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Experimentelles Musik-Theater im Jungen Theater

Drei Autorenteams ergründen auf ihre Weise das Potential einer Verknüpfung von Film und Szene: Antoine Beuger (Musik), Düsseldorf und Els van Riel (Film), Brüssel; Stephan Schneider (Musik und Bühne) und Andreas Lorenschat (Film), Karlsruhe; Moritz Eggert (Text und Musik), München und Kristina Lösche-Löwensen (Film und Bühne), Berlin. Die Ausführenden sind Mitglieder von a rose is, einer Gruppe von 22 Musik- und Theaterkünstlern aus Europa, die sich 1997  in Hannover kennen lernten. "Platzende Kometen" ist das zweite gemeinsame Projekt von Nutzwerk e.V. (Verein zur Förderung experimenteller Musik- und Theaterkonzepte in Hannover) und "a rose is".

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Platzende Kometen
Wort, Bild, Licht, Film/Video, Raum, Musik - Videosequenzen in Zeitlupe von Stürmen nach Nuklearexplosionen, von Eruptionen auf der Sonne, Naturaufnahmen, ein Augenpaar in Großaufnahme, historische Gemälde, dann auf einem Gazevorhang vor den Musikern Werbesequenzen, Autorennen. Später Vortrag mit Gesang. Bild und Musik gut integriert .... aber verdammt nochmal wo platzten da Kometen??

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(Fotos: goest)
Scheerbart-Szenen für Ensemble, Stephan Marc Schneider (Musik) / Andreas Lorenschat (Film) interpretieren Prosa von Paul Scheerbart (1863-1915)

 

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Kometensalz“ ... was ist das ... „das ist der neue Stoff“. Das Neue. Faszinierend. Unbekannt. Nicht gewöhnlich. „... im Himmel müsse ein Komet geplatzt sein - es müsse ganz bestimmt ein Komet gewesen sein“. Alles will erklärt sein. Doch Definitionen scheinen unwirksam in hartem Rot, da ein Ende absehbar und schwarz.  „Das ist Alles so lächerlich!“ sagte mein Großvater

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(Foto: goest)
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(Foto: goest)
Erzählerin (Jule Kracht), Violine (Lisa Lammel), Trompete (Ulf Pankoke), Gitarre (Christian Buck), Percussion (Almut Lustig), Kontrabass (Gregor Schwellenbach), Raum: Jan Meyer, Kostüme: Jule Kracht
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(Fotos: goest)
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(Foto: goest)
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(Foto: goest)
Hervorgehoben werden soll an dieser Stelle die Percussionistin Almut Lustig, deren Einsatz, und Ausstrahlung, Präsenz und Authentizität die Performances den goest-Redakteur besonders beeindruckten. Dies soll nicht die gleichzeitige Anerkennung der Leistung der übrigen MusikerInnen schmälern, es handelt sich um einen subjektiven Eindruck.

 

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Weiter Weit
Von Antoine Beuger und Elsvan Riel, Wort: Emiliy Dickinsons Text "At half past three" übersetzt von Edith Kloss, Raum: Jan Meyer, Bild: eine weisse Fläche, bei Tageslicht gefilmt von Els van Riel, Musik: Violine, Vibraphon fast unhörbare Klänge im Raum, Stille.
Das Stück das zu Anfang des Abends inszeniert wurde, war das anscheinend einfachste Stück, das jedoch viel Sprengstoff enthielt, weil es diametral zur allgegenwärtigen Hektik stand.
Dieses erste Stück war eine Provokation der Langsamkeit und Stille,  sozusagen die Theorie der Langsamkeit in Praxis - jeder von schnellen Actionfolgen verdorbenen Wahrnehmungsgewohnheit widersprechend, zum Rauslaufen reizend. Gleichzeitig eine Symphonie der knarrenden Stühle, aufsetzenden Schuhe, Husten-, Räusper-,  Nies- und Sitzgeräusche inclusive der Geräusche wenn sich Schuhleder bewegt  - dass das Publikum einfach Geräusche macht, die in der Stille stören, hatte man sicher bei den stillen Proben nicht bedacht.
Manfred Wenninger las drei senkrechte Reihen mit Silben auf einem einzigen Blatt DIN A 4 über die Dauer von ca. 30 Minuten verteilt also mit Pausen von ca. 30-45 Sekunden "Ein" (Pause) "Vo" (Pause) "gel" (Pause)   usw.  Auf einer ca. 6x4 Meter großen Leinwand lief währenddessen eine Videoprojektion, allerdings war zunächst nur eine weiße Fläche zu sehen. In einem zähen, Minuten um Minuten dauerenden Prozess wurden wie im Nebel die Konturen einer Berglandschaft sichtbar. Während auf der Leinwand eine Landschaft im Nebel genauso lange brauchte, um aufzutauchen und wieder zu verschwinden und in gedehnten Abständen Silben gesprochen wurden, ertönte jeweils ein kurzer Ton der Violine von der Ferne (anscheinend hinter den Publikumsreihen irgendwo) und anschließend ein leiser gedämpfter, ja hauchender  Schlag vom Vibraphon.
Als das Stück zuende war rührte sich keine einzige Hand zum Applaus ... entweder weil die Leute nicht wußten, dass nun ein Einschnitt sein sollte oder weil sie durch das Stück in meditative Ruhe versetzt worden waren.

Antoine Beuger (geb. 1955, Nederlande) studierte Komposition und erhielt mehrere internationale Preise, zB 1998 bei einem internationalen Kompositionswettbewerb in Warschau. Die Konzertreihe KLANGRAUM im Düsseldorfer Kunstraum wird seit 1994 von Antoine Beuger konzipiert und organisiert. Im Werkraum Ürdinger Straße 11 in Köln, experimentiert er an interdisziplinären Projekten, die Bildende Kunst, Musik, Literatur und Tanz vereinen.

 

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Das Behr-Khyrsh-Projekt
Musiker: Violine (Lisa Lammel), Gitarre (Christian Buck), Schlagzeug (Almut Lustig), Trompete (Ulf Pankoke), Kontrabass (Gregor Schwellenbach), Sprecher Manfred H. Wenninger, Realisierung und Filmrecherche: Andreas Simon, Raum: Jan Meyer, Kostüme: Jule Kracht, Recherche der Khyrsh-Experimente: Moritz Eggert

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(Foto: goest) (während des Behr-Khyrsh Stückes waren die
MusikerInnen allerdings schwarz gekleidet)

Einige der Zuschauer im Jungen Theater waren wohl von zuviel Comedy-Konsum vernebelt, denn sie hielten die ganzen Darlegungen des Sprechers für einen Scherz und lachten an vielen Stellen. Dabei waren die Bilder und Berichte eher gruselig. Berichte über Testpersonen mit Nervenzusammenbrüchen, unerklärliches Stimmenhören, Filmsequenzen in denen gezeigt wird, wie Testpersonen mit Klammern die Augen aufgehalten werden. Einige Sequenzen konnte man wirklich nur schwer ernst nehmen, so die Behauptung, diese Experimente seien auch in eben jenem Saal vorgenommen worden in dem das Publikum gerade säße, denn zu dieser Zeit wäre das ein Kinosaal gewesen.
Anfang der 70er Jahr führte der Komponist Atanasio Khyrsh   zusammen mit dem Marburger Verhaltensforscher Justus Behr Experimente in Kinos durch um die Wechselwirkung von Bildern und Tönen sowie die psychologische Wirkung auf den Menschen zu erforschen. Moritz Eggert hat anhand der nachgelassenen Notizen von Khyrsh versucht, die Experimente vom Sommer 1973 zu rekonstruieren. Dabei wurden auch Ausschnitte der damals verwendeten Musik wiedergegeben.

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(Foto: goest)
Moritz Eggert
am 5.12.02
im Jungen Theater
Moritz Eggert geb. 1965 Heidelberg, Bisher schrieb er 6 abendfüllende Opern und mehrere Werke für Tanztheater und Ballett. Sein jüngsten wichtigsten Werke sind das Stück "Scapa Flow" für Grosses Orchester, und der Liederzyklus "Neue Dichter Lieben". Zu Eggerts bekanntesten Werken gehört der Klavierzyklus "Hämmerklavier". Ausgewählte Punkte aus seiner lebhaften Biographie: 1991 Gründung und künstlerische Leitung des A*DEvantgarde Festivals für neue Musik junger Komponisten. 1993 Auftritte als Solist mit den Münchner Philharmonikern.  Zu seinen jüngsten Projekten gehört das Internetstück "Variations IV.01" für 20 Komponisten und Live-Musiker.
Neueste Arbeiten sind u.a. ein Liederzyklus für namhafte Jazzsolisten für das Label "between the lines" und eine Fortsetzung der "Hämmerklavier"- Stücke sowie 2 neue grosse Opern mit Hans Neuenfels und Claus Guth.