchhof, antirassistische Initiativen stellen ihre Arbeit vor: voraussichtlich teilnehmende Gruppen: Haus der Kulturen, Pro Asyl, AG Chiapas, schöner leben, Grenzcampvorbereitung (mit Vorstellung des Grenzcamps 2001 und Fotoausstellung über das Grenzcamp 2001
11 Uhr  Schützenplatz statt Eiswiese: Sammelpunkt der NPD. Die Demonstration steht angeblich unter dem Motto: "Stoppt den Globalisierungswahn – Freiheit für die Völker". Redner: Parteivorsitzende Udo Voigt, Rechtsanwalt Horst Mahler sowie die Stadtratskandidaten Stefan Pfingsten und Martin Gotthard. (Die NPD will in Göttingen an der Kommunalwahl am 9. September 2001 teilnehmen.)
Angemeldet wurden 700 Teilnehmer aus Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig Holstein, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Anmelder ist erstmalig die Bundespartei (der Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt). Der stellvertretende NPD-Parteivorsitzende Holger Apfel soll Versammlungsleiter sein.
13 Uhr Albaniplatz Kundgebung des Bündnisses (DGB) gegen den Naziaufmarsch
15 Uhr Kabale, Grillen und  Filmvorführungen im Lumiere (IMC-Video zu Prag 2000 und "east is east")
22 Uhr im Hof in der Roten Straße  Ecke Burgstraße Party

 

Unverhältnismäßiger Polizeieinsatz

20.06.2001: Scharfe Kritik am Polizeieinsatz haben die Organisatoren der Demonstrationen gegen den NPD-Aufmarsch in Göttingen am vergangenen Samstag geübt. Der Regionsvorsitzende des DGB, Sebastian Wertmüller, bezeichnete den Polizeieinsatz als unverhältnismäßig. Während gegenüber linken Demonstranten unnötige Gewalt angewendet worden sei, hätten sich die Neonazis in weiten Teilen völlig frei bewegen können, so Wertmüller. Als die Situation in der Godehardstraße eskalierte, sei für die Leitung der Gegen-Demo lange Zeit  kein Ansprechpartner von Seiten der Polizei erreichbar gewesen. Auch habe beispielsweise ein türkischer Imbissbesitzer besorgt angerufen, als die Neonazis an seinem Laden vorbei zogen, von der Polizei sei aber nichts zu sehen gewesen. Pastor Rudolf Grote bezeichnete es als beschämend, dass Polizisten auf der Godehardstraße auf Demonstranten mit erhobenen Händen einschlugen. Viele Polizisten seien über ihre eigentlichen Ziele hinausgeschossen, so Grote. Vertreter des (damals noch anderen) AStA und des linken Unibündnisses verurteilten den Polizeieinsatz ebenfalls. Beim Schlagstockeinsatz in der Godehardstraße habe die Polizei die Spitze der Gegendemonstration auf einer genehmigten Route angegriffen.

 

April 2001 Nazi -"Bürgerinitiative gegen antifaschistische Gewalt"

18.4.2001/ Die Stadt Göttingen hatte die für Sonnabend, 21. April 2001, angemeldete Demonstration der "Bürgerinitiative gegen antifaschistische Gewalt" untersagt. Nach Auffassung der Stadtverwaltung bestehen erhebliche Zweifel an der "Zuverlässigkeit des Veranstaltungsleiters", der einen Demonstrationszug vom und zum Bahnhof mit einer Kundgebung am Wilhelmsplatz angemeldet hatte.
Zudem müsse wie bei den in der jüngeren Vergangenheit verbotenen Demonstrationen der NPD mit strafbaren Handlungen und einer Störung der öffentlichen Ordnung gerechnet werden. An der Verbotsverfügung wird nach Angaben der Stadtverwaltung noch gearbeitet. Sie soll im Verlauf des Donnerstags, 19. April 2001, zugestellt werden.

Der Asta der Universität Göttingen hat dazu aufgerufen, an der vom Forum gegen Rechtsextremismus angemeldeten Demonstration am kommenden Samstag teilzunehmen. Der Vorsitzende des Asta Greogor Motzer erklärt, dass er es als Notwendigkeit sehe, gegen die Aktivitäten von Neonazis vorzugehen:„Die rassistische und antisemitische Ideologie, nach der die Faschisten die Welt gestalten wollen, steht unserer Vorstellung von einer emanzipierten Gesellschaft diametral entgegen".

Die Kundgebung des Forums gegen Rechtsextremismus richtet sich gegen eine Demonstration der „Bürgerinitiative gegen antifaschistische Gewalt".
20.04.2001: Das Verwaltungsgericht Göttingen hat den Antrag der Bürgerinitiative gegen antifaschistische Gewalt das Demonstrationsverbot aufzuheben, abgelehnt. Laut Gericht verfüge der Antragsteller nicht über die erforderliche Bereitschaft oder Fähigkeit zur Sicherstellung der Ordnung während der Demonstration. Angemeldet hatte die Demo der vorbestrafte Neonazi Steffen Hupka. Auch müsse wie bei den in der jüngsten Vergangenheit verbotenen Demonstrationen der NPD mit strafbaren Handlungen gerechnet werden. Die Bürgerinitiative gegen antifaschistische Gewalt hatte für morgen eine Demonstration angemeldet, die sich gegen den am Wochenende stattfindenden Antifa-Kongress richtet.