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James Baldwin


James_Baldwin taken Hyde Park, London 1969 Urheber Allan Warren
(GNU Lizenz für freie Dokumentation)

Geb. 2.8.1924, New York City,
Gestorben: 1.12.1987 Vence, Frankreich

James Baldwin gehört zu den bedeutendsten Literaten im 20. Jahrhundert.

"Beale Street Blues"
James Baldwin: "Beale Street Blues" , Roman, 220 Seiten, in der dt. Übersetzung von Miriam Mandelkow 2018, Originalausgabe 1974 "If Beale Street Could Talk"

Baldwin ist natürlich gegen Rassismus. Sein Roman jedoch ist nicht vorschnell als Protestroman gegen Rassismus zu lesen. Er schreibt in diesem Roman über Menschen die schwarz sind, über das Leben von Menschen, die besonderen Bedingungen ausgesetzt sind. Der Roman handelt von einer Familie und deren Freunden, die Ungerechtigkeiten, Unterdrückung, Ausbeutung, Gewalt, Armut und Hass erleben. Es handelt sich um strukturellen Rassismus, das wird unzweifelhaft deutlich. Dennoch wird der Umgang dieser Menschen mit all den Widrigkeiten so geschildert, wie es auch für Menschen anderer Hautfarbe in dieser Situation wahrscheinlich wäre. Es könnte auch eine weiße Familie sein, deren Gefühle zueinander, deren Sexualität, deren familiäre Spannungen Baldwin detailliert entfaltet. Es sind in diesem Fall Schwarze, doch weil er universelle Gefühle von Menschen beschreibt, rückt die gedankliche Trennung nach Hautfarbe bei der Lektüre immer mehr in den Hintergrund.
Der Rassismus tritt von außen herein in diese Welt. Sie wird von außen mit dem verblendeten Hass jener konfrontiert, die sich über Schwarze erheben, indem sie diese zu erniedrigen versuchen. Doch dagegen steht der der Wille der Protagonisten das durchzusetzen, was ihnen im Leben wichtig ist. Dazu gehört die Liebe und auch die Verwirklichung in der Kunst. Nicht zufällig, sondern symbolisch, demonstrativ ist eine der Hauptpersonen Bildhauer, obwohl für eine künstlerische Betätigung dessen Lebensbedingungen denkbar schlecht sind. An dieser Stelle denke ich an die Baldwin-Dokumentation mit dem Titel "I am not your Negro". Dieser stellt die rassistische Zuweisung von Minderwertigkeit bloß, indem er sie zurückverweist an jene, die den Hass auf Schwarze brauchen, um ihre weiße Identität zu kreieren.
Eine korrespondierende Auffassung findet sich in einem Artikel der FAZ über Baldwin, wo es heißt: "Vielleicht war die größte Provokation an ihm, dass er für sich beanspruchte, das Konzept der Hautfarbe zurückzuweisen: „Es ist kein ,Rassen-Problem‘. Es scheint, die Amerikaner sind nicht in der Lage zu verstehen, dass ich Fleisch ihres Fleisches, Knochen ihrer Knochen, von ihnen selber geschaffen bin.“ ( FAZ/1 ) Und in einer Rezension des Films "I am not your Negro" heisst es: "Im Zentrum seiner Gedanken aber steht immer wieder die Einsicht, dass neben, unter, über allem anderen die Schwarzen auch dafür gebraucht wurden, zu definieren, was ein Weißer ist." ( FAZ/2 )

Die Personen des Romans "Beale Street Blues" erscheinen zuvorderst als Menschen und nicht als Elemente in einer Abhandlung über Rassismus.

Dies gelingt im Roman Beale Street Blues durch die überwältigende Beschreibung von Gefühlen und Erleben. Dazu gehören Beschreibungen von Wutausbrüchen und Schimpfkanonaden mit deftigsten Ausdrücken. Die Beschreibungen von Sexualität und Begehren sind von hoher Intensität und haben bei aller Detailliertheit nie etwas pornografisch Verklemmtes, sondern erscheinen einfach so wie das Leben. Die Liebesbekenntnisse sind keine romantisierende Platitüden, sondern zutiefst existentielle Lebensäußerungen.

Mithu Sanyal hat in ihrer Rezension des Buches einen wunderschönen Satz geschrieben, den ich hier zitieren möchte: "Beale Street Blues bricht einem das Herz, wieder und wieder, doch er setzt es auch immer wieder neu zusammen, stärker und widerstandskräftiger" (DLF August 2018)

G. Schäfer

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"Go and tell it on the mountain"
„Von Dieser Welt"

Bereits am 29. Juni 2018 fand eine Veranstaltung zu „James Baldwin" in der Reihe »neu_übersetzt« statt. Zu dieser Veranstaltung im >Literarischen Zentrum wurde vor allem die Übersetzung von "Go and tell it on the mountain" vorgestellt. Weiter unten ist ein Nachtrag zu dieser Veranstaltung verfasst worden, nachdem eine weitere Übersetzung eines Baldwin Romans, nämlich "Beale Street Blues" erschienen ist. Wie gesagt ging es bei der genannten Veranstaltung hauptsächlich um den 1953 entstandenen autobiographischen Bildungsroman "Go Tell It On The Mountain". Das Buch erschien in Deutschland erstmals 1966 als Übersetzung unter dem Titel Gehe hin und verkünde es vom Berge“. Das Buch wurde von Miriam Mandelkow neu übersetzt und erschien 2018 mit dem Titel „Von Dieser Welt".

Miriam Mandelkow , 2018, Foto: goest.de

Mandelkow: "Wie soll eine rassistische Gesellschaft funktionieren?
Sie kann nicht funktionieren! Für niemanden“

Der Roman beschreibt das Leben eines jungen schwulen Afro-Amerikaner im Kampf mit familiären, religiösen und sexuellen Krisen im Harlem der 30er Jahre – begleitet vom stetigen Druck des strukturellen Rassismus. Im Literarischen Zentrum stellte die Übersetzerin Mandelkow im Gespräch mit dem Amerikanisten Alexander Starre (Berlin/Göttingen) die neue Übersetzung vor.

Mandelkow meint, die Sprache Baldwins folge dem Takt des Blues. Baldwin selbst habe gesagt: „Ich verstehe nichts von Musik aber ich schreibe Blues“. Da Mandelkow Stepptanz kann, und ihre Übersetzungsarbeit über Bewegung mit Körperlichkeit läuft zählt sie die Silben beim Übersetzen, liest laut, bewegt sich dabei, geht und steppt 12taktigen Blues. Mit dem Titel "Beale-Street Blues" des zweiten von ihr übersetzten Romans wäre Baldwin daher auf den Punkt gekommen.

Starre wies auf die neuerlich gewachsene Bedeutung von Baldwin in der Literaturszene der USA hin. James Baldwin war einer der bedeutendsten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus bekannt wurde. Heute steht der Roman "Go tell it on the Mountain" auf der Liste der hundert besten englischsprachigen Romane des zwanzigsten Jahrhunderts („The Modern Library“). Baldwins Bücher so Starre erschienen im „weißesten Verlag“ Amerikas.obwohl viele seiner Arbeiten die Themen Rassismus und Sexualität behandelten.


Alexander Starre (Berlin/Göttingen) 2018 / foto goest.de

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Zwei Hinweise

Text: The Fire Next Time,
analysiert die rassistische Struktur und die Sexualmoral der US- Gesellschaft

Film: I Am Not Your Negro
ist ein Dokumentarfilm von Raoul Peck (Drehbuch, Regie). Das unvollendete Manuskript Remember This House von James Baldwin (1924–1987)

Baldwin ist in Deutschland dem breiten Publikum wenig bis gar nicht bekannt. Auch recht belesene Zeitgenoss*innen schütteln bei der Frage, ob sie ein Buch von Baldwin im Bücherschrank haben, mit dem Kopf. Seit der Filmdokumentation
I Am Not Your Negro von 2016 allerdings wird das Werk von James Baldwin zunehmend auch hierzulande mehr beachtet.