Bettler / Sozialhilfe Skandal / BettelskandalKommentar - Bettelskandal im Sozialausschuß 4.4.09 Berichte
und Stellungnahmen zum Betteleiskandal
"Sie hatten 1,40 € in der Blechdose" - Sozialhilfeabzug wegen "Betteleinkünften" 2009 / eine Amtsperson aus dem Fachbereich 50, Soziales der Stadt Göttingen hat Anfang 2009 einem Bettler willkürlich die Sozialhilfe gekürzt hat mit Hinweis auf angenommen Einkünfte durch Bettelei. In dem vorgelegten Schreiben heißt es u.a. " in den letzten Tagen habe ich Sie mehrfach gesehen wie Sie vor dem (...)-Supermarkt (...) gebettelt haben. Zuletzt lagen am (...) in der Mittagszeit ca. 6 € und heute gegen 13.00 Uhr etwa 1,40 € in einer Blechdose. (...) Ich beabsichtige daher ab dem xx.xx.09 einen Betrag von 120 € als Einkommen durch Betteln anzurechnen. Den Betrag habe ich aufgrund der von mir festgestellten Beträge auf den Monat hochgerechnet."
Kommentar
- Bettelskandal im Sozialausschuß Am 2.4.09 16 Uhr fand eine außerordentliche, öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Wohnungsbau statt. Einziger Tagesordnungspunkt war: "Ein Bericht der Verwaltung zur „Anrechnung von Erlösen aus Bettelei nach dem SGB XII“. Auf Anfrage wurde vom Ausschußvorsitzenden das Fotografieren erlaubt.
"Betriebsunfall" oder die Unfähigkeit zu Bedauern Es war eine kaum erträgliche Herausrederei, die im Sozialausschuß geboten wurde. Man reibt sich verduzt Augen und Ohren, wenn man sich den Verlauf des Skandals noch einmal vergegenwärtigt: Anfangs, als Kritik nur auf lokaler Ebene in Göttingen laut geworden war, behauptete die Verwaltung cool, erbetteltes Geld sei Einkommen, das von der Sozialhilfe abzuziehen sei. Dies sei völlig korrekt, richtig und pflichtgemäß - Punkt. Erst eine bundesweite Empörung in den Medien konnte die Verwaltung von dieser Haltung abbringen. Das Ansehen der Stadt Göttingen hat durch diese anfänglich starrsinngie Rechthaberei bundesweit erheblich gelitten. Göttingen gilt nun weithin als Stadt, in der am unmenschlichsten mit Bettlern verfahren wird. Zur Erinnerung: 5 Tage nach der ersten lokalen Kritik, am 27.3. hatte die Stadt erklärt "Wenn die Verwaltung Kenntnis von zusätzlichen Einkünften von Leistungsempfängern erhält, muss dieses zusätzliche Einkommen auf die Leistungen angerechnet werden. So schreibt es das Sozialgesetzbuch vor." Seit 2005 gibt es gesetzlichen Handlungsspielräume, die in Göttingen ignoriert wurden. Im"§ 84 Abs. 2 SGB XII (2) steht zu lesen: "Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sollen als Einkommen außer Betracht bleiben, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten eine besondere Härte bedeuten würde." Es scheint, als habe man das in allen anderen Städten der Bundesrepublik gewußt und daher Bettlern nichts von der Sozialhilfe abgezogen. Nur in Göttingen wurde bis zum 30.3.2009 der Abzug von Betteleinkünfte von der Sozialhilfe als rechtmäßig und "pflichtgemäßes Verhalten" angesehen. Diese Widersprüche und Fehler nun
im Nachhinein als "Betriebsunfall" in der Sozialhilfeabteilung unter Leitung von
Herrn Gruß darzustellen, wie es die Dezernentin Dr. Schlapeit-Beck in der
Sondersitzung des Sozialausschusses getan hat, das ist pure Herausrederei. Ohne
den bundesweiten Aufschrei in den Medien hätte die Stadtverwaltung dieses
Verfahren weiterbetrieben, war die Leitung doch noch am 27.3.09 der Ansicht, es
sei rechtens. Die Beteiligten der Stadtverwaltung zeigen auch im Nachhinein kein Bedauern. Es gibt kein Eingeständnis, dass es falsch war, was man getan hat. Immer noch bezieht sich Dezernentin Schlapeit-Beck allein darauf, dass man nach dem Gesetz gehandelt habe. Während nahezu alle Menschen, die von dem Vorfall hören, nur noch den Kopf schütteln, ist die Leitung im Sozialbereich der Verwaltung nicht in der Lage, einen Ton des Bedauerns auszudrücken. Einem Bettler das Geld von der Sozialhilfe abzuziehen verletzte eine moralische Schranke und lässt auf bedenkliche Weise soziales Augenmaß vermissen, von der offensichtlichen falschen Handhabung des SGB XII § 84 einmal ganz zu schweigen . Statt einer Entschuldigung postulierte die Dezernentin laut und deutlich: Göttingen ist eine soziale Stadt und die Mitarbeiter/innen verfolgen "das Ziel einer bürgerfreundlichen, hilfsbereiten und sozialen Verwaltung" , das ist angesichts des gerade bekannt gewordenen Skandals eine unerträgliche Schönfärberei.
Die Unfähigkeit Fehler einzugestehen, war auch bei der SPD-Fraktion festzustellen, die in einem parteipolitischen Solidaritätsreflex den Rechtfertigungsversuch ihrer Sozialdezernentin unterstützte. Die Parteisolidarität wurde von der Sozialdezernentin allerdings nicht gegenüber OB Meyer weitergegeben; sie übernahm nicht die (Mit)Verantwortung für widersprüchliche öffentliche Erklärungen. Auf eine entsprechende Frage, wer denn die eine und später die andere Erklärung zu verantworten habe, antwortete sie etwas zögernd aber deutlich: das seien beides Erklärungen von OB Meyer gewesen. Wir vermuten mal, dass die erste Erklärung auf ihre Kappe ging und OB Meyer nach dem Medien-GAU das Ruder herumreissen mußte. Bei der Nachbereitung des Skandals hat man seitens der Verantwortlichen in der Stadtverwaltung kein Signal gesetzt, das ein Bedauern, eine Entschuldigung oder ähnliche menschliche Gefühlsregungen hätte erkennen lassen. Es wäre wichtig, zeitnah ein solches Signal zu setzen. Wenn die verantwortlichen Personen kein Wort der Entschuldigung und des Bedauerns über die Lippen bringen, dann wäre die Alternative dazu: diese Personen auszutauschen. Als Pasquale Perriello (CDU) im Ausschuß den Begriff "Sauerei" zur Kennzeichnung der Vorgänge gebrauchte, sprach er zwar einigen ZuhörerInnen aus dem Herzen. Allerdings wäre ihm zu empfehlen, sich einmal näher mit den Schikanen gegen ALG2 EmpfängerInnen zu beschäftigen, die seine Partei, die CDU im Landkreis zu verantworten hat. Siehe > Initiative gegen Ämterschikane und ein Untersuchungsbericht |
"Sie hatten 1,40 € in der Blechdose" - Sozialhilfeabzug wegen "Betteleinkünften" 22.3.09 / Der Redaktion sind Unterlagen zugeschickt worden, aus denen hervorgeht, dass eine Amtsperson aus dem Fachbereich 50, Soziales der Stadt Göttingen Anfang 2009 einem Bettler willkürlich die Sozialhilfe gekürzt hat mit Hinweis auf angenommen Einkünfte durch Bettelei. In dem vorgelegten Schreiben heißt es u.a. " in den letzten Tagen habe ich Sie mehrfach gesehen wie Sie vor dem (...)-Supermarkt (...) gebettelt haben. Zuletzt lagen am (...) in der Mittagszeit ca. 6 € und heute gegen 13.00 Uhr etwa 1,40 € in einer Blechdose. (...) Ich beabsichtige daher ab dem xx.xx.09 einen Betrag von 120 € als Einkommen durch Betteln anzurechnen. Den Betrag habe ich aufgrund der von mir festgestellten Beträge auf den Monat hochgerechnet."
Wir hatten seitens der goest-Redaktion am 23.3.09 eine gezielte Anfrage an die
Stadtverwaltung gestellt. Darauf hatten wir keine Antwort bekommen. Erst zeitgleich
mit einer Veröffentlichung im Göttinger Tageblatt am 27.3.09 veröffentlichte
die Pressestelle der Stadt eine Stellungnahme per Rundmail. goest selbst hat bislang
keine Antwort auf die Anfrage direkt erhalten. Seit
Freitag den 27.3 war der Bettelei/Sozialhilfe-Fall allerdings schon in überregionalen
Medien >>
http://www1.ndr.de/nachrichten/
(TV NDR aktuell ) NDR-TV/NDR Aktuell mit einer Stellungnahme der Nds. Sozialministerin
Mechthild Ross-Luttmann (CDU)am 27.3.09: Betteln ist kein Einkommen das anzumelden
ist, sie fordert mehr Augenmaß, "weil es um Zuschüsse Dritter
geht, die dazu dienen, die Lebensverhältnisse des Einzelnen zu verbessern."
Das Sozialministerium will eine Stellungnahme der Stadt Göttingen anfordern.
>>
http://www.sueddeutsche.de/ Weitere
Medienberichte: Deutschlandfunk, HNA vom 25. und 28., über ddp (mitStellungnahme
des NRW-Sozialministers), dpa, HAZ, Weserkurier, Rheinische Post u.a. Agenturen.
Desweiteren haben SAT1 und RTL das Thema aufgegriffen. Stellungnahme
der Stadt Göttingen Stellungnahme
Gerd Nier (DieLinke) Stellungnahme
Paritätischer Stellungnahmen
aus der SPD
SGB
XII - Kapitel 3 Hilfe zum Lebensunterhalt Anlage zum Bescheid vom 22.01.2009 /
(…)
Xxxx Xxxx geb. am (…) Sozialhilfebedarf
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