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Veranstaltung im T-Keller
>Theaterkeller

Giuliani: Der Versuch, die Vertuschung der Wahrheit zu verhindern

Giuliano Giuliani ist der Vater von Carlo Giuliani, der 2001 beim Protest gegen den G8 Gipfel von der Polizei erschossen wurde.

Er war am 25.11.06 zu Gast im Theaterkeller

Nach der Veranstaltung wurde ein Interview mit ihm geführt und der goest-Redaktion zusammen mit 2 Fotos zur Veröffentlichung übergeben.

"Die Vertuschung der Wahrheit ist eine Beleidigung für die Demokratie".


Giuliano Giuliani , 25.11.06 im Theaterkeller, Göttingen

Über 300.000 Menschen versammeln sich im Juli 2001 in Genua, um gegen das Treffen der mächtigsten Regierungschefs der Welt, den G8, zu demonstrieren. Von Seiten der italienischen Polizei kommt es dabei zu brutalen Übergriffen, bei denen am 20. Juli Carlo Giuliani auf der Piazza Alimonda durch einen Schuss aus der Dienstwaffe eines Carabinieri in den Kopf getroffen wird. Giuliani ist sofort tot. Giuliano Giuliani ist der Vater von Carlo. In der Dokumentation "Was geschah auf der Piazza Alimonda?" rekonstruiert der 68-jährige die letzten Minuten des Geschehens. Er widerlegt die offizielle Darstellung der Staatsanwaltschaft anhand von Fotos und Videosequenzen, die in dem Ermittlungsverfahren gegen den mutmasslichen Schützen verwendet wurden. Das Verfahren wurde inzwischen eingestellt, der angebliche Todesschütze wegen Notwehr freigesprochen. Im Rahmen einer kurzen Rundreise durch Hamburg, Bremen, Hannover und Göttingen stellte Giuliano Giuliani diesen Film vor, dessen Ziel die Wiederaufnahme des Verfahrens ist. Das Interview wurde im Anschluss an die Veranstaltung in Göttingen am Samstag, d. 25. November d.J. geführt.

Interview mit Giuliano Giuliani über seinen Film
"Was geschah auf der Piazza Alimonda?".



Frage: Wie kam es zu der Entstehung dieses Filmes?

Giuliano: Über den Tod von Carlo sind so viele Lügen verbreitet worden, das es notwendig war, diesen Film zu machen. Dabei konnten wir uns auf Filmmaterial stützen, das wir vom Gericht erhalten, bzw. zurück bekommen haben. Mit diesem Material, das dem Gericht in seinen Ermittlungen vorgelegen hatte, haben wir gearbeitet. Ziel war es, die Wahrheit über Carlos Ermordung herauszuarbeiten und sie zu verbreiten.

Frage: Die offiziellen Untersuchungen wurden schlussendlich eingestellt, so dass es zu keinem Prozess kam. Wo genau setzt Ihre Kritik an der Vorgehensweise der Justiz an?

Giuliano: Die Einstellung des Verfahrens ist damit begründet worden, dass es sich um Notwehr des Carabinieris gehandelt habe, der geschossen haben soll. In Wirklichkeit war es Carlo, der in Notwehr gehandelt hat. Mit dem Feuerlöscher, den er zur Verteidigung in Richtung des Polizeijeeps werfen wollte, wollte er den Carabinieri entwaffnen, der breits die Pistole gezückt hatte und schießen wollte. Ein weiterer Hauptkritikpunkt besteht darin, dass nicht geklärt wurde, was die 200 Ordnungskräfte in der Nähe des angeblich isolierten Jeeps machten. Warum sind sie nicht eingeschritten, um diesen Jeep zu verteidigen? Es gibt dermaßen viele Widersprüche, die nur im Rahmen eines Prozesses geklärt werden können.

Frage: Weil es bislang keinen Prozess gab, sind die Veranwortlichen vor Gericht nicht zur Rechenchaft gezogen worden – gab es denn andere Konsequenzen für die Beteiligten?

Giuliano: Ich finde die Konsequenzen, die es bis jetzt gegeben hat, sehr besorgniserregend. Viele Verantwortliche sind befördert worden, als ob es für diese brutale Repression oder die Zerstörung der Bewegung ein Verdienst sei. Andere Prozesse wegen polizeilicher Übergriffe kommen nur sehr schleppend voran oder weden blockiert. Hier besteht die Gefahr, dass die Taten verjähren, bevor die Prozesse abgeschlossen sind.

Frage: Die Brutalität des Polizeieinsatzes in Genua führen Sie darauf zurück, dass kurz zuvor die Berlusconi-Regierung an die Macht gekommen war. Glauben Sie, dass sich bei der neu gewählten Mitte-Links-Regierung etwas ändert , so dass die Ermittlungen neu aufgenommen werden könnten?

Giuliano: Die Unterschiede zwischen den beide Regierunge sind ganz enorm. Man muss erst einmal festhalten, dass es gar keine schlechtere Regierung geben kann als die unter Berlusconi. Wir setzen uns dafür ein, dass die neue Prodi-Regierung einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einrichtet, der die Vorfälle in Genua und Carlos Ermordung untersuchen soll. Das zumindest hat die Koalition zu ihrem Amtsantritt versprochen und ein Teil hat sich dafür stark gemacht. Wir hoffen, dass es zu diesem Ausschuss mit den gleichen Befugnissen kommen wird, die auch die Justiz besitzt. Seine Aufgabe wäre nicht nur die Untersuchung von Carlos Ermordung, sondern auch die der anderen Gewalttaten der Polizei in Genua wie die Übergrffe auf die Diaz-Schule und die Folterungen in der Bolzanetto-Kaserne.

Frage: Wie hat denn die breitere Öffentlichkeit in Italien auf Ihren Film reagiert?

Giuliano: Der Film ist bislang weit verbreitet worde, unter anderem sind etwa 15.000 Exemplare der DVD verkauft worden. Dies hat dazu gführt, dass sich mehr Leute dafür einsetzen, dass die Wahrheit über die Ereignisse ans Licht kommt. Dazu gehören auch Personen, die sich bis dahin noch nicht mit den Geschehnissen beschäftigt oder an die offizielle Version geglaubt hatten.

Frage: Welche Erfahrungen haben Sie denn nach den Veranstaltungen in der vergangenen Woche in Norddeutschland gemacht?

Giuliano: Meine Bilanz dieser Rundreise fällt durchweg positiv aus. Ich habe viele -nicht nur- junge Menschen kennen gelernt, die großes Interesse an dem Film hatten. Ich hoffe, dass auch sie dazu beitragen werden, die Wahrheit ans Licht zu bringen, denn die Vertuschung ist eine Beleidigung für die Demokratie.

Der Film kann unter http://www.piazzacarlogiuliani.org/carlo/index_de.php eingesehen werden.


Herr Giuliani war am Mittag vor der Abendveranstaltung in der Musa auf dem Bundesjugendtreffen der PDS/Linke (www.bundesjugendtreffen2006.de/programm.html). Gregor Gysi war ebenfalls dort, er sprach später auf einer Kundgebung gegen die Privatisierung der Bahn auf dem Bahnhofsvorplatz. Das Foto vom gemeinsamen Gespräch Giulianis mit Gysi ist nach der Veranstaltung in der musa am Samstag Nachmittag entstanden.

(Redaktion: Da zunächst nicht klar war, wo das Foto aufgenommen worden war, stand hier die Vermutung, es sei im T-Keller gewesen. Daraufhin haben uns binnen kürzester Zeit , d.h weniger Stunden 6 Mails erreicht in denen dazu Stellung genommen, korrigiert und hingewiesen wurde. Sapperlot ... das ist Kontrolle! Wie soll man bei derart aufmerksamen LeserInnen noch in Ruhe falsche Vermutungen äußern können :-) )

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