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PROGRAMM
21.
- 30. November 2014
FREITAG, 21.11.2014
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19:00 Uhr im Lumiere:
Festivaleröffnung Wochenenden in der Normandie F 2014, 90 Min.
Regisseurin Anne Villacèque ist zu Gast.
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19:00 Uhr im Alfred-Hessel-Saal
Meteora Griechenland 2012, 83 Min.
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21:00 Uhr im Alfred-Hessel-Saal
Jeder gegen jeden Italien 2013, 90 Min.
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22.00 Uhr im Lumiere
Acht Namen für die Liebe Spanien 2014, 98 Min.
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SAMSTAG, 22.11.2014
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16:45 Uhr im Lumiere
Höhere Gewalt Schweden 2014, 118 Min.
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17:00 Uhr im Alfred-Hessel-Saal
Wege zum Glück D 2014, 87 Min. Die Regisseure Agnieszka Jurek
und Carsten Aschmann sowie Projektleiterin Christiane Joost-Plate
sind zu Gast.
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19.15 Uhr im Lumiere
Paris Follies F 2014, 108 Min.
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20:00 Uhr im Alfred-Hessel-Saal
Das andere Rom Italien 2012, 90 Min.
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21:30 Uhr im Lumiere
Am Sonntag bist du tot Irland 2014, 100 Min.
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22.00 Uhr im Alfred-Hessel-Saal
Einer nach dem anderen Norwegen 2014, 115 Min.
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SONNTAG, 23.11.2014
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17:00 Uhr im Lumiere
Die Sprache des Herzens F 2013, 95 Min.
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17:00 Uhr im Alfred-Hessel-Saal
Die Leichtigkeit des Glücklichseins Italien 2013, 104 Min.
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Mr.
Turner - Meister des Lichts
19:00 Uhr im Lumiere Großbritannien
2014, 159 Min.
Regie:
Mike Leigh, Darsteller: Timothy Spall, Lesley Manville, Paul Jesson,
Dorothy Atkinson
Erstmal
gar nicht so leicht zu packen der Film. Ein bißchen irreführend
ist der Titel schon. Wenn es dort heisst "Meister des Lichts"
fühlt man sich hinters Licht geführt, denn die Meisterschaft
von Turners Malerei steht im Hintergrund der Geschichte. Wenn man
erwartet hatte, Aufklärung über diese charakteristische
Kunst Turners zu erhalten, die undeutliche Nebelhaftigkeit mit realistischer
Gegenständlichkeit mischt – wurde man enttäuscht. Als
es deutlich wurde, dass es um eine Art Sittengemälde der damaligen
Zeit ging innerhalb dessen das Leben von Mr. Turner beschrieben
wird, stieg die Befürchtung auf, die zu erwartenden 2 einhalb
Stunden Filmdauer könnten zu lang werden. Aber erstaunlicherweise
verging die Zeit wie im Flug und es war keine Minute langweilig.
Gelegentlich war es überraschend, wie abstossend, ekelig der
Regisseur Mike Leigh den in England hochverehrten Mr. Turner darstellen
lässt: Er röchelt herum, raunzt, spuckt auf die Bilder
um Farbe zu verwischen, nimmt eben mal seine Haushälterin im
Vorbeigehen sexuell in Besitz (eine Erfindung des Regisseurs – da
nicht historisch überliefert >>Quelle
Interview), obgleich er sie ansonsten
permanent mit Nichtachtung, Gleichgültigkeit und Despotismus
behandelt. Obwohl er ein beachtliches Vermögen angehäuft
hat, lässt er seine Kinder in fremder Obhut offensichtlich
ohne Unterstützung darben und verleugnet sogar ihre Existenz
– wofür mehrere Szenen des Filmes Zeugnis geben wollen. Doch
wird er immer noch sympathischer dargestellt als bourgoise Kunstkritiker,
die blödes Blabla von sich geben.
Ja – die Erwartung eines Films über Kunst wurde (ein wenig)
enttäuscht – aber dafür fand man in diesem Film etwas
anderes, was man nicht gesucht hatte, aber was in seiner Reichhaltigkeit
lange nachwirken dürfte: eine Vielfalt und Dichte von darstellerischen
Feinheiten in der Beschreibung der Beziehungen zwischen den handelnden
Personen und in Passagen unspektakulär die Kunst als Teil des
Lebens von Mr. Turner. Bei den Feinheiten der Beziehungsdarstellung
Z.B. die kommentierende Mimik der Hausangestellten Hannah, dargestellt
von Dorothy Atkinson, die im Film ein gerüttelt Maß an
Häßlichkeit darstellen muß – zum Ausgleich sei
auf ihre blendende Ausstrahlung im normalen Leben hingewiesen wie
Bilder
von der Preisverleihung in Cannes dokumentieren.

Timothy Spall als Mr. Turner
Ohne
die Überhöhung Mr. Turners als Kunstheroe und Genie kommen
auch fein eingebettet in die fortlaufende Handlung des Films Szenen
vor, die den weltanschaulichen Hintergrund wie auch den spezifische
Einfluß der Zeitgeschichte auf Turners Kunst mit Schlaglichtern
erhellen. Da ist zum einen seine romantische Zugewandtheit zu technischen
Neuerungen, die in der Begegnung mit der Photographie oder im Dialog
mit der Physikerin Mary Somerville und ihrer Theorien über
Licht eingeflochten wurden. Ganz unspektakulär findet sich
im Film eine geniale Umsetzung der Bildentstehung "Rain,
Steam and Speed – The Great Western Railway"
durch eine Filmszene wie einer bewegten Fassung des Bildes von Turner.
Also die Enttäuschung über fehlende Berücksichtigung
der Kunst wurde immer kleiner.
Und
dann etwas, was bei einer Besprechung hier in goest unbedingt zu
erwähnen bleibt: Turner wurde von einem Millionär angeboten,
sein gesamtes Werk aufzukaufen. Trotz der fürstlichen Kaufsumme
lehnte Turner ab: er wolle seine Werke der Allgemeinheit vermachen,
und jeder solle Zugang zu seinen Bildern haben: gratis.
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19:00 Uhr im Alfred-Hessel-Saal
Einen anderen Weg: Paula Modersohn-Becker und Clara Rilke-Westhoff
D 2013, 52 Min. Regisseurin Fenja Pretzsch ist zu Gast.
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MONTAG, 24.11.2014
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17:00 Uhr im Lumiere
2 Herbste, 3 Winter F 2013, 91 Min.
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19:00 Uhr im Lumiere
Leviathan Russland 2014, 141 Min. 21:30 Uhr im Lumiere Nord Shorts
Kurzfilmrolle, 75 Min.
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DIENSTAG, 25.11.2014
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17:00 Uhr im Lumiere
Gare du Nord F 2013, 119 Min.
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19:15 Uhr im Lumiere
The Selfish Giant Großbritannien 2013, 90 Min.
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21:00 Uhr im Lumiere
Spaghetti Story Italien 2013, 82 Min.
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MITTWOCH, 26.11.2014
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Miele (ital.:Honig)
17.00 Uhr Lumiere,
Italien 2013, 96 Min., Italienische Originalfassung mit deutschen
Untertiteln, Regiedebut der bislang nur als Schaupielerin bekannten
Schauspielerin Valeria Golino, Darsteller: Jasmine Trinca, Carlo
Cecchi, Libero De Rienzo
Der Filmstart im Lumière
hätte sich symbolische deuten lassen: durch einen zufälligen
Defekt einer Tonspur brach der Film nach 1 Minute ab. Gerade waren
in der Untertitelzeile zu sehen "Wir können das jetzt
beenden" . Auch zwei weitere Versuche des Filmstarts brachen
ab, wenn die Zeile "Wir können das jetzt beenden"
erschien. Dem hartnäckigen Versuch des Filmvorführers
sei Dank: Schließlich funktionierte doch noch alles und der
Film lief durch.Zum Thema Sterbehilfe ließe sich daraus die
Botschaft ziehen "Nicht aufhören bevor der gesamte Film
gelaufen ist".
Gerade erst lief im
Bundestag am 13. November, also vor ca. 2 Wochen eine Debatte über
Sterbehilfe. Dabei wurde die geschäftsmäßige Sterbehilfe
wurde mehrheitlich abgelehnt, eher fand das Modell Zustimmung, dass
Menschen unter strenger Beachtung von Regeln durch Ärzte Sterbehilfe
erhalten können sollen. Einige Abgeordnete waren vollkommen
gegen Sterbehilfe. Aus Angst vor Schmerzen, so die Argumentation
braucht heute niemand mehr sterben zu wollen, weil die Palliativmedizin
genügend Erfahrung zur Schmerzlinderung bereithält. Deswegen
wurde empfohlen die Palliativmedizin zu fördern. Insbesondere
kommerzielle Sterbehilfe würde dazu tendieren, die Nachfrage
nach dieser Dienstleistung anzukurbeln. Und die nicht-kommerzielle
Hilfe würde u.U. den Druck auf pflegebedürftige Kranke
und Alte erhöhen, der Belastund der Angehörigen ein Ende
zu bereiten.
Im Film ging es um
die Auftrags-Sterbehelferin, die ein illegales Geschäft in
Italien betreibt (Im katholischen Italien ein Tabuthema!). Sie berät
bei der Auswahl der Sterbemethode, besorgt die nötigen Mittel
und berät bei deren Anwendung. Die Auftragsgeber zahlten viel
Geld damit die junge Frau Irene (Jasmin Trinca) mit dem Arbeitsnamen
"Miele" (Honig) illegal in Mexiko Veterinärmedizin
zum Einschläfern von Hunden besorgt und dies den Sterbewilligen
zur Verfügung stellt. Die Legitimation "Ich helfe den
Leuten die sterben wollen" verdeckt den Finanzaspekt nur recht
dürftig. Die Sterbehelferin Miele versucht einfühlsam
auf besondere Wünsche bezüglich der Musik im Sterbeprozess
einzugehen, achtet sehr darauf keine auf die Zukunft gerichtete
Themen anzusprechen und hält sich soweit es geht dezent zurück.
Es gelingt ihr auf die Dauer dabei nicht, emotional distanziert
zu bleiben. Die Szenen mit einem Sterbenden der kaum sprechen kann
machen auch dem Publikum das Hinschauen schwer. Die schlechten Gefühle
nach einem Auftrag schüttelt sie beim Schwimmen im Meer oder
mit der Verausgabung beim Radfahren ab.
Eine der Methoden, die mit Helium funktioniert im Film
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Jasmine
Trinca,
als Sterbehelferin Miele
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Etliche Strecken des
Films werden mit Großaufnahmen der schönen** Hauptdarstellerin
überbrückt. (** Von den beiden unglaublichen Schneidezähnen
wollen wir mal absehen) Wenig mit dem Thema Sterbehilfe haben die
Sex-andeutungen und -szenen zu tun, auf die im offiziellen Kinotrailer
auch noch besonders deutlich hingewiesen wird, offensichtlich um
die Vermarktung des Filmes zu verbessern. Man könnte es auch
als Sterbehilfe für die Qualität des Filmes ansehen.
Der Bruch in der Filmhandlung
kommt auf, als ein kerngesunder 70jähriger die Sterbehilfsdienste
in Anspruch nehmen möchte. Damit kommt die Legitimation der
Sterbehelferin ins Wanken. Sie will leidenden unheilbar Kranken
helfen aber nicht Beihilfe zum Selbstmorde generell leisten. Der
Fall bedeutet Stress, dann mehren sich die Gespräche mit dem
charmant plaudernden Kunden und es entsteht eine freundschaftliche
Beziehung. Und am Ende steht auch Verständnis für dessen
Wunsch nach dem Tod aus Langeweile gegenüber dem Leben.
Irgendwann schmeisst sie den Job, überwältigt von Traurigkeit
und Mitgefühl. Die Sterbehelferin Miele (ital.=Honig), die
Überbringerin des süßen Todes meinte am Schluß
des Films "alle wollen eigentlich weiterleben", gleichzeitig
steht das Verständnis im Raum für alle, die ihren Tode
selbst bestimmen wollen. Die heimliche Botschaft scheint in Richtung
Legalisierung jeglicher selbstbestimmter Form des Lebensendes zu
sein. Aber so richtig scheint die Regisseurin sich auch nicht positionieren
zu wollen.
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19:00 Uhr im Lumiere
Vielen Dank für nichts D 2013, 95 Min. Regisseur Stefan Hillebrand
ist zu Gast.
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22:00 Uhr im Lumiere
38 Zeugen F 2012, 104 Min.
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DONNERSTAG, 27.11.2014
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Café
Olympique / Le fil d'Ariane
Frankreich 2014,
100 Min. Französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Regie: Robert Guédiguian Darsteller: Ariane Ascaride, Jean-Pierre
Daroussin, Gérard Mevlin
Drehbuchautor und Regisseur
Robert Guédiguian hat seine Ehefrau und Schauspielerin Ariane
Ascaride in der Hauptrolle dieses Gute-Laune-Filmes eingesetzt.
Sie und viele der anderen Schauspieler/innen des Films kennt man
auch aus seinen vorhergehenden Filmen "Schnee am Kilimanscharo"
und "Die Stadt frisst ihre Kinder" die im Arbeiter- und
Armenmilieu von Marseille spielen.
Ganz und gar nicht
Arbeitermilieu beleuchtet das Intro mit einer Kamerafahrt durch
eine virtuelle, steril wirkende Siedlung aus einer Architektensoftware,
bei der alle Häuser und alle laufenden Personen weiß
sind. (In Frankreich gibt es eine spezifische Begeisterung für
virtuelle Welten und Personen – da kann sich jemand ohne einen Aufschrei
zu bewirken virtuelle konstruierte Nachrichtensprecher wünschen).
Die Kamera fährt bis in die (virtuelle) Küche von Ariane
und PENG! da werden die Bilder filmisch-real und bunt. Was ist virtuell,
real, was ist Traum und wie wichtig sind Träume – diese Frage
taucht dann noch einige Male im Film auf.
Mit "Café
Olympique" (der eigentlich erst im Dezember offiziell im
Kino anlaufen soll) wird heitere Stimmung in den November des Filmfestivals
gebracht. Eine sechzigjährige Hauptdarstellerin hüpft
da wie ein junges Mädchen mit Freudensprüngen durch den
Film und wenn ihr Herz vor Empathie überläuft und die
anderen Anwesenden wollen bedürftigen Personen nicht helfen,
dann schreit sie "Ihr herzlosen Monster!". Und im Ausleben
ihrer Emotionen legt sie sich auch mal auf das Grab ihrer Mutter
um mit ihr im Geiste zu reden. Das Entsetzen über die Schrecken
der Welt bricht in die Gute-Laune Handlung ein, wenn der schwarze
Andenkenverkäufer nachts seine Albträume in die Nacht
schreit. Märchenhaftes bricht in die Handlung ein, wenn das
Maskottchen des Cafés, eine 20 cm große Schildkröte
plötzlich zu Ariana spricht.
Die Handlung des Films
besteht zunächst in einem Hineinstolpern von einem Mißgeschick
der Ariana ins nächste, aber ohne das Filmpublikum dabei zu
ängstigen, denn wie bei Eichendorffs "Leben eines Taugenichts"
findet sich auch beim sorglosen In-den-Tag-hineinleben der Ariane
immer eine Lösung. Egal ob Ariane das Auto oder die Handtasch
abhanden kommt, ob sie nachts ohne Unterkunft ist – immer kommt
von irgendwo eine Hilfe ohne Hintergedanken daher. Und immer entstehen
Situationen die Platz lassen, um das Leben im Moment zu geniessen:
Ob plötzlich die Autobahn voller tanzender Leute ist oder die
obdachlose Ariane sich in einer Unterkunft auf einem schaukelnden
Boot wiederfindet und in die Sonne blinzelt.

Die Musik spielt in
diesem Film eine besonders wichtige Rolle. Im Café Olympique
hängt ein großes Plakat von Jean Ferrat an der Wand,
dessen Chansons im Café gespielt und gesungen werden. Ferrat
(geb, 1930 / gest. 2010) war als jüdisches Kind von Resistancekämpfern
vor den Nazis gerettet worden. Als Sänger war er Sympatisant
der Kommunistischen Partei Frankreichs, seine Lieder wurden vom
französischen Rundfunk jahrelang nicht gesendet. Und immer
wieder spielt im Film Brechts/Weills Song der Jenny in dem es u.a.
heisst: "Denn wie man sich bettet so liegt man, es deckt
einen keiner da zu...." Und darin heißt es auch:
" Meine Herren, mein Freund, der sagte mir damals ins Gesicht:
"Das Größte auf Erden ist Liebe" Und "An morgen denkt
man da nicht."Ja, Liebe, das ist leicht gesagt: Aber wenn man täglich
älter wird . Da wird nicht nach Liebe gefragt . Da muß
man seine kurze Zeit benützen..."
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19:00 Uhr im Lumiere
Second Thoughts Göttingen 2014, 90 Min. Regisseur Dennis Dellschow
und sein Team sind zu Gast.
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19:30 Uhr im Clubkino,
ZHG 005 Der Imker Schweiz 2013, 112 Min.
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22:00 Uhr im Lumiere
Wyld Stories Kurzfilmrolle, 90 Min.
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FREITAG, 28.11.2014
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17:00 Uhr im Lumiere
Class Enemy Slowenien 2013, 90 Min.
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19:00 Uhr im Lumiere
Papusza Polen 2013, 131 Min.
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The
Zero Theorem
Großbritannien 2013, 107
Min., Englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln,Regie:
Terry Gilliam, D.: Christoph Waltz, Tilda Swinton, Matt Damon, David
Thewlis
Schon witzig, dass
im Monat, wo die Reden der deutsche Regierung und die Artikel der
Medien von der "Schwarzen Null" wimmeln, dieser Film läuft
bei dem es um das "Null Theorem" geht. Da agiert der Hauptdarsteller
voll gestresst, hektisch bei der Arbeit an der Null und die Antwort
auf dem Display lautet undankbarerweise "0 (zero) currently
equals 93,7892 6 % , Zero must be 100 %". Und weiter geht
die Arbeit, d.h. in der 3-D-Animation, wo aufgeschichtete Würfel
bizzare Architekturen ergeben müssen per Steuerungskonsole
passende Würfel mit mathematischen Formel-Aufschriften in Lücken
gelotst und eingefügt werden. Das geht immer eine Weile gut,
bis dann die hohen Würfelaufbauten wasserfallartig einstürzen.
Diese sprichwörtliche Sysipusarbeit bringt den Programmierer
Quohen (Christoph Waltz) zur Verzweiflung.. Die Unerreichbarkeit
des vorgegebenen Ziels ist das Hamsterrad in dem Qohen zum Weiterlaufen
getrieben wird. Wie seine Arbeit verwertet wird, bleibt ihm verborgen.
Mit den Würfeln ordnet er "Entitäten" ein, d.h.
er arbeitet an der Übertragung von Datenmengen aus einem ungeordneten
Haufen in eine verwertbare Ordnung. Der Chef seiner Firma "ManCom"
heisst praktischerweise nur "Managment". Bei einem Treffen
von Quohen und Management passt sich der Anzug von Management der
jeweiligen Muster seiner Umgebung an, wie die Tarnfarben eines Chamäleons
oder Oktopusses.
Das
Ego von Computerarbeitern mit einem Zitat aus Matrix verarscht.
Der Programmierer "Bob" erklärt dem Programmierer
"Q" Qohen warum er für die Aufgabe an der er arbeitet
eingesetzt worden sei: "Das ist doch ganz klar, weil du der bist,
der es schaffen kann, du bist der Auserwählte, der Erlöser"
(siehe Matrix-Besprechung
in goest) Aber dann: "Ha, ha, ha, das ist natürlich
Quatsch, man hat dich ausgewählt, weil du wie bekloppt ohne
Unterlass arbeitest!"
Der
Regisseur des Kultfilms "Brazil" hat hier so etwas wie
"Brazil 2.0" geschaffen. Die Fülle an Ausstattung
der Straßen
mit Werbung und bunten Gestalten ist wie in Brazil eine Art Techno-Barock.
Man sollte sich beim Ansehen des Films in Erinnerung rufen, dass
Regisseur Terry Gilliam Mitglied der Monty Python – Gruppe ist.
Dann begreift man es auch schneller als bissige Kritik an Fastfood,
wenn die Computerfreaks im Film Pizza bestellen und jedesmal eine
Ecke irgendwo ihn die Wohnung werfen, die dann sofort von einer
der dort hausenden Ratten weggeschleift wird. Gilliam baut auch
noch kleine Absurditäten in Nebenszenen ein: auf der Straße
kehrt eine Frau in ausladender Phantasiebekleidung gerade da wo
Quohen durchwill, wenn er ausweicht, wechselt sie mit dem Besen
an die Stelle an der er passieren will – immer hin n her bis er
einfach über den Besen springt. Man ist versucht hinter allen
Kleinigkeiten Analogien zu sehen.
Es scheint jedoch nicht
ausgeschlossen, dass hier einer von den Monty Python auch ganz ernst
die Welt erklären will, aber er schafft es einfach nicht, dabei
total ernst zu bleiben. Der Film berührt pointiert in Bildersprache
generelle Fragen der Kultur bis hin zu philosophischen Fragen des
Universums. Die Szenen mit Schilderungen von Instabilitäten
erinnern an die Ergebnisse der Erforschung des HIGGs-Teilchens,
die besagen, das Universum befände sich an einer Grenze zwischen
Stabilität und Instabilität. Im Film reicht eine minimale
unbeabsitigte Beschädigung mit einem Hammerschlag an einen
Stein um ein technisches Universum zusammenbrechen zu lassen (Chaostheorie).
Angesichts von ständig
steigender Komplexität der Computernetze, der Programme und
der Datenmengen (Big Data – Motiv für die Arbeit mit den Entitätenwürfeln)
kann das System nicht mehr durch Zerstörung einiger Endpunkte
überwunden werden. Sinnbildlich umgesetzt: Die große
zentrale Maschine der Firma hat ringsum Schläuche, wie bei
einer Krake herunterhängen, Qohen reißt sie alle raus,
dann aber schließen sie sich wieder von selbst an und reproduzieren
den vorhergehenden Zustand.
Bei den Versuchen der
Welt- und Gesellschaftserklärung lässt Regisseur Gilliam
regligiöse Anklänge zu. Die vollgemüllte Wohnung
von Qohen (Christoph Waltz) befindet sich in einer ehemaligen Kirche.
Darin stehen noch Madonnenfiguren (in einigen Kameraeinstellungen
extra deutlich in wechselnder Farbe beleuchtet), Kirchenglasfenster
sind zu sehen und an der Wand hängt ein großes Kreuz
mit Christusfigur, ABER: der Kopf ist aberissen und stattdessen
ist dort eine Kamera installiert über die der Chef beobachten
kann wie Q arbeitet! Allein die Vorstellung, dass das was sich der
Kopf vorstellt: woaran der glaubt (virtuelle) Realität wird
im Cyberspace ist die Analogie : Nur wer glaubt kann übers
Wasser laufe. (Matrix)
Eine
durchgehende Veränderung durch Computerisierung betrifft das
Verhältnis von Körperlichkeit und Virtualität. Während
der Kopf in der virtuellen Welt steckt wird der körperliche
Teil des "biologischen Endgerätes Mensch" und in
Folge auch alles weitere was da dran hängt vernachlässigt.
Die Vernachlässigung von Essen und Haushalt, überall Dreck,
Abfall und chaotische Möblierung – Vernachlässigung bis
Eliminierung von soziales Kontakten ist bei Computersüchtigen
üblich. Qohen spricht von sich in der Mehrzahl "Wir sind
allein aber nicht einsam", er geht nicht aus dem Haus raus
– nur wenn er unbedingt muß. Bei >>einer
Party mit Phantasiekostümen
laufen viele Gäste herum die ein eingeschaltetes Tablet-Display
vor sich hertragen.
Und
dann wird Qohen mit einer Frau konfrontiert, die seine Körperlichkeit
ansprechen will, damit er nicht wahnsinnig wird , sprich um ihn
arbeitsfähig zu erhalten. Eben solches ist auch das Bestreben
seiner Online-Psychotherapeutin bzw. Psycho-Coacherin. Sex mit Qohen
? Da läuft garnix, obwohl sich die junge Frau Bainsley alle
Mühe gibt. Als er dann schließlich anbeisst – tatsächlich
körperlich – da fährt sie zurück "In mich kommt
gar nichts rein!" sie will es sauber und macht nur Cybersex.
Sie besorgt ihm einen roten Cyber-Ganzkörper-Anzug. Gilliam
tut so als könne man mit den Anzügen quasi wie bei den
Filmen "Matrix" , dem "Holodeck" bei Raumschiff
Enterprise oder dem Rasenmähermann (siehe Besprechung
in goest)
vollständig in die virtuelle Welt eintauchen, erklärt
das allerdings kein bißchen z.B. mit einem Stecker im Nacken
oder sowas. Aber allein das skurrille Design des Datenanzuges lässt
über diesen Mangel hinwegsehen.
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Filmplakat
Das Bild
zeigt Qohen im Datenanzug in seiner vollgemüllten Kirchen-Wohnung.
Witzige
Details wie überall im Film:
Eine Kerze rechts, und Kaffetassen und Ventilator links.
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Schließlich gelingt
Qohen die Flucht in der Phantasie , die Megamaschine der Firma wird
vernichtet und das Universum mit rotierender Materie um ein Schwarzes
Loch wird sichtbar – in das sich Qohen vertrauensvoll hineinfallen
lässt und Schwupp: landet er am paradisischen Strand mit Sonnenuntergang.
Erst spielt er mit dem Wasserball und dann ... nimmt er die Sonne
und lässt sie mit beiden Händen hochschweben. Wieder ein
Filmzitat - Hot Shot ... die Hubschrauber fliegen am Horizont HINTER
der untergehenden Sonne vorbei.
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SAMSTAG, 29.11.2014
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16:45 Uhr im Lumiere
Die Wolken von Sils Maria F 2014, 123 Min.
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19:00 Uhr im Lumiere
Ein neues Leben Italien 2014, 127 Min. Regisseur Edoardo Winspaere
und Hauptdarstellerin Celeste Casciaro sind zu Gast.
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22:30 Uhr im Lumiere
L'amour est un crime parfait F 2013, 9110 Min.
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SONNTAG, 30.11.2014
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17:00 Uhr im Lumiere
Drei Herzen
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F 2013, 105 Min. 19:00
Uhr im Lumiere Eine Taube sitzt auf einem Zweig Schweden 2014, 100
Min.
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21:00 Uhr im Lumiere
For No Eyes Only D 2013, 97 Min.
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Das aktuelle
Kino aus Frankreich bildet den Länderschwerpunkt des diesjährigen Europäischen
Filmfestivals . Die französische Filmszene ist nach wie vor die größte,
wichtigste und innovativste in Europa, und das Europäische Filmfest bietet
mit zehn neuen Produktionen einen spannenden und unterhaltsamen Querschnitt
durch das Filmschaffen unseres Nachbarlands. Den Auftakt macht zur Eröffnung
am Fr. 21.11. die Deutschlandpremiere von WOCHENENDEN IN DER NORMANDIE,
die Geschichte zweier befreundeter Paare, die sich an den Wochenenden
regelmäßig in ihren Ferienhäusern in der Normandie treffen. Doch auf einmal
ist alles anders. Regisseurin Anne Villacèque wird ihren Film persönlich
in Göttingen vorstellen.

Weitere Premieren
aus Frankreich sind GARE DU NORD von Claire Simon über menschliche Schicksale
auf dem gleichnamigen Pariser Bahnhof, PARIS FOLLIES, eine spritzige Komödie
mit Isabelle Huppert, CLOUDS OF SILS MARIA, der neue Film von Olivier
Assayas mit Juliette Binoche, oder der elegante Psychothriller L'AMOUR
EST UN CRIME PARFAIT.
Ein zweiter
Schwerpunkt liegt traditionsgemäß auf dem italienischen Filmschaffen.
Unter dem Motto "Cinema! Italia" sind sechs neue Filme zusammengestellt,
darunter SACRO GRA - DAS ANDERE ROM, Gewinner des Goldenen Löwen der Filmfestspiele
Venedig 2013, der ein ganz anderes Rom abseits des Zentrums und jenseits
der Touristenströme vorstellt. Oder DIE LEICHTIGKEIT DES GLÜCKLICHSEINS
von Gianni Amelio, einem der großen Altmeister des italienischen Kinos,
der einen amüsanten Bick auf ein Italien wirft, das man eigentlich lieben
möchte. Regisseur Edoardo Winspaere wird zur Vorführung seines auf der
Berlinale uraufgeführten Film EIN NEUES LEBEN nach Göttingen kommen. Er
porträtiert eine drei Generationen-Familie starker und engagierter Frauen,
die nach dem Konkurs der eigenen kleinen Textilfabrik in Süditalien neue
Wege suchen, um sich der Übermacht der globalen Wohlstandsgesellschaft
nicht beugen zu müssen.

In der
Reihe "Europäische Premieren" gibt es hochkarätige Previews aus Großbritannien
wie das mit vielen Preisen ausgezeichnete Drama THE SELFISH GIANT von
Clio Barnard oder die neuen Filme von Mike Leigh (Mr. TURNER), der den
genialen Maler William Turner in einem einzigartigen Gesellschaftsporträt
im England der Jahrhundertwende vorstellt, und Terry Gilliam (THE ZERO
THEOREM).
Aus Schweden
wird der diesjährige Festivalsieger von Venedig EINE TAUBE SITZT AUF EINEM
ZWEIG… von Roy Andersson präsentiert, aus Russland LEVIATHAN, ein großes
zeitgenössisches Epos von Andrej Zvjagincev, und aus Polen PAPUSZA, ein
großes filmisches Epos über die erste Roma-Poetin, Ihre Liebe zur Natur
und der Sehnsucht der Roma nach dem gemeinschaftlichen Reisen. Auch aus
Deutschland selber hat das Festivalteam sehenswerte nagelneue Produktionen
ausgewählt, darunter WEGE ZUM GLÜCK von Agnieszka Jurek, VIELEN DANK FÜR
NICHTS von Stefan Hillebrecht und FOR NO EYES ONLY von Tali Barge. Alle
Filmemacher werden anwesend sein.
Besonders
freut uns im Rahmen des Festivals die Uraufführung eines in Göttingen
gedrehten spannenden Film Noir: SECOND THOUGHTS. Regisseur Dennis Delschow
und sein gesamtes Team stellen ihren Film am Do. 27.11. dem Publikum vor.
Ebenfalls eine tolle Premiere verspricht der Film "…einen anderen Weg.
Paula Modersohn-Becker und Clara Rilke-Westhoff", den die Göttinger Regisseurin
Fenja Pretzsch beim Festival vorstellen wird. Zwei Kurzfilmprogramme "Europe
in Shorts" bieten weitere filmische Highlights in kurzer Form.
Im Foyer
des Kulturwissenschaftlichen Zentrums (KWZ) der Universität ist parallel
zum Filmfest die Fotoausstellung "Über die Fronten hinweg: Die Farbfotografien
vonJules Gervais-Courtellemont und Hans Hildenbrand 1914-1918", kuratiert
von Dr. Ulrich Hägele, zu sehen.
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