Informationsdienst Computer&Medien

Archiv   Nr.1 / 1991

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KRIEG IM TELEMATISCHEN ZEITALTER *
PROJEKT "ZEITUNGSTREFFEN" *
BAG COMPUTER & MEDIEN: PLANUNGSSICHERHEIT BIS MITTE 91 *
WIEN: SEMINAR DER "ARGE DATEN" *
MEDIENWERKSTATT "LOKALER RUNDFUNK" *
OST-WEST-RADIOTREFFEN (FERL) *
FACHTAGUNG "BIO-INFORMATIONSTECHNOLOGIE" *
"BÜRGERBÜRO": MULTIFUNKTIONALES COMPUTERZENTRUM AUF DEM LAND *
FIFF-INFORMATIKERiNNEN FORDERN: STOPPT DEN KRIEG SOFORT! *
WÄHREND DER AUTOFAHRT IM NETZ DES DATENFUNKS *
BERLIN: FLUGBLÄTTER GEGEN ZAHLUNG DER RUNDFUNKGEBÜHREN *
LANDESRUNDFUNKAUSSCHUSS: "KURZE LEINE, MAULKÖRBE UND KUNGELEIEN" *
GOLFKRIEG UND ZENSUR *
FERNMELDESATELLITEN IN DER KRISE? *
"LIVE" STATT INFORMATION *
EIGENE INFORMATIONSSTRUKTUREN AUFBAUEN! *
MAILBOXEN (NOCH) OHNE ZENSUR *
TÜRKISCHES HÖRFUNKPROGRAMM "BIZ BIZE" REDUZIERT *
LEIPZIG: ZENTRUM DER IuK-TECHNIK *
KARTENTELEFONE: CHIPKARTE NUR EIN ZWISCHENSCHRITT *
ZIVILE DATEN FÜR DEN BÜNDNISFALL *
DOKUMENTATION: "KOMMUNALE RECHENZENTREN" *
HIGH-TECH-REPRESSION AN DER "HEIMATFRONT" *
"DIE TECHNIK-BEJAHENDEN POTENZEN IN UNS ZULASSEN" ODER DIE TECHNIKBEGRENZUNG POLITISCH DURCHSETZEN ? *
VAN DEN BRULE: PRÄZENDENZFALL FÜR FREIE RADIOS ? *
TROTZ TELEFON-GEBÜHREN: DIE POST MACHT PLEITE *
AKTION: TELEFONIEREN HALBIEREN ! *
"MEDIENDEMOKRATIE" STATT "BASISDEMOKRATIE"? *

 

KRIEG IM TELEMATISCHEN ZEITALTER

Die militärische Bedeutung von Computern, Datennetzen und neuen Medien wird am Golf drastisch vor Augen geführt. Daß der Golfkrieg auf seiten der USA ein computerisierter high-tech-Krieg ist, gehört zu den Gemeinplätzen der öffentlichen Diskussion. Weniger beachtet bleibt, daß auch "zivile" Systeme Bestandteile der Kriegsmaschinerie sind. Beispiel 1: Am 19.1. waren die deutschen Soldaten in der Türkei telefonisch nicht mehr zu erreichen, weil "die Fernmeldesatelliten durch Kampfhandlungen überlastet waren". Ein typischer Fall von "dual use". Beispiel 2: Wer es zuläßt, daß das scheinbar zivile ISDN von Siemens an den IRAK geliefert wird, braucht sich nicht darüber über die Technik der irakischen Kommandostrukturen zu wundern.

Fernmeldezentralen, Fernseh- und Rundfunksender gehören zu den vorrangigen Zielen des Bombardements. Die allererste Bombe in Bagdad wurde von einem "Tarnkappenflugzeug" auf das dortige Fernmeldezentrum abgeworfen. Die Bombardierung der Tigris-Brücken in Bagdad erfolgte u.a. deshalb, weil unter den Brücken Glasfaserkabel verlegt waren.

Das Medium Fernsehen wird auf dem neuesten Stand der Aufzeichnungs- und Übertragungstechnik zum weltumspannenden Kriegsfaktor. Keine militärische Aktion ohne die passenden Abendnachrichten im Fernsehen: der erste Bombenangriff wurde zu einer Zeit geflogen, als an der US-amerikanischen Ostküste gerade Hauptnachrichtenzeit war. PolitikerInnen müssen anderes reagieren als früher, weil die Bilder per Direktübertragung um die Welt gehen.

Die Selbstbeschränkung und Selbstzensur der Medien funktioniert nicht mehr wie früher. Und zwar nicht wegen eines neu entdeckten Berufsethos, sondern wegen der Konkurrenz um Einschaltquoten. Nicht die Wahrheit ist zum hauptsächlichen Ziel geworden, sondern sensationelle Bilder, die den kriegsführenden Regierungen nicht immer ins Konzept passen, so daß zur direkten Zensur gegriffen werden muß, zu einer Zeit, wo Begriffe wie "Informationsgesellschaft" und "Mediendemokratie" häufig benutzt werden, um unser neues Zeitalter zu kennzeichnen.

Der Wahnwitz der Live-Sendung ist das Bewußtsein von der Gleichzeitigkeit und dem Schrecken am anderen Ende der Leitung bei einer absoluten Sterilität auf der Vorführungsseite. Nur manchmal wird der schöne Schein durchbrochen, wenn dem Reporter vor der Kamera der Schrecken ins Gesicht geschrieben steht, wenn er sich wegen der Ausnahmesituation saloppere Formulierungen gestattet oder ihm schlichtweg Hände und Kinnlade vor Angst zittern.

Wie wäre es gewesen, wenn der CNN-Reporter vom Dach des Fernmeldezentrums aus statt vom Rashid-Hotel aus berichtet hätte "ah ja, jetzt kommt eine Bombe genau auf mich zu, sie wird wohl gleich hier explod....". Und später dann hätte man auf dem Videofilm des US-Militärs dieselbe Szene aus der Perspektive der Waffe sehen können, wie sich die Bombe von oben dem CNN-Reporter nähert, der im Fadenkreuz steht mit dem Mikro in der Hand, immer deutlicher werdend, bis schließlich noch ganz kurz sein Gesicht mit weit aufgrissenen Augen zu sehen war... Krach, aus. Etliche ZuschauerInnen würden wohl instinktiv erwarten, er stünde in der nächsten Sendung wieder vor der Kamera, weil es ja nur ein Tod auf dem Bildschirm war. Dieses schwer begreifbare Verhältnis von medialem Schein und realem Tod faßbarer zu machen trug ein Videokünstler bei: Er hatte eine Videokamera verbrannt und das Sterben der Bilder mit einem externen Aufzeichnungsgerät festgehalten. Der Tod des Mediums soll wieder den Schrecken über den Tod in Erinnerung rufen: stell Dir vor es ist Krieg und der Fernseher ist kaputt.

Schließlich ist nicht mehr klar, in welchem Verhältnis die Fernsehbilder zur abgebildeten Realität stehen. Da zeigte das Fernsehen noch vor Kriegsbeginn, wie der Tarnkappenbomber über Wüstendünen hinweggleitet und es ist doch nur ein blue-box-Trickfilm: militärischer "Milli-vanilli"-Betrug. Wenn es erforderlich ist, lassen sich gewünschte Kriegsbilder als Computeranimation in Photoqualität produzieren. Aber es geht auch andersherum: in amerikanischen Kriegs-Filmen werden, so hat es den Anschein, auch Originalaufnahmen von Flugzeugabschüssen aus den vergangenen Weltkriegen übernommen. So wird man als Zuschauer/in eines Kriegsfilms gleichzeitig Zeuge/in eines realen historischen Flugzeug-Abschusses, der mit dem Tod eines Menschen endet - eingebaut in eine Spielfilmhandlung. Andererseits kann man auch nicht sicher sein, daß die auf Pressekonferenzen gezeigten Videoaufnahmen von "Präzisionsangriffen" wirklich aus den Zielkameras der Waffensysteme während des Golfkrieges stammen, sie können genausogut eine Simulation sein. Ergebnis dieser Verwirrung ist die Unfähigkeit zwischen erster Wirklichkeit und Medienrealität, Abbildung materieller Vorgänge und Fiktion zu unterscheiden.

 

PROJEKT "ZEITUNGSTREFFEN"

Für den 16.3.91 wurden Redaktions-VertreterInnen verschiedener nichtkommerzieller Zeitungen aus dem Bereich Medien, Telekommunikation, Datenschutz und Computer zu einem Treffen eingeladen. Es ist geplant, Informationen über die finanziellen, inhaltlichen und technischen Probleme auszutauschen, sowie über Möglichkeiten der gegenseitigen Hilfe und evtl. Kooperation zu sprechen.

Die Initiative hierzu ging vom Informationsdienst Computer & Medien aus, inzwischen wird das Projekt vom IKÖ (Dortmund) und vom ID-Zentrum für alternative Medien (Frankfurt) unterstützt. Eingeladen sind: Stille Post (TelekommunikAktion Heidelberg), IKÖ-Rundbrief, FIFF-Kommunikation, Radio von Unten, Datenschleuder, Wechselwirkung, Bayr. Hackerpost, DANA/Datenschutznachrichten und der Infodienst COMPUTER & MEDIEN als Organisator des Treffens.

Das Treffen findet am Samstag den 16.3.91 von 14.30 bis 19.00 Uhr parallel zur Sitzung der BAG Computer & Medien in Haus Wittgenstein statt - Teilnahme weiterer InteressentInnen nur nach vorheriger Anmeldung bei der Infodienst-Redaktion möglich.

(Foto Nr. 6, Textunterschrift:)

Einer der wunderbaren großen alten Bäume im Garten des Hauses Wittgenstein, dem bisherigen Tagungsort der Bundesarbeitsgemeinschaft

 

BAG COMPUTER & MEDIEN: PLANUNGSSICHERHEIT BIS MITTE 91

Gerade waren Ende November das Arbeitsprogramm und die Termine für 1991 beschlossen worden, da führte das Wahldebakel der GRÜNEN in eine Finanzkrise und Strukturdebatte, die auch an der BAG Computer & Medien nicht spurlos vorübergehen werden. Einige propagierten nach der Wahl sogar die völlige Abschaffung der BAGn, werden damit aber sehr wahrscheinlich keinen Erfolg haben. Es liegt auch viel näher, gerade nach dem Wegfall der Bundestagsfraktion nun die BAGn eher zu stärken, weil dort die fachbezogene Arbeit weiter gemacht werden muß. Z.B. die Anfragen, die früher an die BT-Fraktion gingen, landen nun verstärkt bei den BAGn.

Von Axel Vogel (Bundeschatzmeister) wurde der Vorschlag gemacht, die Anzahl der BAGn von 27 auf 10 zu reduzieren und deren Haushalt herunterzufahren. Die Finanzmittel für Aktionen sind in einem vorläufigen Haushalt vom Bundesfinanzrat auf ein Drittel drastisch heruntergestuft worden.

Ein gemeinsames Gespräch zwischen BAG-SprecherInnen und Buvo-Mitgliedern hat eine Annäherung dahingehend ergeben, daß der Beschluß über die Zukunft der BAGn allein von der Bundesversammlung am 26.-28. April in Neumünster Schleswig-Holstein getroffen werden soll. Bis dahin können die BAGn noch zwei Sitzungen durchführen. Die BAG Computer und Medien hat für diese Zeit folgende Termine geplant: a) 15.3.-17.3.91 Haus Wittgenstein und 7.6.-9.6.91 (evtl. Leipzig).

(Hier Foto Nr. 1 - Haus Wittgenstein - einfügen mit folgendem Text, der einen Punkt kleiner als der übrige Text sein sollte, unter dem Foto :)

Haus Wittgenstein die bisherige Tagungsstätte der Bundesarbeitsgemeinschaften. Die Villa in Bornheim-Roisdorf bei Bonn wird aller Voraussicht nach in Zukunft mit der Bundesgeschäftsstelle der GRÜNEN belegt, dann müssen sich die BAGn nach einem anderen Treffpunkt umsehen.

 

WIEN: SEMINAR DER "ARGE DATEN"

Unter dem Titel "Datenschutz in Österreich - Gestaltungsmöglichkeiten, Konzepte, Kompetenzen" führt die ARGE DATEN am 23. April 1991 in Wien eine Veranstaltung durch. Der Termin ist so gewählt, daß sich damit ein Besuch der IFABO (23.4.-27.4.) in Wien verbinden läßt. Schwerpunkt des Seminars ist die Datenschutzpraxis bei privaten und öffentlichen Datenverarbeitern.

Kontakt: ARGE DATEN, Liechtensteinstr. 94, A-1090 Wien, 0222/318973

 

MEDIENWERKSTATT "LOKALER RUNDFUNK"

Am 9.4. und 12.-14.4.91 wird von LORA München zusammen mit der VHS München/Arbeit und Leben die Medienwerkstatt "lokaler Rundfunk" durchgeführt. In zwei Abendterminen und einem Wochenende gestalten die TeilnehmerInnen selbst die Produktion von Höbeiträgen. (Keine Gebühr)

Kontakt: Verein zur Förderung von HörerInnenbeteiligung und Meinungsvielfalt in Lokalen Radioprogrammen, e.V. (LORA), Schwanthaler Str. 76, Rückgeb., 8000 München 2

 

OST-WEST-RADIOTREFFEN (FERL)

17.-20.5.91 in Wien und Kärnten, Treffen von Radioinitiativen aus Ost und West. Informationen/Anmeldung: Verein Agora, Helmut Peissl, Lobnik 16, 9135 Eisenkappel/Zelezna Kapla, Tel. 04238/558)

 

FACHTAGUNG "BIO-INFORMATIONSTECHNOLOGIE"

Für den 7./8. Oktober 1991 ist an der Uni Dortmund in Kooperation mit dem IKÖ eine Fachtagung zur Bio-Informationstechnologie geplant. Informations- und Gentechnologie verschmelzen zu Rersultaten wie "Genomanalyse", "Neuronale Netze", "Biocomputer" - um dieses Thema aufzudröseln werden WissenschaftlerInnen und JournalistInnen zu der Fachtagung eingeladen.

Kontakt: Prof. Dr. Claus Eurich, Institut für Journalistik, Emil Figge-Str. 50, 4600 Dortmund 50, Tel.: 0231/755-2998, 755-2827 , Ingrid Hütchker, Ute Bertrand

 

"BÜRGERBÜRO": MULTIFUNKTIONALES COMPUTERZENTRUM AUF DEM LAND

Nach Telehütten, Telehäusern, Telestuben und Bürgerämtern kommt nun unter dem Begriff "Bürgerbüro" noch ein weiteres Konzept auf den Markt, das alles miteinander vermischen will. Herr Christian Schwarz-Schilling hatte 1986 bei einer Eröffnungsrede zur CeBit in Hannover angeregt, sich mal Gedanken über sogenannte "Televerwaltungsstellen" zu machen. Diese Televerwaltungsstellen, später "Bürgerbüros" genannt, sollen mit allen möglichen Telekommunikationsgeräten versehen sein und als multifunktionale Dienstleistungsstellen zunächst in ländlichen Bereichen mit dünnem Dienstleistungsangebot eingerichtet werden.

Im Bürgerbüro des Dorfes xy sollen dann so unterschiedliche Verwaltungen wie Krankenkassen, Lotto-/Tottoannahmestellen, Arbeitsämter, Sparkassen, Fernuniversität, Versandhandel, Bundesbahn, Fleurop, Textilreinigung, Versicherungen und kommunale Ämter repräsentiert werden. Die technische Ausstattung des Bürgerbüros muß laut WIBERA-Konzept daran orientiert sein, daß von ein und demselben Terminal mit den unterschiedlichsten Stellen Datenaustausch betrieben werden kann. "Das Leistungsschwergewicht der eingesetzten Systeme muß in der Datenfernübertragung liegen, in der Präsenz entsprechender Prozeduren und in der Möglichkeit, ein geschicktes Programmmanagement unter Einbeziehung von Standardsoftware zu entwickeln." (Wibera-Text). D.h., daß die Arbeitskräfte im BürgerInnenbüro von ihren Terminals aus per DFÜ mit den zentralen Computern dieser Dienstleistungsverwaltungen verbunden sind und sowohl eine Fleuropbestellung aufnehmen, dann eine Krankmeldung für die Krankenkasse eingeben, Unfallmeldungen für die Versicherung entgegennehmen, Lotto- und Tottoscheine annehmen, Einwohnermeldeamtsfragen/Sozialamtsfragen/Jugendamtsfragen usw. bearbeiten oder als dezentrale Stelle für Sparkassen tätig werden. Das Vorhaben, auch Bundesbahnfahrkarten mit Reservierungen im Bürgerbüro zu verkaufen, kommt den im Oktober 1990 bekannt gewordenen Plänen der Bundesbahn sehr entgegen, denenzufolge rund 4000 zusätzliche Kartenverkaufsstellen außerhalb von Bahnhöfen eingerichtet werden sollen. Die Bahn hat schon bei den Sparkassen angefragt, ob über deren Schalter auch Fahrkarten verkauft werden könnten.

"Ein technisches Arbeitsziel (des Bürgerbüro-Konzeptes) liegt in der Entwicklung geeigneter Software für ein gebündeltes Dienstleistungsangebot. Hierbei wird das Schwergewicht auf einer Verknüpfungsleistung liegen, die Daten aus unterschiedlichen Systemen der Beteiligten in einem serviceorientierten Paket verfügbar macht. Wesentlicher Bestandteil ist hierbei das öffentliche Telekommunikationsnetz." (Wibera-Text)

Da laufen der Datenschützerin die Augen über! Alle Daten und Informationen über Karl und Luise um die Ecke wären dann im BürgerInnenbüro bekannt. In einem Konzeptpapier der WIBERA AG zum Bürgerbüro wird denn auch Konfliktstoff gesehen: "Die Beschäftigten in Bürgerbüros werden mit einer Vielzahl von persönlichen Daten ihrer Kunden in Berührung kommen, und zwar aus verschiedensten, möglicherweise zugleich öffentlichen und privaten Bereichen. Das findet zudem in einem dörflichen oder stark ortsbezogenen Umfeld statt, das auch persönliche Kenntnisse über den Kunden nicht ausschließt. Mindestanfordeungen bei der Arbeitsplatzgestaltung im Bürgerbüro ist aus Datenschutzsicht eine saubere organisatorische Trennung solcher Bereiche, die miteinander nicht verträglich sind. Mit dem niedersächsischen Datenschutzbeauftragten sind hierzu bereits Details erörtert worden. Die Pilotstudie wird weiteren Aufschluß geben." (Wibera)

Dem Prinzip der gegenseitigen Abschottung verschiedenster Datenbestände wird hier aufs gröbste entgegengearbeitet. Vielmehr wird es im BürgerInnenbüro möglich, ein umfassendes Datenbild über die einzelnen BürgerInnen zu gewinnen. Ein ähnliches Problem gibt es ja schon beim "Bürgeramt" in Unna (das fatalerweise von der ÖTV hochgejubelt wird), wo die Funktionen verschiedener Ämter in der Hand einer Sachbearbeiterin zusammengefasst werden; beim BürgerInnenbüro sollen nun aber auch noch die privaten Dienstleistungsstellen mitintegriert werden - das schlägt dem Faß denn doch den Boden aus! Um mal die Folgen an einem harmlosen Beispiel zu illustrieren: die Bürgerbüro-Angestellte fragt Bauer Kruse, ob es unbedingt so ein teurer Fleurop-Strauß sein muß, wo er doch gerade vor 5 Minuten sein Konto bei der Sparkasse noch weiter überzogen habe, und beim Lotto würde er ja auch nie etwas gewinnen. Schlimmere Beispiele lassen sich aufgrund der Integration von Arbeitsamt-, Sparkassen- und Sozialamtsterminal im BürgerInnenbüro ausmalen. Wenn aber unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten alles getrennt werden soll, was auseinandergehört, dann müßten so viele Arbeitskräfte im BürgerInnenbüro arbeiten, daß die ganze Sache aufgrund der Lohnkosten wieder unrentabel würde.

Im Grunde geht es um die öffentliche Finanzierung mehrerer Pilotprojekte, mit denen herausgefunden werden soll, ob sich überhaupt so etwas durchsetzen läßt. Die öffentliche Hand soll das Risiko tragen, herauszufinden, ob sich z.B. genügend Aufgaben finden lassen, die erfolgreich in Bürgerbüros umgesetzt werden können. Wenn dann die Entwicklungsarbeit getan ist, können die privaten Dienstleistungsfirmen sich in das technisch und rechtlich gemachte Nest setzen.

Einen festen Platz beim Technikeinsatz im BürgerInnenbüro scheint übrigens auch BTX zu haben. Mit der Benutzung eines BTX-Selbstbedienungsterminals unter sachkundiger Anleitung und Aufsicht im BürgerInnenbüro entstünde quasi eine BTX-Anlernstelle. Nächster Schritt könnte dann die Propagierung einer Verlagerung von Verwaltungsarbeiten an die BTX-Terminals in die Privatwohnungen sein.

Bisher wird an drei niedersächsischen Standorten eine Umsetzung versucht, Überlegungen hierzu gibt es aber auch in Hamburg und Berlin.

Material: Die Zitate entstammen Texten der WIBERA Wirtschaftsberatung AG und zwar a) Das Bürgerbüro, Vorhabenbeschreibung 11/89 b) Michael Schäffer, Das Bürgerbüro, Fragen und Antworten zu einem Projekt der WIBERA, durchgeführt im Auftrag des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes Hannover, Wibera-Sonderdruck Januar 1990. # Vgl. Deutsche Verwaltungspraxis, Heft 11/88 # dng (Die Niedersächsische Gemeinde), Heft 2/89

Kontakte: WIBERA AG, Achenbachstr. 43, 4000 Düsseldorf 1, Tel.: 0211/6705-1 # Niedersächsischer Städte- und Gemeindetag, Hannover # Der Niedersächsische Minister des Inneren, Lavesallee 6, Hannover 1, Tel: 0511/120-1 # Rolf Gössner, Mitarbeiter bei DIE GRÜNEN im Niedersächsischen Landtag, Hinrich-Wilhelm-Kopfplatz 1, 3000 Hannover 1, Tel. 0511/3030-436 #

 

FIFF-INFORMATIKERiNNEN FORDERN: STOPPT DEN KRIEG SOFORT!

"Krieg ist Vernichtung von Menschen und Völkern, Natur und Kultur. Für Krieg gibt es keine Rechtfertigung! Von den Opfern des Golfkrieges soll uns ein militärisch zensiertes Medienspektakel ablenken. High-tech-Waffeneinsätze werden uns in Videobildern als 'chirurgische Eingriffe' vorgeführt. Kriegsberichtserstattung verkommt zu einer Werbeshow für die Rüstungsindustrie. Technikfaszination verstellt den Blick auf das Leid. Computer-Chips werden zu Kriegshelden ernannt, die 'mächtiger sein können als der Stahl und das Dynamit der Kanonen'(FAZ, 23.1.91). Selbst die mögliche Eskalation durch den Einsatz chemischer, biologischer und nuklearer Waffen wird in Kauf genommen.

Die Führung der alliierten Streitkräfte war von einem schnellen überwältigenden Sieg über den Irak überzeugt. Dazu haben Computersimulationen und der Glaube an die Überlegenheit elektronischer Waffensysteme entscheidend beigetragen. Inzwischen werden wir auf einen länger dauerenden Krieg eingestimmt.

Der Irrglaube an die Überzeugung und Unfehlbarkeit computerisierter High-Tech-Waffen hat den Krieg als 'Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln' wieder ermöglicht. Verantwortung dafür tragen aber nicht nur Politik, Militär und die Rüstungsindusttrie, sondern auch WissenschaftlerInnen, TechnikerInnen und IngenieurInnen.

Die Friedensbewegung hat auf diese Zusammenhänge schon lange hingewiesen. Nur wer sich mit dem Golfkrieg identifiziert, kann Demonstrationen als anti-amerikanisch oder anti-israelisch diffamieren. Der Kreig löst keines der probleme am Golf, sondern schafft neue. Wir fordern eine politische Lösung der Konflikte in der Golfregion. Sofortiger Waffenstillstand und ersnthafte Verhandlungen. Nicht nur Verhinderung 'illegaler' Waffenexporte, sondern jeder Rüstungsproduktion und -forschung.

Wir fordern unsere KollegInnen auf: Verweigert jeden Handlangerdienst für den Krieg! (26.1.91)"

Kontakt: FIFF, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V., Reuterstr. 44, 53 Bonn 1

 

WÄHREND DER AUTOFAHRT IM NETZ DES DATENFUNKS

Mit Autodatenfunksystemen läßt sich feststellen, in welcher Stadt, in welchem Land, auf welcher Straße, zu welchem Zeitpunkt ein gesuchtes Auto fährt oder steht, ob die Beleuchtung eingeschaltet ist, wie schnell es fährt und was im Fahrzeug gesprochen wird. Wieder so eine "Paranoia"? Kaum, denn alle technische Komponenten für die Verwirklichung dieser Negativ-Utopie sind schon entwickelt.

Beginnen wir mit dem eher neutral wirkenden Bereich des Güterlastverkehrs auf der Straße: Der Datenfunk erlaubt eine Anbindung mobiler Kleinrechner an ein großes Netz. Das Datensignal kann z.B. vom LKW an den 36000 km über der Erde stehenden Global Positioning System (GPS)-Satelliten geschickt werden und gelangt von da aus an eine Erdempfangsstelle, die das Signal über terrestrische Datennetze an Zentralrechner weiterleitet. Das Funksignal enthält Daten, die dem Zentralrechner in Kombination mit digital gespeicherten Landkarten eine Ortung des Fahrzeugs im 100 Meter-Bereich ermöglichen. Der Befehl, eine bestimmte Fahrtroute zu nehmen oder ein bestimmtes Ziel anzufahren kann in umgekehrter Richtung als Datensignal wieder über Satellit an das Fahrzeug zurückgehen.

Anwendungsbeispiele finden sich zunächst im Bereich der Speditionsunternehmen, die damit ihre LKW-Flotten international steuern können. Zeitweise überlegte wohl auch der ADAC, die Steuerung seiner ca. 1200 Straßenwachtfahrzeuge über ein solches System abzuwickeln. Das GPS kann auch für die genaue Verfolgung des Transports gefährlicher Güter und die überwachung von KfZ im Rahmen des Personenschutzes benutzt werden. Angeblich hat z.B. Reinold Messner ein tragbares GPS-Gerät zur satellitengestützten Navigation während seiner Antarktisdurchquerung benutzt (So ganz ohne Hilfe waren er und sein Kumpel also doch nicht im ewigen Eis). Gegenwärtig ist die Sache noch sehr teuer (7000-18000 DM), angestrebt wird ein Massenproduktionspreis, der dem eines teureren Autoradios entspricht. Das europäische Gemeinschaftsunternehmen LOCSTAR will 1992 mit der Anwendung solcher satellitengestützter Informationssysteme für Nutzfahrzeuge, Schiffe, Züge und Flugzeuge beginnen. Deutsches Mitglied in diesem Verein ist die MAN-Technologie GmbH, die eine bedeutende Rolle als Zulieferer für die Raumfahrtindustrie spielt.

Die massenhafte Anwendung von KfZ-Ortungssystemen wird durch die flächendeckende Installierung eines Mobilfunknetzes (Netz für Autotelefone) wesentlich erleichtert, da hierfür anstelle der teuren Satelliten terrestrische Empfangs-und Sendestationen (Relaisstationen) benutzt werden. Das Gebiet wird beim Mobilfunk in Parzellen aufgeteilt, für die jeweils eine Relaisstation das Datensignal der KfZs auffängt und weitergibt.

Die auf Datenfunk gestützten Ortungs- und Steuerungssysteme haben nicht nur eine wesentliche Funktion bei der verkehrstechnischen Bewältigung von Transportaufgaben im europäischen Binnenmarkt ab 1992, sondern sind von vorneherein als Bestandteil militärischer Logistiksysteme geplant. Durch das Bundesleistungsgesetz (BLG) und damit begründbare Bereitstellungsbescheide können die Logistiksysteme incl. Transportfahrzeugen privater Unternehmen dem Militär unterstellt werden, wenn es um den "Schutz und die Versorgung der Zivilbevölkerung oder die Unterstützung der Streitkräfte sowie die Aufrechterhaltung der Wirtschaft geht."

Für den zivilen Alltagsgebrauch bringt die Ausweitung der Ortungssysteme eine Reihe von Überwachungsmöglichkeiten mit sich, denn beim Gebrauch von Autotelefonen sendet das Mobilfunkgerät ständig Signale über den Aufenthaltsort an die nächstliegende Relaisstation, damit es für Anrufe erreichbar ist. Diese Daten eignen sich natürlich gleichzeitig für eine Erstellung von Bewegungsprofilen überwachter Personen. Um die Akzeptanz für diese Überwachungsaspekt zu erhöhen, wird darauf hingewiesen, daß das Fahrzeug bei Diebstählen schnell geortet und die Diebe gestellt werden könnten.

Mit dem Mobilfunknetz wird auch das bereits anfang 1984 fertig erprobte Autonotfunksystem (ANF) wieder zum Zuge kommen. Bei einem Unfall löst der Aufprall ein Datenfunksignal aus, das von Realisstationen aufgefangen und zur Notrufzentrale von Polizei, ADAC, ACE oder Rotem Kreuz etc. weitergeleitet wird, wobei auch die Ortung des Fahrzeugs möglich ist. Ein kleines Kästchen im Armaturenbrett (bzw. im Autoradio eingebaut wie es AEG-Telefunken anbietet) ermöglicht es auch, daß Fahrerin oder Fahrer per Knopfdruck die Notrufzentrale verständigen und sogar ein Gespräch über Funk führen kann (Fragt sich, ob das nicht zum Abhören durch ein Signal von außen eingeschaltet werden kann). Das für ca. 17 Millionen DM entwickelte System scheiterte ehemals an den Kosten für die Relaisstationen - diese werden aber nun mit dem flächendeckenden Mobilfunknetz bereitgestellt.

Inzwischen wird bereits gefordert, daß ein Bordcomputer in alle Autos eingebaut wird, der in der Lage ist, Geschwindigkeit, Fahrzeugbewegung, Bremsvorgänge, Blinksignale, Beleuchtungsstatus etc. datenmäßig zu dokumentieren. (Richard Spiegel, Präsident des Verkehrsgerichtstages - Präsident der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft ist übrigens Kurt Rebmann). Interessant ist, daß Mannesmann nicht nur das einzige Unternehmen mit einer Privatlizenz für ein Mobilfunknetz ist, sondern Mannesmann-Kienzle 1991 auch einen solchen "Unfalldatenspeicher für PKWs auf den Markt bringen will.

1989 wurde so ein "Cockpit-Spion" bereits bei 500 LKWs für einen Langzeitversuch eingebaut. In Kombination mit Datenfunk können die LKW-FahrerInnen dabei z.B. überwacht werden, ob sie gerade Ruhepausen einlegen oder fahren (Deswegen hat es ÖTV-Proteste gegen das "gläserne Cockpit" gegeben). Zu bedenken ist übrigens auch, daß die Kombination von Ortung und Geschwindigkeitsdaten zur automatischen Feststellung von Geschwindigkeitsüberschreitungen benutzt werden kann.

Am besten wäre es wohl, eine gesellschaftliche Umsetzung der Negativ-Utopie dadurch zu verhinder, daß man aufs Fahrrad umsteigt.

Material/Quellen: Autonotfunk auf dem Prüfstand, in: Verkehrsnachrichten, Bundesministerium für Verkehr, Heft 8/9, 1983; Versuch mit Autonotfunk abgeschlossen - SZ 16.2.84; Flotteneinsatz mit Satellitenortung - Funkschau Nr 21/1989; Himmlische Botschaften - ADAC Motorwelt 4/90; Ein Aufpasser im Führerhaus - SZ 28.11.89; Protest gegen den "gläsernen LKW-Fahrer": Antrag Nr. 157 auf dem 13. ordentlichen Gewerkschaftstag der ÖTV im Mai 1986; Ein "Spion" für jedes Auto - SZ 26,1.90; Verkehrssysteme über Satelliten leiten - SZ 14/15.1.89; DGB Fachtagung Logistik - Dokumentation vom 18./19.4.1986 in Münster; Zukunftskonzept Informationstechnik - Bericht der Bundesregierung (BMFT, BMWi) 22.5.1989

 

BERLIN: FLUGBLÄTTER GEGEN ZAHLUNG DER RUNDFUNKGEBÜHREN

In Berlin wird ein, mit sarkastischem Humor abgefaßtes Schreiben unter dem Emblem des SFB verbreitet. Darin heißt es u.a.: "Ein beträchtlicher Anteil unserer Sendezeiten wird derzeit diesem Krieg gewidmet. Allerdings stehen uns dabei nach wie vor kaum Berichte und Aufnahmen von den tatsächlichen Folgen der Kampfhandlungen zur Verfügung. Vielmehr bestehen die von uns ausgestrahlten Beiträge über diesen Konflikt ausschließlich aus (vor allem von der US-Militäradministration) zensiertem Material. Die Regierung der USA hat sich deshalb entschlossen, unseren Sender bis auf weiteres aus ihrem Verteidigungshaushalt zu finanzieren, damit die Verbreitung ihrer Beiträge auch in Zukunft gesichert bleibt. Deshalb entfallen für Sie bis zum Ende der Kampfhandlungen die Rundfunk- und Fernsehgebühren." Bei der Angabe des Absenders "Sender Freies Berlin" handelt es sich ohne Zweifel um eine Fälschung.

 

LANDESRUNDFUNKAUSSCHUSS: "KURZE LEINE, MAULKÖRBE UND KUNGELEIEN"

"Ich mag keine kurzen Leinen, gefilterte Informationen, Maulkörbe, Seilschaften und personelle Kungeleien." So lautete einer der beiden Sätze auf einem Fax, mit denen Wolfgang Ernst seinen Rücktritt aus dem Landesrundfunkausschuß bekanntgab. Er wollte nicht mehr länger als Vertreter der GRÜNEN Niedersachsen im Landesrundfunkausschuß sitzen. Sein Unmut begann sich bereits angesichts der Geheimverhandlungen zwischen GRÜNEN und SPD um die Regierungsbildung in Niedersachsen zu regen und steigerte sich kontinuierlich je öfter er merkte, daß es darum ging, "nur keine Kritik an der eigenen Regierung zulassen". U.a. wurden kritische Presseerklärungen der LAG Computer & Medien von der Landtagsfraktion an der Veröffentlichung gehindert, weil sie polemisch kritisch gegen Schröder gerichtet waren. Besonders unerträglich war es für Wolfgang mitanzusehen, wie die geforderte Staatsferne des Rundfunks von den GRÜNEN nicht mehr allzu wichtig genommen wurde seit sie selbst an der Regierung beteiligt sind. Bei der zweiten kommerziellen Hörfunkkette Niedersachsens, der "Antenne", wurde in den Kontroll-Beirat ausgerechnet der GRÜNE Michael Jürdens aus der Niedersächsischen Staatskanzlei entsandt. Aber auch für die Neubesetzuung des NDR-Rundfunkrat schlug die Fraktion doch tatsächlich zunächst eine ihrer PressesprecherInnen vor.

Wenn Wolfgang Ernst nach 6 1/2 Jahren guter Arbeit im Landesrundfunkausschuß jetzt das Handtuch schmeißt mag ihm der Satz zugute gehalten werden: Wer Rückgrat hat, verlernt auch nicht von allein zu gehen.

 

GOLFKRIEG UND ZENSUR

"Wenn die Leute wüßten, was wirklich passiert, wäre der Krieg morgen beendet" (David Lloyd George britischer Premierminister 1917).

Vor dem ersten Angriff auf Bagdad erließ das Pentagon Zensur-Richtlinien für die Berichterstattung. Z.B. Berichte über die Bereitstellung von 45.000 Leichensäcke (cadaver bags) während der Kriegsvorbereitung sollten unterlassen werden. Nach dem Beginn des Bombeneinsatzes wurden Berichte darüber unterdrückt, daß US-Piloten vor dem Bombereinsatz Pornofilme gezeigt wurden. Journalisten dürfen nur in Begleitung von Militärzensoren ins Kriegsgebiet fahren. Es wird stets nur einer kleinen Gruppe von Reportern erlaubt, das Kriegsgeschehen unmittelbar zu beobachten. Vor Ort bleiben sie ständig unter Militär-Aufsicht und bekommen gezeigt, was sie filmen dürfen. Die Berichte müssen auch den übrigen Reportern zur Verfügung gestellt werden. Kein Wunder, daß die Berichte der verschiedenen Sendeanstalten dann alle gleiches Bildmaterial verwenden. Das nennt sich "Pool-Berichterstattung" und ist faktische "Gleichschaltung".

Der Vietnamkrieg damals sei an der "Heimatfront" verloren worden, weil die Öffentlichkeit zuviel grausame Kriegsbilder gesehen habe. In diesem Sinne begreift die US-Regierung vor allem das Fernsehen als "Kriegswaffe" an der Heimatfront. Prinzip: Keine Toten und keine Verwundeten zeigen, keine Unzufriedenheitsstatements der Soldaten - stattdessen Sonnenuntergang in der Wüste.

Mit der rigorosen Einschränkung der Pressefreiheit hat England bereits während des Falkland/Malvinas-Krieges Erfahrungen gesammelt. Auch die britische Armee betreibt die "pool"-Gleichschaltung. In vier "media response teams" sind jeweils vier Presse- und drei FernsehberichterstatterInnen unter Aufsicht der Armee stationiert. Besonders auffällig ist, daß etliche britische Presseleute öffentlich ihr Einverständnis mit der Zensur aus patriotischen Gründen erklären. Britische Konservative (Patrick McNair-Wilson) fordern darüberhinaus eine größere Zurückhaltung in der Berichterstattung, weil "Einzelheiten über irakische Angriffe äußerst belastend für die Familienangehörigen der betroffenen Soldaten seien".

Frankreich praktiziert ebenfalls "pool"-Gleichschaltung und strengste Zensurmaßnahmen. In der JournalistInnenstation King Kahled City, ca. 100 km von der Front entfernt, wird täglich eine kleine Gruppe ausgewählt, die sich aus einem Photographen, einem Agentur-, einem Radio-, einem Zeitungsjournalisten und einem Fernsehteam zusammensetzt. Diese Gruppe wird während ihrer Arbeit unter Aufsicht des militärischen Presse- und Informationsdienstes Frankreichs (SIPRA) gestellt. Das Verbot, über Tote und Verwundete zu berichten, wird absurderweise mit dem "Schutz der menschlichen Würde" begründet. Michel Rocard persönlich hat die Medien gewarnt, keinesfalls Videoaufnahmen von französischen Kriegsgefangenen weiterzuverbreiten. Nach einem unzensierten Interview von TF1 mit 4 französischen Soldaten am Golf, bei dem diese sich über ihre Verpflegung und Lebensbedingungen beschwert hatten, wurde der Sender harten Angriffen des französischen Rundfunkrats CSA ausgesetzt (SZ 6.2.91). Die Spannungen zwischen Medien und Militär eskalierten, am 18 Februar schließlich boykottierten die vier in Saudi-Arabien akkreditierten Französischen Fernsehsender vorübergehend jegliche Berichterstattung über die Aktivitäten der französischen Armee. Die Militärs gaben nach und lockerten die Beschränkungen. Claude Carré, Nachrichtenchef der Fernsehanstalt "Antenne 2" sagte: "Für diesen Krieg gibt es keinen Präzedenzfall. Entweder er wird mehr als alle anderen Kriege von den Medien entschieden oder es wird die größte Manipulation aller Zeiten."

Vor Kriegsbeginn wurde die Ausstrahlung eines Interviews mit Saddam Hussein in RAI-uno, dem "ersten Programm" Italiens von Benito Craxi (PSI) verhindert, der für die harte Linie am Golf eintritt. Die Redaktion kündigte einen Arbeitskampf gegen die verfassungswidrige Zensur an. Im italienischen Fernsehen (RAI due) wurde die Meldung über den Beginn der Bombardierung Bagdads vom verantwortlichen Redakteur bewußt eine Stunde lang zurückgehalten. Seltsamerweise kam dann der Privatsender von Berlusconi als erster mit der Kriegsmeldung heraus. In RAI tre, in dem die italienischen Kommunisten stark vertreten sind, werden häufig kritische Sendungen über den Golfkrieg gebracht, was von den ZuschauerInnen durch steigende Aufmerksamkeit honoriert wird. Nun wird in Italiens Medienlandschaft gegen RAI tre mobil gemacht - es soll für die Zukunft einen übergreifenden Nachrichtenverbund geben, der die Unabhängigkeit RAI tre aufheben würde.

Die türkische Regierung setzte regelrecht Falschmeldungen ab. So hieß es mehrere Tage lang, daß die Flugzeuge vom türkischen US-Stützpunkt Incerlik nur zu Übungsflügen starteten, während sie in Wirklichkeit bereits den Nord-Irak bombardierten. Selbst die bereits zensierten CNN-Berichte wurden im türkischen Fernsehen noch einmal zensiert, soweit sie über die Incirlik-Bomber berichteten. Das türkische Fernsehen, wegen verbreitetem Analphabetismus die Hauptinformationsquelle für die Bevölkerung schweigt zu den Flüchtlingsströmen aus dem Grenzgebiet, sowie über notwendige Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung. Deutsche HörfunkreporterInnen berichteten, daß sie in der Türkei vorübergehend verhaftet wurden, daß Videobänder von FernsehkollegInnen beschlagnahmt wurden, und ihnen geraten wurde "nicht mehr so viel spazieren zu gehen".

In Israel haben die großen Pressezentren für ausländische JournalistInnen haben die Funktion, die Kontrolle zu vereinfachen. Als verlockende Ausstattung stehen alle technischen Einrichtungen zur Verfügung: Telefone, Telefaxe, Schreibmaschinen und Fernseher aber auch Sprecher des Außenministeriums, des Militärs und des israelischen Presseamtes sind über die Pressezentren zu erreichen. Gleichzeitig sind die Pressezentren voll unter der Kontrolle von Zensurbeamten. Reporter in live-Schaltungen für deutsche Fernsehsender, drehten aus Angst vor Sanktionen jedes Wort dreimal im Munde bevor sie es aussprachen. Das CNN-Büro wurde zeitweise geschlossen, weil CNN eine Stadtkarte von Tel Aviv eingeblendet hatte auf der die Raketen-Einschlagstellen verzeichnet waren und die NBC-Leitung wurde aus ähnlichem Grund für drei Tage vom israelischen Militär gekappt. Das irakische Militär ist wohl kaum auf das israelische Fernsehen als Informationsquelle angewiesen, wenn es wissen will, wo die Raketen eingeschlagen haben - die Zensur hat wohl eher etwas mit der Situation in den von Israel besetzten Gebieten zu tun.

Deutsche Reporter sind auf eine Berichterstattung aus zweiter Hand angewiesen, weil nur Journalisten aus kriegbeteiligten Ländern vom Militär als unmittelbare Beobachter von Kriegshandlungen zugelassen sind. Sie können also nur über die Situation in ihrem Camp berichten ("heute sind den ganzen Tag wieder Flugzeuge gestartet") oder das wiedergeben, was sie von britischen, amerikanischen und französischen Journalisten erfahren haben. Deren Material wird im "US-Combat-Pool" zusammengefaßt von wo aus über New York per Satellit Berichte nach Europa überspielt werden können. Ein deutscher Fernseh-Reporter (RTL) hatte sich schon mal alleine mit seinem Auto auf den Weg durch die Wüste gemacht, um von Ferne Zeuge der Kämpfe um Khafji zu sein. Die Militärs erteilen hierfür harte Rügen und die Saudis drohen mit der Ausweisung, so daß es bei einmaligen Versuchen bleiben mußte.

Am 19.1. begann sich in den deutschen Medien Kritik an der Zensur zu regen. Ein Hörfunk-Kommentator kritisiert harsch, daß nur die "Videospiel-Version des Krieges", nicht aber dessen Grausamkeiten gezeigt würden. In ARD-Tagesthemen und "heute-journal" wurde bereits am 19.1. eindringlich auf die Zensur hingewiesen, "Wir können unseren eigenen Bildern nicht mehr trauen, alles wird zensiert und wir wissen nicht was wirklich los ist" hieß es. Auf eine Dauereinblendung wie z.B. "zensiertes Bild- und Tonmaterial" hat man im Deutschen Fernsehen bewußt verzichtet, stattdessen soll in der Anmoderation auf die Zensur hingewiesen werden - vielleicht wollte man vermeiden, daß das Wort "Zensur" so lange auf dem Bildschirm zu sehen ist.

Klaus Bednarz (Monitor) ist nach der Befürwortung einer Verweigerung deutscher Soldaten ins "Kreuzfeuer" des NRW-Rundfunkrates gekommen, man sprach sogar von seiner Versetzung ins Ausland. Allein, daß er einen der sogenannten "cadaver-bags" der US-Army in die Kamera hielt handelte ihm geharnischte Proteste in der vaterländischen Presse ein.

Während Ex-Verteidigungsminister und Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt die Zensurmaßnahmen öffentlich verteidigte, kam vom designierten SPD-Vorsitzenden Björn Engholm Kritik an der Zensur. Auch der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Zeitungsverleger, Rolf Terheyden meldete öffentlich Bedenken gegen die Zensurmaßnahmen an. Wer das Bild des Krieges künstlich beschönige, würde das Vertrauen in die Demokratie aufs Spiel setzen.

JournalistInnen und andere MitarbeiterInnen von Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen, die in der Industriegewerkschaft Medien organisiert sind, haben Ende Januar gegen die Zensurmaßnahmen protestiert. Sie bezeichneten die Zensur als einen unzulässigen Eingriff in die Pressefreiheit und das Informationsrecht der BürgerInnen. Durch den eklatanten Verstoß gegen demokratische Prinzipien würde verhindert, daß die Menschen die Wahrheit über den Krieg erfahren. Die Kriegsführenden versuchten die Medien zum Instrument ihrer Kriegsführung zu degradieren.

 

FERNMELDESATELLITEN IN DER KRISE?

In der Zeit zwischen 14.1. und 20.1. gab es auffallend häufig Unterbrechungen bei den Satelliten-Direktverbindungen während live-Sendungen deutscher Fersehsender. Ein Nachrichtensprecher meinte am 14.1., "die ersten Krisenopfer scheinen die Satelliten zu sein". Gleichzeitig wurde am 15.1. von einer "kathastrophalen Lage der internationalen Telefonverbindungen" gesprochen und am 19.1. wurde mitten in einem live-Gespräch die Satellitenverbindung "vom Computer abgeschaltet, weil die Fernmeldekapazitäten rationiert" worden waren. Wenn Fernmeldesatelliten für die Übertragung von Militärdaten freigeschaltet werden können, dann können auch Nachrichtensendungen gekappt werden. Hiermit deutet sich ein Feld der technischen Zensur an. Wer die Fernmeldesatelliten für die Direktübertragungen und Telefongespräche beherrscht, der kann die Nachrichtenverbreitung in Krisenzeiten kontrollieren.

 

"LIVE" STATT INFORMATION

Vor dem ersten Angriff auf Bagdad fieberten die Journalisten dem Krieg entgegen. Jedesmal wenn sie Präsident Bush zu sehen bekamen, schrien sie ihm die Frage entgegen: "Wann beginnt der Krieg". Vor Ablauf des Ultimatums zählten sie die Stunden und Minuten wie in einer Sylvesternacht. ABC-Reporter Sam Donaldson sagte angesichts dieser Sensationsgeilheit: "Warum ziehen die nicht die Uniform an, wenn sie so scharf auf einen Krieg sind - 38 Stunden bis es losgeht - was für ein Nonsens!" Nachdem es dann "endlich" losgegangen war, wurde derart sensationsheischend über die Bombardierungen berichtet, daß sich das Komitee "Cap Anamur" in einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit wandte und kritisierte, daß die Kriegsmeldungen immer mehr den Charakter von Sportberichterstattungen annähmen. Die Perspektive der Opfer, die Wahnsinnsängste der betroffenen Bevölkerung wurden völlig ausgeblendet.

"CNN" (Cable Network News) wird inzwischen als die bedeutendste Fernsehgesellschaft des Golfkrieges angesehen. CNN sendet 24 Stunden täglich ohne Unterbrechung Nachrichten über Satellit. Die Sendezentrale ist in Atlanta im Bundesstaat Georgia der USA. CNN stützt sich auf ein eigenes Korrespondentennetz und Verträge mit TV-Gesellschaften die CNN erlauben, Material direkt aus deren Programm zu übernehmen. CNN hat ca. 200 ReporterInnen in der Golfregion. Durch die Berichte aus Bagdad waren die CNN-Reporter Peter Arnett, John Holliman und Chefkorrespondent Bernhard Shaw bekannt geworden. In den USA können 55 Millionen Haushalte CNN empfangen, in Europa sind es ca. 7 Millionen. Die Nutzungsgebühren für Privathaushalte liegen in den USA bei monatlich nur 25 Cent, denn CNN finanziert sich zu einem erheblichen Teil über die Gelder von Kabelgesellschaften, die das CNN-Programm in ihre Netze einspeisen, zukünftig kann wohl mit einem Anstieg der Werbeaufträge für CNN gerechnet werden. Die ARD hat im Januar 91 mit CNN einen Vertrag abgeschlossen, nach dem uneingeschränkt CNN-Berichte für eine zeitverzögerte Ausgestrahlung übernommen werden dürfen. Dafür zahlt die ARD 175.000 US-Dollar jährlich und CNN darf auf Material der ARD zugreifen (taz 23.1.91/Zeit 1.2.91). Internationale Hotels, die CNN über Satellitenantenne empfangen und ins hausinterne Netz einspeisen, zahlen jährlich zwischen 15.000 und 30.000 DM Gebühren an CNN. In Berlin zahlen 10 große Hotels zusammen 180000 DM jährlich an CNN, damit der Sender ins Kabelnetz von Berlin eingespeist werden kann. Inzwischen wird auf europäischer Ebene ein Europa-Nachrichtenkanal nach dem Vorbild CNN geplant, der als europäische Konkurrenz zum us-amerikanischen Vorbild gedacht ist.

Die Idee des CNN Gründers Ted Turner (52), die Welt mit ununterbrochenen live-Nachrichten zum "globalen Dorf" zu machen, ist wohl ziemlich schief umgesetzt worden, denn die Opfer des Krieges kommen in dem "globalen Dorf" bislang nicht vor - nach dem Motto "Das globale Dorf soll schöner werden" - Tod und Elend haben darin nichts zu suchen, auch wenn wir es selbst produdieren.

 

EIGENE INFORMATIONSSTRUKTUREN AUFBAUEN!

Ebenso wie im Falle der Katastrophenpolitik nach Tschernobyl zeigt die jetzige Zensur im Golfkrieg die Notwendigkeit, eigene Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten zu entwickeln. Auf lokaler Ebene ist die Einrichtung von Informationszentren sinnvoll, bei denen Nachrichten aller Art gesammelt und ausgewertet werden. Dabei müssendie internationale Presse und die weltweit hörbaren Kurzwellensender einbeziehen, Informationen sammeln, Widersprüche aufspüren und nachrecherchieren. Sofern individuelle Telekommunikation in die Kriegsregion nicht unterbunden wird, bestehen auch die Möglichkeiten, über direkte Telefonate oder Datenfernübertragung, Telefax etc. Informationen einzuholen. Hierzu sind wir auf Sprachkenntnisse angewiesen wenn z.B. Informationsquellen der Süd-Ost-Türkei, in Jordanien, Syrien, Iran oder Saudi-Arabien genutzt werden sollen. Gute Bedingungen finden sich in Universitätsstädten, weil hier z.B. auf Kontakte mit ausländischen Studierenden oder SprachwissenschaftlerInnen aufgebaut werden kann. Zusammenarbeit mit Internationalismusgruppen, z.B. Kurdinnen/Kurden und Türken/Türkinnen ist unerläßlich, bei dem Versuch Informationen aus erster hand zu sammeln. Auch Hobbyfunker sind wichtige Ansprechpartner, weil sie meist genügend Erfahrung beim Abhören von internationalen Kurzwellensendern haben. Ähnlich wichtig können Leute sein, die internationalen Informationsaustausch über Datennetze (mail-boxen) betreiben.

Dieser Aufwand ist kaum spontan aus dem Boden zu stampfen, aber jeder neuerliche Anlaß sollte die Notwendigkeit vor Augen führen und dazu ermuntern, langfristig solche alternativen Informationsstrukturen zu schaffen, die einerseits auf lokale Ressourcen personeller und technischer Art zurückgreifen und in Ermangelung einer Zentrale auch wenig manipulierbar sind, andererseits sich aber sinnvoll überregional miteinander vernetzen sollten. Im Übrigen wäre auch zu bedenken, wie unter Ausnutzung technischer Möglichkeiten Videoaufnahmen zu beschaffen sind. Dezentral beschaffte Videos ließen sich wiederum zusammenzufassen für die überregionale Vorführung. Lokale freie Radios stellen natürlich eine besonders günstige Möglichkeit dar, schnell über aktuelle Ereignisse zu informieren. Evtl. können auch alternative Telefon-Zeitungen eingerichtet werden, von denen Meldungen abgefragt werden können. Letztere Möglichkeit wird aber durch allzuleichte Abschaltmöglichkeiten in Krisensituationen bedroht

 

MAILBOXEN (NOCH) OHNE ZENSUR

Udo Schacht-Wiegand (ökoline) und Eberhard Walde (zurückgetretener Bundesgeschäftsführer der GRÜNEN) haben in einer Pressenmitteilung vom 4.2.91 erklärt, daß angesichts der Pressezensur im Golfkrieg von Gruppen der Friedensbewegung die Kommunikation über Mailbox genutzt werde, um "Informationen auszutauschen und Diskussionen zu führen". Sie machten darauf aufmerksam, daß hierfür auch das von ihnen vertretene "ComLink", Internationales Computernetz für Frieden, Ökologie, Soziales und Menschenrechte zur Verfügung stünde, das sich als "Dachverband der politisch arbeitenden Mailboxen im deutschsprachigen Raum" versteht. Durch die Kooperation mit GreenNet in London, mit PeaceNet in San Francisco, Alternex in Rio de Janeiro und Pegasus in Australien etc. sei es möglich, die Informationen der internationalen Friedensbewegung zugänglich zu machen.

Die Überschrift der Pressemitteilung lautete: "Pressezensur und Presseselbstzensur durchbrechen! Die internationale Friedensbewegung schafft sich eigene Informationsstrukturen". Bleibt zu hoffen, daß von der ComLink-Mailbox alle verfügbaren unzensierten zusätzlichen Informationen an die örtlichen Friedens- und Antikriegsgruppen weitergegeben werden, damit die Öffentlichkeit aufgeklärt werden kann. Die Weitergabe von Informationen darf nicht von Mailbox-Gebührenzahlungen oder dem Besitz eines Computers mit Mailboxanschluß abhängig gemacht werden. Deshalb: Sofortiges Ausdrucken der verfügbaren Informationen und Weitergabe an die örtlichen Initiativen gegen den Golfkrieg bzw. den Koordinationsausschuß Bonn o.ä.

Kontakt: ComLink e.V. Moorkamp 46, 3000 Hannover 1 (Udo Schacht-Wiegand), Tel.: 0511/350 3081 (tagsüber) und Eberhard Walde, Zülpicher Str. 3, 53 Bonn 1, 0228/692472, Fax: 0228/7261399 , ComLink-Box:0228/638217

 

TÜRKISCHES HÖRFUNKPROGRAMM "BIZ BIZE" REDUZIERT

Betrachtet man die Situation der AusländerInnensendungen in Deutschland, so läßt sich feststellen, daß die wenigen Sendungen etwa des Westdeutschen und Hessischen Rundfunks dem wachsenden Bedarf gerade an muttersprachlichen Sendungen der verschiedenen ausländischen Minderheiten in keiner Weise gerecht werden. Immerhin 5 Millionen AusländerInnen, die hier leben, werden von den Medien nahezu ignoriert. Umso höher ist die Leistung der kleinen Anstalt Radio Bremen anzuerkennen, die seit sechs Jahren täglich eine halbstündige Sendung in türkischer Sprache ausstrahlt.

Die Absicht der Anstalt, im Rahmen ihres neuen Wirtschaftsplans diese Sendung "Biz/bize/Wir über uns" auf einmal wöchentlich zu reduzieren, ist angesichts der gestiegenen Ansprüche auf Öffentlichkeit für ImmigrantInnen widersinnig. Die Streichung würde ein unglückseliges fremdenfeindliches Signal setzen - und das zu einer Zeit, wo einige Sender die heimatsprachlichen Sendungen auf die Mittelwelle verbannen, andererseit ausgerechnet der anti-demokratische türkische Staatssender TRT in die deutschen Kabel-Fernsehnetze eingespeist wird.

Zur finanziellen Sanierung von Radio Bremen muß ein anderer Weg gefunden werden als die Knebelung dieser oder anderer Minderheiten. Der Spareffekt ist winzig, der politische und soziale Schaden dagegen enorm. Vor allem eine Intervention von Rundfunkrats- und Programmausschußmitgliedern könnte dazu beitragen, die Erhaltung und Erweiterung der Sendung "Biz Bize / Wir über uns" zu erreichen.

Material: Multikulturelle Öffentlichkeit - Medienöffetnlichkeit und Medienzugang für ethnische Minderheiten / Materialien zur Fachtagung der BAG Computer & Medien, vom 9.12.89

Kontakte: in Sachen "Biz-Bize": Richard Herding, Bremen, 0421/73604 oder 323297 # ID Zentrum für alternative Medien, W-6000 Frankfurt 90, Hamburger Allee 45, Tel.: 069/709935 oder 704352,

 

LEIPZIG: ZENTRUM DER IuK-TECHNIK

Die BAG Computer & Medien beabsichtigt, vom 7.6.-9.6. in Leipzig zu tagen. In Leipzig wird als erster Stadt der "DDR" ein Glasfaser-Versuchsnetz mit der Bezeichnung OPA1 in Betrieb genommen. Auch die Umwandlung der Orts- und Fernvermittlungsstellen in ISDN ist bereits in Arbeit. Nachdem Leipzig zum Ausgangspunkt der Massendemonstrationen gegen die SED-Herrschaft geworden war, scheint die Stadt nun zur Vorreiterin für die IuK-technische Modernisierung der Ex-DDR zu werden. Vielleicht findet auch die kritische Diskussion zum Thema COMPUTER & MEDIEN in Leipzig am ehesten offene Ohren. Wünschenswert wäre im Hinblick auf Fragen der Telefonüberwachung und des Datenschutz ein Ausbau des Kontaktes zum "BürgerInnen-Komitte zur Auflösung der Stasi". Wie in Berlin war die Leipziger Stasi-Zentrale im September 1990 besetzt worden, um der Forderung "Die Akten gehören uns" Nachdruck zu verleihen.

In Leipzig wurde das ehemalige VEB-Kombinat Nachrichtenelektronik vom Siemens-Konzern übernommen. Das Werk hat ca. 1200 Beschäftigte und heißt nun "Siemens Kommunikationstechnik GmbH". Hergestellt werden dort jetzt ISDN-Vermittlungsanlagen für öffentliche Telefonnetze und ISDN-Nebenstellenanlagen. Ebenfalls in Sachen ISDN waren die Leipziger Postler schon Anfang 90 bei Experten der Bundespost zu Besuch, um sich bei der ISDN-Einführung im Leipziger Telefonnetz beraten zu lassen. Der Leipziger VEB-Nachrichtenanlagenbau, in "NAL Telecom GmbH" umgetauft, wurde von TELENORMA (Bosch-Konzern) aufgekauft. Die NAL Telecom betreibt u.a. das Geschäft mit Telefonnebenstellenanlagen, Zeiterfassungssystemen, Betriebsdatenerfassung etc., beschäftigt ca. 700 Personen und soll dazu beitragen, daß Telenorma von Leipzig aus einen Marktanteil von 30% in der Ex-DDR erreicht.

Besonders die Leipziger Messe ist immer wieder Anlaß für den forcierten Einsatz computerisierter Telekommunikation. So wurde während der Messe erstmals eine Containervermittlung für Funktelefone im C-Netz eingesetzt und bereits im Januar 90 wurden die Leipziger Ortsnetze in den automatischen Fernsprechverkehr Richtung BRD einbezogen. Ein Sender, der auf einem Leipziger Hochhaus installiert wurde, ermöglichte während der Messe den Funkdienst "City-Ruf" im Umkreis von 10 Kilometern und mehr. In Leipzig wurde auch das erste Kartentelefon der Ex-DDR installiert. Und es ist nicht zuletzt die Leipziger Telenorma/NAL Telecom, die bis 1992 tausende von Kartentelefonen in der DDR installieren will. Am Geld werden solche Sachen kaum scheitern: im Leipziger Fernmeldeamt stehen für Investitionen im Jahr 1991 rund 500 Millionen DM bereit.

Leipzig ist im Bibliothekswesen bedeutend (Bücher sind schließlich auch Medien!), ist Sitz des Sachsen-Radio und hat den Piraten-Fernseh-Sender "KANAL X" aufzuweisen. Hilfreich für AKtivitäten in Leipzig könnte auch sein, daß die Bündnis 90-VertreterInnen im sächsischen Landtag (Dresden) den Vorsitz im Ausschuß für Kultur und Medien innehaben.

 

KARTENTELEFONE: CHIPKARTE NUR EIN ZWISCHENSCHRITT

Verschiedentlich wurde bezweifelt, daß die Post tatsächlich den Übergang zur Telefon-Buchungskarte betreibe, weil der Kauf von Chipkarten quasi einem Kredit gleichkäme, auf den Telekom ungern verzichten würde. Bei diesem Einwand wurde allerdings nicht berücksichtigt, daß der Verkauf von Chipkarten an den Postschaltern auch kostenrelevanter Arbeitsaufwand bedeutet, der bei den immer wieder verwendbaren Buchungskarten eingespart wird. In einer Pressemitteilung der Telekom/Deutsche Bundespost am 28.11.90 anläßlich einer Telefonkartentagung ("ISTCAT": International Symposium Telephoncards Applications and Technology) heißt es: "Weitere Aktivitäten zielen auf die Umwandlung der Telekarte in eine Art "Dauerkarte", die auch eine Abrechnung der vom Kunden geführten Gespräche über die Fernmelderechnung ermöglicht." Darüberhinaus wird eine internationale Vereinheitlichung geplant, die dazu führt, daß in der Gebührenabrechnung auch festgehalten wird, wenn jemand z.B. in Frankreich oder Italien eine Telefonkarte benutzt hat.

Wir fühlen durch diese Feststellungen unsere Vermutung bestätigt, daß die Chipkarten nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum maschinenlesbaren Telefonausweis sind. Wer Chipkarten benutzt fördert die Verbreitung von Kartentelefonen und schafft damit erst die Möglichkeit des Übergangs zur Buchungskarte, denn falls es irgendwann nur noch Kartentelefone geben sollte, genügt zur Durchsetzung des maschinenlesbaren Telefonausweises lediglich die Ersetzung der Chip- durch die Buchungskarten. Deshalb KARTENTELEFON ? NEIN DANKE!

(Bild-Montage "PIEP!/Nr.3 ohne Worte hier einfügen)

 

ZIVILE DATEN FÜR DEN BÜNDNISFALL

"WINTEX-CIMEX"-Übungen haben gezeigt, daß die Daten der kommunalen Gebietsrechenzentren im Krisenfall zur Notstandsverwaltung herangezogen werden. Auf der Grundlage der Notstandsgesetze von 1968, kombiniert mit Ernährungs-, Verkehrs-, Arbeits-, Wirtschafts- und Gesundheitssicherstellungsgesetzen erhalten die Meldedaten von Bevölkerung und Betrieben eine neue Bedeutung. In "Kreisbeschreibungen" ist die Bestandsaufnahme einer Region zusammengefaßt: EinwohnerInnenzahl, geographische Struktur, Klimatische Verhältnisse, Strom-, Wasser-, Gasversorgungsnetz, Schulräume, Krankenhauskapazitäten, Nahrungsmittel-Produktionskapazitäten, Kommunikationseinrichtungen bis hin zur Auflistung der ortsansässigen Amateurfunker, sowie Arbeitskräftestatistiken. Zurückgegriffen werden darf dabei auf die Daten der Arbeitsämter, Gesundheitsämter, Schulämter, usw.. Im Rahmen des Golf-Krieges könnten vor allem die Daten über Transportmöglichkeiten (Speditionsunternehmen), Instandhaltungs-Arbeitskräfte (Kfz- und FlugzeugmechanikerInnen), KrankenpflegerInnen und ÄrztInnen, Unterbringungsräume für Verletzte und Lagerräume für militärisches Material relevant werden.

Die mögliche Einbeziehung der BRD in die Golf-Kriegs-Logistik basiert auf dem "Wartime-Host-Nation-Abkommen", das Überflugrechte und Transportleistungen für die RDF vorsieht. Dazu sollen ca. 100.000 Soldaten der BRD bereitstehen. Zu den Aufgaben gehören z.B. Sicherung militärischer Anlagen der USA, Flugplatzschutz, Abtransport von Verwundeten, Übernahme von Kriegsgefangenen, Entgiftungsarbeiten, Transport von Personal, Material, Munition und Betriebsstoffen, alle Arten von Instandsetzungen, Verpflegung, Kraftfahrzeugbereitstellung, Fernsprechverbindungen, Datenübertragungseinrichtungen usw..

 

DOKUMENTATION: "KOMMUNALE RECHENZENTREN"

"Die Datenverarbeitungseinrichtungen sollten möglichst ohne große Publicity, geräuscharm und unauffällig betrieben werden." (meinte der nds. Datenschutzbeauftragte seinem V Tätigkeitsbericht). Aus dem Inhalt der Dokumentation: Aufgaben der Grünen Gemeinde und Kreisparlamentsfraktionen, Anfragen und Informationsbedürfnisse, usw. Die Dokumentation ist am Beispiel der Beschäftigung mit dem Göttinger Kommunalrechenzentrum 1985-1989 entstanden. Sie wird von der Heideldata-Gruppe in Heidelberg verschickt, die sich besonders mit den Problemen kommunaler Rechenzentren beschäftigt.

Bestellungen an: HEIDELDATA, Volker Erhard, Dossenheimer Landstr. 89, 69 Heidelberg, 06221/473917 (ca. 6,50 DM)

 

HIGH-TECH-REPRESSION AN DER "HEIMATFRONT"

Mit Hinweis auf die Notwendigkeit einer Abwehr terroristischer Angriffe können zunehmend alle Register des Polizei- und Überwachungsstaates gezogen werden. Gerade die Verletzlichkeit der für die Logistik so wichtigen kommunikationstechnischen Systeme dürfte andererseits zur Legitimation einer verschärften Überwachung und Einschränkung von Freiheitsrechten herangezogen werden.

Im Krisenfall muß damit gerechnet werden, daß bestimmte Personen ihren Aufenthaltsort nicht verlassen dürfen, was z.B. mit maschinenlesbaren Personalausweisen schneller kontrolliert und mit einer Einschränkung des Gültigkeitsradius von Scheckkarten und z.B. Telefonbuchungskarten flankiert werden kann. Im "Bündnisfall" könnten zur Freischaltung prioritärer Kommunikationswege "weniger wichtige" Bevölkerungsgruppen vom Telefonverkehr abgehängt werden bzw. die Kommunikationsmöglichkeiten von KriegsgegnerInnen z.B. durch Abschaltung ihrer Telefon- und Faxgeräte beschränkt werden. Diese Abschaltungen sind bei digitalen Vermittlungsstellen ohne mechanischen Aufwand als reine Programmiermaßnahme durchführbar.

 

"DIE TECHNIK-BEJAHENDEN POTENZEN IN UNS ZULASSEN" ODER DIE TECHNIKBEGRENZUNG POLITISCH DURCHSETZEN ?

Doris Janshen, Soziologin und Hochschullehrerin an der Universität Essen, hat auf der letzten Mitgliederversammlung des IKÖ einen Vortrag gehalten, in dem sie insgesamt zur Technikkritik und speziell zum Umgang mit IuK-Technik referierte. Sie hatte als Mitglied der Gruppe "Kommunale Kommunikation" 1975/76 in einem Forschungsprojekt teilgenommen, das die Anwendbarkeit eines "Kabelkommunikationssystems" für die Berliner Gropiusstadt von der soziologischen Seite her untersuchen sollte. "Aber..." so sagte sie "... man habe damals die staatliche Bereitschaft überschätzt, ein technisches Experiment auch zu einem sozialen Experiment zu machen". So wurde zwar bewirkt, daß die nachfolgenden Kabelpilotprojekte alle auch den Kommunikationsaspekt mit berücksichtigten, ihr eigener Ansatz, nämlich durch Kommunikationstechnik Kommunikationsdefizite ausgleichen zu wollen, sei aber in den Startlöchern hängen geblieben. Zu dieser Zeit hätten z.B. "viele Bewegungsgruppen die Videotechnik als Befreiungstechnik für sich entdeckt" und ihre Gruppe wäre damals der Auffassung gewesen, daß man in eigens dafür vorgesehenen Kommunikationsstätten unbedingt diese progressive Technik dabeihaben müßte." Desweiteren sollte ein "variables Telekommunikationssystem" für Hausfrauen in der Gropiusstadt entwickelt werden (Bürgerkommunikationskonzept "Frauen informieren Frauen") - und ganz allgemein vertrat die Gruppe damals in der Zeit der "Kabelpilotprojekte" und des Technikfolgenabschätzungs-Booms die Auffassung "Wir sind SozialwissenschaftlerInnen, wir müssen erst das soziale Feld erkunden und eigentlich ist das, was dann an sozio-technischer Konstruktion entsteht erst das Nachklappverfahren in Bezug auf eine Analyse, die die kommunikativen Bedingungen eines Untersuchungsfeldes oder Erprobungsgebietes ganz genau erkundet."

Weiter zum "variablen Bürgerkommunikationssystem" für die Gropiusstadt: es sollte ein Kommunikationssystem entworfen werden, das in der Lage war, die Leute in Bürgerhäusern oder "Kabel-Daten-Sozialstationen" zusammenzubringen. In einem solchen Zentrum sollten dann "Streetworker, Hausfrauengruppen und sonstwas gemeinsam sowohl Sendungen produzieren" aber auch das "partizipative Moment der Informationserarbeitung und -verbreitung sollte stärker akzentuiert werden" - "Alle Institutionen haben ihren Informationspool, die Leute brauchen auch ihren eigenen Informationspool" und sollen dann entscheiden, wie sie diese Informationen verbreiten wollen. Die BürgerInnenbewegung und Initiativenkultur kranke an ihrer Punktualität, und kaum habe sich was entwickelt, seien die Initiativen auch schon wieder weg. Es fehle "ein kontinuierliches Austauschforum" was z.B. in einem BürgerInnenkommunikationshaus ("Bürgerhaus-System") verwirklicht werden könne. Dabei sollte dies heutzutage nochmal aufgegriffen werden und unabhängig vom Technikeinsatz überlegt werden; es sollte aber keine staatliche Organisation sein. Doris Janshen plädierte darüber hinaus dafür, "stärker, als es bisher geschehen ist, die technische Kommunikation für die ländlichen Räume zu denken." (Siehe hierzu den Artikel "Bürgerbüro", der zeigt, daß die TELEKOM in die ähnliche Richtung denkt)

Den TechnikkriterInnen, die sie im Gegensatz zu den "Machern" als "MerkerInnen" bezeichnete, bescheinigte sie ein Defizit in der Fähigkeit "positive Bilder" zu entwerfen. Die MacherInnen hätten voraus, "daß sie aus einer positiven inneren Stimulierung, ...affirmativen Stimulierung heraus, leichter in der Lage sind (...) ihre Bilder von dieser Welt zu zeichnen." Wir sollten es lernen, ein Bild zu zeichnen, "wo ein für uns gelingender Umgang von Menschen mit der Technik da ist." Nur Prinzipien wie "Menschenfreundlichkeit und Umweltfreundlichkeit" reichen nicht, das Ghetto der MerkerInnen werde dabei nicht verlassen. Wir sollten "auch die bejahenden Potenzen in Bezug auf eine Technikentwicklung - also in uns - zuzulassen." "..ich meine, daß wir darauf angewiesen sind, die positiven Ansätze in uns zu aktivieren, um dann auch aus dieser positiven Kraft genau das was wir negativ bewerten, aus einer sehr viel stärkeren inneren Kraft heraus und auch sozialen Phantasie und auch politischen Phantasie dann auch bekämpfen zu können." Wir sollten uns daher zunächst auf "unser heilenden Energien" besinnen und von da aus überlegen, wie kann die Technik als Trendverstärker eingesetzt werden, um diese heilenden Kräfte in unserer Gesellschaft zu unterstützen. Die Technikkritik-Diskussion bediene sich eines "korsetthaft verengten Kommunkationsbegriffes". Statt der "patriarchalischen Verkopfung der Diskussion" sollten stärker die Gefühlsanteile der Kommunikation berücksichtigt werden, um "die heilenden Kräfte der Kommunikation in uns zu entdecken."

(Foto Gruppe Nr.5 mit Textunterschrift:)

Ein Teil des neuen IKÖ-Vorstandes auf einer Sitzung im Dortmunder Büro des IKÖ: v.l. Martin Löffelholz (Redaktion IKÖ-Rundbrief), Eva Emenlauer-Blömers, Herbert Kubicek, Angelika Bahl-Benker, Ingrid Helmreich, G. Schäfer. Auf dem Foto fehlen die Vorstandsmitglieder Monika Oehls, Paul Hell und Axel Becker.

Soweit die Wiedergabe des Vortrags in komprimierter Form, auf der Grundlage des Tonbandmitschnittes. Er hat m.E. versucht, die Technik-Kritik zur sozialen "soft-ware" umzubiegen. Boykott-Aufrufe gegen BTX oder Telefonkarten, Verweigerungskampagnen und eine klares NEIN zu bestimmten Techniken wie z.B. ISDN passen nicht in diese Argumentationslandschaft. Technikbegrenzungsforderungen erscheinen im Lichte dieses Vortrages "dogmatisch verhärtet".

Gegen Technikkritik hat sich Doris Janshen abgegrenzt, nicht aber gegen die Projekte der Akzeptanzfoschung. So wäre eine Abgrenzung ihrer "BürgerInnen-Kommunikationshäuser" von den "Telehütten-Konzepte" (Tele-Cottages), IuK-Bürgerhäuser und Bürgerplanungsprojekte der Bundespost/Telekom interessant gewesen.

Ich meine, daß wir heute hauptsächlich Probleme damit haben, die von uns geforderten Begrenzungen bestimmter Technikentwicklungen politisch durchzusetzen. Doris Janshen fragt sich im Grunde nur, wie diesen Techniken "positive Aspekte" abgewonnen werden könnten. Ich bezweifle, daß aus diesem Ansatz heraus die Motivation für eine konsequente Begrenzung gefährlicher Technikentwicklungen gestärkt wird. (g.j.schäfer)

Material: Der Vortrag von Doris Janshen wurde auf Tonkassette aufgenommen und Doris Janshen selbst wollte den Mitschnitt abtippen lassen. Anfragen nach einer authorisierten schriftlichen Fassung bitte an Prof. D. Janshen, Universität Essen, Universitätsstr. 12, 43 Essen.# Doris Janshen (Hg.)

 

VAN DEN BRULE: PRÄZENDENZFALL FÜR FREIE RADIOS ?

Bis zum heutigen Tag wird in der 1200 EinwohnerInnengemeinde Breitenberg(Harz) mittels eines Radiosenders von ca. 0,1 Watt die Messe auf 101 bis 104 MHz ausgestrahlt. Bei mehrfachen Razzien in Kirche und Pfarrerswohnung zogen die Fahnder 7 UKW-Sender und 2 Kurzwellensender ein, die teilweise in 4 Metern Höhe hinter dem Altar montiert waren, einige davon waren Sender-Attrappen. Als nun in der Berufungsverhandlung eine dieser Attrappen aufgeschraubt wurde, höhnte den Sachverständigen und Zeugen ein eingraviertes "Mißlungen!" entgegen. Pfarrer van den Brule hatte Berufung gegen seine Verurteilung zu 2400 DM eingelegt, in der Berufungsverhandlung ist jedoch gegen ihn entschieden worden. Das Gericht folgte damit dem Staatsanwalt, der meinte, das Gericht habe einzig zu prüfen gehabt, ob in diesem Falle Fernmeldeanlagen nach dem §15 Fernmeldeanlagengesetz vorlägen. "Hier war eine Funkanlage tätig! Sein Fachwissen muß eingeflossen sein, er hat auch weiter errichtet im Sinne des Gesetzes. Als Träger der kirchlichen Verantwortung hatte er auch die Tatherrschaft."

Die Anwälte des Angeklagten, die für Freispruch plädierten, greifen nun die Grundlage des Urteils, nämlich die Heranziehung des §15 FAG an, den sie als verfassungswidrig bezeichnen. Es besteht die Aussicht, daß sie diese Frage vor das Bundesverfassungsgericht bringen und damit einen Grundlagenstreit in die Öffentlichkeit bringen. Das BVerfGericht hatte bereits 1988 einen Teil des § 15 Abs 2a gerügt, weil er nicht den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genüge (AZ: 2 BVR 284/87 verbunden mit 2 BVR 1154/86). Die Definition dessen, was strafbar ist und was nicht, dürfe letztlich nicht einer Behörde, bzw. der Bundespost überlassen bleiben. Hier müsse im Gegenteil der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Strafbarkeit exakt beschreiben. Das FAG stelle selbst keine konkreten Vorschriften darüber auf, unter welchen Voraussetzungen die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einer Fernmeldeanlage verliehen werden kann.

(Foto Nr. 4 mit der Textunterschrift:)

Unser Prozeßbeobachter Thomas Muntschik

Nicht die Post, sondern einzig das Landesrundfunkgesetz könne die materiell rechtlich Sperre für die Erteilung einer Sendelizenz sein. Dies wiederum sieht die Genehmigungsfähigkeit der Übertragung von örtlich begrenzten Kirchenrundfunksendungen nicht vor. Damit sind die Übertragungen des Pfarrers auch dann noch untersagt und strafbar nach § 15 Abs.1 FAG, wenn dadurch niemand gestört wird. Dies nun sei ein "Verbot im Übermaß", das durch das BVerfGericht schon mehrfach für verfassungswidrig erklärt worden sei. Das Karlsruher Bundesverfassungsgericht habe einen Grundatz aufgestellt, nach dem das am wenigsten einschneidende Mittel gewählt werden muß, um z.B. Störungen im Funkverkehr zu verhindern. Im Fall van den Brule, so die Meinung der Anwälte, seien demgemäß nun die Krichensendungen unter Genehmigungspflicht zu stellen und die Genehmigung müsse erteilt werden, wenn der Sender den Funkverkehr nicht störe. Die Tatsache, daß solche Sendungen nicht genehmigungsfähig seien, obwohl das Verbot die Ausübung gleich mehrerer Grundrechte des Pfarrers beeinträchtigten, sehen die Anwälte als eindeutigen Verstoß gegen die Artikel 4, 5 und 12 des Grundgesetzes unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbotes.

(Nach einem Bericht von Thomas Muntschik # Kontakt: Thomas Muntschik, Heidbrink 3, W 3453 Polle # Vgl. auch Informationsdienst Computer & Medien Nr. 1/90, S.16

 

TROTZ TELEFON-GEBÜHREN: DIE POST MACHT PLEITE

Die Zahlungsforderung an die TELEKOM fällt in eine Zeit, in der sich der Gewinn der TELEKOM sowieso halbieren wird. TELEKOM-Finanzexperten erwarten bereits 1991/92 ein Absinken der Eigenkapitalquote unter die gesetzlich vorgeschriebenen 33% .

TELEKOM soll offensichtlich finanziell kaputtgemacht werden, um damit den Verkauf an die Privatwirtschaft vorzubereiten. In- und ausländische Fernmeldekonzerne warten bereits seit Jahren auf die Beendigung des staatlichen Fernmeldemonopols, um diese enorme Geldquelle zu privatisieren. Schwierigster Schritt dabei ist die Auflösung des Netzmonopols der Post. Schon gibt es Forderungen, "einzelne Telefon-Ortsnetze in der EX-DDR an private Betreiber mit einer Lizenz von 25 Jahren zu vergeben. Die Unternehmen könnten dann die Ortsgebühren und einen Teil der Ferngesprächsentgelte behalten." TELEKOM-Boss Helmut Ricke, ehemaliger Chef der BTX-Firma LOEWE OPTA, wünscht sich die Privatisierung, weil dann in der TELEKOM nicht mehr das öffentliche Dienstrecht gelten würde, die ganzen Beamtengruppen der Telekom könnten dann "endlich der Kapitalflexibilität untergeordnet werden".

Die 2 Milliarden-Abgabe versucht die TELEKOM vor allem durch erhöhte Gebührenzahlungen der privaten Haushalte zu finanzieren. Dies stellt eine grasse soziale Ungerechtigkeit dar, weil schon heute Milliardenbeträge aus den Telefongebühren privater Haushalte für den Aufbau von Datenkommunikationsnetzen der Wirtschaft verwendet werden.

Die Koalitonsvereinbarungen sehen vor, daß der Telefonzeittakt von 8 Minuten auf 5 Minuten bei Ortsgesprächen reduziert wird und der Preis pro Einheit von 0,23 auf 0,25 DM erhöht wird. Nimmt man ein Ortsgespräch zwischen 5-8 Minuten, so kostete das bisher 23 Pfennige, in Zukunft würde es 50 Pfennige kosten.

Eine Überschlagsrechnung mit Durchschnittswerten (errechnet nach statistischen Angaben des Geschäftsberichtes der Post von 1989) zeigt die Höherbelastung pro Telefonanschluß: Die mtl. Gebühren (ohne Grundgebühr) betragen 67 DM. Dieser Betrag enthält 38 DM für 165 Einheiten aus Ortsgesprächen. Pro Anschluß wurde also durchschnittlich ein Zeitkontingent von 165 x 8 Minuten = 1320 Minuten Ortsgespräche bezahlt (kaum zu glauben daß monatlich 22 Stunden Ortsgespräche geführt werden. Vielleicht rührt die Summe des bezahlten Zeitkontingents daher, daß bei vielen Ortsgesprächen eone Einheit berechnet wird, aber das Gespräch unter 8 Minuten bleibt. Das hieße aber, daß die Zeittaktverkürzung wenig zur Erwirtschaftung von zusätzlich 2 Mrd. DM beitrüge und sich die Finanzklemme der TELEKOM noch verschärfen würde). Nach der Tariferhöhung entsprechen 1320 Minuten Ortsgespräche beim 5 Minutentakt 264 statt vorher 165 Einheiten und kosten 66 DM statt 38 DM. Dem Durchschnittshaushalt werden also monatlich zusätzlich 28 DM abgeknöpft.

Zur Verhinderung einer Ruinierung der Telekom fordern wir neben der Rücknahme der 2 Millardenabgabe folgende Maßnahmen: a) Einstellung des BTX-Systems, weil hier permanent Geld zugebuttert wird um es schließlich doch an die Privatwirtschaft zu verscheuern, die dann den Nutzen aus den Vorfinanzierungen zieht, b) Höhere Gebühren für wirtschaftlich relevante Datenleitungen und die Einsparungen bei der, von militärischen Interessen geprägten Glasfaserverkabelung, c) Verzicht auf die teure Umrüstaktion der Telefonzellen auf Kartentelefone Verteuerung der Gebühren bei Verwendung von Telefonkarten, d) Statt die Grundgebühren für Mobilfunk im unsicheren C-Netz von 120 auf 75 bzw 63 DM bei Großunternehmen mit mehr als 100 Geräten, zu reduzieren, sollten hier die Gebühren steigen, weil jene Leute, die 5000 DM für ein Gerät ausgeben können, auch mehr Geld für Gebühren zahlen sollen.

Die Verfassungsmäßigkeit einer Erhöhung der Telefongebühren zwecks Aufstockung des Bundeshaushaltes darf mit gutem Grund bezweifelt werden. In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1984 wurde die Unrechtmäßigkeit weiterer Erhöhungen der Telefongebühren festgestellt, weil sie bereits Milliardengewinn abwerfen und weitere Erhöhungen einen Mißbrauch des staatlichen Fernmeldemonopols darstelle.

 

AKTION: TELEFONIEREN HALBIEREN !

Die geplante Erhöhung der Telefongebühren durch die Bundespost/Telekom nehmen wir zum Anlaß auf einen alten Aktionsvorschlag, nämlich "Telefonkosten reduzieren durch weniger telefonieren" hinzuweisen. Bereits am 22.4.89 beim Heidelberger Initiativentreffen (TelekommunikAktion) wurde dieser Aktionsvorschlag gemacht. Er war damals gedacht als eine Protestaktion gegen die Verwendung der Gelder aus Telefongebühreneinnahmen für den Ausbau des ISDN. Inzwischen hat sich die gesamte Sachlage etwas verändert, es geht nicht mehr nur um ISDN sondern um das Problem, daß die TELEKOM der Verfügungsgewalt privater Wirtschaftsunternehmen übergeben werden soll. Der Forderungskatalog muß daher etwas differenzierter formuliert werden, damit nicht unfreiwillig der finanziellen Aushöhlung mit dem Ziel des Ausverkaufs an die Privatwirtschaft Vorschub geleistet wird: siehe vorhergehenden Artikel.

Um die Aktion wieder mal mit einem Gedankenspiel in Erinnerung zu halten: Gehen wir von einer durchschnittlichen Telefonrechnung über ca. 150 DM aus. Angenommen 500 TelefonanschlußinhaberInnen reduzieren ihre Telefonrechnung auf die Hälfte, dann sparen sie jeweils 900 DM im Jahr beim Telefon. Insgesamt bringen es allein 500 Leute dann auf 450 000 DM, also kein Pappenstiel. Mit einer entsprechenden Unterstützung und Ausweitung der Kampagne kämen spürbare Beträge zustande. Also besteht hier ein effektives Mittel in der Hand basisorientierter Protestaktionen.

Das wäre immerhin eine politisch motivierte Aktion, die den Beteiligten nicht nur eine beachtliche Geldersparnis bringt, sondern eine Beruhigung in den Telefonitis-infizierten Alltag bringen könnte. Was spricht eigentlich dagegen ?

 

"MEDIENDEMOKRATIE" STATT "BASISDEMOKRATIE"?

Die grüne Leistungselite muß personalisiert werden. Wer soll denn sonst in den Medien gezeigt werden? Schließlich lassen wir doch nicht jeden Trottel vor die Kamera, damit der dann das Bild der Grünen in den Dreck zieht! Auslese ist ein Prinzip der Natur, das schon seit Jahrtausenden funktioniert, deshalb die Besten vor die Kameras und Mikrofone.

Ein gesunder Auslesprozess bei dem es nur den eloquentesten RednernInnen gelingt, sich medial zu etablieren, hat den Vorteil, daß wir nur die Elite im Fernsehen sehen. Mediendemokratie ist aber mehr als bloßes Zugucken. Bei den nächsten Wahlen werden aus den Besten, die zu sehen waren wiederum die Besten ausgewählt. So kann demokratisch darauf Einfluß genommen werden, wer am häufigsten im Fernsehen zu sehen ist.

Heute sind nur noch diejenigen überhaupt merkbar existent, die in den Medien präsent sind. Für den homo medius gilt: Ich bin auf Sendung - Also bin ich ! Was bringt das schon, wenn ein paar grüne Basis- Würstchen Flugblätter gegen das Grauen in der Welt verteilen, die erreichen damit doch maximal 4 bis fünf Leute während mit einem Fernsehauftritt Millionen Menschen gleichzeitig erreicht werden. Die VertreterInnen der Medienelite können mit Recht sagen: "Le public - c'est moi!"

Mit der Parteistrukturreform der Grünen muß deren Medienwirksamkeit erhöht werden. BAGs werden ersetzt durch effizientes "political identity"-Training und "political marketing"-Gruppen, außerdem brauchen wir handwerklich-technische AssistentInnen in den Bereichen Video-studio, Beleuchtung und "personality shaping" bis hin zur Schminktechnik, die professionellen Fernsehauftritten gerecht wird. Und übrigens: Nur wenn wir einen Sender haben, macht die Programmarbeit doch überhaupt erst einen Sinn!

Besser als mit einer schwerfälligen Parteiorganisation können politische Inhalte über einen parteieigenen Fernsehsender umgesetzt werden, der evtl. "GRUEN-plus" heißen könnte. Ein Grüner Sender muß alle Aspekte des medialen Lebens abdecken können. Lassen wir das Kaleidoskop möglicher Programmansagen eines grünen Senders in der Phantasie an uns vorüberziehen: "Wir schalten um zur Aschermittwochrede der GRÜNEN nach Roisdorf", "...anschließend sehen Sie den Spielfilm "Die Grüne Hölle" (ein Dokumentarfilm über die Zeit vor der Strukturreform der GRÜNEN) , "um 22 Uhr erfolgt dann die Verleihung des GRÜNEN Bambis", der Spielfilm "Grün ist die Heide" wird durch kurze Einblendungen von Bildern aus dem Leben grüner Heide-PolitikerInnen unterbrochen, "... und dann wieder unsere beliebte Ratesendung - wir zeigen Ihnen ein Bein und Sie raten, zu welcher prominenten grünen Persönlichkeit es gehört"... "Ein letzter Hinweis, Sonntagmittag senden wir wieder unseren grünen Stammtisch, mit 6 Joschis aus 5 Bundesländern." Und nun verlesen wir wieder die Namen derjenigen Personen, die wegen Majestätsbeleidigung aus der Partei DIE GRÜNEN im vergangenen Monat ausgeschlossen worden sind.....