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Göttinger Betriebsexpress (GBE)2016: "Wie auch inzwischen die Linke Partei im Bundestag und viele Initiativen stellen wir uns ein ausreichendes und bedingungsloses Grundeinkommen als die richtige Alternative vor, die die Menschenwürde wahrt und alle diese Gesetze überflüssig macht und dazu jede Menge Gerichtsverfahren. In Schweden, Island, Finnland und evtl. auch in den Niederlanden wird begonnen, so etwas in bestimmten Regionen für einen festgelegten Zeitraum auszuprobieren. (>GBE 2016) |
Erwerbsarbeit hat nach wie vor einen zentralen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Weite Teile der Gesellschaft ziehen ihr Selbstwertgefühl aus dem 'Geldwert' ihrer Arbeit. Auf der anderen Seite scheint immer weniger Arbeit notwendig zu sein, um unseren gesellschaftlichen Reichtum zu produzieren. Vor diesem Hintergrund gibt es eine breite gesellschaftliche Debatte über ein Grundeinkommen für Alle. Die Befürworter eines solchen Modells kommen aus den verschiedensten politischen Bereichen: Werner Rätz von attac und Katja Kipping von der Linkspartei gehören ebenso dazu wie Dieter Althaus von der CDU und der Drogerieketten-Besitzer Götz Werner 500 Euro oder 1.000 oder gar 1.500 Euro bar auf die Hand, ohne dafür auch nur einen Handstreich zu tun, ohne dafür auch nur eine Zeile eines Kontrollbogens ausfüllen zu müssen - was ist das? Die Neuerfindung des Sozialstaates ohne Bevormundung? Die Vollendung eines reaktionären neoliberalen Verarmungsprojektes? Das neu gegründete Reich für Faulenzer? Am so genannten 'bedingungslosen' Grundeinkommen scheiden sich die Geister und völlig neue Allianzen tauchen auf. Ein Grund dafür ist, dass unter diesem Begriff zum Teil sehr unterschiedliche Modelle versammelt werden. Und da solch ein Grundeinkommen Geld kostet, sind all diese Modelle auch noch mit verschiedenen Ansätzen verknüpft, wie der Staat dieses Geld über Steuern wieder hereinholen kann. Die Idee Die Idee, Menschen auch unabhängig von Arbeitszwang einen Lebensunterhalt zu ermöglichen, ist nicht neu. Einst nannte man das 'Sozialhilfe' oder 'Arbeitslosenhilfe'. Und in den USA wurde der Begriff 'negative Einkommenssteuer' dafür erfunden. Anders an der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) ist der Verzicht auf eine Prüfung der Arbeitswilligkeit und der Bedürftigkeit. Das klingt nach einer schönen Utopie: nichts tun und trotzdem Geld bekommen. Allerdings ist allen BGE-Modellen eins gemeinsam: mit dem Geld, das man dann bekommen soll, kann man keine großen Sprünge machen. Ohne Arbeit wird es also nicht gehen, wenn man Stereoanlage, Auto, Fernseher und eine neue Coachgarnitur haben will. Angesichts der jetzt seit Jahrzehnten andauernden Massenarbeitslosigkeit ist es allerdings mehr als zynisch, wenn man von Arbeitslosen, die nach kurzer Zeit auf die Leistungen von ALG II (345 Euro pro Monat und Kosten der Unterkunft) angewiesen sind, ständig wieder Bewerbungen und nochmals Bewerbungen verlangt. Es gibt auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt nun mal nicht genug Arbeit für Alle, also soll man die Arbeitslosen nicht noch dadurch demütigen, dass man ihnen ständig vor Augen führt, dass sie nicht gebraucht werden. Für unsere Lebensentwürfe eröffnet ein Grundeinkommmen ganz neue Möglichkeiten: eine Weile aus dem Zwang zur Lohnarbeit aussteigen und sich z.B. um Kindererziehung kümmern oder vom Brocken zum Watzmann wandern oder wovon man sonst schon immer geträumt hat. Die Gegenargumente Selbst Unternehmer wie der Drogeriekettenbesitzer Götz Werner reisen durch die Lande und verkünden ihre Vision eines Grundeinkommens. Und Dieter Althaus, der Ministerpräsident von Thüringen, versucht seinen Parteifreunden in der CDU das 'solidarische Bürgergeld' schmackhaft zu machen. Politikerinnen wie Katja Kipping von der Linkspartei sind im "Netzwerk Grundeinkommen" vereint mit AktivistInnen von attac und den Arbeitsloseninitiativen. Aber in der SPD und in den Gewerkschaften gibt es zum Teil erhebliche Gegenwehr gegen ein BGE.
Totschlagargument Nummer 1 ist immer die Finanzierbarkeit des Grundeinkommens. Je nach Höhe des Grundeinkommens können leicht 800 Milliarden Euro Kosten im Jahr auf die Staatskasse zukommen. Aber im Gegenzug würden natürlich die Ausgaben für Sozialhilfe, ALG II usw. entfallen, so dass nur ein Rest von 460 Milliarden bliebe. Ebenfalls entfallen würden staatliche Unterstützungsleistungen wie z.B. das Ehegattensplitting und die Freibeträge in der Einkommenssteuer. Nach einem Gutachten der Konrad-Adenauer-Stiftung wäre ein BGE durch eine Steuerreform durchaus zu finanzieren – und auch so, dass bei NiedrigverdienerInnen und ALG-II-BezieherInnen hinterher mehr und dafür bei reichen Menschen weniger im Portemonnaie ist. Und außerdem ist es viel wichtiger, sich erst einmal darum zu streiten, ob ein BGE überhaupt wünschenswert ist, bevor man sich darum kümmert, ob und wie man es finanzieren kann.
Wenn alle Menschen ein garantiertes Grundeinkommen beziehen, ohne dass sie dafür arbeiten müssen, dann werden sich viele Arbeitslose gar nicht mehr um Arbeit bemühen. In der kanadischen Provinz Manitoba wurde von 1974 bis 1977 ein Experiment mit einem garantierten Grundeinkommen durchgeführt. Dies hat aber nicht dazu geführt, dass die Menschen weniger gearbeitet haben als Menschen, die kein garantiertes Grundeinkommen bekamen. Das erscheint auch logisch, denn das Grundeinkommen reicht wohl eher 'gerade so' zum Leben. Wer sich 'Extrawürste' wünscht, muss sich eine Arbeit suchen. Das Schlaraffenland ohne Arbeit fordern also die BefürworterInnen des BGE nicht.
Mit einem Grundeinkommen will die satte, abgesicherte Mittelschicht nur ihr schlechtes Gewissen beruhigen. Die Gesellschaft schiebt die Arbeitslosen in ein Nichtstuer-Ghetto ab statt sich darum zu kümmern, dass Arbeitsplätze geschaffen werden. Die richtige Gegenmaßnahme ist ein Verkürzung der Wochenarbeitszeit z.B. auf 30 Stunden. Die Befürworter des BGE können hier gar kein Gegenargument erkennen. Sie sind auch für eine Arbeitszeitverkürzung. Allerdings sind die Tarifkämpfe der letzten zwanzig Jahre ja nicht gerade von Fortschritten im Bereich Arbeitszeit geprägt. Im Gegenteil wird den Arbeitenden immer mehr Arbeit bei weniger Lohn aufgedrückt. Das Grundeinkommen und Arbeitszeitverkürzung ergänzen sich hervorragend. Es gibt keinen Grund, die beiden Dinge gegeneinander auszuspielen. Vielleicht ist ein Grundeinkommen in der derzeitigen politische Situation ja der geeignete 'Umweg', um zu einer (menschen-)gerechteren Verteilung der Arbeit zu kommen...
Durch ein Grundeinkommen können die Betriebe die Löhne noch weiter drücken. Viele ArbeiterInnen werden bereit sein, zu noch niedrigeren Löhnen zu arbeiten, um sich ein paar Euro dazu zu verdienen. Das Tarifsystem gerät damit völlig aus den Fugen. Diese Gefahr ist den meisten BefürworterInnen eines Grundeinkommens wohl bewusst. Daher fordern auch alle linken BefürworterInnen die Festlegung eines Mindestlohnes. So kann man verhindern, dass Arbeit, die wenig (Geld) wert ist, vom Staat wie bei einem Kombilohn mitfinanziert wird. Allerdings sind die Folgen auf das Tarifsystem auch nicht ohne weiteres absehbar. Es könnte nämlich genauso gut sein, dass ArbeiterInnen, die ein garantiertes Grundeinkommen haben, eher mal den "Job hinschmeißen", wenn sie das Gefühl haben, für die paar Kröten lohnt es sich nicht.
Ein BGE ist verbunden mit dem Wegfall von Krankentagegeld, Rente, Erziehungsgeld und Arbeitslosengeld. Unter dem Strich führt das zu einer weiteren Verarmung. Es gibt diverse BGE-Modelle, die genau in diese Richtung zielen. Das heißt also, dass man sich jedes BGE-Modell genau ansehen muss. Ein generelles Argument gegen ein Grundeinkommen ist das nicht, denn eine gewaltige Umverteilung zugunsten von Reichen und auf dem Rücken der Ärmsten hat es in den letzten zwanzig Jahren ohne Grundeinkommen auch gegeben. Dagegen müssen wir uns so oder so wehren. |