Goettinger Stadtinfo Literarisches Zentrum: Stanley Kubrik - Odysee im Werkraum
Samstag den 12.11.05, 18 Uhr
14.11.05 / Das ist schon eigenartig: der Second Producer von Stanley Kubrick und die Witwe von Stanley Kubrick, Jan Harlan und Christiane Kubrick geb. Harlan zu Gast in den Räumlichkeiten des Jungen Theaters, Räumlichkeiten, die finanzielle Bedürftigkeit ausstrahlen - harte Bestuhlung, fehlende Anstriche usw. Und auf der Bühne Leute, die zur High-Society der Filmindustrie gehören. Jan Varlan jonglierte mit den Finanzen für die Kubrick-Produktionen, machte die Verträge. Er verhandelte mit der rumänischen Armee und hätte die ganze Kavallerie als Komparsen für den damals geplanten Napoleonfilm einsetzen können. Ausserdem bekam er z.B. auch von der belgischen Armee 3 original-amerikanische Panzer, wie sie auch im Vietnamkrieg eingesetzt worden sind. Jan Varlan arbeitete in einem Team, das von Warner Brothers unlimitierte Verträge bekam. Und diese Leute sitzen im Jungen Theater? Ja - eingeladen vom literarischen Zentrum. Und Hauke Hückstedt bekundet bei der Einleitung und Begrüßung auch explizit einen gewissen Stolz, dass es gelungen sei diesen Abend zu verwirklichen.
Die
beiden Gäste sind sozusagen Nachlaßverwalter des Kubrickschen Erbes.
Und Teile dieses Erbes lagerten lange Zeit in nicht beachteten Kisten. Darin bewahrte
Kubrick Entwürfe von Szenen auf , z.B. jahrelange Vorarbeiten zu dem Film
A.I., den Kubrick leider nicht mehr drehen konnte. Er wollte A.I. zunächst
auch sowieso unter Spielbergs Regie drehen lassen, später aber dann doch
wieder selbst die Regie führen. Leider verstarb Kubrick eine Woche nach Abschluß
der Dreharbeiten zu Eyes Wide Shut 1999 so dass er dieses nächstgeplante
Projekt A.I. nicht mehr beginnen konnte. Kubrick hat sehr lange nach Filmtiteln gesucht. Sie durften nicht zu einfach sein und sollten immer möglichst etwas unverständlich bleiben. "Eyes wide Shut" da fragt man sich doch auch: "was soll das heissen?" Aber letztlich hatte gerade dieser Titel eine verschlüsselte Verbindung zur Ausgangsgeschichte "Traumnovelle" von Arthur Schnitzler, denn beim Traum hat man zwar die Augen geschlossen aber sieht Bilder so als hätte man sie weit geöffnet. Zu dem merkwürdigen Titel "Dr. Strangelove" (Wie ich lernte die Bombe zu lieben) wußte Christiane Kubrick zu bereichten, dass dieser Begriff inzwischen als Idiom im Wörterbuch auftaucht, weil es den Begriff vorher ja nicht gab. "Und
sie haben mich immer noch nicht durchschaut", soll Kubrick mal gesagt haben.
Er führte die Bedeutung suchenden Cineasten wohl teilweise an der Nase herum
und verweigerte dazu passend auch jede Interpretation seiner Filme. Wenn er seine
Filme interpretieren könnte, dann hätte er es auch in Worte fassen können
und hätte keinen Film zu machen brauchen hieß es dann in Interviews.
Aber Jan Varlan gab dann doch einen Hinweis auf einen roten Faden, der sich durch
Kubricks Werk zieht: die Achillesferse des Menschen, der entgegen besseren Wissens
von seinen Emotionen überwältigt wird und damit direkt in die Katastrophe
schlittert. Dazu fallen einem sofort passend die Filme Clockwerk Orange, Shining,
Full Metal Jacket ein in denen die Gewalt eine besondere Rolle spielt . Nun
ja mehr wollen wir zu diesem Abend nicht sagen, außer, dass einem auf
den harten Stühlen des Jungen Theaters der Hintern schnell weh tut und dass
der Moderator des Gesprächs (Mathias Mertens) manchmal merkwürdige Fragen
stellte, wie z.B. "hätte Stanley Kubrick auch mit Söhnen umgehen
können" - völlig coole Antwort von Christiane Kubrick "das
spielte keine Rolle, wir hatten ja nur Töchter". Geradezu mitleiderregend
wurde Mertens Situation als die beiden Befragten zum ca. 5ten mal darauf hinwiesen,
dass die Fragen die ihnen gestellt würden ja eigentlich schon in dem vorher
gezeigten Film von ihnen beantwortet worden wären. Schade, dass es nicht
gelang die Chance ausgiebiger zu nutzen die der Besuch dieser beiden Gäste
geboten hat. Aber immerhin hat man ja doch einiges erfahren von den beiden Gästen. |