Lou Andreas-Salomé
Nach der Begegnung
mit Simund Freud studierte Lou Psychoanalyse und hatte später eine
psychoanalytische Praxis in Göttingen. Sie hat ein, für die
damalige Zeit beeindruckendes selbstbewußtes Leben als intellektuelle
Frau geführt. Zumeist verweisen
Geschichten über sie auf die Männer mit denen sie befreundet war,
um ihrem Namen Gewicht zu verleihen: vor allem Nietzsche, Rainer-Maria
Rilke und Sigmund Freud. Es könnte eine wesentlich längere Liste
beeindruckender Namen angeführt werden (u.a. mit Gerhart Hauptmann,
Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal, Alfred Adler usw.) aber dies
wäre eine weitere Mißachtung ihrer Person, sie nur über Männer zu definieren.
Vielmehr wäre darzustellen, dass sie einen starken intellektuellen Einfluß
auf diese hatte. Mit 16 Jahren trat sie aus der Kirche aus und lebte zu einer Zeit vor 1900 unverheiratet mit dem Philosophen Paul Ree in einer Wohngemeinschaft in Berlin zusammen. Später nachdem sie 1887 den Orientalisten Prof. Friedrich Andreas geheiratet hatte, unternahm sie ausgedehnte Reisen alleine oder mit anderen Männern, vor allem ihrem Geliebten Rilke. Lou repräsentierte mit ihrer radikalen Unkonventionalität mehr als andere die "Lebensreformbewegung in Deutschland um 1900". Eine Frau, die von so bedeutenden Personen in ihrer intellektuellen Leistung ernst genommen wurde, fiel wie andere wichtige Frauen in Göttingen jedoch in Vergessenheit, wo sonst bei jeder Gelegenheit eine Marmorplatte zum Gedenken an das Haus geschraubt wird, in dem einer ein paar Monate gewohnt hatte. Erst spät wurde Lou durch die Initiative von Ausläufern der Frauenbewegung und die Herausgabe verschiedener Schriften bekannt. Lou und die Psychoanalyse "Weniger bekannt sind ihre umfangreichen
schriftstellerischen Arbeiten und ihr Einfluß auf die Psychoanalyse und
Psychotherapie. Aufgrund ihres Intellekts und ihrer eigenen Tätigkeit
als Therapeutin hat sie außergewöhnlichen Einfluss auf wichtige Vertreter
diese Fachrichtung wie Freud und Adler ausgeübt, der bis heute nicht aufgearbeitet
ist. So lieferte sie wichtige Beiträge um die zentralen Themen Religion,
Psychologie und Geschlechterbeziehung." (Antiquariatsportal)
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Theaterstück:
Lou Andreas Salomé 14.4.14 /"Ihre ungewöhnliche Bildung, ihr Interesse für Kunst und Wissenschaft, ihr weltläufiges Auftreten und nicht zuletzt ihre außerordentliche Schönheit machten Lou Andreas-Salomé für viele Männer anziehend und trugen zu ihrer bis heute anhaltenden geheimnisvollen Aura bei" (>>Zit) . Das DT meinte in der Ankündigung gar: "Ohne sie hätte weder Friedrich Nietzsche seinen ZARATHUSTRA verfasst noch Rainer-Maria Rilke jene lyrischen Gipfel erklommen, für die er heute verehrt wird." Stoff für ein Theaterstück Inszenierung / Ausstattung:
Lutz Keßler , Musik Michael Bölter , Dramaturgie Anna Gerhards Die Berliner Dramatikerin Tine Rahel Völcker hat im Auftrag des DT in Göttingen ein Stück über das Leben der 1861 in St. Petersburg geborenen Generalstochter Lou Andreas Salomé geschrieben. "Von der ersten Begegnung der Zwanzigjährigen mit Friedrich Nietzsche und Paul Rée in Rom sowie ihren Reisen nach Leipzig, Tautenburg und Bayreuth, wo sie Nietzsches eifersüchtiger Schwester Elisabeth begegnet, über die ersten Ehejahre mit Friedrich Carl Andreas in Berlin und ihre prägende Begegnung mit Sigmund Freud in Wien führt ihr Lebensweg sie schließlich bis nach Göttingen. 1903 bezieht sie hier mit ihrem Mann ein Haus am Hainberg. Es mögen ihr unkonventioneller Lebensstil und die Besuche des deutlich jüngeren Rilke in ihrem Haus gewesen sein oder ihre Beschäftigung mit der noch jungen Wissenschaft der Psychoanalyse, die ihr den Beinamen »die Hexe vom Hainberg« einbrachten. Davon unbeirrt ging Lou Andreas-Salomé auch in diesen späten Lebensjahren ihren eigenen Weg und eröffnete 1914 die erste psychoanalytische Praxis Göttingens, in der sie bis zu ihrem Tod 1937 praktizieren sollte." (DT-Text)
Premierenbesprechung
/ Günter
Schäfer 27.4.14 / Lou Andreas-Salomé,
der Name reichte schon als Titel für ein Theaterstück. Allerdings
führt dieser Name leicht zu Gedanken an "Salomé schönste
Blume des Morgenlands..." sowie Geschichten aus 1001 Nacht und der
Name "Lou" erinnert vielleicht an Lokale auf dem Montmartre.
Berichte über die Faszination, die von Lou Andreas-Salomé
ausging, über ihr unkonventionelles Liebesleben und ihren Umgang
mit Philosophen und Dichtern können die Phantasie weiter beflügeln;
genauso wie Hinweise auf Lou als intellektuelle, emanzipierte Frau, die
auch noch als Psychoanalytikerin bis in die Kreise um Freud gelangte.
Es war zu befürchten, das Publikum könnte daher Erwartungen
aufbauen, die wohl keine Aufführung im Kammerspiel würde erfüllen
können, denn welche Schauspielerin hätte all diese Projektionen
aufgreifen und modellieren können?
Auch andere Rollen wurden abwechselnd von verschiedenen Schauspieler/innen gespielt. Das zog sich über das ganze Stück hin. Mal spielte Nikolaus Kühn den Ehemann (den Göttinger Orientalist Prof. Andreas) oder er spielte Lou Andreas-Salomé selbst im Dialog mit Nietzsche. Auch Andreas Daniel Müller in der Rolle des Rainer Maria Rilke wurde mit Nikolaus Kühn als Lou konfrontiert und mußte sich von ihm/ihr erklären lassen dass auch sein Heiratsantrag keinen Erfolg haben würde. Michael Meichßner spielte zunächst fulminant mit überzeugender Intensität und Bestimmtheit den freiheitsliebenden, autoritären Knochen Nietzsche, der zynisch am Leben leidet. Ein anderes Mal spielte er Nietzsches Schwester mit blonden Zöpfen und Lippenstift. Marie-Kristien Heger, die die junge Lou spielte, tritt später in der Rolle der Haushälterin von Lou auf, während Angelika Fornell zunächst die Mutter von Lou und später die ältere Lou selbst spielt. usw. Durch den beständigen Wechsel der Personen wurde die Aufmerksamkeit von den spielenden Personen weg auf die Rollen und ihre Aussagen konzentriert. Dies konnte aber nur gelingen, weil die beteiligten Schauspieler/innen diese Wechsel in einer anerkennenswerten Leistung mit glatten Übergängen tragen konnten, ohne dass das Stück zerfledderte. Vielmehr erschien das Stück dennoch wie aus einem Guß . Die Inszenierung schaffte die passende Form für den Inhalt des geschriebenen Stückes. Dessen zentrales Thema ist das Ausbrechen von Lou aus der festgelegten weiblichen Rolle der damaligen Zeit; ihre Weigerung sich als Objekt zu fügen und stattdessen eine Beziehung auf Augenhöhe anzustreben, als Voraussetzung für Erotik und Sexualität. Passend zum Wechsel der Mann/Frau-Rollen ist übrigens, dass "Lou" gleichermaßen als Name für Frauen (Lu) als auch Männer Lou Reed z.B) gebraucht wird. Lou Andreas-Salomé die evtl. ähnlich wie Freud annahm, dass Namen eine prägende Auswirkung auf die Namensträger haben, drängte René Rilke den stattdessen den Namen "Rainer Maria Rilke" anzunehmen. All diese Aspekte des Versuchs zur Auflösung der Geschlechterzuordnung dürfte FreundInnen der Dekonstruktion normierter Geschlechterrollen gefallen haben. Als man vor Beginn der Premiere im (ausgezeichneten!) Programmheft las, das Stück sei nach psychoanalytischen Sitzungen gegliedert, da mochte man befürchten, 90 Minuten lang anstrengenden und vielleicht langweiligen Dialogen ausgesetzt zu werden. Weit gefehlt! Es kam keinerlei Langweile auf. Die Inszenierung von Lutz Keßler war geprägt von einer intelligenten, raffinierten Konzeption und wurde unterstützt von einem ebenso raffinierten Bühnenbild, das aus dem begrenzten Raum des DT-Studios herausholte was möglich war. An der Rückwand der Bühne war z.B. links und rechts je eine Fläche für Bild und Filmprojektion angebracht, die auf Ort und Zeit der jeweiligen Handlung hinwiesen. Dies war aber keine der üblichen effektheischenden Media-Spielereien, sondern auf eine wohldosierte, sinnvolle Ergänzung des Spielgeschehens beschränkt. (Für die Ausstattung zeichnete ebenfalls Lutz Keßler verantwortlich). Die Autorin des Stückes, Tine Rahel Völcker folgt recht genau den historischen Fakten von Lou Andreas-Salomés' Biographie. Das Stück blieb beschränkt auf einen Ausschnitt der Person "Lou" indem zuallererst das Spiel "Lou und die Männer", Heirat und Freiheit im Vordergrund standen. Aber es war in sich geschlossen, stringent und schließlich auf einen aktuellen Gedanken hin zugespitzt: das Verlangen nach geistiger intellektueller Verbindung zwischen den Geschlechtern auf Augenhöhe als Möglichkeit einer neuen Basis für Erotik und Sexualität. Wobei Sex nur vage gedacht im Hintergrund blieb. Die angeblich aus emanzipatorischer Haltung und intellektuellem Hochstand gespeiste Askese unter Hintanstellung körperlicher Sinnlichkeit wurde im Stück nicht weiter problematisiert. In der damaligen Zeit war es schwer, eine Anerkennung der intellektuellen Selbständigkeit und als gleichwertiges Subjekt auch noch mit der Praxis einer befreiten Sexualität zu verbinden. Lou war in ihrer gedachten Emanzipation zwar weit fortgeschritten, aber die Männer waren meilenweit hinter ihr zurück, das verhinderte die Praxis – Mit endlosen Diskussionen leistete sie Pionierarbeit für eine Emanzipation, die im Kopf anfängt, darauf abzielt sich dann mit begreifenden (männlichen) Köpfen zu verbinden und von dieser Basis aus dann vielleicht auch die Körper einzubeziehen -eine Erneuerung von Erotik und Sexualität. Dies gelang damals nicht, Lou war den Männern zu weit voraus. So zog Lou von Mann zu Mann als Lehrerin mit dem Versuch, die Männer dahin zu bringen, eine intersubjektive Verbindung als etwas Erstrebenswertes zu verstehen. Ihre Mission ist auch heute noch nicht zuende, dies macht die Aktualität des Stückes aus. Termine im DT Studio
jeweils 20 Uhr Buch: Tine Rahel Völcker
/ Inszenierung & Ausstattung: Lutz Keßle Das Programmheft in redaktioneller Verantwortung der Dramaturgin Anna Gerhards ist übrigens äußerst informativ und sorgfältig gegliedert, eine ausgezeichnete Beigabe zur Veranstaltung |
Lou-Andreas-Salomé-Weg in Göttingen Der Lou-Andreas-Salomé-Weg (Hainberg / am Rohns) ist ein von der Herzberger Landstraße abzweigender Fußweg, der am Grundstück des ehemaligen Wohnhauses von Lou endet, wo sie 1903 bis zu ihrem Tod zuhause war. Es wurde 1972 abgerissen und jetzt steht dort ein moderner Betonbunker mit der Haus Nr. 10.. Die Namenstafeln rechts neben dem Eingang sind vom Efeu zugewachsen. Damals stand das Wohnhaus praktisch völlig außerhalb Göttingens auf dem Lande mit dem weiten Blick vom Rohns über das Leinetal und Lou schrieb "Hier wurde mein Mann Professor und ich Bäuerin". Nunja Bäuerin war sie nicht geworden aber sie lebte dort in der Natur. Standort des früheren Wohnhauses von Lou Andreas Salomé (1972 abgerissen)
Ringvorlesung Heidi Gidion: "Lou Andreas Salomé: Briefe aus Göttingen" Juli 2003 / Zum Vortrag von Heidi Gidionüber Lou Andreas Salomé kamen ca. 300 BesucherInnen (darunter ca. 10 Männer, u.a. der goest Redakteur, der auch prompt gefragt wurde, wie er sich denn so fühle als Mann unter so vielen Frauen - Antwort: "So ungefähr wie einzelne emanzipierte Frauen damals unter vielen Männern". ) Bilder vom Vortrag "1050 Jahre Göttinger Stadtgeschichte - Öffentlixhe Ringvorlesung Lou Andreas Salomé: Briefe aus Göttingen".
Hinweis auf Werke von Lou Andreas-Salomé
Oper 'Lou Salomé'
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