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"Arbeit und Leben" sperrt Initiative Soziales Zentrum aus

Erste Berichte am 16.8.
Arbeit und Leben stellt sich taub
Erklärung von der Initiative Soziales Zentrum
Stellungnahme von Sebastian Wertmüller

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Erste Berichte über den Vorfall
Initiative "Soziales Zentrum" vom Bildungsträger "Arbeit und Leben" vor die Tür gesetzt

Am 16.8.04 während der Sitzung des "Runden Tisches Armes Göttingen" wurde bekannt, dass die Initiatve "Soziales Zentrum" vom Bildungsträger "Arbeit und Leben" "vor die Tür gesetzt" worden sei, angeblich nachdem die Leiterin der Göttinger Arbeitsagentur Frau Gersdorf Druck auf Arbeit und Leben ausgeübt habe. Dies ist denkbar insofern als Arbeit und Leben bei der Vergabe von Mittelzuweisungen gelegentlich vom Wohlwollen der Arbeitsagentur abhängig zu sein scheint.

gerstorf.JPG (11809 Byte) Bild: Frau Marianne Gersdorf, Leiterin der Göttinger Arbeitsagentur bei einer Veranstaltung in der Levinstraße bei der "Brockensammlung" zum Thema Hartz 4 und die Folgen Juni 2004

Anlaß dafür dieses "Vor die Tür setzen" sei angeblich ein Flugblatt gewesen, das man dieser Initiative zurechne und das am Arbeitsamt verteilt worden sei. Bei Arbeit und Leben waren dem Vernehmen nach vor Montag die Schlösser der Tagungsräume ausgetauscht worden, so dass die ca. 20 BesucherInnen des Sozialen-Zentrums-Termins vor verschlossenen Türen standen.

Die Initiative Soziales Zentrum, die in den Stadtteilen und vor dem Arbeitsamt über die Folgen von Hartz 4 informiert, sucht zwar sowieso eigene Räumlichkeiten für die Beratungsarbeit zu mieten, ist aber bis zum Fündigwerden nun ohne festen Tagungsraum.

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Arbeit & Leben stellt sich taub
AuL Geschäftsführer Bernd Schütze hat einfach nicht auf unsere Anfrage reagiert und keine Stellungnahme abgegeben, deshalb veröffentlichen wir jetzt die bereits vorliegende Erklärung des Sozialen Zentrums und des DGB-Vorstitzenden Sebastian Wertmüller.

Aus dem Kreis der Initiative wurde mitgeteilt, dass ein Gespräch mit dem Leiter von Arbeit und Leben, Bernd Schütze stattgefunden habe, aus dem hervorgegangen sei, dass der Rauswurf auf ein Verlangen von DGB-Vorsitzenden Wertmüller zurückgegangen sei. Wenn dies stimmen sollte, ergibt sich ein Widerspruch zwischen den Aussagen von Schütze und Wertmüller, denn dies wird von Wertmüller dementiert und die Entscheidung als alleinige Angelegenheit von Schütze dargestellt. Umso interessanter wäre nun die Stellungnahme von Bernd Schütze, die aber ausbleibt.

Erklärung von der Initiative Soziales Zentrum:

Initiative für ein Soziales Zentrum Göttingen von Arbeit und Leben ausgesperrt!

Seit Beginn der öffentlichen Arbeit Anfang diesen Jahres trifft sich die Initiative für ein Soziales Zentrum in Göttingen jeden Montag in den Räumen der gewerkschaftsnahen Bildungseinrichtung "Arbeit und Leben" (A&L).
Das Zurverfügungstellen von Räumen für politische Gruppen durch A&L hat eine lange und gute Tradition in Göttingen. Bisher hat dies noch nie bedeutet, dass A&L in die internen Angelegenheiten der politischen Gruppen eingegriffen oder politische Zensur betrieben hat. Das Nebeneinander verschiedener politischer Ansichten und Ansätze war bisher nie Gegenstand machtpolitischer Aktionen.
Vorletzten Montag (16.8) standen ca. 25 Menschen vor ausgetauschten Schlössern. Daraufhin suchten zwei Vertreterinnen der Initiative am folgenden Tag das Gespräch mit dem Geschäftsführer von A&L, Bernd Schütze, um die Hintergründe für den Ausschluss zu erfragen. Stein des Anstoßes sei laut Bernd Schütze ein Flugblatt, welches in den Gängen der Agentur für Arbeit (AA) auslag und angeblich zu (Psycho-)Terror gegen die AA-MitarbeiterInnen aufruft.
Dieses Flugblatt wurde aufgrund eines Terminhinweises am Ende des Textes zu den wöchentlichen Treffen der Initiative für ein Soziales Zentrum bei A&L dieser zugesprochen. (Ein weiterer Termin verweist auf das Erwerbslosenfrühstück im Juzi.)
Sebastian Wertmüller, seines Zeichens DGB-Vorsitzender Südniedersachsen, Vorsitzender des Aufsichtsrates der BA Göttingen und laut Aussage von Bernd Schütze auch Vorsitzender von A&L, hat dieses Flugblatt aus der AA gefaxt bekommen, sich dann an Bernd Schütze gewandt und gemeinsam haben sie dann entschieden, dem Sozialen Zentrum zukünftig die Räumlichkeiten von A&L vorzuenthalten.
Hierbei ist festzuhalten, dass weder Sebastian Wertmüller noch Bernd Schütze versucht haben durch ein Gespräch mit uns zu klären, ob und was wir mit dem Flugblatt zu tun haben. Stattdessen drückten sie ihren Willen mit dem willkürlichen Einsatz ihrer Machtpositionen durch. Dieses Flugblatt ist nicht vom Sozialen Zentrum. Doch spielte das bei dem Rausschmiss keine Rolle.
Trotzdem schließen wir uns nicht den Interpretationen des Inhalts seitens AA, Wertmüller und A&L an. Denn Psychoterror ist unserer Meinung nach das, was mit Menschen geschieht, die für jede Scheißarbeit gefügig gemacht werden sollen und denen als Druckmittel mit dem Entzug ihrer Existenzgrundlagen gedroht wird.
Bei dem Rausschmiss handelt es sich wohl um die ersten Anzeichen der neuen Konfliktlinien zwischen denen vom sozialen Kahlschlag Betroffenen und denen, die von den Umstrukturierungen profitieren werden, z.B. Bildungsträger und Wohlfahrtsverbände. Als Beispiele seien hier die Einführung von 1€-Jobs für Langzeitarbeitslose und die Umsetzung der neuen Förderpläne genannt.
Wertmüller und Schütze positionieren sich hierdurch eindeutig: an der Seite von Gerstorf und der AA.
Das Soziale Zentrum hingegen orientiert sich an den Interessen der direkt von der Agenda 2010 Betroffenen und versucht diese aktiv und praktisch bei ihren Problemen mit Sozial- und Arbeitsamt zu unterstützen und dies mit politischen Protestaktionen zu verbinden.
Wir jammern nicht über den Entzug der Räume, obwohl wir noch keinen adäquaten Ersatz haben. Wir sind nicht angetreten um ein Zentrum zu machen, dass alle glücklich macht, sondern um eine praktische Alternative des sozialen Widerstands gegen den sozialen Angriff zu entwickeln. dass sich hier Grenzen auftun zu denen, für die sozialer Protest ein Geschäft ist, war vorauszusehen und der Bruch ist eben jetzt von diesen forciert worden.

 

Stellungnahme von  Sebastian Wertmüller / DGB

Wir baten Sebastian Wertmüller mit folgendem Text um Stellungnahme:
"im Zusammenhang mit Berichten über einen Rausschmiß des Sozialen Zentrums wurde (am 20.8.) an die Redaktion berichtet, dass dieser Rausschmiß auf eine Anweisung von Dir an Bernd Schütze zurückgeht, nachdem Frau Gerstorf entsprechend Druck ausgeübt habe. Um eine faire Berichterstattung zu leisten, möchte ich diese Darstellungen durch einen Kommentar von Dir ergänzen bzw. eventuelle Richtigstellungen Deinerseits hinzufügen."
Sebastian Wertmüller hat mit Mail am 22.8. geantwortet:

Der Gerüchte sind viele in dieser Welt.... Wenn Du von Arbeit und Leben wissen willst, warum Arbeit und Leben die Initiative für ein Soziales Zentrum vor die Tür gesetzt hat, dann wäre es am besten auch Arbeit und Leben zu fragen.
Ich habe bei AuL keine Funktionen und schon gar keine Weisungsbefugnis. Der Geschäftsführer Bernd Schütze weiß auch ohne mich, was er zu tun hat.
Zur Sache: Auslöser ist ein Flugblatt, das in der Agentur für Arbeit ausgelegt wurde . Darin werden abschließend folgende Ankündigungen gemacht: "Solidarität kann praktisch werden. Und die SachbearbeiterInnen und Fallmanager, die uns das Leben schwer machen wollen, werden spüren, dass sie mit uns nicht alles machen können, was das Sozialgesetzbuch II hergibt. So kommen ihre kleinen und großen Schikanen an die Öffentlichkeit, denn auch Fallmanager haben Gesicht und Namen. Bildet Banden - organisiert Beistand - leistet Widerstand im Alltag. Kommt zum Treffen. Wir können miteinander Gegenmaßnahmen und Aktionen besprechen und Tipps und Trick austauschen. Jeden Montag 20 Uhr Treffen von Sozialen Zentrum Bei Arbeit und Leben, Lange Geismarstraße 73 Jeden ersten Dienstag im Monat Erwerbslosenfrühstück Im Jugendzentrum Innenstadt Bürgerstraße 41"
Die Bedrohung von Beschäftigten der BA ist wohl unmissverständlich - wenn auch mit der obligatorischen Vorsicht formuliert (natürlich lassen die Verfasser offen, ob "spüren" nur verbal oder auch gleich handgreiflich gemeint ist). Die Denunziation einzelner Mitarbeiter/innen der BA ("Gesicht und Namen") wird angekündigt, die möglichen Folgen werden billigend in Kauf genommen bzw. angeregt. Diese Variante des "Widerstandes" gegen Sozialabbau ist widerwärtig und das genaue Gegenteil von politischem Widerstand. Ich würde für derartige Beratungen und Besprechungen auch keine Räume zur Verfügung stellen. Da das Blatt keinen Herausgeber aufweist (warum nur?), sollte die Initiative für ein Soziales Zentrum sich mal dazu erklären.
Im übrigen wäre es durchaus der Mühe wert, die diversen "Tipps" und Hinweise - wie in dem oben zitierten Flugblatt - im Zusammenhang mit Hartz IV einer kritischen Würdigung zu unterziehen: Vorgebliche "Ratschläge" wie Verzögerungen und möglichst späte Einreichung der Antragsunterlagen behindern zwar den Bearbeitungsprozess, schaden aber letztlich nur den Antragstellern. Späte Antragsbearbeitung heißt auch späte Leistungsgewährung. Von Vorschusszahlungen und "Ad-hoc-Bewilligungen" durch die BA können wohl nur die schwadronieren, die das Geld selber nicht nötig haben und noch nie einen Vorschuss beantragen mussten. Da es sich ausschließlich um bisherige AlHi-EmpfängerInnen handelt, die es nun wahrlich nicht allzu üppig haben, ist unser Verständnis von Information und Beratung ein anderes.

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