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Thomas Kapielski - Literarisches Zentrum

15.9.06 / Literarisches Zentrum / Galerie Ahlers , Di. 14.09.06 19.00 h Was blüht denn da? Lampen und Stühle. Thomas Kapielski (Autor/Künstler, Berlin)

Die Nachbarn Galerie Ahlers und Literarisches Zentrum veranstalteten gemeinsam eine Lesung und eine Ausstellung mit Thomas Kapielski, den der Ankündigungstext des literarischen Zentrum als "Künstler, Autor, Musiker und Kunst-Professor, modernen Rhapsode und intellektuellen Biergelehrten" bezeichnet.

Ein Hauch von Bukowski


Kapielski am 14.8.06 im Literarischen Zentrum

Ein unscheinbarer Satz, mitten drin vorgelesen - schien das Gravitationszentrum seiner Gedanken zu umschreiben als er davon sprach, das Gefühl zu haben, nicht genug im Leben zu bekommen aber nicht zu wissen was eigentlich fehlt. Das ist ein Hinweis auf tiefe Traurigkeit bei allem lustigen Gerede und Lachen des Abends, ein Hinweis auf das Leiden am Bewußtsein vom Tod, eine im Leben aufgeflammte philosophische Reflexion mit anschließend resignierter Erkenntnis, dass sowieso alles "scheissegal" ist.

Aber mit Humor als Betrachtung des Endlichen vom Standpunkt es Unendlichen rettet sich Kapielski über die Tragik des Todes und seine Ratlosigkeit hinweg und frönt seiner sinnlichen Lust an Absurditäten und Denkabenteuern. Er amüsiert sich sogar noch über Kleinigkeiten wie den Verschreiber "frieren" statt "feiern" in einer Zeitung in der es hieß: "An Weihnachten fahren wir nachhause und frieren in Berlin"

Humor als Notausgang

für

existentialistische

Ratlosigkeit ?

Die existentialistische Ironisierung der Welt praktiziert Kapielski mit eingestreuter eloquenter Verhohnepiepelung philosophischen Denkens, so als wollte er sagen: "Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie! Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvorr". Schließlich kommt der Engel ins Spiel, der in der Tür steht und in astreiner Klerikalsprache verlangt, dass man sich 14 Halbe Bier suchen solle. Alkohol ist keine Lösung? Kein Alkohol ist auch keine Lösung, denn "Ein Tag ohne Bier ist ... wie ein Tag ohne Wein". Und dann stürzt der Vortrag von verwirrenden Aussagen Fichtscher und Kierkegaardscher Philosophie ins Ordinäre zu "hängender Backe" und "hängendem Sack" oder dem "Urinstrahl" mancher Frauen, die die Theorie des Penisneids ad absurdum führen. Gleichwohl aber in lyrischer oder zumindest geschliffener Kunstsprache.

Mehrmals erfolgen Medienreflexionen: angesichts der Monitore im Literarischen Zentrum z.B. "nun bin ich sogar im Fernsehen", und dann die Geschichte der Leute, die zu einem Empfang des Bundespräsidenten geladen waren, aber sich lieber die live-Übertragung ihrer Veranstaltung im Fernsehen ansahen als sich direkt an der Feier zu beteiligen obwohl sie sich doch mittendrin befanden.

Die Veranstaltung des literarischen Zentrums war kombiniert mit einer Fotoausstellung Kapielskis in der benachbarten Galerie Ahlers. Kapielski hat ohne fotografische-künstlerische Ambitionen Lampen aller Art an Decken, auf Nachtischen, an Wänden fotografiert. Die DIN-A4 formatigen Fotos klebten ohne Rahmen rundum an den Wänden und sollten die Vielfalt eines so einfachen Gegenstandes zeigen. "Seit ich die Tiere kenne, liebe ich die Pflanzen" also keine Tiere fotografieren, jedenfalls keine echten, sondern nur Figuren. Und Menschen fotografieren bemerkte Kapielski, während mehrere Fotokameras auf ihn gerichtet waren möge er nicht, "es ist immer so wie ein bißchen erschiessen".


Kapielski in der Galerie Ahlers mit der Fotosammlung "Lampen"

Kapielski hat übrigens alle seine Bücher zusammengefasst, die Buchrücken auf eine aufblasbare Hülle prägen lassen und so sein "aufblasbares Gesamtluftwerk" geschaffen - federleicht und mit viel Luft einfach ins Bücherregal stellbar. Eine Verächtlichmachung des eigenen Geschaffenen. Anscheinend Angst, irgendetwas ernst nehmen zu müssen und aber dann nicht weiter zu wissen?


Bücher Kapielskis aus dem Merve-Verlag - das Gesamtluftwerk ist umfangreicher ...

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