"Göttinger Stadtzeitung" (GöSz, 1977-1985)
2004 / Nach 18 Jahren trafen sich zum ersten Mal wieder ehemalige Redaktionsmitglieder der ehemaligen Göttinger Stadtzeitung zu einem Wiedersehen im Apex - alle waren nicht mehr ausfindig zu machen, und es konnten auch nicht alle zu einem Termin, aber immerhin kamen ca. 25 Leute zusammen - einfach so.
Lebenswege
der GöSZies
Von dieser Stadtzeitung wurden monatlich rund 1300 Exemplare mit 40 Seiten produziert und für je 2 Mark verkauft - alles selbstverständlich non-profit und ohne Bezahlung der Arbeit. Auch wenn Schreibe und Lay-Out aus Profi-Sicht einiges zu wünschen übrig ließen - auf Themenvielfalt und Recherche kann man heute noch stolz sein. Die Göttinger Stadtzeitung war ein echtes Stück Gegenöffentlichkeit mit Artikeln, die gründlich und teilweise undercover recherchiert wurden. Lieblingsfeinde
der GöSZies Die "Stadtzeitung" hat so manches heimliche Geschehen in Göttingen öffentlich gemacht oder näher ans Licht der Öffentlichkeit gezogen als die professionelle Presse. Ob es um miese Arbeitsbedingungen in Göttinger Unternehmen ging ob es die Lebensbedingungen in der Füchtlingsunterkunft ,,Hotel Astoria" waren oder ob es das bis dahin unkontrollierte und reichlich rechtsstaatsferne Gebaren des Göttinger Polizei-Aufklärungskommandos mit seinen bei uns ausführlich veröffentlichten Polizeifunkprotokollen in der Spurendokumentation "Spudok" war, das waren Themen die auch überregional Beachtung fanden. Ob im niedersächsischen Landtag oder in der Redaktion des "Spiegel" - Nachfragen gab es darauf viele. Unsere kleine Zeitung hatte damit im besten demokratischen Sinn eine Kontrollfunktion.
Auch szenebegrenzte Recherchen gab es. So konnte man frau bei uns lesen, wie es in einer der ersten Göttinger Männergruppen zuging oder wie die Sannyassins so auf dem Bhagwan-Schloss Berlepsch lebten. In der Nummer 2/83 war ein Bericht zu lesen von zwei Redaktionsmitgliedern, die getarnt als Schwester und ihr Bruder die Göttinger Burschenschaft "Brunsviga" aufgesucht haben und dort wo die Frau erzählt sie wolle angeblich ihren Bruder in eine Studentenverbindung einführen. In GÖSZ, 11/1982 gab es den Artikel "Was tun, wenn die Sirenen heulen?" In diesem zweiten Beispiel des investigativen Stadtzeitungsjoumalismus wurde zu Zeiten des Kalten Krieges welche Möglichkeiten des privaten Atombunkerbaus existieren. Zwei Redakteure der "Stadtzeitung" besuchten als kurzfristig verlobtes, angeblich bunkerbauwilliges Paar mit verstecktem Mikro den Bundesverband für den Selbstschutz (BVS), der damals solcherlei Beratung anbot und besuchten auch gleich einen Bunker in Grone. Diese Dokumentation fand sich als Realsatire ganz ähnlich später in der Sendereihe "Fast wie im richtigen Leben" von Gerhard Polt wieder. Der ICE war noch in der Testphase - die Schnellstraße B 3 neu von Göttingen Richtung Norden noch nicht gebaut Die Göttinger Stadtzeitung hat die Auseinandersetzunge um die Planung der Großprojekte ICE-Trasse und 8 3 neu mit ihren Folgen für Umwelt und Anwohner regelmäßig thematisiert - auch Buspreise, öffentlicher Nahverkehr und Radwege waren Themen unserer Verkehrsexperten.
Im
September 1981 verzeichnet ein Interview mit Kommunalpolitikern folgende Sätze
des heutige Rechtsdezernenten Wolfgang Meyer:
Ein anderes Interview
1985 mit Gerhard Schröder (damals SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl
in Niedersachsen) beendete dieser mit den Worten "Was glauben
Sie denn in welcher Form hier normalerweise Interviews gemacht werden?"
Es gab auch Interviews mit Jürgen Trittin (AGIL), Peter Paul Zahl und Erich Fried.
Übrigens: Bernd Neumann ist Staatsminister im Bundeskanzleramt und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien. Er mochte Erich Fried bzw. dessen Gedichte nicht und in seiner Zeit als Bremer Bürgerschaftsabgeordneter brachte er einen Antrag zur Mißbilligung von Erich-Fried-Gedichten im Schulunterricht auf den Weg. Neumann war 2011 in Göttingen (siehe >goest-Bericht) . |