Kunst
im öffentlichen Raum mit Skandalen
Öffentliche Kunst
in Göttingen ist oft begleitet von heftigen Debatten.
Jürgen Weber
Portal am Ratssaal Neues Rathaus
Nehmen wir z.B. die
Tür am Ratssaal im Neuen Rathaus, die von einem Bronze-Relief "Die
Stadt" von Jürgen Weber ausgefüllt wird.
Darauf sind marschierende SA-Leute mit Fahnen, Hexenverbrennungen, Kriegsszenen
und andere Gräueltaten zu sehen. Es enthält aber auch eine Inschrift
mit der die schleichende Aushöhlung des Grundgesetzes durch Politiker
und Verfassungsrichter beklagt wird. Diese Inschrift war Gegenstand eines
heftigen Streits über das damals fast 200.000 DM teure Bronzerelief.
Jürgen Weber
Relief "Die Stadt" an der Stadthalle

1963/64 schuf Jürgen
Weber das zur damaligen Zeit höchst umstrittene Relief "Die Stadt", das
noch heute an der Stadthalle zu sehen ist. Ablehung formulierten einige
Streithähne wegen der darauf zu sehenden nackten Menschen in sichtlich
begehrenden Posen.
Uwe Appold "Doppelkentaur"
An sexuellen Andeutungen
bei Denkmalen scheiden sich die Geister. Der "Doppelkentaur"
von Uwe Appold, vor dem Rathaus, ein Reiterstandbild mit einem Pferd,
dem ein Beid fehlt und einen deutlich großen Phallus zeigt. Dieser
wurde dann auch irgendwann mal von jemand zusätzlich rot angemalt.
Eigentlich sollte das Standbild ein Mahnmal gegen den Krieg sein.
Kragenbär
- in Memoriam Robert Gernhardt
Zuletzt kam es 2014
zu aufgeregten Diskussionen in Gremien und Öffentlichkeit beim Vorschlag
den "Kragenbär" in Erinnerung an Robert Gernhardt auf dem
nach ihm benannten Platz am Leinebogen aufzustellen. Gernot-Platz aufzustellen.
Gernhardt hatte gedichtet; "der Kragenbär der holt sich munter,
einen nach dem andern runter." Dass hierüber eine hochoffizielle
Diskussion entstand, das mußte den verstorbenen satirischen Dichter
posthum über alle Verwesungsprozesse hinweg zum Schmunzeln gebracht
haben.
Denkmal
"Dem Landesvater seine Göttinger Sieben"
Am
19. November 2015 wurde das Denkmal von der Stiftung Niedersachsen der
Stadt Göttingen öffentlich übergeben. Es geht auf die Initiative
von privaten Stiftern aus dem Göttinger Umland zurück, die auch
die Finanzierung sicherstellen. Die privaten Finanziers werden
nicht genannt, aber nach unbestätigten Vermutungen soll Tete
Böttger nicht unbeteiligt gewesen sein, der u.a. auch die Lichtenbergskulptur
am Alten Rathaus 1992 gestiftet hatte. Zur
Übergabe sprachen neben dem Göttinger Oberbürgermeister
Rolf-Georg Köhler und dem Präsidenten der Stiftung Hans Eveslage
der ehemalige Direktor des Sprengel Museums Hannover Professor Dr. Ulrich
Krempel.
Christiane
Moebus über ihr Kunstwerk:
"Mein
Denkmal für die Göttinger Sieben besteht aus einer Granitskulptur,
die mit dem Sockel des hannoverschen Ernst-August-Denkmals in Form, Farbe,
Material und Dimension identisch ist. Den oberen Abschluss der Skulptur
bildet eine Bronzeplatte, die der Oberflächenstruktur der Plinthe
des Reiterdenkmals am Hauptbahnhof Hannover entspricht. Es werden lediglich
einige Trittsiegel der Pferdeskulptur als Spuren sichtbar. Es ist dies
ein Sockel ohne Roß und Reiter, jedoch an der Breitseite mit der
Widmung "Dem Landesvater seine Göttinger Sieben", die die
originale, sich "unterm Schwanz" ausbreitende untertänige
Idolatrie** und die sich einschmeicheln wollende Devotheit der Zueignung
deutlich und ironisch konterkariert und damit einen differenzierten historischen
Bezug herstellt. (Die Göttinger Sieben waren eben nur die ersten
Professoren, denen dort die Venia legendi entzogen wurde und die das Land
verlassen mussten ...) Die Skulptur bedeutet sowohl ein Denk-Mal für
das "treue Volk" wie auch für die Politiker, die Niedersachsen
und damit unsere Geschicke lenken. Die Skulptur wurde auf dem Göttinger
Bahnhofsvorplatz aufgestellt – ähnlich wie in Hannover –, aber nicht
in dessen Mittelachse, sondern seitlich versetzt. Auf der rechten Seite
des Denkmals, mit Blick auf den Bahnhof, sind die Namen der Göttinger
Sieben eingelassen in der Reihenfolge der historischen Unterschriftensetzung
ihrer damaligen Protestschrift; an der linken Seite befindet sich der
Widmungstext.
Mit
den historischen Namen sollen die heutigen und zukünftigen Bürger
unseres Landes angesprochen und zur Reflexion angeregt werden. Deshalb
möchte ich an achter Stelle mit meiner Unterschrift das Demokratieverständnis
weiterzutragen versuchen. Denn über Diktatur, Tyrannei und Machtbesessenheit
muss auch heute noch befunden werden. Mein Entwurf basiert auf meinem
Beitrag zum Wettbewerb "Die Göttinger Sieben / Der Wettbewerb
für das Landesdenkmal in Hannover" (siehe die
Dokumentation hrsg. vom Kuratorium "Denkmal für die Göttinger
Sieben", Hannover 1994). **Götzendienst
/ Bildverehrung
Eingemeisselte Namen der Göttinger Sieben auf dem Sockel /
Als Anknüpfung zu den Göttinger Sieben passt das Plakat im August
2016 "Kein Mensch ist illegal".
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Während
die Künstlerin Christiane Möbus
sich selbst ein Denkmal setzte, indem sie vermessen ihren eigenen
Namen neben den >Göttinger
Sieben in
der Reihe unten rechts einmeiseln
liess,
... wird mit
diesem Foto an den Arbeiter erinnert, der im November 2015, auf
dem Sockel liegend Schweißarbeiten ausführen mußte.
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Die
Skulptur von Christiane Möbus entspricht in Größe und
Material dem Denkmal des Königs Ernst August vor dem Hauptbahnhof
in Hannover – allerdings ohne Reiterstandbild, dafür mit der Inschrift:
"Dem Landesvater seine Göttinger Sieben" sowie die Namen
der sieben Professoren - und dem der Künstlerin. Letzteres
wäre vermeidbar gewesen und hätte dem Sinn des Denkmals mehr
entsprochen.
Der Sockel wird gerne
als Plakatsäule benutzt

Bürgerbegehren
an die Stadt Göttingen
"Versetzen des Denkmalsockels vom Bahnhof zum Neuen Rathaus"

Plakat der Piratenpartei
zur Kommunalwahl
Text aus der Initiative der Piratenpartei:
Mit meiner Unterschrift unter dieses Bürgerbegehren gemäß § 32 NKomVG
beantrage ich die Durchführung e ines Bürgerentscheids nach § 33 NKomVG:
Begründung: Im Jahr 2015 wurde auf dem Bahnhofsplatz ein leerer. Denkmalsockel
aufgestellt, welcher etwa 480.000 Euro gekostet haben soll, die von wenigen
privaten Sponsoren übernommen wurden. Die Bevölkerung wurde nie nach ihrer
Meinung gefragt. Dies soll hier nachgeholt werden. Viele Göttinger haben
die Nennung des Namens der Künstlerin neben denen der Göttinger Sieben,
die im Jahr 1837 nach einem Protest gegen die Obrigkeit von der Universität
entlassen wurden, als anmaßend empfunden. Durch einen Standort am Neuen
Rathaus soll den Verantwortlichen der Stadt täglich vor Augen geführt
werden, wie wichtig es ist, den Willen der Bürgerinnen und Bürger auch
jenseits der Wahltermine zu berücksichtigen. Kostendeckungsvorschlag:
Für das Versetzen des Denkmals entstehen Kosten in Höhe von maximal 25.000
Euro netto, welche die Stadt übernimmt. Die Stadt hatte gemäß dem Ratsbeschluss
vom 18. Juli 2014 die Kosten der Fundamentierungsarbeiten und baulichen
Unterhaltungskosten übernommen, ohne gegenüber dem Stadtrat die Höhe dieser
Kosten zu beziffern. Die Kosten sind aus dem dortigen Etat oder aus Investitionsnummer
6663055016 zu tragen. Dieser Posten beinhaltet die eingesparten Planungskosten
von 50.000 Euro für ein inzwischen verworfenes Brückenbauwerk über die
Leine in Höhe der Lokhalle.
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