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Dorothea Schlözer 

(Text von einer ehemaligen Seite der Geschichtswerkstatt in goest:)

Dorothea Schlözer ist eine 1770 geborene Göttingerin. Sie gehört zu den wenigen Frauen, die mit Namen in die Geschichte eingegangen sind. Der Grund liegt darin, dass sie 1787 als erste Frau Deutschlands einen Doktortitel in Philosophie erwarb. 
Bemerkenswert an dieser Titelverleihung sind vorrangig zwei Punkte. Zum einen studierte Dorothea im sogenannten Zeitalter der Aufklärung. In dieser Zeit vertraten namhafte Gelehrte die Ansicht, dass Frauen zu wissenschaftlichem Denken nicht fähig seien. Ein Beispiel ist der in Paris lebende Jean Jacques Rousseau. Zum anderen wurden Frauen offiziell in Preußen, zu dem Göttingen seit 1866 gehörte, erst 1908 zum Universitätsstudium zugelassen. 
Initiator und Wegbereiter ihres Studiums war Dorothea Schlözers Vater. Er war als Professor so angesehen, dass seiner Tochter als einer der ersten Frauen das Studieren ausnahmsweise erlaubt wurde. August Ludwig Schlözer war ein bekannter Historiker und Theoretiker in Fragen der Bildung und Erziehung. Dieser an der Universität Göttingen lehrende Professor hatte andere pädagogische Vorstellungen und Ideale als der Pädagoge Basedow. Der fachliche Streit nahm solche Ausmaße an, dass beide sich für die Form des Erziehungsexperimentes entschieden, um ihre Thesen beweisen zu können. Ihre Erstgeborenen, die in dieser Zeit auf die Welt kamen, sollten als Beweis für ihre Erziehungstheorien dienen.

Beide Säuglinge waren Mädchen. Uns ist nichts darüber bekannt, ob die Gelehrten an ihnen auch beweisen wollten, dass Frauen wissenschaftlich denken können. Die Wahl dieser Erstgeborenen zeigt aber zumindest, dass das Geschlecht für die Väter kein Hinderungsgrund war. Basedows Tochter Emilie war, genauso wie Dorothea Schlözer, eine äußerst erfolgreiche Schülerin.Dorothea Schlözer bekam beste Privatlehrer, und ein strenger Lehrplan machte es möglich, dass sie bereits mit vier Jahren lesen konnte. Ihr ehrgeiziger Vater schrieb akribisch jeden kleinsten Entwicklungsschritt auf. Neben den traditionell wissenschaftlichen Fächern wie Mathematik, Geschichte etc. lernte die Schülerin neun Sprachen: Französisch, Englisch, Holländisch, Schwedisch, Italienisch, Latein, Spanisch, Hebräisch und Griechisch. Zudem mußte sie die als typisch weiblich geltenden Bereiche wie Zeichnen, Klavier spielen, Gesang, Nähen, Stricken und Kochen lernen. Damals bestand die Angst, dass Frauen die zu gebildet seien, "unweiblich" würden. Eine Grundüberzeugung Schlözers war, dass nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch gelernt werden sollte. So studierte Dorothea Schlözer Bergwerkskunde, indem sie neben der Theorie auch Bergwerke im Harz besichtigte. Eine halbjährige Bildungsreise 1781/82 mit ihrem Vater nach Italien sollte ihr u.a. die römische Kunst näherbringen. Diese Reise erregte im übrigen in den bürgerlichen Kreisen Göttingens großes Aufsehen. Allein die Erziehung wurde argwöhnisch beobachtet, aber die weite, für die Zeit gefährliche Reise sorgte für weiteren Gesprächsstoff.

Zum 50jährigen Bestehen der Universität 1787 wurde Dorothea Schlözer die Doktorinprüfung abgenommen. Die Urkunde nahm ihr Vater für sie entgegen, da sie als Frau der feierlichen Ernennung nicht beiwohnen durfte. Die Feier, die in der ehemaligen Universitätsbibliothek in der Prinzenstraße stattfand, verfolgte sie durch die zerbrochene Scheibe eines Fensters.Eine wissenschaftliche Karriere war weder beabsichtigt noch möglich. Dorothea Schlözer sah ihre Zukunft der Zeit gemäß in der Position einer verheirateten Frau. Ihr Jugendtraum war, einen Kaufmann zu heiraten, dem sie die Korrespondenz führen wollte. So sah ihr Kompromiß aus, als Frau nicht zu stark aus der Rolle zu fallen und trotzdem einen Teil ihres Wisssens nutzen zu können. Ihr Vater hatte gehofft, ihr mit dieser Erziehung eine sogenannte gute Partie zu ermöglichen. Das gelang, denn 1792 heiratete sie den reichen und angesehenen Kaufmann und Bürgermeister Matthäus Rhodde aus Lübeck. Seine Korrespondenz aber führte sie nicht. Stattdessen erzog sie seine drei Kinder aus erster Ehe und bekam noch drei weitere dazu.
Zunächst bot diese Ehe viele Vorteile für Dorothea Schlözer. Viele Berühmtheiten und Gelehrte der Zeit besuchten das Haus Rhodde. Geistreiche Gespräche, für sie von Bedeutung, konnte sie allerdings weniger mit ihrem Mann, dafür aber mit einen Freund des Hauses, Charles de Villers, führen. Es entstand eine Liebesbeziehung und als ihr Ehemann 1810 Konkurs anmeldete, zog Dorothea Schlözer mit Charles de Villers und ihren drei jüngeren Kindern zurück nach Göttingen. Für den Lebensunterhalt sorgte sie nun mit Übersetzungsarbeiten. Charles de Villers, der an der Universität Göttingen tätig war, trug das seinige dazu bei. Ein Jahr später zog der kranke Matthäus Rhodde zu ihnen in die heutige Lange Geismarstraße 49.

1809 starb Dorothea Schlözers Vater. Interessanterweise schenkte Dorothea Schlözer ihrem Neffen am darauffolgenden Weihnachtsfest das "Basedowsche Elementarwerk" - sie, die von ihrem Vater seit ihrem fünften Lebensjahr als "Antibasedow" bezeichnet wurde und eine Erziehung genossen hatte, die das Elementarwerk widerlegen sollte.In dieser Zeit starben auch zwei ihrer Kinder und Charles de Villers. Mit dem dritten kranken Kind trat sie eine Erholungsreise in den Süden an. Das Kind genas, Dorothea Schlözer starb auf der Heimreise 1825 in Avignon an einer Lungenentzündung.