Vertreibung
- ein heikles Thema Freitag,
den 26.4.2013, 19.30 Uhr war im Gemeindesaal St. Johannis ein Vortrag von Prof.
Jan Piskorski, Universität Stettin angekündigt zum Thema: „Die Verjagten.
Flucht und Vertreibung im Europa des 20.Jahrhunderts. Dieser Termin ist leider
verschoben werden - ein neuer Termin ist noch nicht bekannt. goest
17.4.13 / Am 5. Mai wird um 17 Uhr im Lumière ein Film über deutsche
Heimatvertriebene und polnische Heimatvertriebene gezeigt. Vom Regie-Team ist
an diesem Abend Karin Kaper anwesend und steht nach dem Film für eine Disskussion
mit dem Publikum zur Verfügung. Weitere Aufführungen des Films sind
am 6.5. und 8.5.13 jeweils 17.30 Uhr im Lumière zu sehen.
Angesichts
des heiklen Themas "Vertreibung" haben wir die Bitte um eine Vorankündigung
des Films an den Göttinger Schriftsteller >>Dr.
Wolfgang Bittner gerichtet, der aufgrund seiner persönlichen Geschichte
und Kenntnisse besser über alle Aspekte des Themas Bescheid weiß.
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Filmbesprechung ---------------------------------------- Wolfgang
Bittner In die Zukunft schauen Ein Film über Vertreibung und Neubeginn Das
deutsch-polnische Verhältnis ist nach einer Zeit der Stagnation während
der Regierung Kaczynski wieder auf einem guten Weg. Davon zeugt unter anderem
ein Dokumentarfilm der deutschen Filmemacher Karin Kaper und Dirk Szuszies, in
dem über das bittere Schicksal sowohl von deutschen wie auch von polnischen
Heimatvertriebenen berichtet wird. Die Schwestern Ilse Kaper und Herta Christ,
die als junge Frauen aus ihrer schlesischen Heimat vertrieben wurden, erinnern
sich. Der Ort ihrer Kindheit, das Bauerndorf Niederlinde in der Gegend von Görlitz,
heißt heute Platerówka und liegt in Polen. Dort besaßen die
Eltern der beiden Frauen, die Familie Queißer, einen Erbhof, den 1946 eine
polnische Familie übernahm. Die Queißers wurden vertrieben und fanden
nach schweren Anfangsjahren eine neue Heimat im norddeutschen Syke. Dem wird
der Leidensweg der polnischen Familie Zukowski gegenübergestellt, die von
1920 bis 1940 einen kleinen Bauernhof in Ostpolen bewirtschaftete. Sie wurde nach
dem Hitler-Stalin-Pakt (einem deutsch-sowjetischen Nichtangriffsabkommen) 1940
zur Zwangsarbeit nach Sibirien deportiert und später dann nach Kirgisien.
Als der Krieg zu Ende war, wurde sie nach Schlesien geschickt und bekam den Hof
der Queißers zugewiesen. Die Regisseurin Karin Kaper, Jahrgang 1959,
ist die Tochter von Ilse Kaper. Sie hat – aus subjektiver Sicht – zusammen mit
dem 1956 in Dortmund geborenen Regisseur und Autor Dirk Szuszies einen versöhnlichen
Film mit zahlreichen Begegnungen, unaufgeregten Gesprächen und Rückblicken
in die jüngere deutsche und polnische Vergangenheit geschaffen. Das Leid
der deutschen Vertriebenen am Ende des Krieges, als die Rote Armee ins Dorf kam,
wird nicht verschwiegen, ebenso wenig wie die Repressalien unter polnischer Verwaltung
und später ihr Heimweh. Eingeblendet werden immer wieder auch die leidvollen
Erfahrungen der Familie Zukowski. Das alles unspektakulär und berichtend,
so dass die Schrecken der Vergangenheit eher in den Hintergrund treten. 1990
fahren die Schwestern Ilse und Herta zusammen mit Karin Kaper dann zu Besuch nach
Polen, wo sie sich mit der weit über achtzig Jahre alten Edwarda Zukowski,
ihrer Tochter Maria und der Enkeltochter Gabriela treffen. Die Bilder wechseln
hin und wieder von Platerówka nach Syke oder Bremen. Die Frauen backen
Kuchen, kochen, decken liebevoll den Tisch, ernten Obst, pflegen Gemüse und
Blumen in ihren Gärten, und sie schauen in der Abendsonne über die Felder.
Beiläufig erzählen Ilse und Herta über ihr Leben, mit dem sie –
so scheint es – zufrieden sind. Manchmal denken sie an früher, und sie unterhalten
sich mit Edwarda, Maria und Gabriela. Es kommen fast ausschließlich die
Frauen zu Wort, wodurch die Atmosphäre geprägt ist. Allerdings lässt
der Film unerwähnt, dass es außer diesen Frauen, die sich mit ihrem
Schicksal abgefunden haben, Millionen traumatisierter Frauen und Kinder gab und
zum Teil heute noch gibt. Die geschichtlichen Hintergründe bleiben weitgehend
im Vagen. So wird zum Beispiel nicht erwähnt, dass die polnischen Ostgebiete
(in Litauen, Weißrussland und der Ukraine), von denen die Rede ist, 1920/21
von Polen unter Marschall Pilsudski in einem Krieg gegen die im Entstehen begriffene
Sowjetunion erobert worden sind. Die Grenze Polens wurde damals weit über
das polnische Siedlungsgebiet hinaus nach Osten vorgeschoben. Nun mag das Verschweigen
dieser Tatsache, wie auch manches andere, dem guten Willen der Filmemacher geschuldet
sein, schließlich geht es ihnen um Versöhnung. Aber der Film bleibt
überwiegend der Familiengeschichte der Regisseurin verhaftet und er hat zudem
viele Längen, wodurch es schwierig sein dürfte, ihn für ein jüngeres
Publikum wirksam werden zu lassen. Dennoch: ein wichtiges Dokument, das viel
über das deutsch-polnische Verhältnis und das Bemühen um Verständigung
aussagt. "Aber das Leben geht weiter", sagt Ilse Kaper gegen Ende des
Films. Und sie fügt hinzu, es nütze nichts, sich zu grämen, man
müsse in die Zukunft schauen.
"Aber das Leben geht weiter", Deutschland 2011, Buch, Regie, Kamera:
Karin Kaper und Dirk Szuszies, Dokumentarfilm, 104 Minuten, Farbe. DVD zum
Film in deutscher und polnischer Originalfassung, 2012. -------------------------------
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Regisseurin ... Karin
Kaper schreibt u.a.: "Ein bewegender Film über den Verlust der Heimat aus
dem Blickwinkel persönlich betroffener Frauen Ein warmherziger und ruhiger Film,
der auf jede Gewaltdarstellung verzichtet. (...) Drei polnische und drei deutsche
Frauen aus mehreren Generationen, deren Familiengeschichte sich nach Ende des
Zweiten Weltkrieges auf dramatische Art kreuzte, setzen bewusst persönlich zum
Thema "Flucht und Vertreibung" ein Zeichen der Annäherung. (..) Dem Schicksal
der Deutschen, die später in Bremen und Umgebung eine zweite Heimat fanden, wird
das der polnischen Familie gegenübergestellt, die ihrerseits 1940 von der sowjetischen
Armee aus Ostgebieten Polens nach Sibirien verschleppt wurde. Nach einer unglaublichen
sogar bis Kirgistan führenden Odyssee bekam sie schließlich im Sommer 1945 den
Hof der Deutschen zugesprochen. Das ehemalige Niederlinde heißt heute Platerówka
und liegt 25 km von Görlitz entfernt  | Einige
der Beteiligten: von links:
Gabriela
Matniszewska (Enkelin von Edwarda Zukowska), Ilse
Kaper,
Edwarda
Zukowska (lebt in Polen) Hertha
Christ (Schwester von Ilse Kaper)
Karin
Kaper , Buch, Kamera, Regie zusammen mit Dirk Szuszies) |
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