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Literarisches Zentrum: Stanley Kubrik - Odysee im Werkraum

Samstag den 12.11.05, 18 Uhr
Jan Harlan (Produzent/Regisseur, St Albans) Christiane Kubrick (Künstlerin, St Albans)

Die Kubrick-Nacht begann mit der Vorführung des Porträts "STANLEY KUBRICK: A LIFE IN PICTURES" (Regie: Jan Harlan). Moderation: Mathias Mertens (Medienwissenschaftler, Gießen)
18 Uhr "STANLEY KUBRICK – A LIFE IN PICTURES" (Regie: Jan Harlan) OmU, 137 Min.
21 Uhr Christiane Kubrick und Jan Harlan im Gespräch
23 Uhr Moloko-Bar-Lounge im Theaterfoyer


Bücher zu Kubrick - eine Auswahl des Buchladens Rote Straße im Foyer des JT - Das literarische Zentrum beschränkt sich bei der Beschäftigung mit Literarischem nicht nur auf Bücher sondern weitet den Blick auf Medien.

14.11.05 / Das ist schon eigenartig: der Second Producer von Stanley Kubrick und die Witwe von Stanley Kubrick, Jan Harlan und Christiane Kubrick geb. Harlan zu Gast in den Räumlichkeiten des Jungen Theaters, Räumlichkeiten, die finanzielle Bedürftigkeit ausstrahlen - harte Bestuhlung, fehlende Anstriche usw. Und auf der Bühne Leute, die zur High-Society der Filmindustrie gehören. Jan Varlan jonglierte mit den Finanzen für die Kubrick-Produktionen, machte die Verträge. Er verhandelte mit der rumänischen Armee und hätte die ganze Kavallerie als Komparsen für den damals geplanten Napoleonfilm einsetzen können. Ausserdem bekam er z.B. auch von der belgischen Armee 3 original-amerikanische Panzer, wie sie auch im Vietnamkrieg eingesetzt worden sind. Jan Varlan arbeitete in einem Team, das von Warner Brothers unlimitierte Verträge bekam. Und diese Leute sitzen im Jungen Theater? Ja - eingeladen vom literarischen Zentrum. Und Hauke Hückstedt bekundet bei der Einleitung und Begrüßung auch explizit einen gewissen Stolz, dass es gelungen sei diesen Abend zu verwirklichen.

http://www.christianekubrick.com/

Christiane Kubrick geb. Harlan, 1932 geboren in einer Theaterfamilie. Sie wurde ausgebildet als Tänzerin und Schauspielerin, wollte aber eigentlich immer Malerin werden. Ihr Erfolg als Tänzerin und Schauspielerin führten sie zum Casting für den Film "Paths of Glory"

Es kam zur Heirat mit Kubrick 1958, 1960 zogen sie nach Londen wo sie die Malerei fortsetzte. Christiane stellte seit 1989 aus. Ihr jüngstes Projekt ist "Childwickbury Arts Fair - fine art and music in the making” im Sommer 2004.

(Infos aus ihrer Homepage / Biography)

Die beiden Gäste sind sozusagen Nachlaßverwalter des Kubrickschen Erbes. Und Teile dieses Erbes lagerten lange Zeit in nicht beachteten Kisten. Darin bewahrte Kubrick Entwürfe von Szenen auf , z.B. jahrelange Vorarbeiten zu dem Film A.I., den Kubrick leider nicht mehr drehen konnte. Er wollte A.I. zunächst auch sowieso unter Spielbergs Regie drehen lassen, später aber dann doch wieder selbst die Regie führen. Leider verstarb Kubrick eine Woche nach Abschluß der Dreharbeiten zu Eyes Wide Shut 1999 so dass er dieses nächstgeplante Projekt A.I. nicht mehr beginnen konnte.
Den Nachlass hat der Archivar Bernd Eichhorn im Auftrag der Erben sortiert und für eine Ausstellung aufbereitet, die seit März 2004 zunächst in Frankfurt (78.000 BesucherInnen) dann in Berlin und demnächst in Melbourne zu sehen sein wird, Titel: Inside the Mind of a Visionary Filmmaker.

Kubrick hat sehr lange nach Filmtiteln gesucht. Sie durften nicht zu einfach sein und sollten immer möglichst etwas unverständlich bleiben. "Eyes wide Shut" da fragt man sich doch auch: "was soll das heissen?" Aber letztlich hatte gerade dieser Titel eine verschlüsselte Verbindung zur Ausgangsgeschichte "Traumnovelle" von Arthur Schnitzler, denn beim Traum hat man zwar die Augen geschlossen aber sieht Bilder so als hätte man sie weit geöffnet. Zu dem merkwürdigen Titel "Dr. Strangelove" (Wie ich lernte die Bombe zu lieben) wußte Christiane Kubrick zu bereichten, dass dieser Begriff inzwischen als Idiom im Wörterbuch auftaucht, weil es den Begriff vorher ja nicht gab.

"Und sie haben mich immer noch nicht durchschaut", soll Kubrick mal gesagt haben. Er führte die Bedeutung suchenden Cineasten wohl teilweise an der Nase herum und verweigerte dazu passend auch jede Interpretation seiner Filme. Wenn er seine Filme interpretieren könnte, dann hätte er es auch in Worte fassen können und hätte keinen Film zu machen brauchen hieß es dann in Interviews. Aber Jan Varlan gab dann doch einen Hinweis auf einen roten Faden, der sich durch Kubricks Werk zieht: die Achillesferse des Menschen, der entgegen besseren Wissens von seinen Emotionen überwältigt wird und damit direkt in die Katastrophe schlittert. Dazu fallen einem sofort passend die Filme Clockwerk Orange, Shining, Full Metal Jacket ein in denen die Gewalt eine besondere Rolle spielt .
Verwunderlich ist aber schon, wenn ein Regisseur bewußt Szenen wieder aus einem Film herausnimmt, die ihn verständlicher gemacht hätten. Dies wird ihm bei Odysee 2001 nachgesagt, bei dem er bewußt große Lücken in die Geschichte gerissen hat, um sie mysteriös und phantasieanregend zu machen. Allerdings führte das dazu, dass er - wie Jan Varlan schmunzelnd anmerkte - die Frage "Was bedeutet der Schluß von 2001?" ziemlich nervig fand. Naja hat er sich selbst zuzuschreiben gehabt, er hätte es ja auch besser erklären können. Aber angeblich reicht es, wenn ein Film "drei oder vier feste inhaltliche Inseln" hat dann wird er davon getragen und diese Inseln müssen nicht verbunden sein.


Jan Harlan, Christiane Kubrick, Mathias Mertens (Moderator)

Nun ja mehr wollen wir zu diesem Abend nicht sagen, außer, dass einem auf den harten Stühlen des Jungen Theaters der Hintern schnell weh tut und dass der Moderator des Gesprächs (Mathias Mertens) manchmal merkwürdige Fragen stellte, wie z.B. "hätte Stanley Kubrick auch mit Söhnen umgehen können" - völlig coole Antwort von Christiane Kubrick "das spielte keine Rolle, wir hatten ja nur Töchter". Geradezu mitleiderregend wurde Mertens Situation als die beiden Befragten zum ca. 5ten mal darauf hinwiesen, dass die Fragen die ihnen gestellt würden ja eigentlich schon in dem vorher gezeigten Film von ihnen beantwortet worden wären. Schade, dass es nicht gelang die Chance ausgiebiger zu nutzen die der Besuch dieser beiden Gäste geboten hat. Aber immerhin hat man ja doch einiges erfahren von den beiden Gästen.
Bei der Frage nach den vielen Harlans fiel auch mal der Name Veit Harlan, allerdings wurde dieser Name dann ohne weitere Bemerkungen übergangen, man traute sich wohl nicht, weiter nachzufragen, denn Veit Harlan ist Regisseur des Films "Jud Süß" gewesen. Da beruhigte die Mitteilung von Christiane Kubrick geb. Harlan, dass sich Kubrick vor ihrer Verwandtschaft immer etwas gegruselt habe. Überhaupt: die völlig authentisch wirkende, ruhige Art von Christiane Kubrick war das eigentliche Ereignis dieses Abends. Man konnte sich vorstellen wie sie den stabilen Gegenpart zu Stanley Kubrick abgegeben hat .
Dem literarischen Zentrum Dank für diesen Abend.

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