Artikel
aus dem Göttiner Betriebsexpress Nr. 169, vom 24. April 2002
Gothaer quo vadis?
Bei der Gothaer in Göttingen beschäftigt? Früher war das etwa so, als wenn
mensch im öffentlichen Dienst beschäftigt wäre. Ein sicherer Arbeitsplatz, ein
erträgliches Einkommen, betriebliche Altersversorgung. Bei der Gothaer angestellt zu
sein, das war was. Da wurde mensch schon mal beneidet.
Aber das klingt heute schon fast wie ein Märchen aus einer längst vergangenen Zeit.
Berufsausbildung bei der Gothaer? Früher gab es auf jeden Ausbildungsplatz bei der
Gothaer in Göttingen 20 Bewerberlnnen. Heute ist es schon problematisch, die wenigen
Ausbildungsplätze, die die Gothaer noch anbietet, überhaupt zu besetzen. Was soll ich
denn Versicherungskauffrau/-mann in Göttingen lernen, wenn ich nach der Ausbildung bei
der Gothaer allenfalls damit rechnen kann, befristet für zwei Jahre übernommen zu
werden?
So geht es schon los bei den Auszubildenden und setzt sich weiter fort bei den
Angestellten. Da werden häufig nur noch ,,befristete" Anstellungen vorgenommen. Mit
,,Zeitverträgen" wird versucht, die Arbeit zu schaffen. Bloß keine unbefristeten
Neueinstellungen, wir haben ein Kostenproblem, wir müssen Personal abbauen. Diese alte
Leier hört man jeden Tag bei der Gothaer. Anstatt Zukunftsperspektiven zu entwiökeln,
malt der Vorstand der Gothaer schwarz und hat wohl kein Rezept mehr, wie es weiter gehen
soll.
Fusion?...
Anstatt sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und damit die Marktposition zu
sichern, traut sich der Vorstand das selbst wohl nicht mehr zu. Gespräche über Fusionen
mit anderen Versicherern werden geführt. ,,Jeder spricht mit jedem" wurde der Presse
erklärt. Dem eigenen Können wird nicht vertraut (auf der Vorstandsebene vielleicht ja
durchaus zu Recht). Marktposition, Geschäftszuwachs, das scheint nicht mehr durch
vernünftige Produkte, Dienstleistungen und Preise erreichbar zu sein, sondern durch die
Fusion mit Anderen. Ganz aktuell geistern Fusionsgerüchte (z. B. von der Gothaer mit der
Signal/lduna) durch die Presse und wollen nicht verstummen.
Da kann es nicht mehr verwundern, wenn sich die Beschäftigten bei der Gothaer Gedanken
über ihre Zukunft machen. Wird die Niederlassung in Göttingen noch gebraucht wenn eine
Fusion, mit einem anderen Versicherer erfolgt? Und ist die Gothaer Lebensversicherung in
Göttingen noch sinnvoll, wenn der Zusammenschluss mit einem anderen Lebensversicherer
denkbar ist?
Wie
sicher ist mein Arbeitsplatz noch, wenn es so weitergeht, möglichst viele Arbeitsplätze
nach Köln in die Konzernzentrale zu verlagern? Sind das alles nicht schon Maßnahmen, um
sich für eine Fusion mit Anderen "fit" zu machen? Sind das alles nicht schon
Maßnahmen, den ganzen Konzern auf Köln zu zentralisieren?
Der Vorstand jedenfalls tut nichts, um hier
seine Position deutlich zu machen. Ganz im Gegenteil. Uns ist zu Ohren gekommen, dass er
Verhandlungen über eine Standortsicherungsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat hat
scheitern lassen, weil dies mit völlig sachfremden Forderungen verbunden wurde.
Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz", dieses Zitat wird Martin
Luther zugeschrieben. In abgewandelter Form scheint das leider auch auf die Gothaer
zuzutreffen. Wie will der Vorstand die Gothaer weiter bringen bzw. erhalten, wenn er
selbst scheinbar keine eigenen Ideen mehr hat, sondern sein ,,Heil" in Fusionen
sucht?
...oder Zentralisierung?
Zentralisierung, ein weiteres Unwort für die Vernichtung von Arbeitsplätzen in der
Region. Es ist geplant, dass die Berlin-Kölnische Krankenversicherung ihre Betriebe im
Bundesgebiet in Köln und Göttingen konzentrieren will. Betriebe in Städten wie Hamburg
oder München sollen geschlossen oder nach Köln und Göttingen verlagert werden. Eine
Aktion, die zumindest zur Zeit ausnahmsweise mal keine Arbeitsplätze in Göttingen
vernichtet, sondern eher zusätzliche Kapazitäten in Göttingen schafft. Aber ist das nun
wirklich ein Vorteil? Hat der Vorstand schon vergessen, was es bedeutet, Arbeitsplätze
auf wenige ausgesuchte Orte zu verlagern? Wieder wird es betriebsbedingte Kündigungen
geben, wieder werden Sozialpläne verhandelt, wieder werden ,,Betroffene" ohne
Arbeitsplatz dastehen. Sind das die Herausforderungen des Marktes, denen sich die Gothaer
stellen muss? Oder sind das alles nur Maßnahmen, um sich für eine Fusion oder eine
Übernahme durch einen anderen Versicherer "schlank" zu machen??
Heute also mal hauptsächlich viele Fragen. Vielleicht gibt es schon in unseren nächsten
Ausgaben einige Antworten.
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