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J. Robert Oppenheimer

Kritische Anmerkungen zur Gedenktafel für J. Robert Oppenheimer*

Anti-Atom-Initiative Göttingen, 22. April 2018
Braucht Göttingen eine Ehrentafel für J. Robert Oppenheimer?

Es passt in die Zeit des neuen Kalten Krieges und einer nuklearen Wiederaufrüstung, dass in diesen Tagen eine Gedenktafel für den unbestrittenen „Vater der Atombombe“ eingeweiht wird – in unmittelbarer Nähe zum „82er-Platz“, der einst mit gutem Grund in „Hiroshimaplatz“ umbenannt wurde.
Diese Gedenktafeln sind explizit als Ehrungen zu verstehen und nicht als reine Informationstafeln zu den ehemaligen Wohnstätten bekannter Persönlichkeiten. Der Beschluss des Kulturausschusses ist uns daher völlig unverständlich.

J. Robert Oppenheimer war 1942-45 der wissentschaftliche Leiter beim Aufbau des Manhatten-Projekts zur Entwicklung der ersten US Atombombe. Als mit dem Sieg über NS-Deutschland im Mai 1945 die ursprüngliche Legimitation für dieses Projekt wegfiel, richteten namenhafte Mitarbeiter des Projekts den dringenden Appell an die US-Regierung, auf einen Einsatz gegen Japan zu verzichten und höchstens einen öffentlichen Test zur allgemeinen Warnung durchzuführen (Franck-Report). Diesen Aufruf unterstützte Oppenheimer nicht. Die Verbreitung einer weiteren, ähnlichen Petition von Leo Szilard ließ er untersagen, bzw. verzögern. In seiner wichtigen Position im 4-köpfigen wissenschaftlichen Beratergremium des Kriegsministers hielt sich Oppenheimer mit politischen Statements zurück. Er trug die Entscheidung mit, die Atombombe ohne Vorwarnung auf Japan abzuwerfen. Darüber hinaus berechnete er für das Militär die Höhe, in der die Atombombe gezündet werden muss, um eine maximale Zerstörung zu erreichen. Fatale Folgen hatte Oppenheimers Hinweis auf die psychologische Wirkung der Explosion auf Augenzeugen durch den „visuellen Effekt“ und den „Neutroneneffekt“.So wurden schließlich Städte mit möglichst dichter Wohnbebauung ausgewählt. Schon 1943 hatte er Überlegungen zu einer Massenvergiftung durch Strontium 90 angestellt (zu gesundheitlichen Folgen nuklearer Strahlung hatte übrigens zeitgleich seine Frau als Labortechnikerin in Los Alamos geforscht).

In den Folgejahren blieb Oppenheimers Haltung zu Atomwaffen bemerkenswert inkonsequent. Zunächst ließ er sich nach Hiroshima und Nagasaki feiern. Er setzte sich aber gleichzeitig für einen Verzicht weiterer US-Atomwaffen ein und warb für internationale Kontrolle, denn er ahnte, dass auch die Sowjetunion in der Lage war, Atomwaffen zu entwickeln. Dem Appell von 12 US-Physikern um Hans Bethe an Präsident Truman, zukünftig auf einen nuklearen Erstschlag zu verzichten (1950), schloss sich Oppenheimer allerdings nicht an. Als Vorsitzender des Beratergremiums der staatlichen Atomic-Energy-Commission zweifelte er am Sinn des nuklearen Wettrüstens. Er erklärte aber 1947, es gehöre zur Hauptaufgabe, „/Atomwaffen, gute Atomwaffen und viele Atomwaffen zu beschaffen“. /Statt der Entwicklung von H-Bomben forderte Oppenheimer die Stationierung „/kleiner, taktischer Atomwaffen“ /in Europa (1949). Gegen diese, später auch von Adenauer verwendete, verharmlosende Bezeichnung „taktische Atomwaffe“ richtete sich die „Göttinger Erklärung“ von 1957.
Umstritten ist, ob Oppenheimer durch seine zeitweise ablehnenden Äußerungen die Entwicklung der Wasserstoffbombe signifikant verzögerte. Von 1951-54 fungierte Oppenheimer trotz angeblicher Skrupel wieder als Berater beim Bau der H-Bombe (schon 1944 hatte er mit Edwin Teller ein Patent darauf angemeldet). „Als die „Super“ (Wasserstoffbombe“ im Jahre 1951 machbar schien, waren wir von den wissenschaftlichen Ideen fasziniert, und wir machten sie in kurzer Zeit aller Skrupel ungeachtet“/ ** (Oppenheimer 1954 zitiert nach H. Kipphardt in Sachen J.R. Oppenheimer, 1964, 13 Auf. 2004, S.66)

Während der Mc Carthy-Ära wurden ihm in einem Untersuchungsausschuss kommunistische Umtriebe und mangelnder Enthusiasmus und dadurch Verzögerung beim Bau der Wasserstoffbombe vorgeworfen. Der Entzug seiner Sicherheitsprivilegien beendete 1954 Oppenheimers Möglichkeit, weiter als Berater staatlicher Stellen oder an geheimer Nuklearforschung mitzuwirken. Dieser aufsehenerregende Prozess verklärte Oppenheimer in der Öffentlichkeit-bis heute-zu einem Prototyp des innerlich zerrissenen Wissenschaftlers, der im tragischen Konflikt zwischen Loyalität zu seiner Regierung und dem Dienst an der Menschheit stehe. (** siehe das - im Schlusswort beschönigende- Theaterstück „In der Sache Oppenheimer“ von H.Kipphardt von 1964 sowie die Biografie von K. Bird und M. Sherwin von 2005 mit dem vielsagenden Originaltitel: „American Prometheus, The Triumph and Tragedy of J.R. Oppenheimer“). Oppenheimer selbst gab aber an, seine moralischen Bedenken immer den Staatsinteressen untergeordnet zu haben. Er hätte zwar damals die Atombombe gebaut in der Erwartung, dass sie nicht eingesetzt werde, doch noch drei Jahre vor seinem Tod betonte Oppenheimer, er würde dies auch heute noch genauso machen, trotz des Wissens um die verheerenden Folgen seiner Forschung.**(geäußert 1964 auf einer Konferenz in Genf, vgl. Oppenheimers Brief an Kipphardt vom 15. Okt. 1964; keine Reue zeigte er z.B. auch in einem Interview mit der Technologie Review 1963 nach Erhalt des Fermi-Preises)
Oppenheimers politisches Engagement lies nach Entzug seines Berater-Status‘ merklich nach. So unterzeichnete er auch nicht einen offenen Brief von Einstein, Born, Pauling und anderen gegen den Rüstungswettlauf von 1955. Max Born, Oppenheimers Lehrer in alten Göttinger Zeiten, äußerte sich 1964 zusammenfassend: „/Es macht mich zufrieden, einen so leistungsfähigen Schüler zu haben, doch wünsche ich mir, er hätte weniger Klugheit und mehr Weisheit bewiesen.“/**(M. Born, Mein Leben, 1975, Seite 313)
In Göttingen studierte in den 20er-Jahren bei Max Born, James Franck und Niels Bohr über ein Dutzend späterer Atombombenforscher (darunter Fermi, Compton, Bethe und der „Vater der Wasserstoffbombe“ Teller). Es gibt keinen Grund, darauf stolz zu sein und sie mit Gedenktafeln zu ehren. Denn ethisches Handeln konnte ihnen in Göttingen nicht vermittelt werden.
Eine Vorbildfunktion kann auch J.R. Oppenheimer nicht zugesprochen werden. Daher ist es umso bedenklicher, dass die Tafel ausgerechnet an einem Schulgebäude prangen wird (Nebengebäude der katholischen Bonifatiusschule, Am Geismartor 4).

Weitere Quellen:
--- Jungk, Heller als 1000 Sonnen, Bern/Stuttgart 1956, insbes. Seiten 183, 187-192, 208ff, 239, 247.
--- K.Bird/M.Sherwin, J.Robert Oppenheimer, (2005), Berlin 2010, insbes. Seiten 221, 253, 267, 288-298, 308-310, 349f, 416,432f, 435, 543f.