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Ringelnatz Ausstellung
Göttingen, Kunstsammlung der Universität, Auditorium (Weender Straße) 15.10.- 26.11.2000

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Ausstellungsplakat mit dem Gemälde "Die letzte Fahrt" - der Doppelmond, ein optisches Phänomen in tropischen Gewässern galt als Omen für einen Schiffsuntergang.

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Ringelnatz

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Ringelnatz mit Asta Nielsen

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Weihnachtsfeier im Münchner
Lokal "Simpl" mit Erich Mühsam,...

Unten: Entwurf einer Kasperle-
figur und Text mit dem sie
sich vorstellt:

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Ich komme und gehe wieder,
Ich der Matrose Ringelnatz
Die Wellen des Meeres auf und nieder
Tragen mich und meine Lieder
Von Hafenplatz zu Hafenplatz
Ihr kennt meine lange Nase
Mein vom Sturm zerknittertes Gesicht
dass ich so gerne spaße
Nach der harten Arbeit draußen,
Versteht ihr das?
                         Oder nicht?

Ringelnatz war längere Zeit Matrose u.a. auch bei einem Minensuchtrupp - unten eines der vielen Bilder mit einem Bezug zum Meer und Schifffahrt

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"Fremde" (1928) (Feuerspeiende Berge), Öl auf Leinwand Archiv Gescher Ringelnatz Berlin


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Oben: Zu seinem Kinderverwirrbuch bekam er von der Tochter eines seiner Freunde, einem Nervenarzt, einen Brief, in dem sie ihm detailliert darlegte, welche Fehler er alle in diesem Buch gemacht habe, dass ein Hase keine Eier neben die Pfanne legt usw.

Eineinhalb Jahre intensive Vorarbeit waren nötig, um die Sammlung zusammenzustellen, die nun in der Ausstellung "Ringelnatz! - Ein Dichter malt seine Welt" der Öffentlichkeit präsentiert wird. Der Germanist Dr. Frank Möbus und die Kunsthistorikerin Dr. Frederike Schmidt-Möbus haben mit Engagement und Begeisterung Gemälde und Zeichnungen von Ringelnatz für diese Ausstellung, vielfach nach aufwendiger Recherche aus privatem Besitz zusammengeholt. Eine Besitzerin stellte klar, dass das von ihr ausgeliehene Bild zu ihrem Leben gehöre und sie es daher auch unbedingt wieder in ihrer Wohnung haben möchte, weil sie "auch damit sterben" möchte.
Dadurch, dass die Gemälde und Zeichnungen von Ringelnatz in den Vordergrund gestellt werden, wird schon von vorneherein einer vorurteilsmäßigen Einordnung Ringelnatz´ als Verfasser witziger Verse entgegengewirkt. Die Ausstellung macht die ungeheure Vielschichtigkeit des Menschen Ringelnatz deutlich.
Auch wird kein, die Sicht einengender Personenkult um Ringelnatz betrieben, sondern er wird in seinen Bezügen zu seiner Zeit und den Menschen in seiner Zeit dargestellt. So sind nicht nur Gemälde und Zeichnungen zu sehen, sondern werden in Vitrinen Bücher, Texte, Briefe, Fotos, Dokumente, Originale, Gegenstände gezeigt, die einen Einblick auch in das gesellschaftliche Umfeld erlauben.

Joachim Ringelnatz, seit 1919 der Künstlername von Georg Bötticher aus Wurzen in Sachsen, geboren 1883 , gestorben 1934 an Tuberkulose. 1909 erster Auftritt im Münchner Lokal Simplicissimus (heute "Alter Simpl"), dort war er "Hausdichter". 1914/18 war er Marinesoldat und Leutnant. 1920 begannen seine dauernden Vortragsreisen. Kuttel Daddeldu (der Matrose, der Held seiner Erzählungen) - Vorträge, aber auch Bücher, Romane "lina roma" = Berliner Roman, Filmschauspieler (Am Rande der Großstadt), ein Drama (Die Reise mit der Flasche), sogar eine Operette (die Dokumente dazu sind verschollen), Tonstudioaufnahmen, Gedichtbände, Malerei ....1930 zog er von München nach Berlin weil in München der zunehmende Einfluß der Nazis unerträglich wurde, 1933 erhielt Ringelnatz Auftrittsverbot von den Nazis.

Gedicht von RINGELNATZ gegen die Nazis
(ohne Titel / entstanden nach 1933 / )

Wir sind, sagen die Lauen,
Wir sind nicht objektiv.
Wir sollten doch tiefer schauen,
Doch schauen, ob nicht tief
Am Nazitum was dran sei,
Ob Hitler nicht doch ein Mann sei.

Wir haben alles erwogen,
Wir wußten alles zuvor,
Mal hat man uns nicht betrogen,
Man machte uns nicht vor,
dass rechts links und gerade schief sei
Und dass alles relativ sei.

Unrelative Lumpen hausen bei uns zu Haus,
Und hauen das Land in Klumpen.
Ist relativ der Graus?
Da sollen wir objektiv sein,
Wir sollen so naiv sein!

Wir kennen die einfache Wahrheit,
Wir sehen durch ein scharfes Glas.
Und unsere Lehre ist Klarheit.
Und unsere Lehre ist Haß.
Der Haß, der groß und weitsichtig ist,
Der schaffende Haß der wichtig ist.

Literarische Sammlung und Nachlaß von Herbert Günther/München

Überraschend tauchen in diesem Umfeld Personen wie z.B. Max Schmeling (bevor er sich zu sehr auf die Nazis einließ)  und der Flieger Udet auf mit denen er in Berlin des öfteren in einer Skatrunde spielte, Heinrich George dem er in Versform Vorwürfe wegen seiner Nachgiebigkeit gegenüber den Nazis machte, Asta Nielsen mit der er in tiefer platonischer Liebe verbunden war, Otto Dix, Selma des Coudres, die Bildhauerin Renee Sintenis, die Pianistin Charlotte Uhl und viele andere, im Münchner Lokal "Simpl" feierte er in einer Runde Weihnachten in der auch Erich Mühsam mit fotografiert zu sehen ist.

Weitere Notizen zur Ausstellung

  • 1909 versuchte der damals 28jährige RIngelnatz einen Tabakwarenladen in der Münchner Schillingstraße aufzubauen. Er nannte ihn "Zum Hausdichter" (da er im Simpl zum Hausdichter avanciert war). Auf Werbezetteln textete er humorvoll: "Vorzügliche Cigarren und Cigaretten -(Bisher noch kein Todesfall)"
  • Als er einen Rundflug in den ersten Flugzeugen machte, leerte er eine ganze Flasche Schnaps, lag schließlich am Boden und rollte dort hin und her, bis er schließlich mit dem Kopf durch die Tuchbespannung (es war noch keine Alu-Verkleidung) hindurchstieß. Nachdem das Flugzeug gelandet war und das Flugplatzpersonal heraneilte schaute er sie an und fragte "Wie tief sind wir abgestürzt?". - Später wurde Ringelnatz zum Stammkunden der Lufthansa, der wegen Vielfliegerei nur noch 40 % des Flugpreises zahlen mußte.
  • Seine Gemälde tragen Titel wie "Giraffen im Regen", Elefant im Sturm" Kühe im Nebel".
  • Seine erste Verlobte nannte er Maulwurf, seine Frau nannte Muschelkalk.
Besonders makaber ist die Geschichte, die Asta Nielsen von der Weihnachtsfeier nach Art der Ringelnatzfamilie erzählt: Jedes Jahr zu Weihnachten wurde das sonst sorgfältig verschlossene Skelett eines Embryos hervorgeholt und "schmückte" den Gabentisch (würg!). Ringelnatz war religiös aber hatte nichts mit der Kirche am Hut. Das Ehepaar Ringelnatz war kinderlos.

Ausschnitt aus dem Gemälde "Makabre Szene, Dachgarten der Irrsinnigen"

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