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Göttinger Betriebsexpress e.V. (GBE)

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Nr. 184

"Der GBE wird vom Trägerverein "Göttinger Betriebs Express e.V." drei- bis viermal im Jahr herausgegeben und hat eine Auflage von 3000 Exemplaren. Die Redaktion besteht aus ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, die die Informationen aus den Betrieben aufbereiten und die meisten Artikel allgemeinpolitischer Art selbst schreiben. Etliche weitere ehrenamtliche HelferInnen übernehmen die kostenlose Verteilung der Zeitung vor und in den Betrieben in Göttingen und Umgebung. Der GBE finanziert sich ausschließlich aus Spenden und Förder-Abos. Alle Interessierten sind daher aufgefordert, den GBE zu abonnieren, damit wir ihn auch künftig kostenlos veröffentlichen können. Auch freuen wir uns über jede Spende! " Red. GBE (> Spendenkonto )

 

Göttinger Betriebsexpress Nr. 184 (Ausgabe vom Mai 2008)

Inhalt

Gothaer Versicherungen: Hier gewonnen, dort zerronnen
Klausner, Adelebsen: Viel Holz vor der Tür
Sartorius: Über 40% mehr Gehalt
Sozialrecht: Hartz IV = Der tägliche Kleinkrieg
lse Möbelwerke, Uslar: Mutwillig in die Pleite geschickt?
Apel / Autocenter Industriestraße: Ausgehungert? Wie ein traditionsreiches Autohaus zu einer Pleitebude gemacht wurde
Finanzkrise: Von Amerika lernen heißt Siegen lernen?
PR-Wahl Universität: Gute Ausgangsbasis
PR-Wahl Uni-Klinik: Schwierige Lage
ARGE NOM dreht völlig durch
IG Metall: 116 Jahre IG Metall in Göttingen

Gothaer Versicherungen:

Hier gewonnen, dort zerronnen

In den letzten Jahren nahm der Personalabbau bei der Gothaer Lebensversicherung ja bekanntlich enorme Ausmaße an. Da ist es doch mal ganz erfreulich, berichten zu können, dass es dem Betriebsrat nach hartnäckigen Verhandlungen gelungen ist, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, die Kündigungen bei der Gothaer Leben in Göttingen mindestens bis Ende 2010 ausschließt.

Gothaer Leben bis 2010 abgesichert...

Doch trotz dieses unbestreitbaren Verhandlungserfolges ist der Personalabbau damit nicht völlig gestoppt. Denn der Vorstand strukturiert weiter um: zwar nun scheinbar mit mehr Augenmaß, aber Teile des Geschäfts sollen künftig in einem besonderen Kundencenter in Köln verarbeitet werden, gehen also weg von Göttingen. Dafür kommen andere Arbeiten, die bislang in Köln erledigt wurden, nach Göttingen, aber ganz ausgeglichen werden die Weggänge wohl nicht. Dennoch, immerhin ein Teilerfolg des Betriebsrats der Gothaer Lebensversicherung.

...Die Gothaer Allgemeine aber wird ganz plattgemacht

Weniger erfreulich sieht die Situation bei der Niederlassung der Gothaer Allgemeinen in Göttingen aus. Anfang des Jahres erschien der jetzige Vorstandsvorsitzende der Gothaer Allgemeinen, Thomas Leicht, bei den Kolleginnen und Kollegen der Allgemeinen und erklärte ihnen, dass der Vorstand beschlossen hätte, ihren Betrieb unwiderruflich zum 30.06.2009 zu schließen. Die Göttinger Niederlassung sei zwar ein sehr produktiver Betrieb, aber übergeordnete Interessen und die "Markterfordernisse" machten diesen Schritt notwendig.

Wie Teilnehmer dieser Veranstaltung berichten, stand den Anwesenden das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Nachdem in den letzten Jahren trotz ganz erheblichen Personalabbaus die Schlagzahl immer mehr erhöht wurde und die MitarbeiterInnen monatelang Überstunden und Samstagsarbeit geleistet hatten, war es natürlich deren Hoffnung, dass diese Mühe sich auch mal durch einen sicheren Arbeitsplatz auszahlt.

Wenn die Beschäftigten in Göttingen bis zum Umfallen arbeiten, um damit z. B. Managementfehler des Vorstands wieder auszubügeln und den Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten, dann muss dass doch entsprechend gewürdigt werden. So meinten sie.

Der Vorstand scheint da aber seine andere Logik zu haben, auch wenn sie nicht nachvollziehbar ist. Da soll nun ein überaus produktiver Betrieb mit hoch motivierten Mitarbeitern geopfert werden, weil der "Markt" es erfordert. So ist das also zu verstehen, wenn die Unternehmerverbände immer wieder mit ihrer Parole kommen, Leistung müsse sich lohnen. Vielleicht meinen die etwas ganz anderes dabei. Vielleicht denken die, je schneller und besser die Arbeit erledigt wird, desto eher kann ich die Leute entlassen.

Wir nehmen alle mit (die können)

Die Auswirkungen für die Kolleginnen und Kollegen in Göttingen sind jedenfalls dramatisch. Auch wenn der Vorstand erklärt, dass jede/r ein Arbeitsplatzangebot bekommt, um in Hamburg oder Köln weiter arbeiten zu können, so stehen doch viele vor den Trümmern ihrer Existenz. In seinen Berechnungen geht der Vorstand davon aus, dass allenfalls 20 % der KollegInnen einen solchen Arbeitsplatzwechsel mitmachen werden. Da kann man sich dann seiner sozialen Verantwortung rühmen, dass man ja gar keine Arbeitsplätze vernichten will, wenn man hintenrum schon damit rechnet, dass 80 % gar nicht mitkommen können. Auch das ist Unternehmenslogik.

Cirka 2/3 der MitarbeiterInnen sind Frauen. Zum großen Teil sind die teilzeitbeschäftigt, weil sie sich um Kinder und Familie kümmern müssen. Und Etliche davon tragen damit sogar als Alleinverdienerinnen den wesentlichen Teil zum Familieneinkommen bei, wenn ihre PartnerInnen von der hohen Arbeitslosenquote in Göttingen und Umgebung betroffen sind. Selbst wenn diese Betroffenen alle mit nach Köln oder Hamburg wollten, sie können es nicht, weil sie die Familie oder pflegebedürftige Angehörige zu betreuen haben usw.

So werden auch die Arbeitslosenzahlen in Göttingen wieder durch die Gothaer weiter hochgepuscht.

Perspektiven…

Und wie sieht es mit den übrigen MitarbeiterInnen der anderen Betriebe der Gothaer in Göttingen aus? Es bleiben ja trotz alledem noch etliche hundert Arbeitsplätze der Gothaer in Göttingen. Aber auch bei denen will keine Freude und Vertrauen in die Zukunft aufkommen. Immer wieder ist in der Presse zu lesen, dass die Gothaer Fusionen mit anderen Versicherern anstrebt. Wir wissen doch alle, was Fusionen mit sich bringen. Rationalisierungseffekte sollen damit erzielt werden; aus zwei mach eins, die andere Hälfte ist dann übrig. Allen ist klar, dass der Vorstand nicht eine Sekunde zögern wird, die Göttinger Gothaer zu opfern, wenn im Zuge einer Konzernumbildung Zugeständnisse an neue Partner gemacht werden müssen.

Darüber hinaus: Auch wenn für Teile der Belegschaft Arbeitsplatzgarantien ausgesprochen werden. Jede/r geht davon aus, dass der Arbeitsplatzabbau weiter gehen wird. In wenigen Jahren sind bereits hunderte von Arbeitsplätzen bei der Göttinger Gothaer verschwunden. Teils ist das im Verborgenen geschehen, teils ganz offen. Das wird wahrscheinlich leider so weiter gehen. Die vom Vorstand angewandte "Salamitaktik", das scheibchenweise Zusammenstreichen oder Verlagern von Arbeitsplätzen, was jeweils immer nur einzelne Firmenbereiche betrifft, erschwert eine starke gemeinsame Gegenwehr.

Dennoch ist den Beschäftigten Kraft und Mut dafür zu wünschen. Denn was nützen ihnen Arbeitsplatzgarantien, wenn sie z. B. gedrängt werden Aufhebungsverträge abzuschließen, wenn Kolleginnen bei der Rückkehr aus der Elternzeit erklärt wird, man könne sie nicht mehr gebrauchen oder man könne deren Arbeitszeitwünsche nicht realisieren.

Die vom Vorstand betriebene Unternehmenspolitik ist ein schlechtes Beispiel für einen menschenwürdigen Umgang mit Beschäftigten, ohne die doch kein Unternehmen dieser Welt bestehen kann.

 

Zum Anfang

Klausner, Adelebsen:

Viel Holz vor der Tür

Das ehemalige Sägewerk Kühne, das jetzt zur östereichischen Klausner-Gruppe gehört macht wieder von sich reden: Mit Schrecken konnten die Beschäftigten im Blick lesen, dass das Werk wirtschaftlich am Rande steht und jetzt wieder verkauft werden soll. Glücklicherweise scheint die Darstellung im 'Extra Tip' von einem Verkauf nicht ganz den Tatsachen zu entsprechen.

Verständlich ist natürlich, dass sich die KollegInnen bei Klausner nicht als 'Wanderpokal' sehen wollen, der ständig weiter gereicht wird. Sie haben lange genug um ihren Job bangen müssen als das Sägewerk Kühne kurz vor dem bankrott stand. Sie waren erleichtert, als im Februar 2006 der Verkauf an Klausner unter Dach und Fach war. Der neue Eigentümer – die österreichische Klausner-Gruppe unter Leitung von Fritz Klausner junior – war damit nicht nur das größte Sägewerkunternehmen in Europa, er versprach auch, in Adelebsen kräftig zu investieren, um das Sägewerk zu einem Werk der 'Klausner-Klasse' auszubauen.

Aufbau im Hauruck-Verfahren

Dabei ging Klausner genauso 'ruckartig' vor, wie sich der gesamte Ausbau der Firma entwickelt hat. Bis 1991 war Klausner ein rein österreichisches Unternehmen mit einem Sägewerk in St. Johann. Als das Werk zu klein wurde, wurde in Saalburg/Ebersdorf in Thüringen ein völlig neues Werk auf die grüne Wiese gesetzt. Grundüberlegung war, ein modernes Säge- und Hobelwerk zu bauen, das bei laufendem Betrieb problemlos aus- oder umgebaut werden kann. "Klotzen, nicht kleckern" war in der Zukunft das Motto bei Klausner. 1996 wurde der Betrieb in Österreich geschlossen und zwei Jahre später in Wismar an der Ostsee ein weiteres Großsägewerk auf einem ehemaligen russischen Militärgelände gebaut; die Geschäftsführung blieb in der Familie: Klausners Schwester Anne Leibold und ihr Mann Peter Leibold übernahmen das Management. Mit zwei Sägewerken mit einer Rohholzkapazität von jeweils 2 Millionen Festmetern hatte Klausner nun Anschluss an die Holzvorräte in Skandinavien und Süd- und Ostdeutschland. Die ehrgeizigen Exportpläne von Klausner ließen ihn 2004 ein weiteres Werk in Kodersdorf in Sachsen bauen, das zwar eine Kapazität von 'nur' 1,2 Millionen Festmetern hat, aber modular erweitert werden kann. Das Werk wurde in einer Rekordzeit von nur fünf Monaten hingestellt und ging Weihnachten 2004 in Betrieb.

Anfang 2006 nun kaufte Klausner den Betrieb in Adelebsen und machte sich damit zum ersten Mal daran, ein vorhandenes Werk auszubauen. Ende 2006 hatte die Klausner-Gruppe ihr Produktionsvolumen innerhalb von 8 Jahren versechsfacht und machte einen Umsatz von über 500 Millionen Euro. Beim Umbau in Adelebsen drückte er ebenso mächtig aufs Tempo und prügelte mit der ständigen 'Standortfrage' im Hintergrund seine Bebauungspläne durch die zuständigen Behörden. Und als die Baupläne dann geändert wurden, hielt sich die Firma mit Nachfragen gar nicht erst auf. 'Machen' war das Motto und so gab es mächtig Ärger, als herauskam, dass Klausner die Bebauungsgrenzen in eigener Machtvollkommenheit um einige Meter überschritten hatte. Zudem waren die Anwohner zunehmend entnervt vom Baulärm und der Aussicht, dass der Betrieb der neuen Anlagen womöglich nicht wesentlich leiser ist.

Baukosten explodieren

Das Unternehmen gelobte zwar Besserung und kündigte an, sich in Zukunft in Adelebsen sozial zu engagieren, aber dass es knirscht im Getriebe wurde auch immer deutlicher. Klausner war 2006 mit der Ankündigung angetreten, 25 bis 30 Millionen Euro in Adelebsen zu investieren. Allerdings ging das nicht so schnell, wie die Firma es sich vorgestellt hatte. Parallel zu den Aufbauplanungen in Adelebsen wurde in Landsberg am Lech in Bayern in einer Rekordzeit von 4 Monaten ein neues Sägewerk gebaut, das im Dezember 2006 in Betrieb ging. In Adelebsen aber liefen die Baukosten davon - zwischendurch war von ca. 40 Millionen die Rede und Klausner war gezwungen, sich an der Wiener Börse 100 Millionen Euro in Form einer Anleihe zu besorgen, um die Bauarbeiten fortzuführen. Inzwischen scheinen die Kosten auf fast 90 Millionen Euro angestiegen zu sein.

Exporte implodieren

Gleichzeitig führte der Zusammenbruch des überhitzten Immobilienmarktes in den USA zu einem massiven Rückgang der Holzexporte nach Übersee. Die gesamte Klausnergruppe hat einen Exportanteil von 80% - das Werk in Adelebsen immerhin von 60%. So wundert es nicht, dass bereits externe Lagerflächen z.B. bei Holz-Henkel gemietet wurden, um das produzierte Schnittholz zwischen zu lagern. Und das Rohholz liegt teilweise. noch im Wald und ist in Gefahr, vom Borkenkäfer gefressen zu werden. Die Schiffe, die in den deutschen Holzexporthäfen Bremerhaven und Wilhelmshafen auslaufen, sind mit Klausner-Holz beladen, dass während der Überfahrt erst noch von der Klausner Trading International in den USA an den Mann gebracht werden muss. Die Immobilienkrise kommt also inzwischen doch in Südniedersachsen an, auch wenn Sparkassenchef Rainer Hald im 'Extra Tip' meint, "dass die Vertrauenskrise bisher kaum auf die Realwirtschaft übergesprungen ist".

Raue Borke, Rauer Ton

Angesichts der schlechten Auftragslage wundert es nicht, dass von Verlusten in zweistelliger Millionenhöhe gemunkelt wird. Entsprechend verunsichert sind die KollegInnen bei Klausner. Während des Umbaus waren mehr als 300 Menschen im Adelebser Werk beschäftigt. Inzwischen wurden etwa 30 Zeitarbeiter nicht weiter beschäftigt und einigen KollegInnen, die erst sehr kurz vorher eingestellt worden waren, wurde gekündigt. Etwa 20 KollegInnen haben eine Abfindung angenommen und sind freiwillig gegangen. Außerdem wird bis auf Weiteres nicht mehr an Sonn- und Feiertagen gearbeitet (die Anwohner wird es freuen).

Bisher sind die KollegInnen also mit einem blauen Auge davon gekommen. Dazu mag beigetragen haben, dass es in Adelebsen ebenso wie in Saalburg/Ebersdorf einen Betriebsrat gibt, der sich um die Belange der KollegInnen kümmern kann. Denn der Ton ist in Adelebsen rauer geworden. Der neue Produktionsleiter Christoph Zöchling, der vorher als Produktionsleiter in Wismar arbeitete, hat sich als 'harter Hund' eingeführt. So hat er einem Vorarbeiter, der ihm widersprochen hat, gleich die fristlose Kündigung überreicht. Bei solcher Mitarbeiterführung sind Betriebsrat und Gewerkschaft wohl die richtige Antwort – denn allein ist jeder in einer solchen Situation machtlos. In nächster Zeit heißt es für die KollegInnen wachsam zu sein, denn wenn sich die Situation auf dem Schnittholzmarkt so entwickelt, wie pessimistische Experten es voraussagen, dann wird es mittelfristig eher einen Mangel an Rohholz geben und in Adelebsen bleiben von den derzeit 250 Arbeitsplätzen nur 200 erhalten.

Zum Anfang

Sartorius:

Über 40% mehr Gehalt

Schon im letzten GBE wurden Zweifel angemeldet, dass es dem Vorstand der Sartorius AG schwerfallen wird, das Geld zu verbraten, das mit dem Verkauf des Gleitlagers an John Crane eingenommen worden ist. Mit dem Geschäftsbericht 2007 wird es offensichtlich, dass die Fusion mit Stedim risikoreicher ist als es der Firmenleitung und den KollegInnen lieb sein kann. Bei der Fusion war den Aktionären, die ihre Aktien behalten, ein Aktienkurs von 47,50 Euro im Juni 2009 garantiert worden. Diese Garantie war notwendig, um zu verhindern, dass all zu viele Aktionäre auf das Pflichtangebot eingehen und ihre Aktien für 43 Euro an Sartorius-Stedim verkaufen – das hätte den geplanten Finanzrahmen der Fusion wohl gesprengt. Nachdem die Aktie seit Anfang 2004 fast kontinuierlich von 6,80 Euro bis auf einen Spitzenwert von 47 Euro im August letzten Jahres gestiegen war, schien dies ein geringes Problem.

Risiko Aktienkurs

Inzwischen ist aber die amerikanische Bankenkrise auch auf dem europäischen Aktienmarkt angekommen. Der Kurs sackte zwischenzeitlich auf 23 Euro und dümpelt im Moment so um 30 Euro. Jeder Cent, den der Kurs im Juni 2009 über dem Wert von 27,50 Euro liegt, ist bares Geld wert, denn die oben genannte Garantie ist auf 20 Euro je Aktie begrenzt. Im Geschäftsbericht 2007 sind denn auch bereits 9,50 Euro pro betroffene Aktie zurückgestellt worden. Das sind ca. 51 Millionen Euro, die aber bei dem derzeitigen Kurs noch auf 107 Millionen aufgestockt werden müssen. Das ist grob gerechnet das 3fache des letzten Jahresgewinns – oder anders gerechnet sind das 23.000 Euro, die jede Sartorius-KollegIn zusätzlich erwirtschaften muss.

Die Analysten von West- und Nord-LB sehen den Wert der Aktie zwar eher bei 39 bzw. 40 Euro, aber es sieht im Moment nicht so aus, als käme Sartorius um die Garantiezahlungen vollständig herum.

Risiko Dollarkurs

Selbstverständlich blickt der Sartorius-Vorstand wieder optimistisch in die Zukunft und erwartet ein Umsatzwachstum von 9% (bei einem Weltwirtschaftswachstum von 4,8%). Nicht ohne sich ein Hintertürchen offen zu halten: das alles bei einem Dollarkurs von 1,40 $/Euro. Da der Kurs aber schon an den 1,60 $/Euro kratzt, wird es immer schwieriger für europäische Firmen, ihre Waren im Dollarraum loszuwerden. Gut möglich also, dass die Umsatz- und Gewinnerwartung wie schon im Herbst 2007 im Laufe dieses Jahres korrigiert werden müssen.

Lösung Sparkurs?

Angesichts dieser Aussichten muss eine verantwortungsvolle Firmenleitung natürlich jede Möglichkeit nutzen, unnötige Ausgaben zu beschränken. Bei Sartorius ist man auf eine besonders effektive Art gestoßen, Geld zu sparen: bei KollegInnen, denen durch die Umstellung der bisher getrennten Lohn- und Gehaltstabellen auf den einheitlichen Entgeltrahmentarifvertrag (ERa) der IG Metall von Anfang des Jahres mehr Geld zusteht als bisher, wurden die Zulagen für die 7-Tage-Woche mit diesen Erhöhungen verrechnet. Es versteht sich von selbst, dass die KollegInnen nicht begeistert sind und sich gegen diese Sorte Sparrunden wehren. Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass die sogenannte ERa-Umstellung viel weniger strittig ist als es Ende letzten Jahres aussah. In den meisten Streitfällen gab es eine Einigung.

Ende des Familienbetriebes?

Dass jetzt andere Zeiten angebrochen sind bei Sartorius, haben die KollegInnen spätestens bei der gerade erfolgten Betriebsratswahl gemerkt. Diese außerplanmäßige Wahl war durch die Konzernfusion und die Aufspaltung der Göttinger Firma in drei Gesellschaften notwendig geworden. Jetzt mussten erstmals die KollegInnen aus der Biotechnologie, aus der Mechatronik und aus der Zentralverwaltung getrennte Betriebsräte wählen. Die Verunsicherung durch diese Veränderungen und durch die Diskussion um die Gehälter kann man am ehesten wohl an der hohen Wahlbeteiligung ablesen, die weit über 70% lag. Da sich die Gesamtzahl der BR-Mitglieder fast verdoppelt hat, sind viele 'Neue' im Betriebsrat. Es dürfte für die drei neuen Gremien nicht einfach sein, den hoch gesteckten Erwartungen der KollegInnen gerecht zu werden.

"Positive" Entwicklung

Und über eine positive Entwicklung wollen wir an dieser Stelle nicht schweigen: Manch einer durfte sich schon im Jahr 2007 über deutlich mehr Geld in der Tasche freuen – ganz ohne Zutun des Betriebsrates. Die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden Joachim Kreuzburg etwa erhöhte sich um über 40% auf 915.000 Euro – das sind über 3% des Jahresüberschusses. Und die Vergütung für ehemalige Vorstandsmitglieder nahm von 285.000 Euro auf fast 1,9 Millionen zu. Zusammen mit den Rentenzahlungen für ehemalige Vorstände wurden fast 8 Millionen Euro an die Vorstände ausgeschüttet – über ein Viertel des Jahresüberschusses.

 

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Sozialrecht:

Hartz IV = Der tägliche Kleinkrieg

Seit 2004 existiert nun das Arbeitslosengeld II (ALG II), das Gesetz dazu heißt Sozialgesetzbuch II (SGB II), in dem die früheren Leistungen Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammengeführt wurden. Offiziell und juristisch gibt es den Begriff Hartz IV nicht. Aber alle nennen es so. Deshalb steht es auch in unserer heutigen Überschrift. Damit alle wissen, was wir meinen.

Es hat viel Protest gegen dieses Gesetz gegeben. Zu Recht, wie sich gezeigt hat. Aber im Laufe der Zeit wurde der laute und öffentliche Protest weniger, wie bei vielen Dingen, wenn die Jahre ins Land gehen. Allerdings haben die Betroffenen mit den wenigen Verbündeten, die sie haben, nie aufgehört, zu protestieren und sich zu wehren. Es gibt nicht mehr in vielen Orten an jedem Montag die damals regelmäßigen Montagsdemos, auch landes- bzw. bundesweite Demonstrationen sind schon eine Weile her. Doch viele lokale und regionale Aktionen gibt es noch. Über eine hier in Göttingen am 3. April 2008 vor und im Job-Center gibt es einen Extrabericht in dieser Zeitung.

Der alltägliche Kampf

Was aber von Anfang an fast in gleichem Umfang geblieben ist, das ist der alltägliche Kleinkrieg um fast jeden Bescheid, um Sanktionen, willkürliche und unsinnige Entscheidungen. Nach wie vor ist kaum ein Bescheid wirklich verständlich und bis in die letzte Position aufgeschlüsselt. Nach einer neuen Softwareeinführung stehen z. B. nicht mal mehr die Monatsnamen über der jeweiligen Monatsberechnung. Da die Bewilligung des ALG II über ein halbes Jahr läuft, ist das nur dann unproblematisch, wenn sich nichts ändert, da die Bescheide im voraus für das halbe Jahr erstellt werden. Aber es ändert sich bei den meisten Leistungsbeziehenden häufig etwas. Dann kommen viele mit ihren geänderten Bescheiden in die Sozialberatungsstellen, weil sie unsicher sind, ob sie stimmen. Und das tun sie oft nicht! Es geht nicht immer um riesige Beträge, aber was heißt das schon bei Menschen, die im Schnitt mit 630 Euro pro Monat (Alleinstehende) das ganze Leben (einschließlich Miete und Neben- und Heizkosten etc.) bestreiten müssen.

Viele kommen auch nicht, weil sie vielleicht denken: das werden die SachbearbeiterInnen der ARGEn und Job-Center schon richtig machen, oder weil sie keine Lust auf Auseinandersetzungen haben.

Dennoch bleiben genug Ratsuchende, um die Sozialberatungsstellen mit Arbeit auszulasten. Sie wehren sich nicht nur gegen falsche Bescheide und Entscheidungen. Oft versuchen sie auch, Fort- und Weiterbildungen zu bekommen, meistens ohne Erfolg. Manchmal werden ihnen sogar Praktika ohne Bezahlung verweigert, oft ohne Begründung. Es kommt zu Sperren, zu Rückforderungen bei Überzahlungen usw. Dann müssen Widersprüche geschrieben und oft auch der Klageweg vor die Sozialgerichte genommen werden. In dieser vertieften Form der Auseinandersetzung verhalten sich einige Behörden dann dermaßen stur und menschenfeindlich, dass es schon mehrere Hungerstreiks und Selbsttötungen gegeben hat. Wobei wir von den Selbsttötungen oft gar nicht erfahren und sicher meistens nicht, warum es geschah. Es ist zu befürchten, dass die Dunkelziffer hier sehr hoch ist.

Von einem langwierigen und skandalösen Fall mit der Northeimer ARGE, der zwischendurch mit einem klaren Nötigungsversuch der ARGE NOM einen Höhepunkt fand, berichten wir im Kasten zu diesem Artikel.

Anwälte kosten Geld

In diesem Fall sind die Betroffenen GewerkschafterInnen, werden also durch den gewerkschaftlichen Rechtsschutz vertreten, der dann auch VertreterInnen vor den Sozialgerichtsinstanzen stellt. Nun sind aber nicht viele der Betroffenen in der Gewerkschaft. Wenn sie dennoch nach einem abgelehnten Widerspruch von der Widerspruchsstelle von Landkreis und Stadt Göttingen vor das Sozialgericht in Hildesheim gehen wollen und ihr Recht einklagen, dann wäre das eigentlich zu teuer, denn Anwälte sind bekanntlich nicht billig.

Nun gibt es aber ein anderes Gesetz, das Sozialgerichtsgesetz, in dem geregelt wird, dass Menschen mit geringem Einkommen und ohne größeres Vermögen zwei Arten der Unterstützung bekommen können. Erstens die Beratungskostenhilfe und zweitens die Prozesskostenhilfe.

Beratungskostenhilfe

Wer diese in Anspruch nehmen möchte, muss neuerdings wieder selber erstmal zum zuständigen Amtsgericht gehen (das Amtsgericht am Wohnort ist das zuständige). Das ist eine erste kleinere Veränderung seit letztem Jahr. Vorher konnte mensch gleich zum Anwalt gehen und der hatte dann die nötigen Formulare und leitete alles Weitere in die Wege. Eindeutig bequemer und überschaubarer für die KlientInnen. Dass die Betroffenen nun selbst mit Einkommensbescheid, Mietvertrag etc. etc. zum Amtsgericht dackeln müssen, soll wohl abschreckend wirken. Vielleicht bestand die Hoffnung, dann lassen es doch etliche.

Hat nicht geklappt. Die Zahl der Anträge auf Beratungskostenhilfe hat eher leicht zugenommen. Und die Zahl der Verfahren vor den Sozialgerichten ist unverändert hoch.

Wer also diese Beratungskostenhilfe in Anspruch nehmen will, muss sich den entsprechenden Bewilligungsbescheid vom Amtsgericht holen und dann nur noch einmalig 10 Euro bei Rechtsanwältinnen seiner Wahl bezahlen. Wobei zu empfehlen ist, sich AnwältInnen auszusuchen, die sich auf das Sozialrecht mit spezialisiert haben.

Prozesskostenhilfe

Wenn mit Hilfe des Anwaltes/der Anwältin eine Klage eingereicht wurde, prüft das Gericht, ob diese Aussicht auf Erfolg hat. Ist das so, dann bekommen die Betroffenen auch die Prozesskosten-Hilfe. Übrigens kann sich vor dem Sozialgericht jede/r auch selbst vertreten, es muss kein anwaltlicher Beistand dabei sein. Es empfiehlt sich aber meistens schon.

Nun wehren sich ja erfreulich viele und eigentlich noch viel zu wenige Menschen gegen unrichtige Bescheide, Schikanen und Unfähigkeiten der Behörden. Das kostet also auch Zeit und noch mehr Geld. So kam dann nach und nach auf der politischen Ebene die Diskussion auf, ob man das nicht irgendwie auf formalem und juristischem Wege einschränken könne. Selbstverständlich nicht mit den wahren Argumenten, sondern mit vorgeschobenen, wie mensch es so gewohnt ist.

So lag bald ein Gesetzentwurf in den Schubladen (und liegt dort weiterhin, weil sie sich wohl noch nicht so richtig trauen) vor allem von CDU/CSU- und FDP-PolitikerInnen, der vorsah, dass nicht nur die 10 Euro bei der Beratungskostenhilfe anständen, sondern dann bei der Prozesskostenhilfe auch eine Selbstbeteiligung von 75 Euro in der ersten Instanz der Sozialgerichte und 150 Euro in der zweiten Instanz zu zahlen wären. Klar, das sollte abschrecken. Eine weitere Überlegung war, die Sozialgerichte mit den Verwaltungsgerichten zusammenzulegen. Auch hier ist durchsichtig, warum. Die Sozialgerichte entscheiden zwar manchmal zu ein und demselben Sachverhalt sehr unterschiedlich, aber in der Regel viel realititätsnäher und menschenfreundlicher als die Behörden. Ausnahmen bestätigen auch hier diese Regel. Die VerwaltungsrichterInnen gelten als etwas konservativer und haben bisher von der Materie ja auch zwangsläufig wenig Ahnung. Wahrscheinlich versprachen sich die InitiatorInnen auch davon mehr Erfolge für die Behörden.

Sozialgerichtsgesetz geändert…

Am 21. Februar dieses Jahres ist dann tatsächlich das Sozialgerichtsgesetz geändert worden. Die Neuregelungen treten zum 1. April 2008 in Kraft.

Die beiden wichtigsten Ergebnisse vorweg: die Zusammenlegung von Sozial- und Verwaltungsgerichten erfolgt nicht (einige Bundesländer kämpften sehr dafür) und auch die Selbstbeteiligungen werden vorerst nicht erhoben.

Aber Vorsicht! Der letzte Punkt mit den sog. Sozialgerichtsgebühren ist noch nicht ausgestanden. Das Bundesarbeitsministerium hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, welche Auswirkungen solche Gerichtsgebühren haben würden. Das Ergebnis wird abgewartet und dann soll das Gesetzänderungsverfahren evtl. wieder aufgenommen werden.

Aber es sind schon einige Änderungen erfolgt, die Einschränkungen hervorrufen:

  • Die formalen Anforderungen wurden erhöht; der Kläger, die Klägerin soll mit Namen und Ortsangabe unterschreiben; soll einen Antrag in der Klageschrift aufführen (was soll mit der Klage erreicht werden?); Beweismittel und Tatsachen zur Begründung sollen angegeben werden; der angefochtene Verwaltungsakt oder Bescheid als Anlage beigefügt werden.
  • Entspricht eine Klageschrift nicht diesen Anforderungen, setzt das Gericht eine Frist, bis zu der alles ergänzt sein muss. Klappt das nicht, ist entweder das ganze Verfahren nichtig oder es werden zumindest Beweismittel nicht berücksichtigt, die nicht rechtzeitig vorlagen.
  • Solche Fristen können die Sozialgerichte grundsätzlich in den beiden ersten Instanzen verfügen.
  • Betreibt ein Kläger, eine Klägerin die Klage länger als 3 Monate nicht weiter (trotz Frist bzw. Aufforderung des Gerichtes nebst Rechtsfolgebelehrung), gilt die Klage als zurückgezogen. Dieser Beschluss ist nicht mehr anfechtbar.
  • Der Streitwert des Verfahrens, ab dem eine Berufung (also die zweite Instanz) uneingeschränkt möglich ist, wird von bisher 500 Euro auf 750 Euro angehoben. Eine Berufung kann dann nur noch vom Sozialgericht (SG) ausdrücklich zugelassen werden.
  • Sind bei einem Sozialgericht mehr als 20 Verfahren zum gleichen Sachverhalt aufgelaufen, dann kann das SG ein Musterverfahren durchführen, alle anderen ruhen und werden nach Entscheidung im Musterverfahren per Beschluss ohne mündliche Verhandlung beschieden.
  • Bei Massenverfahren (wenn also eine Vielzahl von Widersprüchen ruhend gestellt wurde), muss eine Behörde (ARGE, Job-Center) dann nicht jeden Widerspruch einzeln entscheiden, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Regelung der Behörden bestätigt. Die Ämter müssen dann nur noch per Allgemeinverfügung (Bekanntmachung im Internet, im elektronischen Bundesanzeiger und in drei überregionalen Zeitungen) alle Widerspruchsverfahren beenden. Die Frist für eine Klage verlängert sich hierbei zwar auf ein Jahr, aber das Verfahren ist wohl ziemlich fragwürdig.
  • Wer nicht die richtigen Tageszeitungen liest, nicht im Internet unterwegs ist, erfährt so vielleicht nie oder zu spät, dass sein Widerspruch abgelehnt wurde.

…Rechtsstaat ein Stück abgebaut

Jede Regelung für sich erscheint fast harmlos, aber alle zusammen runden das Bild ab: die Gegenwehr soll behindert, verzögert, ausgehebelt und verteuert werden. Die große Koalition will mit dieser Gesetzesänderung auf die Überlastung der Sozialgerichte durch die sog. "Klageflut gegen Hartz IV" reagieren. Selbstverständlich gehen die Änderungen dann zu Lasten der Erwerbslosen und Klagenden, die im Gegensatz zu den Behörden existenziell auf ein menschenfreundliches Verfahren vor den Sozialgerichten angewiesen sind. Zu Recht sprach einer der Sachverständigen in der Anhörung in einem Ausschuss von "Abbau des Rechtsstaates" (Jens Heise, Neue Richtervereinigung). Nachdem der Sozialstaat erfolgreich immer weiter abgebaut wird (u. a. durch das ALG II), wird nun auch noch der Rechtsschutz erschwert.

Dabei wäre das alles nicht nötig und es würde sehr viele Kosten sparen, wenn die Sachbearbeiterinnen und FallmanagerInnen in ARGEn und Job-Centern mit guter Software, eindeutigen Bescheiden und vor allem mit einer Einstellung agieren würden, die nicht alle Hilfesuchenden wie Schmarotzerinnen wahrnimmt und im Zweifelsfalle (jedenfalls zunächst) im Sinne der Antragstellenden handeln würde und nicht im Sinne der Verwaltungskostenstellen. Wenn die FallmanagerInnen sich eingestehen würden, dass es die Arbeitsplätze sind, die fehlen und nicht der Wille bei den Betroffenen, Arbeit zu finden. Ja, sicher sind nicht alle auf Behördenseite so. Aber dass es nur wenige sind bzw. bedauerliche Einzelfälle, wie dann oft gesagt wird, wenn sich bestimmte Missstände und Fehlentscheidungen beim besten Willen nicht mehr unter den Teppich kehren lassen: Nein, das ist leider ganz und gar nicht so.

Zum Anfang

 

Jobcenter:

Aktionstag gegen Ämterschikane

Jobcenter Göttingen, 3. April 2008, 9 Uhr:

Pünktlich kommt der Bollerwagen mit Pavillon, Tischen, Bänken und dem Frühstück vorgefahren. Nachdem ein überfreundlicher Schutzmann versichert, dass die Stadt Göttingen die Aktion toleriert, und nachdem ein übereifriger Beschäftigter des Bewerberbüros einsehen muss, dass ein Tisch aus dem selbigem für das Frühstück seinen Standort verändern muss, kann der Aktionstag des Bündnisses gegen Ämterwillkür vor und im Jobcenter Göttingen beginnen.

Das Jobcenter ist für viele Arbeitslose ein Ort, an dem sie ständig Beleidigungen und Entwürdigungen erleben. Hier kommt die gesetzliche Entrechtung durch die Hartzreformen und die Willkür der Behörde und vieler SachbearbeiterInnen in besonderer Weise zusammen. Reicht der Alg II-Regelsatz schon kaum zum Überleben, so müssen wir uns hier oftmals noch ausspionieren, rumschikanieren und beleidigen lassen. Wir müssen Papiere mehrfach vorlegen, Anträge verschwinden oder wir bekommen 1-Euro-Jobs zugewiesen, die arbeitsmarktpolitisch unsinnig sind und uns nur in unserer Arbeitslosigkeit verwahren sollen etc. SachbearbeiterInnen sind kaum erreichbar und wenn, dann verhalten sie sich herablassend und bemühen sich, uns als BittstellerInnen erscheinen zu lassen, die von ihrem Gutdünken abhängig sind.

Vielen Arbeitslosen reicht es jetzt. Das Bündnis gegen Ämterschikane ist ein Zusammenschluss unterschiedlichster Menschen, die nicht mehr bereit sind, sich dies länger gefallen zu lassen.

Wir haben daher am 3. April einen Aktionstag in und am Jobcenter Göttingen gemacht, um gerade hier zu zeigen, dass für uns damit jetzt Schluss ist und wir diesem Ort seinen Schrecken für uns nehmen. Rund um das Frühstück, an dem viele BesucherInnen des Jobcenters teilnahmen, haben wir eine Befragung begonnen, mit der wir das Verhalten der SachbearbeiterInnen auch in Zukunft kontrollieren werden, um gegebenenfalls auch gegen einzelne SachbearbeiterInnen vorgehen zu können, die sich besonders schikanös hervorheben etc.

Der Aktionstag war ein Erfolg. Trotz Dauerregens und unangenehmer Kälte hielten sich durchgängig 30 bis 50 Personen rund um den Frühstückstisch auf, etliche Fragebögen konnten ausgefüllt, viele Gespräche geführt oder mit einem Kaffee in der Hand der mitgebrachten Musik gelauscht werden. Das Jobcenter wurde von uns in Beschlag genommen und zu einem Ort der Kommunikation umfunktioniert. Obwohl der Aktionstag nicht angemeldet war, wich die Stadt Göttingen vor uns zurück und musste ihn in ihren eigenen Räumen akzeptieren. Vom Jobcenter waren nur einzelne MitarbeiterInnen zu sehen und von der Leitung ließ sich überhaupt niemand blicken.

Sie mögen es offensichtlich nicht, wenn wir ihnen auf die Finger schauen. Und genau deswegen werden wir auch weitermachen. Und vielleicht überraschen wir sie dann ein bisschen.

Das Bündnis gegen Ämterwillkür trifft sich unregelmäßig. Die nächsten Treffen sind am Donnerstag, den 24. April und 8. Mai um 18:30 Uhr bei ver.di in der Groner-Tor-Str. 32. Die Treffen werden aber auch über Maillisten und über Flugblätter vorm Jobcenter bekannt gegeben.

Ein Teilnehmer des Bündnisses gegen Ämterwillkür

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lse Möbelwerke, Uslar:

Mutwillig in die Pleite geschickt?

Am 28. März hat der Geschäftsführer Friedrich Schneider für die GRA Tisch- und Metallproduktions GmbH Insolvenz beantragt. Damit ist jetzt offiziell, was im letzten GBE bereits befürchtet worden war.

Die Nachricht wurde von den KollegInnen bei GRA mit großer Verbitterung aufgenommen. Die miese Stimmung drückte sich auch in den Kommentaren aus, die auf der Webseite der HNA zu lesen waren: "Kapitalismus pur - wie 1880! ...Alle in Liechtenstein zusammentreiben und einkerkern!" Es gab aber auch Kommentare, die aufzeigten, dass bei dieser Insolvenz nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Im letzten GBE wurde ja bereits berichtet, wie der verstorbene Geschäftsführer Brückner und sein Nachfolger Friedrich Schneider (Unternehmensberater mit Spezialgebiet 'Insolvenzbegleitung') die Firma systematisch zerlegt haben. Karl Vierhaus aus Rees am Niederrhein, dem die Möbelwerke Ilse seit 1990 gehörten, hat 2007 alle offiziellen Verbindungen zu der neu gegründeten GRA gekappt.

Firma ohne Vermögen

Die Neugründung hatte allerdings von vornherein kein Vermögen – alle Gebäude, Produktionsanlagen usw. musste sie von der Vierhausgruppe mieten. Und Unternehmen der Vierhausgruppe sind auch die einzigen Kunden der GRA. Die zuletzt 118 KollegInnen mussten ständig auf ihren Lohn warten. Selbst das Material wurde zum Teil von Vierhaus gestellt – der Umsatz für die gelieferte Ware wurde dann aber mit Altschulden verrechnet, so dass die GRA ständig klamm war. Die Firma wird so offensichtlich von Vierhaus gesteuert, dass ein Vertreter der Vierhaus-Gruppe in der HNA jegliche Verbindung zur GRA panisch abstritt – bis auf Lieferbeziehungen natürlich.

1 + 1 zusammen zählen

Die Leserbriefe auf HNAonline sprechen eine andere Sprache: "... warum werden dann Zeitarbeiter der GRA von Vierhaus bezahlt und warum muss die Geschäftsleitung der GRA bei Vierhaus um Geld für die Angestellten-Löhne betteln? Warum werden GRA Gehaltsabrechnungen bei Vierhaus erstellt (bzw. zur Zeit zurück gehalten).....seit wann erstellt der KUNDE Gehaltsabrechnungen für eine "fremde" Firma?? Also wer hier nicht 1 und 1 zusammenrechnen kann...."

Der Leserbriefschreiber bezieht sich möglicherweise auf die ausstehenden Restlöhne von Januar, die in letzter Sekunde noch an die KollegInnen überwiesen worden sind. Nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern um zu verhindern, dass die Firma sofort den Betrieb einstellen muss. Jetzt können die KollegInnen noch den ganzen April beschäftigt werden (Hintergrund: das Arbeitsamt zahlt in so einem Fall bis zu drei Monate Konkursausfallgeld). Und daran ist Vierhaus stark interessiert, da die Zubehörteile von GRA dringend gebraucht werden, um laufende Aufträge zu erfüllen. Es steht zu befürchten, dass in letzter Sekunde eine neue Gesellschaft aus dem Hut gezaubert wird, die das Produktionsgeschäft der GRA übernimmt. Auf den Schulden bleiben dann eventuelle Gläubiger sitzen, drei Monatsgehälter (Februar bis April) übernimmt das Arbeitsamt und die Klagen von diversen KollegInnen wegen ausstehender Löhne ist man damit auch noch los.

Wie sie sich gleichen

Das Vorgehen im Falle der GRA Tisch- und Metallproduktions GmbH ähnelt doch sehr einem anderen Konkurs in der Möbelbranche. Am 28. Februar meldete die Firma Hela-Tische Lampe GmbH in Löhne Insolvenz an. In dieser Firma produzierten 50 KollegInnen Tische – alleiniger Kunde ist die Hela-Tische Möbel Vertriebs GmbH, deren Geschäftsführer Kai-Uwe Lampe größten Wert darauf legt, dass seine Firma hiervon nicht betroffen ist. Und dass er nix, aber auch gar nix mit der Produktionsgesellschaft zu tun hat – außer als Kunde natürlich.

Ach ja – haben wir fast vergessen zu erwähnen: Geschäftsführer des insolventen Tischproduzenten ist Herr Friedrich Schneider!

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Apel / Autocenter Industriestraße:

Ausgehungert? Wie ein traditionsreiches Autohaus zu einer Pleitebude gemacht wurde

Wer schon länger in Göttingen lebt, dem ist das Autohaus Apel ein Begriff. Und auch in Hann. Münden hat dieses Autohaus eine Filiale gehabt. Dass sich lokale Autohäuser wie Apel auch in die Umgebung ausgedehnt haben, das ist sicher eine Folge der Vertriebsstrategie der Automobilkonzerne. Um immer mehr Autos verkaufen zu können, wurden den Vertragshändlern immer engere Vorschriften gemacht, wie ihre Häuser auszusehen haben. Die Glas- und Stahlpaläste der großen Automarken sehen sich nicht zufällig immer ähnlicher. Die Architektur der Anlagen ist genau festgelegt.

Konzentrationsprozesse

Die dafür notwendigen Investitionen konnten sich nicht alle Autohändler leisten. Daher überlebten immer mehr die 'Großen', die gleich in mehreren Städten eine Filiale hatten. Aber Autohersteller sind große Konzerne und große Konzerne sind dafür bekannt, dass sie den Hals nicht voll bekommen können. Daher wurde das Neuwagengeschäft immer härter. Ursprünglich haben die Hersteller die Neuwagen den Vertragshändlern kostenlos zur Verfügung gestellt – bezahlt wurde erst, wenn sich ein Kunde für das Auto gefunden hatte. Doch diese Zeiten sind lange vorbei – jetzt muss der Händler die Autos bezahlen, erst hatte er vielleicht noch einen Monat Zeit, inzwischen wird das Geld schon abgebucht, wenn das Auto auf den Hof rollt. So kommen schnell Millionenwerte zusammen, die finanziert werden müssen.

Die Großen fressen die Kleinen

Bei diesen Größenordnungen kam auch Apel nicht mehr mit und wurde schließlich im Jahr 2002 von der Graf-Gruppe (Autohaus Südhannover) aufgekauft. Denn die Graf-Gruppe ist noch deutlich größer als Apel und betreibt inzwischen 11 VW-, Audi-, Porsche-, Seat- und Skoda-Autohäuser in Göttingen, Uslar, Hann. Münden, Einbeck und Northeim. Etwa 470 KollegInnen sind bei der Graf-Gruppe beschäftigt. Die Chefin Annette Graf-Sturm ist die Enkelin des Firmengründers Fritz Hübener aus Einbeck.

Doch mit dem Aufkauf durch die Graf-Gruppe begann der Leidensweg der KollegInnen von Autohaus Apel.

Steter Niedergang

Durch den Kauf sollte wohl hauptsächlich unliebsame Konkurrenz verhindert werden. Schon bald kam der Abschleppwagen nicht mehr auf den Hof – vorher hatten die Abschleppdienste liegen gebliebene Autos einigermaßen gleichmäßig auf alle Werkstätten in Göttingen verteilt. Nach und nach wurden immer mehr von den ursprünglich 70 Beschäftigten in andere Häuser der Graf-Gruppe abgezogen. Im Jahre 2005 dann wurde von der Graf-Gruppe die Reduktion der Belegschaft auf nur noch 10 KollegInnen angekündigt. Mit dem Betriebsrat wurde ein Interessenausgleich verhandelt, der vorsah, dass die KollegInnen in andere Häuser der Graf-Gruppe übernommen werden – allerdings auf Stellen, die jeweils eine Gehaltsgruppe niedriger entlohnt sind. Und die Graf-Gruppe sah sich nicht als eine Firma mit mehreren Betrieben sondern als loses Netzwerk unabhängiger Betriebe, die zufällig alle der gleichen Eigentümerin gehören. Daher wollte sie die bisherige Betriebszugehörigkeit der KollegInnen nicht anerkennen – ein wichtiger Punkt für den Fall einer Kündigung. In einem Kompromiss einigte man sich darauf, die Hälfte der Betriebszugehörigkeit zu akzeptieren.

Neues Konzept: Billig

Das neue Konzept für das Autohaus Apel, das jetzt Autocenter Industriestraße (ACI) hieß, sah vor, eine reine 'Stop+Go'-Werkstatt für ältere Autos zu betreiben. Die Marke 'Stop+Go' wurde von Volkswagen Anfang der 90er Jahre erfunden, um damit den Billig-Reparaturmarkt zu erschließen. Man hatte erkannt, dass die FahrerInnen von älteren VWs oder Audis sich von den neuen Hui-Palästen abgeschreckt fühlten – sie ahnten wohl, dass sie mit jeder Reparatur und jedem Ersatzteil die schicken Verkaufsräume mitfinanzieren müssen.

Aber gut lief dieses Geschäft nicht. Und Zusatzaufträge aus den anderen Graf-Firmen in Göttingen verschlimmerten die Situation nur, weil die internen Verrechnungspreise nicht kostendeckend waren. Zum Teil mussten die KollegInnen bei ACI teure Überstunden schieben, um zusätzlich zu den internen Aufträgen noch die eigenen Kunden bedienen zu können – so kann man Verluste auch mutwillig produzieren. Dass es wohl nicht mehr lange gut gehen würde mit ihrer Firma, ahnten die KollegInnen als sie 2006 spitz kriegten, dass die Graf-Gruppe alle Altkunden des Autohaus Apel angeschrieben hat, um sie mit Sonderangeboten in eines der anderen Autohäuser zu locken.

Die noch Größeren haben noch größeren Appetit

Zum 1. Januar 2008 hat Frau Graf-Sturm nun einen großen Teil ihrer Autohäuser an die Voets-Gruppe aus Braunschweig verkauft. Die ist noch größer, verkaufte 2005 fast 20.000 Autos (davon 7.000 Neuwagen), setzte 300 Millionen Euro um und beschäftigte ca. 1.100 KollegInnen in Autohäusern in Braunschweig, Hildesheim, Magdeburg usw. Das Autocenter Industriestraße wurde allerdings nicht mit verkauft. Obwohl VW gerade verkündet hat, dass das Franchise-Konzept 'Stop+Go' weiter ausgebaut werden soll, hat der Käufer wohl kein Interesse daran. Stattdessen wurde den verbliebenen acht KollegInnen die Schließung des Betriebes zur Jahresmitte angekündigt. Begründet wurde das mit jahrelangen Verlusten in der Industriestraße – wen wundert's!

Zunächst machten sich die KollegInnen noch Hoffnung, dass sie in einem der verbliebenen Betriebe der Graf-Gruppe in Northeim oder Einbeck unterkommen können. Aber vor einigen Tagen wurde bekannt, dass inzwischen die restlichen Betriebe der Graf-Gruppe an Northeimer Händler verkauft sind. Gar zu durchsichtig ist der Versuch der Graf-Chefin, den Betrieb scheibchenweise zu verkleinern, um dann die restlichen KollegInnen ohne Sozialplan los zu werden. Um ihre Rechte zu wahren, müssen die KollegInnen nun nachweisen, dass es sich bei der Grafgruppe mit den internen Gewinn- und Verlustverschiebungen um einen Gesamtbetrieb handelt, der sozialplanpflichtig ist. Und das hoffentlich erfolgreich – es darf schließlich nicht sein, dass die legitimen Schutzrechte der KollegInnen hier auf so dreiste Weise ausgehebelt werden.

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Finanzkrise:

Von Amerika lernen heißt Siegen lernen?

Die Krise begann 2001. Der Spekulation über eine von staatlichen Einflüssen befreite und auf dem Einsatz globaler Computernetzwerken beruhenden "New Economy" ging die Luft aus. Die Börsenkurse, die in den 1990er Jahren steil aufwärts geklettert waren, gingen in den Keller, der Konjunkturaufschwung wurde von einer, allerdings sehr milden, Rezession abgelöst. Zudem wurden Börse, Konjunktur und Computertechnologie, die eben noch Schlagzeilen gemacht hatten, vom Krieg gegen den Terror in den Hintergrund gedrängt. Anstatt über wirtschaftliche Probleme, deren Existenz im Überschwang der New Economy-Spekulation rundweg bestritten wurden, zu berichten, wurden der Öffentlichkeit militärische Erfolge angekündigt.

Selbstverständlich hört die Wirtschaft nicht auf, weil der Krieg gegen den Terror beginnt. Sie entwickelte sich aber nach der Krise 2001 in anderer Form als während des Aufschwungs in den 1990er Jahren. Der war durch Investitionen in unbekanntem Terrain und neuen Technologien gekennzeichnet. In Asien, Lateinamerika und Osteuropa wurden Märkte und Anlagefelder mit Hilfe von Internationalem Währungsfonds, Welthandelsorganisation und diplomatischem Druck erweitert oder erstmals dem Zugriff westlichen Kapitals ausgesetzt. Die Öffnung des Internet, das im Auftrag von US-Militärs seit den 1960er Jahren für den internen Informationsaustausch entwickelt und ausgebaut worden war, für kommerzielle Nutzer erleichterte die Kontrolle immer vielgliedriger werdender Wertschöpfungsketten sowie die Entstehung neuer Konsumgütermärkte. Produktion und Absatz werden auch nach der Krise 2001 noch international und unter Verwendung von Computern organisiert. Der Aufbau der hierzu erforderlichen Produktionsstätten, Transport- und Informationsnetze war seither aber nicht mehr die treibende Kraft wirtschaftlichen Wachstums.

Während die Kriegspolitik der USA und ihrer Nato-Partner die ganze Welt zu ihrem Einsatzfeld machten, wurde das Kapital im wahrsten Sinne des Wortes "häuslich". Der Immobilienmarkt wurde zum Wachstumsmotor – wenn auch etwas weniger zugkräftig als zuvor die Informationstechnologien. Auslandsinvestitionen unterblieben zwar nicht vollständig, konzentrierten sich aber hinter den zerklüfteten Frontlinien des Krieges gegen den Terror. Ölfirmen und Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes verdrängten die Hersteller von Computerteilen und -programmen aus den Spitzenpositionen der höchstnotierten Börsenwerte.

Die Rechnung mit heimischen Immobilien, Kriegswirtschaft und Sicherung von Energiequellen ging nicht auf. Durch die Kriege in Irak und Afghanistan konnte zwar der Zugriff auf das Öl des Mittleren Ostens gesichert und am Hindukusch ein Brückenkopf gegen den Energiehunger der rapide wachsenden chinesischen Wirtschaft sowie den politischen Einfluss Russlands errichtet werden. Die Unfähigkeit der Allianz gegen den Terror, die ihnen genehmen Vasallenregimes gegen militärisch armselige und politisch perspektivlose Aufstandsbewegungen durchzusetzen, führte jedoch zu erheblichen Zweifeln, ob Öl beständig und in der jeweils gewünschten Menge gen Westen fließen würde. Fünf Jahre nach der Besetzung liegt die Ölproduktion immer noch darnieder, eine Ausweitung der Kampfzone nach Iran, die viele Militärstrategen des Imperialismus für erforderlich halten, würde zu massiven Förderausfällen führen.

Unsicherheit der Ölversorgung ist gut fürs Geschäft, erlaubt sie doch spekulativ in die Höhe getriebene Preise und, solange Förderung und Absatz irgendwie aufrechterhalten werden können, kräftig steigende Profite. Kurz: Je unsicherer die tatsächlichen Ölflüsse, desto kräftiger sprudeln die Ölgewinne. Natürlich floriert auch die Rüstungsindustrie, ohne deren Hardware der Zugriff auf einen erheblichen Teil der Weltölreserven und die seither eingetretene Unsicherheit über stabile Energieflüsse nicht hätte hergestellt werden können.

Was gut ist für Exxon Mobile, Chevron, BP, Halliburton und Lockheed Martin ist noch lange nicht gut für Gesamtwirtschaft und Gesellschaft. Sowohl das Industrialisierungsmodell des westlichen Kapitalismus als auch dessen sozialer Konsens beruhen auf billigem Öl. Was den Unternehmen niedrige Produktions- und Transportkosten, dass sind den Proleten, nach Gehaltsstufen feinsäuberlich sortiert, Eigenheim, Auto und billige Konsumgüter, die ohne Niedriglöhne und geringe Transportkosten nicht den Weg aus den Sweat-Shops dieser Welt in die Supermärkte und Konsumpaläste des Westens finden würden. Unternehmen, sofern sie nicht im Öl- oder Rüstungsgeschäft tätig sind, stöhnen nun gemeinsam mit Proleten aller Gehaltsstufen über steigende Produktions- bzw. Lebenshaltungskosten. Letztere sind einer der Faktoren, die das neben Rüstung und Öl dritte Standbein des Aufschwungs, den Immobilienboom, haben einknicken lassen.

Dass viele Häuser seit 2001 auf finanziellem Sand gebaut waren, musste während des Aufschwungs verschwiegen werden. Ohne den Traum von steigenden Profiten auf der Seite von Immobilienfirmen und den Traum vom Eigenheim auf der anderen Seite wären viele Grundstücke unbebaut geblieben. Auch kreditfinanzierte Konsumausgaben beruhten auf der Illusion ewig steigender Immobilienvermögen. Steigende Ölpreise, die sowohl Heizung des Hauses als auch Betrieb des glücklich erworbenen Neuwagens zu einer kostspieligen Angelegenheit gemacht haben, beschleunigten das Zerplatzen dieser Vermögensillusionen nur. Viele Haushalte standen ohnehin kurz vor der Erkenntnis, dass Kredit nicht nur gegeben, sondern auch zurückgefordert werden kann – und dass dies schnell die Zahlungsfähigkeit übersteigt.

So oder so, Anfang 2007 begannen die Immobilienpreise in den USA zu sinken, weil viele Häuslebauer die fälligen Zinsen und Tilgungen nicht mehr aufbringen konnten und daher zum Verkauf gezwungen waren. Da steigende Immobilienwerte von Banken als Kreditsicherheiten akzeptiert wurden, führte ihr Sinken nun auch zu einer Einschränkung der Kreditvergabe und hierdurch finanzierter Konsumgüternachfrage. Eine Krise wurde hieraus, weil Banken Kredite, die sich nunmehr als uneinbringbar erwiesen, als Wertpapiere gehandelt und damit die Börsen angetrieben haben. Jetzt sitzen die Banken auf faulen Krediten und die Börsen, infolge verringerter Liquiditätszufuhr, beinahe auf dem Trocknen. Mit versickerndem Kredit und fallenden Börsenkursen waren die Zutaten für einen veritablen Zusammenbruch beisammen. Die Zahlungsfähigkeit des Finanzsektors, ohne die – da sich nun mal alles ums Geld dreht – der gesamte Wirtschaftskreislauf zum Stillstand gekommen wäre, konnte allerdings durch kräftige Liquiditätsspritzen der Zentralbank aufrechterhalten und damit die Krise eingedämmt werden. Wie lange sie andauern und wie sie sich weiterentwickeln wird, ist unklar.

...aber man muss auch verlieren können

Klar ist dagegen, dass sich die gegenwärtige Krise in einem Punkt grundlegend von allen Krisen unterscheidet, die sich seit dem Aufstieg der USA zur kapitalistischen Führungsmacht ereignet haben. Mangel an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage und rentablen Anlagemöglichkeiten haben auch in der Vergangenheit zu Krisen geführt. Ein erheblicher Teil der Krisenlasten, Arbeitslosigkeit, Lohnsenkungen und Massenelend, konnte aber von den USA, diesbezüglich mit ihren westlichen Verbündeten meistens an einem Strang ziehend, auf ärmere Länder abgewälzt werden. Daher rührt das Sprichwort, dass sich die Weltwirtschaft erkältet, wenn die USA einen Schnupfen haben. Damit ist es vorbei. Diesmal wurde die Krise im Zentrum verursacht und ist dort auch ausgebrochen. Nicht das Abwälzen der Krisenlasten auf andere Länder, sondern deren Hilfe bei der Kriseneindämmung steht nunmehr auf dem Programm. Eine ganze Fraktion westlicher Banker, Politiker und Ökonomen rechnet darauf, dass die neuen Regionalmächte China, Russland und Indien Nachfrageausfälle im Westen ausgleichen und damit die Weltwirtschaft stabilisieren können. Ganz Mutige denken sogar darüber nach, die Devisenreserven und Ersparnisse, die diese Länder in den letzten Jahren aufgehäuft haben, zur Liquiditätssicherung der Banken und Börsen in New York, London, Tokio und Frankfurt anzuzapfen. Der hilfesuchende Blick auf die Emporkömmlinge aus der Dritten Welt ist aus der Not geboren. Dass sich hier neue Freundschaften anbahnen, darf bezweifelt werden. Zwar lässt man gern in China und Indien kostengünstig produzieren und sich aus Russland mit Rohstoffen versorgen; dass diese Länder aber Binnenmärkte unter eigener Kontrolle und zumindest regionale Machtansprüche haben, ist für gestandene Weltmächte schwer zu ertragen. Da ist es doch sicherer, sich auf alte Freunde wie die Deutschen zu verlassen.

Zwar plagen auch die sich mit einer Bankenkrise herum, die mit der Deutschen Bank sogar ihr eigenes Flagschiff erreicht hat. Dennoch haben internationale Organisationen wie IWF und OECD im Frühjahr diesen Jahres die Parole ausgegeben: Deutschland wird von der US-Krise nicht berührt und kann mit seiner eigenen Wirtschaftskraft zur Rettung seiner amerikanischen Freunde beitragen. Wer die Meldungen über transatlantische Exportrekorde, von Deutschland nach Amerika versteht sich, gewohnt ist, kann sich über diese Parole nur wundern. Begründet wird sie damit, dass ein Großteil der deutschen Exporte, gut zwei Drittel, in andere EU-Länder geliefert würden und deshalb nicht von dem seit Krisenbeginn dramatisch sinkenden Dollarkurs betroffen seien. Dass die deutschen Exporte in erster Linie innerhalb Europas abgesetzt werden, war allerdings schon vor Ausbruch der Krise richtig und hat schon bei geringen Dollar-Abwertungen zu drastischem Stellenabbau in Automobil- und Luftfahrtproduktion geführt. Kollegen bei Daimler, Opel und Airbus dürften diesbezüglich mehr von Außenhandel und Währungsbeziehungen verstehen als die Experten des IWF bzw. der OECD.

Zudem übersieht die Hoffnung auf deutsche Exporte in andere EU-Länder, dass einige von diesen, insbesondere Britannien und Spanien, von Immobilien- und Wirtschaftskrisen nach amerikanischem Vorbild geplagt sind. Die Wirtschaft in manchen EU-Ländern, beispielsweise Italien, sieht sich schon seit Einführung des Euro mit einer Exportoffensive aus Deutschland konfrontiert, die den Wunsch nach Währungsabwertung und dadurch nachlassendem Importdruck geweckt haben. Was den USA möglich ist, bleibt den von der Europäischen Gemeinschaftswährung gefangenen Ländern verwehrt. Insgesamt wird der europäische Appetit auf Importe aus Deutschland daher ebenso zurückgehen. Der europäische Binnenmarkt dürfte wegen seiner eignen Instabilität kaum in der Lage sein, die sinkenden Exporte ins nicht-europäische Ausland auszugleichen.

Allerdings haben die Wirtschaftsexperten, man weiß eben doch, wozu man sie so teuer bezahlt, auch für den Fall einer Wirtschaftskrise in Deutschland bereits vorgebaut. Tarifabschlüsse, mit denen die Beschäftigten in einigen Branchen nach Jahren der Reallohnverluste wieder etwas aufholen, andere aber gerade mal die Inflation ausgleichen konnten, werden unisono als Profitkiller bezeichnet, welche die in Folge der US-Krise ohnehin getrübte Investitionslaune verderben und damit die Rezession auslösen. Allerdings, und insofern haben Unternehmertum und seine besoldeten Schreiberlinge durchaus Grund zur Sorge, sind diese Tarifabschlüsse, so undramatisch ihre Auswirkungen in Euro und Cent auch sein mögen, durch eine verbreitete Stimmung möglich geworden, die sich mehr um soziale Gerechtigkeit als um Profit, Export und Rezessionsvermeidung dreht. Umfragen ergeben deutliche Mehrheiten für gesetzliche Mindestlöhne, gegen Hartz IV, gegen die Rente mit 67 und gegen die Bahnprivatisierung. Diese Stimmung hat zur Mobilisierung in den bislang gelaufenen Tarifrunden erheblich beigetragen. Hoffen wir, dass sie erhalten bleibt, sobald die Krise nicht nur die Deutsche Bank, sondern die gesamte Wirtschaft in Deutschland erreicht und hoffen wir, dass sie zu dem notwendigen Widerstand gegen eine dann ins Haus stehende neue Runde des Lohn- und Sozialabbaus motiviert.

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PR-Wahl Universität:

Gute Ausgangsbasis

Während im Uni-Klinikum die traditionell starke ver.di- (früher ötv-) Mehrheit bei den PR-Wahlen zum zweiten Mal in Folge Verluste hinnehmen muss, ist die Tendenz beim PR der Universität genau umgekehrt. Das Wahlergebnis wurde hier insofern mit besonderer Spannung erwartet, als im April 2007 mitten in der Wahlperiode ein politischer Richtungswechsel hin zu ver.di im Personalrat stattfand: nach langen Jahren nichtgewerkschaftlicher Orientierung waren einige PR-Mitglieder die Untätigkeit ihres eigenen "Lagers" leid und erklärten sich bereit, einen neuen, aus ver.di-KollegInnen bestehenden PR-Vorsitz samt drei VertreterInnen zu wählen (siehe GBE 182). Diesen Wechsel hatten nun, nach einem Jahr, erstmals die WählerInnen zu bewerten.

Und es kann gesagt werden: Die "Übernahme" der Leitung des Uni-PR durch die ver.di-Liste plus zwei weitere Listen vor einem Jahr hat sich ausgezahlt: ver.di-Listenmitglieder haben jetzt 8 von 17 Sitzen (davor 7 von 19 – die Sitzzahl ist jetzt aufgrund von weniger Wahlberechtigten reduziert). Nach ersten Einschätzungen ist dies auf mehrere Faktoren zurückzuführen:

  • Erhöhte Wahlbeteiligung durch Einführung von Wahlbenachrichtigungen
  • PR wurde im letzten Jahr durch Aktivitäten sichtbar
  • Die Personalversammlung im November 2007 war ein voller Erfolg
  • Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst kurz vor der PR-Wahl wurde positiv aufgenommen (obwohl für die Uni-Beschäftigten ohne direkte Auswirkung)
  • ver.di wird an der Uni deutlicher wahrgenommen (durch Aktivitäten der Vertrauensleute).

Es ist dabei wohl nicht ganz abwegig zu vermuten, dass mit den fortlaufenden Verschlechterungen der Arbeitsverhältnisse (Befristung, Arbeitsverdichtung, Lohnniveau) allmählich die ablehnende Haltung der großen Mehrheit der Beschäftigten gegenüber Gewerkschaften schwindet.

Die beiden Listen, welche vor einem Jahr beim Leitungswechsel mitwirkten, haben ihre Sitze behaupten können. Sie wurden also nicht für ihre Entscheidung "bestraft". Auch wenn es dadurch nicht für eine absolute Mehrheit der ver.di-Liste gereicht hat, so haben doch die WählerInnen die von ver.di geprägte PR-Arbeit des vergangenen Jahres deutlich gestärkt und wollen sie fortgesetzt sehen. Es ist zu hoffen, dass der PR den Erwartungen der Beschäftigten auch mit entsprechenden Aktivitäten gerecht wird.

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PR-Wahl Uni-Klinik:

Schwierige Lage

Kein Anlass zur Freude für die ver.di-Liste ist das Ergebnis der Personalratswahlen im Uniklinikum Anfang April: von 60 Prozent (2004) sackt sie ab auf nur noch 48 Prozent, verliert damit eine komfortable absolute Mehrheit und nach jüngsten Informationen den PR-Vorsitz.

Noch deutlicher wird das Ausmaß des Desasters, wenn man die absoluten Zahlen betrachtet: gegenüber 1.200 Stimmen in 2004 erhielt ver.di bei den diesjährigen Wahlen nur noch 800. Dies bedeutet nicht nur ein Minus von einem Drittel. Sondern schlimmer noch, viele ver.di-Mitglieder verweigerten der ver.di-Liste die Zustimmung. Denn im Zuge des Streiks 2006 war die Anzahl der Mitglieder im Klinikum auf ca. 1.100 gewachsen.

Begeistert

Denken wir kurz zwei Jahre zurück. Im Sommer 2006 war es ver.di in einem 16wöchigen Streik gelungen, in einem Betrieb ohne Streikerfahrung bis zu 800 Streikende zu mobilisieren. Die sich kämpferisch und lebendig zeigende Gewerkschaft gewann dabei nicht nur rapide neue Mitglieder, sondern sicherte sich auch den Respekt der Nichtorganisierten.

Alles in allem eigentlich ideale Voraussetzungen für einen überragenden Wahlerfolg, doch zwischen Streik und Wahl lagen zwei Jahre, und offenbar konnten die betrieblichen Gewerkschaftsspitzen das im Streik erworbene Vertrauen nicht auf Dauer halten.

Ernüchtert

Ein Grund dürfte wohl in einer (verständlichen) Ernüchterung der im Streik aktivierten breiten Basis liegen: mit ihrer positiven Erfahrung aus sechzehn kämpferischen Wochen an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt, waren und sind die Beschäftigten seitdem mit anhaltenden Angriffen des Arbeitgebers konfrontiert: eine Stellenabbau-Ankündigung jagt die nächste; reihenweise Nichtverlängerung von befristeten Verträgen; Druck auf die Arbeitszeiten, Versuch der Lohnabsenkung per Absenkungstarifvertrag ZUSI usw.

Von ihrem ver.di-Personalrat erwarteten die KollegInnen hierbei eine konsequente Vertretung ihrer Interessen. Doch die Niederungen des Alltagsgeschäfts eines PR, zumal in Zeiten, in denen der "Raubtierkapitalismus" fröhliche Urständ’ feiert, sind mühsam, und nach einem erfolgreichen Streik fällt dies um so mehr auf. Vorwürfe an den PR, sich "mitgestaltend" mit der Kliniksleitung gemein zu machen, ließen nicht lange auf sich warten, wurden immer lauter und schlagen sich nun auch im Wahlergebnis nieder.

Sicher insgesamt keine einfache Situation für den ver.di-Personalrat, der sich im Spagat zwischen "realpolitischer" Machbarkeit und einem im Streik gewachsenen Selbstbewusstein von Beschäftigten befindet, deren Interessen er zu vertreten hat.

Aber bei allem Verständnis für diesen Spagat stellt sich doch die Frage, wieso es ihm so gar nicht gelungen ist, die aktivierten Beschäftigten in den letzten 2 Jahren "mitzunehmen" und die Stimmung für größeren Druck auf den Arbeitgeber zu nutzen? Dies nur auf unrealistisch-utopische Erwartungen der KollegInnen zu schieben, erscheint uns da doch etwas zu einfach.

Wenn auf massiven Stellenabbau seitens des PR lediglich hilflose Appelle an den Arbeitgeber folgen, während andernorts z.B. Ausgründungen bereits durch die bloße Androhung von Streiks verhindert wurden; wenn dann auch im Göttinger Klinikum Forderungen nach Kampfmaßnahmen laut werden, so ist nicht wirklich nachzuvollziehen, warum es der PR bei Appellen an die Kliniksleitung belässt, anstatt dieser mit seiner erbosten Basis zu drohen und damit den Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen.

Abgestraft

In der Außenwahrnehmung schienen im Lauf der Zeit die Konfliktlinien zwischen PR-Funktionären und Kliniksvorstand sehr viel schwächer ausgeprägt als mit ihrer eigenen Gewerkschaftsbasis. Diese musste miterleben, wie mehrere hundert KollegInnen ohne nennenswerten Widerstand vor die Tür gesetzt wurden, während der PR lediglich vermeldete, da könne man nichts machen, schließlich seien Gewerkschaft und Personalrat an Gesetze gebunden.

Wer allerdings nicht müde wird, immer wieder seine eigene Überflüssigkeit zu betonen, muss eben damit rechnen, irgendwann beim Wort genommen zu werden...

Und so geschah es auch, zunächst bei der Listenaufstellung im Januar: mehrere bislang freigestellte PR-Mitglieder fanden sich plötzlich auf nicht aussichtsreichen Listenplätzen wieder. Dass es in der Folge Versuche gab, dieses Ergebnis im Sinne der zu kurz Gekommenen zu "korrigieren", dass gar zwei PR-Mitglieder ihr schlechtes Abschneiden zum Anlass nahmen, flugs eine eigene Liste aufzustellen, verstärkte bei vielen Beschäftigten das Gefühl, dass es hier vorrangig um Posten und Pfründe gehe und nicht um die Vertretung ihrer Interessen.

So ist das Wahlergebnis nicht nur ein kleiner "Denkzettel", sondern die deutliche Botschaft der Beschäftigten, dass zuviel "Sozialpartnerschaft" mit einem Arbeitgeber, der ohne jegliche Rücksichtnahme das Klinikum zu einem marktwirtschaftlich ausgerichteten Betrieb umbauen will, nicht toleriert wird.

Wie weiter?

Bleibt zu hoffen, dass der neugewählte Personalrat und vor allem jene PR-Mitglieder, die die Wahl "überlebt" haben, diese Botschaft verstehen und sich nicht länger als Co-Manager betätigen, sondern ihre Arbeit an den Interessen der Beschäftigten orientieren. Ein erster Schritt dazu wäre eine Bestandsaufnahme nach fast eineinhalb Jahren Stellenabbau und massiven Umstrukturierungen, um festzustellen, wo eigentlich die Probleme und Wünsche der Beschäftigten liegen, und insgesamt den Kontakt zur Basis künftig aktiver zu gestalten. Der nächste Schritt wäre dann, dass der PR Kritik und Forderungen seiner Klientel ernst nimmt und sich bemüht, diese konsequent umzusetzen, damit aus einer verselbständigten Bürogemeinschaft ein Werkzeug des Willens der WählerInnen werden kann.

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ARGE NOM dreht völlig durch

Die ARGE Northeim, die sich ganz genau Sozialagentur Northeim nennt, ist bei den Betroffenen, die ALG II (Hartz IV) beziehen, von Anfang an als eine Behörde bekannt, die mehr als andere vergleichbarer Behörden meint, mit den Menschen umspringen zu können, wie es ihr gerade in den Kram passt. Aus Northeim sind z. B. im Bereich der SozialberaterInnen sehr viel mehr Beschwerden und Probleme bekannt als aus manch anderer Kommune. Was nicht heißen soll, das in diesen alles gut läuft.

Wenn es um die Anerkennung der Heizkosten, der Nebenkosten etc. geht, dann werden in Northeim oft sehr eigenwillige Entscheidungen getroffen. Ein weiteres Problem ist, dass sich manchmal 3 SachbearbeiterInnen kurz nacheinander zum gleichen Sachverhalt mit drei verschiedenen Bescheiden melden. Selbst wenn die Wohnung oder das eigene Haus angemessen nach dem SGB II sind, was Größe und Miete betrifft, werden selten die Heizkosten so übernommen, wie es sein sollte. Nämlich in der Regel in vollem Umfang. Vorausgesetzt ist ein angemessenes Heizverhalten.

Ein Ehepaar aus Sudershausen hat besonders unter den willkürlichen Entscheidungen der Sozialagentur zu leiden. Von Anfang an bekommen diese beiden Menschen erst nach langen Kämpfen vor den Sozialgerichten mit Unterstützung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes ihre Forderungen bewilligt. Leider auch nicht alle. Wobei sie nie mehr fordern als das, was ihnen auch nach inzwischen erfolgter Rechtssprechung durch Landessozialgerichte und das Bundessozialgericht zusteht. Immer wieder geht es um die Größe des Hauses, um die Höhe der Heizkosten und um die rechtzeitige Erstattung bzw. Übernahme derselben.

Parieren oder Kürzung auf Null Euro!

Wohl genervt davon, dass die beiden sich immer wieder an die Gerichte wenden, flatterte ihnen vor zwei Wochen ein Schreiben der Sozialagentur ins Haus, in dem klipp und klar stand: wenn sie nicht alle ihre Forderungen zurücknehmen würden, dann bekämen sie ab sofort keinen Cent mehr ausbezahlt! Egal, wieviel ihnen zusteht.

Hallo?! Geht es noch? Das ist ein klarer Rechtsbruch. Das erfüllt evtl. auch Tatbestände wie den der Nötigung usw. Die Betroffenen haben sofort wieder den gewerkschaftlichen Rechtsschutz eingeschaltet und die Öffentlichkeit. Die ist wichtig. Diese ARGE und auch alle anderen müssen mitbekommen, dass ihre rechtswidrigen und menschenverachtenden Sperenzchen sehr wohl wahrgenommen werden und dagegen protestiert wird.

Gut, nach dem Eingreifen der Rechtschutzsekretärin des DGB aus Göttingen hat die ARGE NOM diese Unverschämtheit zurückgenommen. Die Zahlungen finden weiterhin statt. Weiterhin zu gering, klar. Die Gerichte werden sich mit den Versuchen, an der Quadratmeterzahl des Hauses rumzufeilschen, an dem Versuch, ein Arbeitszimmer zu unterstellen und rauszurechnen usw. usw. weiter befassen müssen. Das diese ganzen Verfahren insgesamt mehr Kosten verursachen als vernünftige und menschenfreundliche Entscheidungen, sei auch noch erwähnt. Was also hat die ARGE davon?

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IG Metall:

116 Jahre IG Metall in Göttingen

Nach 116 Jahren verlässt die IG Metall Göttingen. Durch die Fusion der Verwaltungsstellen Göttingen, Northeim, Osterode und Goslar entsteht eine neue Verwaltungsstelle Südniedersachsen-Harz. Der GBE nimmt dies zum Anlass, einen Blick zurück in die Geschichte der Arbeiterorganisation in Südniedersachsen zu werfen. Dass wir dabei schamlos abgeschrieben haben, wird jeder merken, der die umfangreiche Chronik "Allein bist Du nichts…" von Gerd-Uwe Boguslawski, Joachim Bons und Wolfgang Schäfer gelesen hat. Wer sie nicht gelesen hat, dem sei sie hier empfohlen.

Die IG Metall kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. In Göttingen wurde schon 1892 eine Verwaltungsstelle des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV) gegründet, der Vorläuferorganisation der IG Metall. Damals waren es 33 Mitglieder, deren Zahl sich aber bereits ein Jahr später verdoppelt hatte. Allerdings nur kurzfristig, denn zur Jahrhundertwende waren es nur noch 25 Mitglieder. In den folgenden Jahren ging es dann stetig bergauf und mit der zunehmenden Industrialisierung waren 1912 schon 300 Mitglieder organisiert. Die folgenden Jahre standen im Zeichen eines bevorstehenden Krieges und es gab auch in Göttingen im Jahr 1914 Kundgebungen gegen Krieg und Kriegshetze. Nachdem die Sozialdemokraten im August 1914 im Reichstag den Kriegskrediten zustimmten, war aber Schluss mit der Kriegsgegnerschaft. In den Kriegsjahren 1914 bis 1918 gab es den sogenannten 'Burgfrieden', d.h. die Gewerkschaften verzichteten auf Arbeitskämpfe. Die Nachkriegsjahre gehören sicherlich zu den aufregendsten Phasen in der 115jährigen Geschichte der organisierten Arbeiterschaft. Die Novemberrevolution 1918 brachte sprunghaft soziale Fortschritte für die ArbeiterInnen: die Monarchie wurde gestürzt, es wurde der Achtstundentag durchgesetzt, Frauen durften wählen und das Dreiklassenwahlrecht in Preußen wurde abgeschafft.

Weimarer Republik

Eine revolutionäre Änderung der Lebensverhältnisse der ArbeiterInnen gelang aber bekanntlich nicht. Die Frauen verdienten weiterhin weniger als die Männer: Bei der Göttinger Firma Mehle z.B. nur halb so viel wie ihre Kollegen. Auch der Achtstundentag musste in der Folge erbittert verteidigt werden und immer wieder mussten Lohnerhöhungen erstreikt und gegen Aussperrungen gekämpft werden. Die von der Weimarer Republik enttäuschten Menschen wandten sich dem Nationalsozialismus zu, besonders in dieser Region. Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 wurde die NSDAP mit 37,4% stärkste Partei, in Göttingen hatte sie sogar 51%, in Northeim über 62%. Einen Tag nachdem die Gewerkschaften des ADGB im Jahr 1933 an der jetzt staatlich verordneten 1.Mai-Feier teilgenommen hatten, wurden die Gewerkschaften von den Nazis zerschlagen.

In Göttingen und Hann. Münden gab es kleine Widerstandsgruppen des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) und der KPD, die mit Flugblättern und geschmuggelten Zeitschriften versuchten, der Nazipropaganda etwas entgegen zu setzen, aber nach einer Säuberungsaktion in den Jahren 1936/37 war der Widerstand weitgehend erlahmt. An die Geschichte der Arbeiterorganisationen konnten erst die neu gegründeten Gewerkschaften nach der militärischen Zerschlagung des Nationalsozialismus anknüpfen. Die IG Metall wurde 1947 gegründet und hatte in Göttingen 1948 bereits 3.500 Mitglieder, in Hann. Münden waren es 1952 671 KollegInnen und in Uslar 621.

Wirtschaftswunderjahre

Einen revolutionären Neuanfang wie nach dem ersten Weltkrieg erlebten die Arbeiter aber nicht. Unter den Bedingungen des Kalten Krieges und angesichts des wirtschaftlichen Erfolges der alliierten Aufbaustrategie für die BRD gerieten Gewerkschaftsforderungen wie die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien schnell in Vergessenheit. Die Gewerkschaften arrangierten sich mit der kapitalistischen Marktwirtschaft und konzentrierten sich darauf, einen Anteil am Wohlstandskuchen zu fordern. Die IG Metall erreichte 1956 die Verkürzung der Arbeitszeit von 48 auf 45 Stunden pro Woche und in der Folge die Verkürzung auf 40 Stunden pro Woche ab 1967.

Arbeitslosigkeit

Die relativ komfortable Situation der Gewerkschaften änderte sich mit der Rezession 1974/75. Gab es vorher 'Vollbeschäftigung', so waren 1975 schon über 1 Million Menschen in der BRD arbeitslos. 1970 waren 9.100 KollegInnen in der südniedersächsischen Metallwirtschaft beschäftigt – 1984 waren es nur noch 4.900. Die Liste der spektakulären Pleiten ist lang: Linnhoff, Phywe, Isco, Dr. Kern, Spänex, ... Und 1987 hat die Belegschaft der Spänex sogar in einer spektakulären Aktion ihren Betrieb besetzt, um für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen.

Der letzte große tarifpolitische Erfolg der IG Metall war die Durchsetzung der 35h-Woche, die 1995 – erst 14 Jahre nach dem ersten harten Streik für diese Forderung – in der Metallindustrie allgemein in Kraft trat. Angesichts der anhaltenden Arbeitslosigkeit ist die allgemeine Durchsetzung der 35h-Woche bisher Illusion geblieben. Die letzten zwei Jahrzehnte waren in der gewerkschaftlichen Arbeit von ständigen Abwehrkämpfen gekennzeichnet. Über 15 Jahre sind die Reallöhne der KollegInnen stetig gesunken und die Unterstützung für Arbeitslose wurde drastisch gekürzt.

Inzwischen ist der Kampf gegen die schamlose Ausbeutung von LeiharbeiterInnen zu einer wichtigen Aufgabe für die IG Metall und die anderen Gewerkschaften geworden, um die Durchsetzungsfähigkeit der fest angestellten KollegInnen zu erhalten und die Bedingungen für die KollegInnen in den Leiharbeitsfirmen zu verbessern.

Mitgliederschwund

Angesichts schwindender Mitgliederzahlen bedingt durch eine weitere Schrumpfung der Metallindustrie gab es in den 90er Jahren einen ständigen Konzentrationsprozess, in dessen Verlauf viele kleinere Gewerkschaften verschwunden sind. Übrig geblieben sind die 'Schwergewichte' wie IG Metall und ver.di. Gewerkschaften wie 'Holz und Kunststoff' sowie 'Textil' sind in der IG Metall aufgegangen. Aber auch die jetzt größeren Gewerkschaften sind nicht in der Lage, den finanziellen Aufwand für die Verwaltungsstellen auf Dauer zu tragen. Seit über zwei Jahren wurde daher die regionale Neustrukturierung der IG Metall diskutiert. Als Ergebnis wurde am 12. April in Northeim die neue Verwaltungsstelle Südniedersachsen-Harz gegründet. Sie umfasst das Gebiet der Landkreise Göttingen, Northeim, Osterode und Goslar. Die ehemaligen Verwaltungsstellen Goslar/Osterode, Göttingen und Teile der Verwaltungsstelle Alfeld (Bereich Einbeck/Dassel) wurden dafür zusammengelegt. Das neue Verwaltungsgebilde ist für ca. 21.500 Mitglieder in 170 Betrieben mit Betriebsrat zuständig. Das Büro wird in der geographischen Mitte der neuen Verwaltungsstelle in Northeim eingerichtet – in den anderen Kreisstädten gibt es nur noch Regionalbüros mit begrenzten Sprechzeiten.

Neue Konzepte fehlen

Nun ist das Konzept 'Konzentration' nicht gerade in der Tradition der eigenständigen Organisation der Arbeiterbewegung entstanden. Wir kennen es eher aus dem Sprachgebrauch von Unternehmensberatern. Misstrauen bleibt also angebracht, ob die Effizienzsteigerung der Verwaltungsarbeit den gewünschten Effekt für die Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen hat. Erklärtes Ziel der Fusion ist es, die 9 politischen SekretärInnen und 5 Verwaltungskräfte jetzt so einzusetzen, dass mehr Zeit für die Betriebsbetreuung bleibt. Der 2. Vorsitzende der IG Metall Detlef Wetzel hat in seinem Referat auf der Gründungsversammlung die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für die erfolgreiche Stärkung der Organisation benannt: die Einbeziehung von LeiharbeiterInnen und befristet Beschäftigten. Diese KollegInnen sind aber nicht unbedingt in den Betrieben anzusprechen. Auch die zielgruppengerechte Ansprache von KollegInnen, wie z.B. die Jugendarbeit, die Angestelltenarbeit oder die Frauenarbeit ist nicht 'zentral' zu leisten. Kaum vorstellbar, dass ein Auszubildender aus Goslar abends noch mal eben zu einem Treffen der IG-Metall-Jugend nach Göttingen oder Northeim fährt. Die direkte Ansprache der Mitglieder ist in einem so großflächigen Gebilde nur lokal möglich.

Dieses Dilemma wird auch nicht durch ein gelegentliches lokales Ortsverbandstreffen gelöst. Hier müssen sich die MetallerInnen andere Konzepte ausdenken, um für neue und alte Mitglieder weiter ein Zentrum der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu bleiben. Dafür muss die IG Metall sich auch gesellschaftlichen Gruppen außerhalb der eigenen Reihen öffnen, z.B. den Arbeitsloseninitiativen, örtlichen Initiativen wie attac oder dem Flüchtlingsbüro. Die erfolgreichen Konzepte von Arbeiterorganisierung (Organizing) haben gerade dann funktioniert, wenn es gelungen ist, Koalitionen mit außergewerkschaftlichen Initiativen zu schmieden. In diesem Sinne ist der Umzug in die politsche Provinz Northeim auch problematisch. Es ist die Sache der Mitglieder, die Nachteile der Zentralisierung der Verwaltungsstrukturen durch lokales Engagement aufzufangen. Und es muss Aufgabe der FunktionärInnen sein, beim Aufbau solcher Strukturen zu helfen und mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. An der Bereitschaft der MetallerInnen dazu hängt letztlich Erfolg oder Misserfolg der Verwaltungsstellenfusion.

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