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Treffen der
Selbsthilfegruppe Winkelfehlsichtigkeit in Gö
Ausnahmsweise veröffentlichen wir hier einen sehr umfangreichen Text von
einer bundesweiten Selbsthilfegruppe - die sich kürzlich in Göttingen
traf und uns diesen Bericht zusandte, denn er zeigt einige grundsätzlichen
Probleme des Medizinischen Systems auf. Zunächst eine lexikalische Erklärung
worum es geht.
Kontakt zur (nicht mehr ganz) virtuellen
Selbsthilfegruppe: Bei Bedarf auch ganz reell in Göttingen mail_an@habmalnefrage.de Tel
0160-91819386 |
Winkelfehlsichtigkeit
was ist das
Wer kennt nicht den berüchtigten "Knick in der Optik", der als Erklärung
herhalten muss, wenn jemand mal wieder den Ball nicht getroffen oder den Kaffee daneben
geschüttet hat. Auch wenn man ihn gar nicht sieht - es gibt ihn tatsächlich. Er
entsteht, wenn die Augenmuskeln an einer Seite zu kurz oder zu lang sind. Würde dieses
Ungleichgewicht der Muskeln beim Fixieren eines Gegenstandes beibehalten, träfe das
fixierte Bild nicht in beiden Augen auf der Netzhautmitte auf. Ohne die gleiche Bildlage
auf beiden Netzhäuten kann das Gehirn jedoch die beiden Seheindrücke nicht zu einem
einzigen Bild mit räumlicher Wahrnehmung verschmelzen.
Bei einem solchen Bildlagefehler würde man deshalb entweder doppelt sehen, das Gehirn den
Seheindruck eines Auges unterdrücken oder das Sehzentrum auf der Netzhaut sich so
verschieben, dass die Augen die Dinge "gerade" wahrnehmen, obwohl sie einen
Schielwinkel aufweisen. In allen diesen Fällen spricht man von manifestem Schielen.
Vielen Menschen gelingt es jedoch, ihren "optischen Knick" zu kompensieren,
indem sie die Augen durch verstärkte Muskelanstrengung in eine annähernd parallele
Stellung zueinander bringen und das Gehirn verbleibende kleine Restfehler
"wegrechnet". Diese Menschen haben eine Winkelfehlsichtigkeit (Wfs).
Allerdings müssen sie für diese permanenten Ausgleichsbemühungen viel Energie
aufbringen. Diese ständige Anspannung zu erheblichen Befindlichkeitsstörungen (sog.
asthenopischen Beschwerden) führen, wie z.B.
- Kopfschmerzen bis hin zu Migräneanfällen
- Schwindel, Übelkeit
- unscharfes Sehen besonders nach Blickwechseln
- Verrutschen der Buchstaben oder Zeilen beim Lesen und
Schreiben
- Nackenschmerzen
- Schnelle Ermüdung der Augen bei anspruchsvollen
Sehtätigkeiten und Augenbrennen
- Konzentrationsstörungen
- Doppeltsehen (besonders nach Alkoholgenuss)
- Lichtempfindlichkeit (auch Blendempfindlichkeit bei Nacht)
- vermindertes räumliches Sehen und entsprechende
Bewegungsunsicherheiten
Ob diese Beschwerden auftreten, hängt weniger
von der Größe des Winkels ab. Entscheidender sind die individuelle Verfassung, die
Belastung der Augen, das Lebensalter oder auch die sonstigen Fehlsichtigkeiten.
Winkelfehlsichtigkeit ist keine Krankheit, sondern eine körperliche Unvollkommenheit wie
eine krumme Wirbelsäule oder ein Senkfuß. Ca. 80% aller Menschen sind mehr oder weniger
stark winkelfehlsichtig. Mind. 25% von ihnen leiden unter den oben genannten
Befindlichkeitsstörungen.
Das muss jedoch nicht sein: Große Winkelfehlsichtigkeiten können durch eine Operation
behoben werden. Bei kleineren helfen spezielle Brillengläser mit prismatischer Wirkung,
die den Lichtstrahl so umlenken, dass der Bildlagefehler ausgeglichen wird.
Beide Ansätze erbringen hohe Erfolgsquoten von ca. 60-80%. So berichteten die beim
Treffen anwesenden Optiker wie auch die Leiterin der bundesweiten Selbsthilfegruppe Wfs,
dass viele Menschen nach der Korrektion "wie ausgewechselt" seien. Kinder fangen
zum ersten Mal freiwillig an zu lesen, andere schaffen unerwartet den Sprung auf das
Gymnasium. Zwar haben Schulprobleme häufig mehr als eine Ursache und Legasthenie oder
Aufmerksamkeitsdefizitprobleme lassen sich nicht durch eine Korrektion der
Winkelfehlsichtigkeit heilen. Wenn diese Korrektion jedoch die Augen von der
übermäßigen Anstrengung entlastet, werden Energien frei, die der Körper an anderer
Stelle sinnvoller einsetzen kann. Auch unter den erwachsenden Forumsteilnehmenden möchte
niemand mehr auf die prismatischen Gläser verzichten. Einer hat damit auch zum ersten Mal
erfahren, was räumliches Sehen bedeutet und das als Architekt.
Kurzer Selbsttest
Ein Auge mit einem hellen Blatt Papier vollständig bedecken, mit dem anderen einen
Gegenstand fixieren, dann das Blatt schnell wegziehen. Bewegt sich das Bild danach
scheinbar oder rutschen zwei Bilder zu einem zusammen ist dies ein erster Hinweis auf eine
mögliche Wfs. |
Von der Fehlsichtigkeit des
Gesundheitssystems und den notwendigen Sehhilfen: Treffen des Internetforums
"Winkelfehlsichtigkeit" in Göttingen
"Mehr Eigenverantwortung" welche GesundheitspolitikerIn schlägt
nicht täglich mit diesem Wort um sich, in der heimlichen Hoffnung, damit
eine weitere abgedroschene Forderung endlich in die Tat umsetzen können, nämlich
die nach mehr "Effizienzsteigerung".
Als ob die Defizite im Gesundheitssystem nicht seit Jahrzehnten ein umfassendes
Angebot an Selbsthilfegruppen nach sich gezogen hätten. Mehr noch: diese
Gruppen gehen mit der Zeit, denn sie gehen ins Netz. Zu fast jedem gesundheitlichen
Problem findet sich inzwischen ein online- Diskussionsforum, in dem Betroffene
und Fachleute einen regen Erfahrungsaustausch pflegen.
Gegenüber den real existierenden Selbsthilfegruppen bieten die virtuellen
so manche Vorteile: In der Anonymität des Internets sinken die Hemmschwellen
zur Kontaktaufnahme. Wer nur ab und zu eine kleine Frage stellen möchte,
muss nicht gleich regelmäßig an Gruppentreffen teilnehmen. Verlockend
ist darüber hinaus der höhere Anteil an ExpertInnen: Kommt der Austausch
unter KollegInnen im "richtigen Leben" oft wegen beruflicher
Konkurrenzen nicht zustande, so können sie im als pseudonyme TeilnehmerInnen
im Netz auch einmal zugeben, nicht alles zu wissen. Am Ende sind es dann
oft weniger die mitschreibenden Fachleute, von denen sie etwas lernen,
sondern die ExpertInnen in eigener Sache: die Betroffenen.
Derart interaktiv fanden auch die TeilnehmerInnen des deutschsprachigen
Internetforums "Winkelfehlsichtigkeit" der Webseite www.optometrie-online.de
zusammen, und das nicht nur virtuell: Bei mehr als 20 Forumsgästen entstand
bereits zum dritten Mal der Wunsch nach einem persönlichen Treffen. Dass
es diesmal in Göttingen stattfand, lag nicht nur an der Einladung einer
Göttinger Teilnehmerin, sondern auch an der günstigen Lage im optischen
Mittelpunkt des Landes und dem vorauseilenden Ruf einer ansehnlichen historischen
Unistadt.
Sollte das Treffen ursprünglich eher dem Kennenlernen und Erfahrungsaustausch
dienen, so entwickelte sich trotz der mittelalterlichen Atmosphäre im
gemütlichen Kellergewölbe des "Kreuzgang" sehr schnell eine
rege Diskussion um aktuelle gesundheitspolitische "Effizienzsteigerungen".
Heraus kam ein Paradebeispiel dafür, wie eigenverantwortliche PatientInnen
gleichzeitig effizienzfördernde PatientInnen sein könnten wenn
da nicht noch so manche Fehlsichtigkeiten des Gesundheitssystems wären.
Aber der Reihe nach:
Das Gesundheitssystem: heilt,
was hilft
So weit, so erfolgsversprechend. Wie kommt es aber, dass viele Betroffene
auch nach endloser Odyssee durch verschiedene Arztpraxen keine Hilfe erhalten?
Da wären zunächst die Auseinandersetzungen um die richtigen Messmethoden,
deren wissenschaftliche Ergründung noch in den Kinderschuhen steckt. Viele
AugenärztInnen sind daher skeptisch und in der Problematik der Wfs nur
unzureichend ausgebildet. So glauben z.B. immer noch manche, mit prismatischen
Korrektionen zwangsläufig einen so großen latenten Schielwinkel hervorzubringen,
dass er operiert werden muss. Tatsächlich ist aber nur in ca. 5% der Fälle
eine Operation angeraten, die zudem als risikoarm gilt. Eine Zunahme der
Werte nach dem Tragen einer Prismenkorrektion hat außerdem andere Ursachen:
manchmal sind die Augenmuskeln zu Anfang noch so verspannt, dass der gesamte
Schielwinkel sich erst offenbart, wenn die Muskeln durch das Prismentragen
nach und nach gelockert wurden. Unabhängig davon setzt eine wirksame Prismenverordnung
eine aufwändige Messung voraus, die von den Krankenkassen kaum vergütet
wird.
Die derzeit differenzierteste Messmethode für Wfs, die Mess- und Korrektionsmethodik
nach Haase (MKH), wurde in den letzten 40 Jahren von einem selbst Betroffenen
aus der Praxis heraus entwickelt: Hans-Joachim Haase, Augenoptikermeister
und Dozent an der Berliner Fachhochschule für Augenoptik. Sie erbringt
Erfolgsquoten von ca. 60-80% und ist deshalb seit einigen Jahren Bestandteil
der Meisterausbildung in der Augenoptik.
Nichtsdestoweniger wird der Augenoptik von Seiten der Medizin die Kompetenz
streitig gemacht. Sie verweist nicht nur auf die wissenschaftlichen Erkenntnislücken,
sondern befürchtet auch, dass AugenoptikerInnen mögliche pathologische
Ursachen der Beschwerden oder ein echtes Schielen übersehen, die allesamt
einer ärztlichen Behandlung bedürften.
In der Tat gibt es unter den AugenoptikerInnen solche schwarze Schafe.
Auch neigen einige AnhängerInnen der MKH dazu, sich jeder Kritik an der
eigenen Messmethode zu verschließen. Außer Acht bleibt jedoch, dass Prismen
für OptikerInnen einige Kosten in Form von Zusatzgeräten und mehrstündige
Messungen und Beratungen verursachen, die von den Kassen nicht vergütet
werden. Zudem schicken die meisten den einhelligen Erfahrungen der ForumsteilnehmerInnen
zufolge ihre KundInnen bei Sehstörungen mit unklarer Ursache immer zur
medizinischen Abklärung . Abgesehen davon haben fast alle Winkfehlsichtigen
bereits von sich aus mehrere ÄrztInnen konsultiert, wenn sie sich schließlich
in die Hände der Augenoptik begeben.
Warum also diese Auseinandersetzungen? Wer genauer hinguckt, wird dahinter
einige berufspolitische Interessen entdecken. In deren Mittelpunkt steht
die Frage, ob Prismen als "Heilmittel" oder als "Hilfsmittel"
aufzufassen sind, d.h. ob sie eine medizinische Wirkung haben, oder ob
sie als Hilfsmittel zu sehen sind, das wie jede andere Sehhilfe auch eine
rein mechanische Wirkung entfaltet, die nur anhält, solange die Brille
getragen wird.
Ein bedeutsamer Unterschied, denn nach dieser Einstufung richtet sich,
welche Berufsgruppe zuständig ist: Das Heilen von Krankheiten und die
Verordnung der dazu notwendigen Heilmittel fallen in den Kompetenzbereich
der medizinischen Heilberufe. Für Hilfsmittel in Form von Sehhilfen
sind dagegen nach geltender höchstrichterlicher Rechtssprechung allein
die AugenoptikmeisterInnen zuständig, welche im Gegensatz zu den AugenärztInnen
eine langjährige Ausbildung im Messen und Korrigieren von Fehlsichtigkeiten
durch Sehhilfen absolviert haben.
Kein Wunder, dass die Ärzteschaft seit Jahren versucht, Wfs als Krankheit
und Prismen als Heilmittel zu definieren, während die Augenoptik darauf
hinwirkt, den Status des Hilfsmittels beizubehalten.
Ermöglicht werden diese im Zuge der Gesundheitsreform erneut virulent
gewordenen Zuständigkeitsdebatten durch einen Widerspruch in der derzeitigen
Praxis: Nach bisheriger Rechtsprechung gelten prismatische Korrektionen
als Hilfsmittel, die AugenoptikerInnen in eigener Verantwortung zu Lasten
der Krankenkassen verordnen dürfen. Demgegenüber werden sie in den Heil-
und Hilfsmittelrichtlinien der Krankenkassen (Punkt 58.10) auf Betreiben
der ärztlichen Vereinigungen seit einigen Jahren als Heilmittel gegen
"krankhafte Störungen" eingestuft. seitdem zahlen viele Kassen
nur noch dann Prismenzuschüsse, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt.
Die Leidtragenden: wieder einmal
die Betroffene
Was bedeutet dies alles für die Winkelfehlsichtigen? Den zum 1.1.2004
geänderten Heil- und Hilfsmittelrichtlinien zufolge werden Krankenkassenzuschüsse
zu Sehhilfen aller Art nach dem 18. Lebensjahr nur noch bei hochgradiger
Sehbeeinträchtigung gezahlt, zu denen die Wfs nicht gezählt wird. Als
Heilmittel werden Prismen weiterhin von den Kassen bezuschusst,
sofern eine ärztliche Verordnung vorliegt.
Gerade diese Verordnung ist angesichts der skeptischen Einstellung der
Schulmedizin jedoch nicht ohne weiteres zu erhalten.
Infolgedessen dauert es oft sogar Jahre, bis die Wfs überhaupt
erkannt wird. In der Zwischenzeit werden viele Kinder in ihrem schulischen
Werdegang stark beeinträchtigt, als minderbegabt, psychisch krank oder
aufmerksamkeitsgestört abgestempelt. Nicht wenige von ihnen erhalten dauerhaft
Kopfschmerzmittel oder Psychopharmaka.
Während die Krankenkassen die immensen Kosten dieser fragwürdigen Therapien
kritiklos übernehmen, müssen die Winkelfehlsichtigen die weitaus wirksamere
prismatische Korrektion (ca 100 Mehrkosten für die Prismen pro Glaspaar
bei oft mehrmaligen Gläserwechseln innerhalb weniger Monate sowie c. 20-80
für die Messung der Wfs) und ggf. eine Operation (ca. 750) aus eigener
Tasche bezahlen, wenn sie keine ärztliche Verordnung dafür bekommen können.
Bei einer Verordnung fallen für die Kasse nach den derzeitigen Kostensätzen
Prismenzuschüsse von ca. 50 pro Glaspaar an also nur ein
winziger Bruchteil dessen, was sie für andere Therapieversuche ausgeben.
Leidtragende sind also nicht nur die Leidtragenden, sondern auch die übrigen
Versicherten, aus deren Beiträgen die falschen Therapien finanziert werden.
Damit nicht genug: Anstatt auf die sich ergänzende Zusammenarbeit zwischen
AugenärztInnen und OptikerInnen vertrauen zu können, werden viele Betroffenen
von einem Lager gegen das andere aufgebracht. Unter Umständen sind sie
dadurch so verunsichert, dass sie sich ganz gegen eine Korrektion ihrer
Wfs entscheiden. Den übrigen fehlt häufig die notwendige Unterstützung,
um den zuweilen langwierigen Prismenaufbau durchzuhalten.
Was hilft, hilft: Seh- und andere
Hilfen aus dem Internetforum Winkelfehlsichtigkeit
Wie gut, dass ein Augenoptiker 1999 auf die Idee kam, das deutschsprachige Internetforum
"Winkelfehlsichtigkeit" einzurichten. Durch die gegensätzlichen Ansätze
verunsichert und bisher auf berufspolitisch gefärbte Berichte aus zweiter Hand
angewiesen, finden die Ratsuchenden dort erstmals einen unmittelbaren Erfahrungsaustausch
mit anderen Betroffenen. Dazu können sie ihre Problematik gleich mit mehreren Fachleuten
verschiedener Richtungen umfassend diskutieren.
Auch wenn alle fachlichen Fragen geklärt sind, nimmt eine ganze Reihe weiterhin am
Austausch teil. Die einen in dem Bestreben, ihre Erfahrungen weiterzugeben, die anderen
auf der Suche nach seelischer Unterstützung, wenn auch das Durchhaltevermögen mal einen
Knick bekommt oder das Umfeld mit Unverständnis auf Leistungseinschränkungen während
der Umgewöhnungsphasen reagiert.
Nichtsdestoweniger hält das Forum kaum jemand davon ab, weiterhin fachlichen Rat vor Ort
einzuholen. Dies nun aber im wahrsten Sinne des Wortes als mündige PatientInnen, nämlich
kritisch nachfragend und vor allem einem trauend: ihren eigenen Augen.
Bestes Beispiel dafür ist eine Besucherin des Treffens: Kerstin H., Mutter zweier
betroffener Kinder. Nach vielen vergeblichen Therapien bei ihrem Sohn rieten die
ÄrztInnen ihr, zu akzeptieren, dass die Folgen einer Frühgeburt nicht immer durch die
Schulmedizin zu behandeln seien. Nach ersten prismatischen Korrektionen sind zwar nicht
alle Probleme ihres kleinen Mannes verschwunden. Jedoch erhärteten die sichtbaren
Besserungen ihre Vermutung, dass das Kind nicht einfach dumm oder psychisch gestört ist.
Durch die ausführlichen Erörterungen des komplexen Einzelfalles im Forum gelang es ihr
sogar, andere Beschwerdeursachen mit Wfs-ähnlichen Symptomen, wie z.B. eine
Halswirbelsäulen-Problematik (KISS), genauer einzugrenzen. Ganz nebenbei stellte sich bei
all dem heraus, dass auch ihre eigenen Migräneanfälle von einer Winkelfehlsichtigkeit
herrühren.
Was nun die zahlreichen Fachleute dazu, in ihrer Freizeit kostenlose Ratschläge zu
erteilen? Nach neuesten Erkenntnissen des Göttinger Treffens möchten sie nicht nur ihre
Erfahrungen aus der eigenen Praxis weitergeben, sondern auch voneinander lernen. Dabei
liegt der besondere Reiz bei optometrie-online in der Begegnung verschiedener
Berufsgruppen wie AugenoptikerInnen, OrthoptistInnen aus augenärztlichen Sehschulen und
ErgotherapeutInnen. So sehr die Ansichten dieser verschiedenen Berufsgruppen zuweilen
aufeinanderprallen, so wenig wäre ein solcher fachübergreifender Austausch außerhalb
des Internets überhaupt denkbar.
Letzte Einblicke: das Treffen
Diese offene virtuelle Diskussionsatmosphäre wurde auch in Göttingen Realität.
Obwohl die angereisten Augenoptiker sich so manchen kritischen Fragen
der inzwischen höchst sachverständigen "Gewinkelten" stellen
mussten, war von der Polemik und den Ideologisierungen der öffentlichen
Grabenkämpfe nichts zu spüren. Lag dies vielleicht auch an der ruhigen
und unvernebelten Atmosphäre des abgeschlossenen Seminarraums im Apex?
Fast könnte man sogar annehmen, von der Uni seien über alle Kirchtürme
hinweg letzte Reste eines wissenschaftlichen Geistes herübergeweht, der
Heilsversprechen nicht nur glauben, sondern sie verstehen will. Fast noch
wichtiger für den optimalen Durchblick als die richtige Brille erschien
beim Treffen nämlich der gesunde Menschenverstand. Gerade dann, wenn man
diffusen asthenopischen Beschwerden auf die Spur kommen möchte, die auf
eine Wfs, aber auch viele andere Ursachen zurückgehen können. Wieder einmal
wurde deshalb deutlich, dass man weder auf medizinische noch auf augenoptische
Kompetenzen verzichten kann und auch nicht will.
Was die Betroffenen forderten, war vielmehr eine ausreichende Aufklärung
von beiden Seiten, um anschließend in eigener Verantwortung zu entscheiden,
auf welche Weise sie ihren Beschwerden Abhilfe verschaffen möchten. Umso
ermutigender, dass einige TeilnehmerInnen von Fällen vertrauensvoller
Zusammenarbeit zwischen AugenärztInnen und OptikerInnen vor Ort berichten
konnten. Manche sogar von örtliche Kassenkassen, die bereits in unbürokratischen
Einzelfallentscheidungen Prismenzuschüsse gewähren. Anzeichen dafür sollen
auch in Göttingen gesichtet worden sein.
Der Ausblick: alles rein virtuell
Nach diesen Einsichten mussten die nun Durchblickenden sich fragen: Sind es wirklich
Appelle an die Eigenverantwortung, die die PatientInnen nötig haben?
Wozu verhilft den mündigen Winkelfehlsichtigen die aufwändige Suche nach Informationen
und Fachleuten, wenn die gesetzliche Krankenversicherung ihnen dennoch die Abhilfe
verwehrt oder sie diese selbst finanzieren müssen? Dabei gibt es nicht wenige Betroffene,
die sogar bereit wären, ein tatsächlich helfendes Hilfsmittel aus eigener Tasche zu
bezahlen. Ist dies aber gerechtfertigt, wenn eine Sehhilfe einen größeren Einfluss auf
das gesundheitliche Wohlbefinden haben kann als so manche medizinische
"Therapie"?
Wie wäre es damit, so die ausblickenden Fragen der PrismatikerInnen an die
gesundheitspolitischen Akteure, endlich die Widersprüche in den Zuständigkeitsfragen zu
beseitigen, und zwar zum Wohle der bisher nicht Gefragten: der Betroffenen? Oder damit,
interessengeleitete Differenzen zwischen den Berufsgruppen zu überwinden durch
gegenseitigen Dialog und verstärkte wissenschaftliche Anstrengungen. Dann klappt es
bestimmt auch mit der Effizienz.
Inwieweit die von der Bundesregierung neu ernannte Patientenbeauftrage auf dies alles
hinwirken kann, blieb eine offene Frage der ForumsteilnehmerInnen. Umso wichtiger erschien
es ihnen, nach der ersten virtuellen Vernetzung dem Beispiel der bundesweiten
Selbsthilfegruppe Wfs zu folgen, die sich seit 2001 unermüdlich engagiert - gemäß dem
Motto der Selbsthilfebewegung: "PatientInnen aller Bundesländer, verbindet
euch!".
Weitere Informationen
Allgemeine Fragen
franziska.kubsch@selbsthilfegruppe-winkelfehlsichtigkeit.de
www.ivbv.org/Fragen_zu_FAQ.htm
www.optometrie-online.de/start4.htm
Weiterführende Literatur
www.optometrie-online.de/artikel/pages/Kinderoptometrie/
www.winkelfehlsichtigkeit.de
www.ivbv.org/Literatur.htm
www.ivbv.org/PDF-Dateien/Methling_DOZ_06-02.pdf
www.ivbv.org/PDF-Dateien/Gorzny_DOZ_01-02.pdf
www.ivbv.org/PDF-Dateien/ZVA_DOZ_05-98.pdf
www.ivbv.org/PDF-Dateien/Pestalozzi_NOJ_05-95.pdf
www.augeninfo.de/patinfo/schulaug.pdf
www.augeninfo.de/patinfo/strab.htm
www.jura.uni-erlangen.de/Lehrstuehle/Rechtsgeschichte2/Wolfgang_Forster/augopt.htm
Erfahrungsberichte
http://wvao.ecomda.org/mediaarchive/fliegende_baeume.pdf
www.selbsthilfegruppe-winkelfehlsichtigkeit.de/download/erfahrungsberichte.pdf
(Zugriff eigeschränkt)
www.schroeder-micheel.de/gaestebuch.html
AugenärztInnen und AugenoptikerInnen mit Kenntnissen in
Wfs
www.selbsthilfegruppe-winkelfehlsichtigkeit.de/links.html
http://www.ivbv.org/Anwenderliste/Deutschland.htm
(beide Listen sind nicht vollständig es gibt auch mehrere Göttinger
AugenoptikerInnen, die MKH anwenden)
Interessenvertretungen
www.selbsthilfegruppe-winkelfehlsichtigkeit.de
www.ivbv.org
www.bdao.de
Internetforen zu anderen Gesundheitsthemen
www.tools4free.de/cgi-bin/board.pl?fnr=75
www.med1.de/Forum/
www.medizin-forum.de/index.php3?menue=Foren
www.netdoktor.de/diskussion/
www.kiss.kinder.de
Weitere Gruppen finden sich im usenet, einem
eigenen Netz aus Diskussionforen; Zugang über google, Karteikarte "groups"; vor
dem ersten Schreiben sollte man sich unbedingt über die Gepflogenheiten des usenets und
die technischen Voraussetzungen informieren: www.usenet-abc.de
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