Gibt es ein Recht auf Verlogenheit? Das fragen
die Arbeitslosen Kanzler Schröder
Worum geht's? Bundeskanzler Schröder
hat im Fachblatt für Stammtische (Bild-Zeitung) gesagt: ,Es gibt kein Recht auf
Faulheit in unserer Gesellschaft!" Er warnt die Arbeitslosen und fordert
mehr Druck auf die Arbeitsunwilligen unter ihnen. ,Wer arbeitsfähig sei, aber
eine zumutbare Stelle ablehne, dem könne die Unterstützung gekürzt werden",
sagt er. Das ist längst gesetzlich so geregelt! Das fällt ihm dann auch auf und
er schiebt noch nach., dass die Arbeitsämter diese Möglichkeiten konsequenter
ausnutzen sollten. Der CDU-Wirtschaftsexperte Hans-Jürgen Doss setzt da noch einen
drauf mit seinem Vorschlag, eine Arbeitslosenpolizei"' einzuführen, die die
verschärften Sanktionen dann auch überprüft. Aber damit nicht genug, Essen-Gutscheine
statt Arbeitslosen- und Sozialhilfe, schallt's aus der dünnen Luft geistiger CDU-Höhen.
sollen das soziale Parasitentum eindämmen helfen.
Im Jahr 2000 gab es im Jahresdurchschnitt
26.354 registrierte Arbeitslose im Arbeitsamtsbezirk Göttingen. Gleichzeitig hat
das Arbeitsamt 77 Sperrzeiten wegen Arbeitsverweigerung verhängt (also bei weniger
als 0.3% der im Jahresdurchschnitt gemeldeten Arbeitslosen). Gleichzeitig waren
dem Göttinger Arbeitsamt im Durchschnitt sagenhafte 2.549 offene Steilen gemeldet!
Ganz offensichtlich stellt die Drückebergerdebatte nicht im Entferntesten einen
Ansatz zur Lösung des Problems der Massenarbeitslosigkeit dar. Das weiß auch Schröder
(hoffentlich). Warum tritt er dann diese Kampagne zur moralischen Empörung über
angebliche Faulenzer los, die es sich auf Kosten der Allgemeinheit in der sozialen
Hängematte bequem machen. während andere schwer für ihren Unterhalt schuften müssen?
Fangen wir mit dem Zeitpunkt an: er sagte es am 6.4.2001. wenige Tage nach dem
die wirtschaftlichen Sachverständigen und andere Forschungsinstitute in ihren
Frühjahrsgutachten ein gebremstes Wirtschaftswachstum und somit eine weiterhin
hohe Zahl von Erwerbslosen prognostizierten. Wir erinnern uns: dieser Bundeskanzler
redet viel und sagte zu Beginn seiner Amtszeit: ,,Ich lasse mich bei der nächsten
Wahl daran messen, ob es mir gelungen ist, die Arbeitslosenzahl zu halbieren."
Das wären dann knapp 2. Mio. offizielle Erwerbslose. Die Gutachter gehen aber
durchaus von mehr als 3,5 Mio. aus. Statt nun endlich wirksame Schritte gegen
die Massenerwerbslosigkeit zu unternehmen z. B durch Abbau der horrenden Zahlen
an geleisteten Überstunden (wozu die ArbeitgeberInnen allerdings gezwungen werden
müssten) oder durch Beschäftigungsprogramme. wird die Schuldfrage einfach umgekehrt:
Schuld haben die Arbeitslosen selber, denn viele von ihnen sind faul und Drückeberger
und wollen gar nicht mehr arbeiten. Wir wissen es doch längst, es ist viel leichter,
die Arbeitslosen statt die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen!
Seit der Regierungsübernahme
ist nichts von dieser rot-grünen Koalition zurückgenommen worden. was ihre Vorgängerin
an sozialen Verschlechterungen verbrochen hatte. Ganz im Gegenteil, wo die Kohl-Regierung
noch zögerte und zauderte, da langt Rot-Grün gnadenlos hin:
Die Regierung
Kohl hatte den Bezug von ,,originärer Arbeitslosenhilfe" (Bezug von Arbeitslosenhilfe
ohne vorherigen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben auf ein Jahr begrenzt,
die Regierung Schröder hat die originäre Arbeitslosenhilfe ganz gestrichen!
Die Regierung Kohl hat eine jährliche Leistungskürzung um 3 % bei andauerndem
Arbeitslosenhilfebezug eingeführt. Die Regierung Schröder ist dabei, die Arbeitslosenhilfe
ganz abzuschaffen. Das nennt sich vornehm ,,Zusammenlegung" von Arbeitslosen-
und Sozialhilfe. Zur Erprobung dieser und anderer Verschlechterungen laufen Modellversuche
zwischen Arbeits- und Sozialämtern (auch in Göttingen!).
- Die Rentenbeiträge,
die das Arbeitsamt für Arbeitslosenhilfebezieher an die Rentenkassen bezahlt,
wurden drastisch gekürzt. Altersarmut ist damit programmiert. Wir fördern und
wir fordern, heißt die neue Marschroute.
Was heißt das genau? Jede/r Langzeitarbeitslose
(ca. 1,5 Mio., die ein Jahr oder länger arbeitslos sind) soll nach einem Jahr
,,passgenau." durch einen ,,individuellen Eingliederungsplan entweder in
einen Arbeitsplatz, eine Maßnahme oder eine Weiter- bzw. Ausbildung geführt werden.
Schön, wenn das gelingt und alle Beteiligten ernsthaft mitplanen dürfen. Aber
gerade bei Maßnahmen (jedes Jahr einmal zum Bewerbungstraining!) sind uns die
oft sinnlosen Ehrenrunden auch heute' schon bekannt. So lange es bei weitem nicht
ausreichend Arbeit gibt, können solche Konzepte nicht greifen. Auch das geplante
verstärkte Einschalten privater Arbeitsvermittler kann das nicht ändern. Geht
es um die Beschäftigten, die Menschen, die Einzelschicksale? Nein! Denn in dieser
Gesellschaft gilt nach wie vor: Der Profit der Einen ist die Arbeitslosigkeit
der Anderen!
Die Ursache von der nunmehr seit 25 Jahren andauernden Massenarbeitslosigkeit
ist nicht bei den einzelnen Arbeitslosen zu suchen, sondern in einer Wirtschaftsweise,
der es zwar hervorragend gelingt, durch neue Techniken und neue Produktionsmethoden
die Produktionszeit zu verkürzen; die Arbeitszeit der Beschäftigten wird aber
nicht verkürzt, sondern z.T. sogar verlängert. So schaffen immer weniger immer
mehr, die Unternehmen erhalten von weniger Beschäftigten (die von mehr Stress,
Überstunden und betrieblichem Sozialabbau betroffen sind mehr Produkte, deren
Verkauf erbringt höheren Profit - der Profit der Einen ist die Arbeitslosigkeit
der anderen.
Und genau hier gibt es Zusammenhänge unseres Kampfes und unserer
Forderungen mit den Interessen derBeschäftigten: Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit
ist auch ein Kampf für die Interessen der Beschäftigten! Wir sollen gezwungen
werden, Niedrigstlohn-Arbeitsplätze anzunehmen, ungeachtet dessen, ob sie Existenz
sichernd sind oder nicht. Das ist zwar kein wirksames Mittel gegen die Massenarbeitslosigkeit,
wohl aber eines, um Druck auf Lohntarifverhandlungen auszuüben:
Sollte die
Arbeitslosenhilfe sogar ganz wegfallen, dann sind die Bedingungen da, dass wir
jede Arbeit zu fast jeder Bedingung annehmen müssen. Niedriglöhne und schlechtere
Arbeitsbedingungen für alle Noch-Beschäftigten sind auch hier die Folge. Die ganze
Armutsspirale dreht sich immer schneller und die Massenarbeitslosigkeit bleibt
dennoch bestehen. Die ArbeitgeberInnen aber haben den ihnen gemäßen Standort Deutschland.
Dagegen fordern wir
- Aus- und Weiterbildung und Berufswahl nach dem Willen
der Betroffenen;
- Abbau von Überstunden zur Schaffung von festen Arbeitsplätzen;
- Weitere
Arbeitszeitverkürzung;
- Sinnvolle Beschäftigungsprogramme
- Ein ausreichendes
Grundeinkommen für Alle
Nicht zuletzt fordern wir, von den Gewerkschaften
entschieden Front gegen alle Formen von Sozialabbau zu machen und nicht nur in
Feiertagsreden zum 1. Mai.