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Demonstration gegen zu eng gefasste Kritik und gegen Polizeistaat

19.5.07 / Nach den provokativen Polizeirazzien und den seit längerem spürbaren Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit protestierten ca. 450 TeilnehmerInnen einer Demonstration am 19.5.07 die u.a. gegen den "Polizeistaat". Die Polizei verbreitete anschließend die irreführende Meldung, es seien nur 250 TeilnehmerInnen gewesen.

Die veranstaltende Antifa-Gruppe Redical M hatte in ihrem Aufruf auf http://www.puk.de/redicalm erklärt, es gehe nicht um punktuelle Kritik des G8 - Gipfels sondern um Kritik der kapitalistische Strukturen, die die gesamte Gesellschaft durchziehen und eine Verbesserung sei nur zu erzielen indem das gesamte System abgeschafft werde. Entsprechend wurden Parolen präsentiert wie "Kapitalismus abschaffen". Da sich an der Demonstration noch andere Gruppen beteiligten wie z.B. das Soziale Zentrum, wurden z.B. auch die konkreten Verhältnisse in Göttingen thematisiert und ein entsprechender Redebeitrag nahe bei der Bäckerei Ruch gehalten.

Der von den Demo-VeranstalterInnen mitgeführte Lautsprecherwagen machte seinem Namensteil "Laut-" alle Ehre. Die PolizistInnen, die neben dem Lautsprecherwagen Spalier liefen hatten sich aus Taschentüchern improvisierte Ohrenstöpsel zum Lärmschutz ins Ohr gesteckt. DJ Kimliong und Crew sorgten für dröhnende Sounds.

An der Kurzen Geismar Str. kam es noch zu einer kritischen Situation bei der die Polizei mit Knüppeln zuschlug, die im Nachhinein folgendermaßen unterschiedlich beschrieben wird.

Teilnehmer/in: "Ein kurze Hüpf- und Laufeinlage wurde dann zum Anlass, um auf die vorderen Demoreihen einzuschlagen und auch zu -knüppeln. (...) Derzeit sind uns drei leichter Verletzte bekannt. Die Leute im vorderen Teil blieben denooch ruhig und besonnen und drängten die Polizisten schließlich etwas zurück, so dass diese Gelegenheit hatten, mal wieder ein bisschen "runterzukommen"." (Quelle)Polizei: "Zu einem Zwischenfall kam es, als einige Demonstranten beim Abbiegen in die Kurze Geismarstraße die den Aufzug begleitende Polizeiabsperrung durchbrechen wollten. Um dies zu verhindern, mussten die Beamten kurzfristig von ihrem Schlagstock Gebrauch machen." (Quelle)

 

Die VeranstalterInnen wollten vor allem eine Akzentverschiebung in der G8 Kritik erreichen, angesichts der Razzien war aber die Kritik an Repression und "Polizeistaat" weiteres Schwerpunktthema geworden.

Die Demo begann nach 18 Uhr ab Marktplatz mit ca. 450 TeilnehmerInnen

(auf dem Foto ist die Demo nicht komplett zu sehen)

Während der Demo wurde die Demo in einem Spalier begleitet - immer wieder die Aufforderung der Polizeileiter "dichter ranzugehen".

Bereits am Markt hatte sich die Polizei ringförmig um die Demonstrationsteil-nehmerInnen aufgestellt.

 

Hundestaffel mit ziemlich nervösen Polizeihunden und Polizeireihe vor der Deutschen Bank

 

Passend zum Plakat die Umzingelung der Demo durch Polizei

Schlußkundgebung der Demo, am Wilhelmsplatz.

Die polizeilichen Eingriffe auf diesem Platz gegen die regelmäßig dort anzutreffende Jugendliche waren Anlass für die Auswahl dieses Platzes


Ein paar Eindrücke von Transparenten:

  • Antifaschistische Aktion Braunschweig A.G.B., "fight G8 Summit, Widerstand globalisieren"
  • Rote Straße, Goßler Str., Kreuzbergring, Gotmarstr.: "Selbstverwaltete Strukturen verteidigen"
  • Schild: "§ 129 a muß weg"
  • Gruppe Gegenstrom: "The Future is unwritten, Smash Capitalism"
  • Redical M "Smash Capitalism" "...ums Ganze" "Her mit dem schönen Leben" Kapitalismus abschaffen"
  • Transparent: "Freiheit stirbt mit Sicherheit"
  • Transparent Antifee: "Feiern gegen Sexismus und Nationalismus für ein selbstbestimmtes Leben"

zum Anfang

 

Kommentar:

Am meisten störte natürlich die Polizei. In bezug auf die eigentliche Demo wäre anzumerken, dass die Musik einfach zu laut war, die Reden meist zu abstrakt und auch akustisch nicht verständlich. Einige Parolen die auf der Demo gerufen wurden waren wirklich ziemlich platt. Kapitalismus abschaffen? Ja klar wo ist denn der Schalter? Und wenn es schon um den Kern des Kapitalismus geht, warum dann nicht gleich die Parole "Nieder mit der relativen Wertform" und "Weg mit dem allgemeinen Tauschäquivalent". Schöner wäre allerdings dann doch noch "Das System der Lohnarbeit muß weg - Huuu " z.B. als TschaTschaTscha gesungen und getanzt (jetzt mal ganz ehrlich).

Aber es war gut, dass so viele Leute da waren, denn die Demo wurde insgesamt im Rahmen des Protestes gegen den G8 Gipfel wahrgenommen und war nach den Einschüchterungsversuchen durch Razzien wichtig. Interessant, dass die Polizei die Zahl runterrechnen und dann auch noch exakt "80 Gewaltbereite" davon abgetrennt ausgemacht haben will. Die Polizei vornehmlich Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei aus Hildesheim und Schaumburg, in martialischer Ausrüstung völlig over-dressed und in unangemessen großer Zahl bestätigte letztlich den Protest gegen den erdrückenden Polizeistaat. Die entwürdigende Begleitung einer Demonstration durch Polizeispalier müßte eigentlich auch juristisch in Frage gestellt werden, da nach der Gesetzeslage nur konkrete Anhaltspunkte für zu erwartende Gewalttaten eine solche Maßnahme rechtfertigen. Diese konkreten Anhaltspunkte müßten offengelegt werden oder aber das Polizeispalier müßte unterlassen werden. Deshalb wird einfach mal von 80 Gewalttätern in der Presseerklärung der Polizei gesprochen.

Nicht genug, dass die Polizei weitgehend hemmungslos DemoteilnehmerInnen identitätsmäßig erfassen will. Ein Fotograf mit Schwarz-Rot-Gold-Aufnäher und "Deutschland"- Schriftzug knipste den Leuten im Demo-Zug frontal ins Gesicht. Darauf angesprochen, dass er das lieber nicht machen solle, meinter er, er sei Journalist und deutete auf einen Ausweis, den er sich ans Knopfloch gehängt hatte. Allerdings handelte es sich dabei nicht um einen gültigen Presseausweis, sondern eine Art Phantasie-Ausweis - den Hinweis dazu beantwortete er dann nur noch mit einem Grinsen.

Satire am Rande

 

Kleine Hilfsmittel erleichtern die politische Bildung der Polizei.

Damit einige Polizisten Links und Rechts nicht verwechseln, tragen sie auf ihren Knieschützern Aufkleber.

Auf dem linken Knie ein "L" für "Links" und auf dem rechten Knie ein "R" für "Rechts".