Informationsdienst Computer&Medien

Archiv   Nr.1 / 1990

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TERMINE *
INFODIENST-ADRESSVERWALTUNG OHNE PC *
VERANSTALTUNG DES ID/FRANKFURT MIT ALTERNATIVMEDIEN AUS DER DDR *
ALTERNATIVE MEDIEN IN DER DDR: Z.B. "TELEGRAPH" *
NEW AGE UND NEUE MED *
BTX: FAZ STEIGT AUS, POSTGEWERKSCHAFT STEIGT EIN
KRITIK AN VESTERS VORTRAG BEI DER IKÖ-MITGLIEDERVERSAMMLUNG *
ZU ÜBERLEGUNGEN GRÜN-ALTERNATIVER COMPUTERVERNETZUNG *
LESERBRIEF (zur Mailboxdiskussion) *
Multikulturelle Öffentlichkeit: "29 Minuten und 41 Sekunden" *
STRATEGISCHER ANSATZPUNKT: "TELEFON-NEBENSTELLENANLAGEN" *
HAMBURG: BÜRGERSCHAFTSPRÄSIDENTIN TEILT BEDENKEN GEGEN ISDN *
GÖTTINGEN: GAL/SPD-VEREINBARUNG ZU ISDN VOR DEM PLATZEN ? *
DDR: TELEFON-ABHÖRANLAGEN AUFGEDECKT *
WÄHLSCHEIBEN-TELEFONE STÖREN ISDN *
BÜROKOMMUNIKATON BEI BEHÖRDEN *
MOBILFUNK-GEWINNER: MANNESMANN AG *
WOCHENZEITUNG "DIE GRÜNEN" MIT ABGEWANDELTEM APPLE-SYMBOL *
VERLEIHUNG DES BAG-PREISES 1989 *
FIFF: ISDN-ARBEITSKREIS DOCH NICHT AUFGELÖST *

GROBE CHECKLISTE BEI ALTERNATIVEM COMPUTEREINSATZ *

WER HAT "URBI ET ORBI" AUF VIDEO ? *
PIRATENSENDER IN BREITENBERG FUNKT WEITER *

TERMINE

DIE SITZUNGEN DER BAG COMPUTER & MEDIEN 1990

1.) März: Freitag 2.3. - Sonntag 4.3.90

2.) Mai : Freitag 25.5.- Sonntag 27.5.90

3.) September: Freitag 7.9.- Sonntag 9.9.90

4.) Nov./Dez.: Freitag 30.11. - Sonntag 2.12.90

Im Jahr 1990 finden viele andere Veranstaltungen in Haus Wittgenstein statt. Schlafplätze und Verpflegung müssen daher genau geplant werden. Eine rechtzeitige Anmeldung hilft dabei.

DIE SITZUNGEN DER BAG KULTUR:

1.) 17./18.2.90, 2.) 19./20.5.90, 3.) 16./17.6.90, 24./25.11.90

NÄCHSTE SITZUNG DER BAG FORSCHUNG & TECHNOLOGIE

9./10.2.90 in Duisburg, Reinhausenhalle. Dort findet gleichzeitig der Kongress "Wege zu einer sanften Technik", eine Veranstaltung des Landesverbandes DIE GRÜNEN Nordrhein-Westfalen statt.

Anmeldungen für die BAG Forschung & Technologie bei: Norbert Hoffmann, Ordensmeisterstr. 42 a, 1 Berlin 42, 030/7528666 Anmeldungen für den Kongreß "Sanfte Technik": DIE GRÜNEN /NRW Volksgartenstr. 35, 4000 Düsseldorf 1, Petra C. Grund 0211/77008/0, Ingrid Fitzek 0211/77008/19

INFODIENST-ADERESSVERWALTUNG OHNE PC

Wenn jemand den Informationsdienst beziehen möchte,dann wird seine Adresse auf einem Aufkleber eines DIN A4 Bogen mit Adressaufklebern eingetragen und eine Karteikarte mit Name, Adresse und - falls vorhanden - Telefonnummer erstellt, die unter dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens eingeordnet wird. Den Anfang machten die Leute im engeren BAG-Verteiler von denen bereits beschriftete Etiketten vorlagen. Bis vor kurzem wurden die neu hinzukommenden Adressen mit Schreibmaschine eingetragen, aber das war zu umständlich. Gegenwärtig erfolgt die Beschriftung der Adress-Klebeetiketten handschriftlich und das soll auch zukünftig so bleiben. Wenn ein Infodienst fertiggestellt und gedruckt vorliegt, werden die Adressbögen auf leere Klebeetikettenbögen fotokopiert, das Orginal wird für die nächste Versendeaktion aufbewahrt. Von den, per Fotokopie auf Klebeetikettenbögen übertragenen Adressen werden dann die einzelnen Etiketten abgenommen und auf die Versandumschläge aufgeklebt - fertig. Bei Adressänderungen wird das jeweilige Klebeetikett vom Ur-Bogen genommen, ein neues beschriftet und eingefügt, sowie die Karteikarte geändert. Die Schwierigkeit, einzelne Adressen auf den Bögen zu finden wurde dadurch behoben, daß auf der alaphabetisch eingeordneten Karteikarte verzeichnet ist, auf welchem der nummerierten Bögen sie sich befindet; so ist der entsprechende Bogen leicht herauszufinden und die Adresse kann geändert werden. Ein PC-Einsatz würde gegenüber diesem Verfahren keine Arbeitsereleichterung bedeuten.

VERANSTALTUNG DES ID/FRANKFURT MIT VERTRETERINNEN VON ALTERNATIVMEDIEN AUS DER DDR

Gelegenheit zur Information und Diskussion über unabhängige Basis-Medienarbeit in der DDR bot eine Veranstaltung des ID (Informationsdienst: Zentrum für alternative Medien, Frankfurt/M ) die am 16.12.89 unter dem Titel "Medienzugang und Medienfreiheit in der DDR heute" durchgeführt wurde. Dank neuer Reisefreiheit konnten zwei VertreterInnen der Ostberliner Umweltbibliothek (Herausgeber "Umweltblätter" und "telegraph") und ein Mitarbeiter des "Zweidrittelwelt"-Blattes "Einblick Nicaragua" nach Frankfurt kommen und ander Ursprungsstätte der bundesrepublikanischen Alternativpresse dem neugierigen West-Publikum Rede und Antwort stehen - was nicht völlig ohne Komplikationen verlief; die deutsch-deutsche Sprachregelung bedarf noch einiger Entwicklung. So konstatierten die OstbesucherInnen einhellig enorme Unkenntnis der Situation bei den westdeutschen VeranstaltungsteilnehmerInnen.

Die vergleichsweise junge Geschichte der DDR-Gegenöffentlichkeit begann Ende der Siebziger Jahre und wurzelt in der Ökologie- bzw. der späteren Friedensbewegung (Schwerter zu Pflugscharen). Staatsunabhängige Information war in der Vergangenheit bestenfalls im Rahmen der Kirche möglich; basierend auf einer Vereinbarung von 1978 in der Honnecker größere Eigenständigkeit im kirchlichen Vervielfältigungsrecht zugestand. Dies machten sich zahlreiche oppositionelle Gruppen zunutze und publizierten in Gemeindeblättern versehen mit der Formel: "nur zum innerkirchlichen Dienstgebrauch". Trotz der winzigen Auflage fanden solche Texte große Resonanz und zirkulierten überregional. Neben Zensur und Repression sahen sich diese Veröffentlichungsversuche noch mit technischen, materiellen Problemen konfrontiert. Herstellungs- und Verbreitungsprozesse erforderten ein hohes Maß an Organisationstalent, Fantasie und Handarbeit. Die technische Ausstattung war und ist völlig überaltert. Da werden mit Wachsmatritzen die Druckvorlagen für Zeitungen wie z.B. den "telegraph" erstellt und die Abzugsmaschinen sind nicht selten über fünfzig Jahre alt. Andererseits war der Inhalt von den LeserInnen für derart wichtig gehalten worden, daß sie bei der Weiterverbreitung nicht die Mühe scheuten, ganze Ausgaben per Hand abzuschreiben (!), abzutippen oder abzufotografieren, um zusätzliche Exemplare für die Weiterverbreitung zu gewinnen. Darüberhinaus bedurfte es einigen Aufwandes, immer ausreichend Papier zu besorgen, das staatlich kontigentiert war.

Daß ihre Berichterstattung in nächster Zukunft überflüssig wird, davon geht die Redaktionsgruppe des "telegraph" keinsewegs aus. Nach wie vor gibt es unterbliebene Nachrichten und Themen, die auch nach Öffnung der offiziellen Medien nicht hinreichend behandelt werden: Randgruppen, Minderheiten, Rassismus, kurz das ganze Spektrum der Betroffenen-Berichterstattung. Angestrebt werden zunächst eine ansprechendere Gestaltung des Blattes, höhere Auflage, bessere Recherchemöglichkeiten durch Akkreditierung, staatliche Genehmigung, um an öffentliche Druckereien und Postvertriebswege zu gelangen. Fernziel ist ein alternatives mediennetz, die Gründung einer unabhängigen Nachrichtenagentur. Wenig Begeisterung allerdings weckt der Boom westlicher "Unternehmensberatungs"-Angebote. Nicht nur gestiftete "Springer-Technologie" ist unerwünscht, auch links-alternative Hybris.

Die vollständige Dokumentation der Veranstaltung, eine Liste von Kontaktadressen sowie einige Kostproben alternativer Basisblätter aus der DDR sind zu beziehen bei: ID/Informationsdienst:Zentrum für Alternative Medien, Hamburger Allee 45, 6000 Frankfurt/M 90, Tel.:069/709935, 704352

ALTERNATIVE MEDIEN IN DER DDR: Z.B. "TELEGRAPH"

Der "telegraph" wird von der Umwelt-Bibliothek Berlin(Ost) herausgegeben, in der Nr. 8, November 1989, S.13 ist folgendes zu lesen:

"Der telegraph ist ein innerkirchliches Informationsblatt. Wir möchten aber gern eine öffentliche Zeitschrift werden und mit besserer Technik und in einer den Anfragen entsprechenden Auflage in die Kioske kommen. Das wird aber nach unserem Anspruch an Journalismus und Kritik nur im Rahmen eines halbwegs freien Pressegesetzes ohne Zensur möglich sein. Zum gegenwärtigen Profil des 'telegraph': Der 'telegraph' möchte kein 'Organ' irgendeiner Partei oder Gruppe sein, nicht einmal der Umwelt-Bibliothek Berlin. Wir sagen natürlich unsere eigene Meinung, versuchen aber kritischen Journalismus zu machen, nämlich ein möglichst umfassendes und sachliches Bild der jeweiligen Situation im Lande zu vermitteln, soweit wir sie erfassen können. Uns fehlt natürlich ein Korrespondentenapparat und der Zugang zu Agenturen, wie ihn die offiziellen Medien haben. Wir können unser Blatt nur durch Informationen aus dem Leserkreis machen. Alle können durch ihre Informationen und ihre Kritik dazu beitragen, daß der 'telegraph' besser wird. Natürlich gibt es durch diese Art der Informationsbeschaffung eine Reihe von Fehlerquellen, von Irrtümern bis zu falschen Angaben. Trotzdem wir uns um Verifizierung bemühen, ist das oft nicht auszuschalten. Ein Info-Blatt ist halt keine Dokumentation. Nach Möglichkeit möchten wir aber später solche Fehler korrigieren und fordern die Leser auf, uns dabei zu helfen. Weil unsere Technik veraltet ist, können wir derzeit die Nachfrage der Leser nicht befriedigen."

Die Umwelt-Bibliothek stellt u.a. folgende Forderungen an den "Runden Tisch auf Magistratsebene" in Berlin, die einem Vorabdruck des "telegraph" vom 10.12.89 zu entnehmen waren:

- "Im Zusammenhang mit dem Überfall der Staatssicherheit auf die Umweltbibliothek im November 1987 wurden eine Reihe von Materialien und Produktionsmitteln der Umwelt-Bibliothek und der damaligen Zeitschrift 'Grenzfall' beschlagnahmt. Damaligen Gesetzen folgend wurde wegen eines Ermittlungsverfahrens eine Wachsmatritzenmaschine der Redaktion 'Grenzfall' und nach den Zollbestimmungen eine Wachsmatritzenmaschine englischen Fabrikats der Umwelt-Bibliothek beschlagnahmt. Ohne jede rechtliche Grundlage wurden auch nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Mitglieder der Umwelt-Bibliothek trotz wiederholter Anmahnungen unseres Rechtsanwalts, Schnur, zwei weitere Wachsmatritzenmaschinen (Vorkriegsfabrikate) und eine elektrische Schreibmaschine einbehalten.(...) Wir fordern die sofortige Rückgabe unseres Eigentums und des Eigentums der Redaktion 'Grenzfall'. (...)

- Zulassung der Zeitschriften der Umwelt-Bibliothek 'telegraph' und 'Umweltblätter' und ihre Aufnahme in den Post- und Zeitungsvertrieb. (...)

- Zurverfügungstellung geeigneter Räumlichkeiten für die Umwelt-Bibliothek Berlin und ihre Arbeitsgruppen, entweder mit langfristigen Mietverträgen oder als Eigentum."

Kontakt: "telegraph"/Umweltbibliothek, DDR, Berlin 1058, Griebenowstr. 16 .

NEW AGE UND NEUE MEDIEN

In der BAG-Sitzung, Dezember 1989 haben wir die Möglichkeiten genutzt, die die gleichzeitige Anwesenheit unterschiedlicher BAGs im Haus Wittgenstein bietet. Aus Gesprächen während der gemeinsamen Pausen ergab sich spontan eine Einladung an ein Mitglied der BAG ChristInnen in den Grünen, über die Haltung der new-age-Szene zur Telekommunikation zu berichten. Herrmann B. wechselte daraufhin für eine Stunde in unseren Sitzungsraum und erzählte von seinen Erfahrungen, die er bei vielen Auslandsreisen mit der new-age-Szene gesammelt hat.

Die Idee eines "weltweiten, globalen,ganzheitlichen Bewußtseins" ist ein wesentliches Element im Bewußtsein des new-age. Telekommunikation über Datennetze, Satelliten und Computer wird als das zentrale Instrument für die Schaffung des "weltweiten Bewußtseins" angesehen, das zum "planetarischen Bewußtseinssprung" führen soll. Die Verbindungen zwischen new-age und Telekommunikation sind in der BRD nicht so ausgeprägt, weil hier eine kritische Diskussion zu Neuen Medien und Computern gäbe. Auch in anderen Ländern, so Herrmann, habe er die Erfahrung gemacht, daß ein Kongreß der new-age-Leute z.B. in Großbritannien schnell umkippen würde, wenn erstmals kritische Positionen vorgetragen würden.

Der Einfluß neuer spiritueller Bewegungen würde vielfach unterschätzt, man solle sich nur mal klar machen, daß viele Buchläden inzwischen ca. 10% ihres Umsatzes mit spiritueller Literatur machten. Ganze Zweige der Kassettenindustrie würden davon leben und die Idee der medial vermittelten Bewußtseinserweiterung würde gerne von Medienkonzernen aufgegriffen.

New-age tendiere zum "carma" der östlichen Philosophien und glaube an die "Schicksalsmaschine mit kosmischer Ausdehnung". Hierdurch gäbe es Berührungspunkte des new-age mit einem kybernetischen Weltbild, da die Schicksalshaftigkeit des Lebensverlaufes eine gewisse Nähe zu den mechanistischen Kybernetikbildern habe. Passend dazu habe es auch bereits eine positive Stellungnahme von New-age-Leuten zur Gentechnik gegeben, die sich in dieses Verständnis einreihen lasse.

Als einen der zentralen Widersprüche des new-age bezeichnete Herrmann, daß einerseits alles über "Bewußtsein, freie Erkenntnis und seelisches Potential" entwickelt werden solle, andererseits dieses spirituelle ausgerechnet mit den materiellen Instrumenten der Telekommunikation, der weltumspannenden Medien und Datennetze versucht werde, die ja umfänglich Anteile des "seelischen Potentials" von der Kommunikation ausschließen. Die Medien-Ideologie des new-age führe dazu, daß im Wahn technischer Machbarkeit Bewußtseinserweiterung mit Technik wie z.B. den "brain-machines" eingepfropft wird, was schließlich den Anspruch einer spirituellen Bewegung ad absurdum führe.

Die Verbindungen zwischen new-age und der Ideologie einer "Informationsgesellschaft", "Telematischen Gesellschaft" etc. machen es notwendig, daß sich die BAG COMPUTER & MEDIEN diesem Thema in Zukunft annimmt.

KRITIK AN VESTERS VORTRAG BEI DER IKÖ-MITGLIEDERVERSAMMLUNG

Auf der Jahresmitgliederversammlung des IKÖ, im November 1989 durfte Frederic Vester einen der Hauptvorträge halten. Er wurde von Barbara Mettler-Meibom vorgestellt als Gastprofessor an der Hochschule St.Gallen, ehemaliger Lehrstuhlinhaber an der Bundeswehrhochschule in München, von Beruf Bio-Chemiker und sehr früh eingetretenes Mitglied im IKÖ. Er selbst ergänzte diese Vorstellung indem er darauf hinwies, daß er seine Haupttätigkeit im Rahmen der Studiengruppe "Biologie und Umwelt" sehe. Er hob hervor, daß er sein Institut (in dem diese Studiengruppe arbeitet von staatlichen Stellen und Hochschulen unabhängig gemacht habe, das Institut könne aus eigener Kraft überleben, weil es schaue, welche Bedürfnisse da sind, für diese Bedürfnisse arbeite und so Geld verdiene.(Korrekterweise hätte er statt "Bedürfnisse" den Begriff "zahlungskräftige Nachfrage" verwenden müssen) Er erwähnte z.B. Aufträge von FORD, SWISSAIR, STOLL und anderen Unternehmen, die er beraten habe.

Die Natur bzw. "Biosphäre" beschrieb er als "das einzige Unternehmen" das schon seit Jahrtausenden bestehe und "noch nicht pleite gegangen" sei, weil es nach bio-kybernetischen Prinzipien funktioniere. Er forderte die Übernahme des bio-kybernetischen Denkens auf die Wirtschaft und darüberhinausgehend auf die gesamte Gesellschaft. Ja weitergehend noch, sieht er es als Prinzip an, das die gesamte Welt, den Mikro- und Makrokosmos durchdringt. Anhand von Analogien, Schaubildern und Dias versuchte er die bio-kybernetische Einheit der Welt zu verdeutlichen. Die Übernahme der bio-kybernetischen Systemorganisation für Wirtschaft und Gesellschaft stellt sich in den Augen Vesters als die lange fällige Unterordnung des Menschen unter die allgemein gültigen Ordnungsprinzipien der Welt dar. Während die Natur aufgrund der bio-kybernetischen Prinzipien ihre Überlebensfähigkeit bewiesen habe und mit allen möglichen Störungen fertig werde, würden in unserer Wirtschaft und Gesellschaft nicht-lebensfähige Organisationseinheiten künstlich am Leben gehalten, die er als "Mißgeburten" und "Leichname" bezeichnete, womit er z.B. abgewirtschaftete Kommunen oder Unternehmen meinte. In diesem Zusammenhang wird dann verständlich, wieso er besonders ausdrücklich und mehrfach darauf hinwies, daß sein Institut nicht künstlich durch staatliche Hilfe am Leben erhalten werde, sondern sich den Regelkreisläufen der freien Wirtschaft aussetze und so seine Überlebensfähigkeit beweise, legt er doch damit nahe, daß sich sein Unternehmen daher im Einklang mit den bio-kybernetischen Grundprinzipien befindet, nach denen auch das "Unternehmen Natur" funktioniert, wozu gehört, daß nichtfunktionierende Teilsysteme "ausgeschieden" werden.

Man möge sich bitte verdeutlichen, was es heißt, wenn diese biokybernetischen Gesetze auf die Sozialpolitik angewendet werden.Wie weit ist es vom Organismusmodell der Gesellschaft zur Ideologie vom gesunden Volkskörper? Wie soll in der bio-kybernetischen Gesellschaft mit SozialhilfeempfängerInnen, Behinderten, Leistungsgeminderten oder anderen "nichtfunktionalen" Randgruppen umgegangen werden, die nicht aus eigener Kraft innerhalb der Marktgesetze lebensfähig sind, sondern auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Wer den Vortrag Vesters aufmerksam verfolgt hatte, dem wird aufgefallen sein, daß Vester davon sprach, daß biokybernetische Systeme sich selbst erhalten und deshalb störende Elemente ausscheiden: "das mag brutal für den Einzelnen sein, aber ist rettend fürs System". Da er immer wieder davon sprach, daß wir der Natur abgucken sollen, wie sie ihre Ordnung erhält und daß dies auf Wirtschaft und Gesellschaft übertragen werden solle, läßt sich die Gefahr einer sozialdarwinistischen Tendenz in Vesters Ansatz nicht mehr von der Hand weisen.

Bei den biokybernetischen Systemen der Natur, so Vester, gebe es keinen Steuermann, sondern der Steuermann sei Teil des Systems selbst. Wer oder was soll aber der bio-kybernetische "Steuermann" in der Gesellschaft sein ? Sollen es diejenigen Menschen sein, die wie Vester die bio-kybernetischen Regeln aus der Natur abgucken und dann deren Anwendung auf Wirtschaft und Gesellschaft betreiben, quasi als Vertreter göttlicher Naturregeln in der menschlichen Gesellschaft ? Auf die Frage, ob er vielleicht in den anonym wirkenden marktwirtschaftlichen Regulierungsmechanismen solche bio-kybernetischen Prinzipien verwirklicht sehe, blieb er die Antwort schuldig. Auch die Frage, ob im bio-kybernetischen Sozialsystem eine naturgesetzliche Determiniertheit bestünde und wie es dann mit der Freiheit bewußter menschlicher Entscheidungen stünde, blieb unbeantwortet.

Selbst eine Ablehnung des ISDN verband Vester noch mit seiner biologistischen Ideologie: ISDN, so Vester sei ein Rückschritt in der Evolution, weil diese Art von Vernetzung die Verletzlichkeit des Systems steigere, wenn alle Leute im Auditorium über ein und denselben Blutkreislauf miteinander verbunden wären, dann hätten wahrscheinlich schon alle Aids und im ISDN könnten sich die Computerviren auf vergleichbare Weise ausbreiten.

(G. Schäfer, Göttingen)

Material: Broschüre "Von der Ökologie zur Kybernokratie ?" rechtzeitig zu Vesters Vortrag fertiggestellt und bei der IKÖ-Versammlung verteilt. DIN A5, 34 Seiten, gegen Einsendung 3,50 in Briefmarken erhältlich bei der Redaktion COMPUTER & MEDIEN

BTX: FAZ STEIGT AUS, POSTGEWERKSCHAFT STEIGT EIN

Auf einer gemeinsamen Tagung mit Anti-Kabelgruppen im Haus der Gewerkschaftsjugend/Oberursel hatte der Vertreter der Postgewerkschaft einst den BTX-Boykott-Aufruf als völlig überflüssig bezeichnet, "weil das sowieso ein Flopp ist". Seit 1. November 1989 ist die Postgewerkschaft als Anbieter im Bildschirmtext-System drin. Irgendwie müßte dieser Kollege nun mal eine Erklärung nachschieben ! Evtl. unter der BTX-Anbieterseite *27227# (Deutsche Postgewerkschaft) ?

Die FAZ hingegen hat ihren BTX-Zeitungsdienst nach 10 Jahren endlich eingestellt, weil die Nachfrage der Öffentlichkeit nach BTX-Angeboten immer noch zu gering sei und erst knapp 180.000 BTX-Anschlüsse exisiteren. Diese Erkenntnis verbreitete sie Anfang Oktober 1989, die Postgewerkschaft ist 3 Wochen später als Anbieter im BTX eingestiegen.

KRITISCHE STELLUNGNAHME DER BAG COMPUTER & MEDIEN

ZU ÜBERLEGUNGEN GRÜN-ALTERNATIVER COMPUTERVERNETZUNG

Die Art gegenwärtiger Beschränkungen politischer Tätigkeit innerhalb der GRÜNEN kann nicht durch Mailboxen überwunden werden.Technikeinsatz kann nur einen geringen Beitrag zur Lösung von Informations- und Kommunikationsproblemen der GRÜNEN leisten. Wenn ein GRÜNER Kreisverband unter schwindender Beteiligung der Mitglieder an den politischen Aktivitäten leidet, werden auch PC und Mailbox-Anschluß diesen Mangel nicht kompensieren oder beheben. Eine basisdemokratisch orientierte Partei lebt vom Engagement der Mitglieder an vielen dezentralen Orten. Fehlt dieses Engagement, kann es nicht durch ein Mailbox-Verbund der Kreis- und Landesverbände ersetzt werden. Engagement vor Ort kann erst zustande kommen, wenn Menschen an einem Ort zusammentreffen, sich sehen, miteinander sprechen, sich anfassen können. Ohne Gefühle, Vertrauen und Sich-Kennen wird keine Aktion laufen. Wenn es nicht zum Zusammentreffen der Leute kommt, kann auch die globale Kommunikation nicht die lokale menschliche Isolation überwinden. Mailbox-Verbünde können die Illusion schaffen, daß das elektronisch künstlich zusammengefügte Kollektiv eine wirkliche Gemeinschaft sei. Die eigentlichen Defizite liegen nicht in der "Fern-Kommunikation" sondern in der "Nah-Kommunikation".

Eine Datenvernetzung von Bundes-, Landes- und Kreisgeschäftsstellen der Partei sowie der Fraktionsbüros von Bund, Ländern und Gemeinden hat mit Sicherheit gravierende Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen diesen Institutionen. Kommunikationsstruktur, Informationsfluß und Organisationsstruktur hängen eng miteinander zusammen. Ein "Partei-Informations-System" würde bisherige Machtstrukturen innerhalb der Partei DIE GRÜNEN verändern und eine Auseinandersetzung innerhalb der GRÜNEN über die Arbeitsverteilung hervorrufen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einer stärkeren Zentralisierung da innerhalb eines solchen "PaIS" dezentral gesammelte Informationen sehr schnell in der Parteizentrale zusammengeführt werden können und andererseits die zentral getroffenen Entscheidungen schneller an dezentrale Stellen (Kreis- und Ortsverbände) gegeben werden können. Die informationelle Macht der Zentrale kann sich leicht vergrößern, die Gefahr besteht, daß sich über das Vehikel Datenvernetzung hierarchische Strukturen verstärken. Die Datennetz- Anwendungen für das Management einer autoritär-hierarchisch strukturierten Organisation wie Green-Peace können nicht als Vorbild für eine basisdemokratische Partei gelten. Die Computerisierung innerhalb der GRÜNEN würde grundlegende Organisationsentscheidungen aufwerfen, die nicht ohne eine genaue vorherige Untersuchung möglicher Konsequenzen, der Information der Partei und einer Diskussion über die Planungen eingeführt werden darf.

Als Argument für Computerisierung wird "Effektivitätssteigerung" angeführt. Die Effektivitätssteigerung militärischer, hierarchischer, zentralisitscher Organisationen durch digitalisierte Fernmeldesysteme ist weitgehend unbestritten. Die Verträglichkeit dieser Organisationsmittel mit Basisdemokratie und Organisationszielen der GRÜNEN hingegen darf entschieden in Zweifel gezogen werden. "Effektivitätssteigerung" bei den GRÜNEN bedeutet etwas anderes: wir glauben, daß die politische Produktivität der GRÜNEN nicht dadurch gesteigert wird, daß immer schneller, immer mehr Texte mit wenig Inhalt produziert werden, sondern unsere Ziele werden effizienter angestrebt, wenn eine Atmosphäre des sorgfältigen Abwägens, der Ruhe und Nachdenklichkeit geschaffen würde, wenn eine andere Streitkultur, ohne persönliche Herabsetzungen aber hart in der Sache gefördert würde. Ruhe und Gemächlichkeit in den Gedanken, Fairneß im politischen Streit, Offenheit und Verzicht auf Intrigen bringen mehr Zuwachs an politischer Effizienz als die Konzentration auf technische Hilfsmittel zur Geschwindigkeitssteigerung beim Datenaustausch.

Für die Angestellten in den GRÜNEN Institutionen würden sich bei der Computerisierung und telekommunikativen Vernetzung andere Arbeitsbedingungen ergeben, die sämtliche arbeitswissenschaftlichen Fragestellungen wie bei Bildschirmarbeitsplätzen in der gewerblichen Wirtschaft und öffentlichen Verwaltungen aufwerfen und daher eine vorbildliche Form des Mitentscheidungsrechts erforderlich macht. Im Zusammenhang mit evtl geplanten Einführungen von DV (Datenverarbeitung) und DFÜ (Datenfernübertragung) müßte durch die frühzeitige Information und Diskussion eine Beteiligung der Angestellten an der Planung (!) sichergestellt werden.

Würden Rundbriefe, Flugblätter, Faltblätter und andere papiergebundene Informationsträger durch elektronische Medien wie z.B. Mailboxen abgelöst, hätte das den Effekt, daß die Informiertheit vom Besitz eines Mikrocomputers (PC) und eines Mailboxzuganges abhängig würde. Wer bisher keinen PC benötigt, wäre gezwungen, sich einen anzuschaffen, um den Zugang zu Informationen sicherzustellen. Dies würde eine zusätzliche Bevorteilung von materiell und bildungsmäßig Privilegierten bedeuten, denn nicht jede/r kann sich einen PC leisten und nicht jede/r kann ohne weiteres einen PC und die mailbox-software bedienen. Zudem könnten die vorwiegend von Männern betriebenen und genutzten Mailbox-Systeme zu männlich geprägten elektronischen Informationsstrukturen führen, von deren Nutzung Frauen weitgehend abgeschreckt und strukturell ausgeschlossen würden.

Die Darstellung der Gefahren bedeutet nicht, daß wir uns der Problematik nicht stellen wollen. Wir werden daher die Nutzung von Mailboxen (besonders die mit alternativer Konzeption) kritisch problematische Konsequenzen aber auch positive Möglichkeiten hin untersuchen.

Der Vorteil von Datenfernübertragung beim Informationsaustausch im internationalen Bereich z.B.ist kaum bestreitbar. Die hohen Kosten, die durch telefonische Übermittlung von Berichten entstünden, können durch digitalisierte Textübertragung minimiert werden. Die Einrichtung solcher Möglichkeiten kann aber erfolgen, ohne die Frage nach einer Durch-Computerisierung der GRÜNEN überhaupt thematisieren zu müssen, da es sich nur um einige wenige Anschlüsse handeln würde.

Ziel unserer Stellungnahme ist es, zu einer Sensibilisierung gegenüber dem Thema Computerisierung beizutragen. Allzuwenig scheinen uns z.B. die Wechselwirkungen von Kommunikations- und Organisationsstrukturen beachtet zu werden. Unseres Erachtens müssen die Bewertungen verstärkt im Hinblick auf GRÜNE Wertvorstellungen vorgenommen werden. Darüberhinaus sollte reflektiert werden, daß wir es bei der Computervernetzung mit einer neuen gesellschaftlichen Infrastruktur zu tun haben, deren Gefahrenpotentiale ihrem Charakter einer Großtechnologie entspringen. Wir sollten nicht leichtfertig zur Schaffung von Verhältnissen beitragen, die wir eigentlich verhindern wollen.

BAG COMPUTER & MEDIEN, Roisdorf/Haus Wittgenstein, 10.12.89

LESERBRIEF (zur Mailboxdiskussion)

Im Mailbox-Artikel 3/89 hatte es u.a. geheißen: "..Udo Schacht-Wiegand, aus Hannover, der wirklich außerordentlich rühriges und geschicktes Marketing macht...". Udo Schacht-Wiegand hat diese Bemerkung geärgert und uns hierzu eine Stellungnahme zugeschickt, die wir ungekürzt abdrucken:

"In der Partei der Grünen ist ein heftiger Streit um "alternative" Mailboxnutzung entstanden, der auch meine Person betrifft. Da im Infodienst 3/89 der Eindruck erweckt wurde, dass ich die Mailbox-Vernetzung im Ökologiebereich überwiegend aus kommerziellem Interesse betreibe, zunächst ein paar Hintergründe zu meiner Person:

Ich bin seit etlichen Jahren in lokalen Greenpeace-Gruppen aktiv, und habe u.a. 1988 in der BI gegen den Hochemperaturreaktor mitgearbeitet. Ich bin Mitglied der Grünen und der GABL in Hannover. Z.Zt. studiere ich 'Biowissenschaftliche Dokumentation' an der Fachhochschule Hannover. Ich habe mich 1986 als Informationsvermittler selbstständig gemacht, um Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen Recherchen aus (Umwelt-)Datenbanken anbieten zu können. Durch die Beschäftigung mit der Datenfernübertragung bin ich bald auch auf Mailboxen gestoßen. Damals war eine Gruppe von Menschen (APOC = Association für politisches Computern), die für die Grünen im Bundestag die PARLAKOM-Studie erarbeitet hatten, in der GeoNet-Mailbox aktiv. Nach anfänglicher Euphorie mußten wir lernen, daß die Benutzung kommerzieller, zentraler Mailboxen für Bürgerinitiativen viel zu teuer ist. Ich war dann 1987/88 als freier Mitarbeiter für die ebenfalls kommerzielle CosmoNet-Mailbox tätig und konnte dort dieselbe Erfahrung machen.

Inzwischen war unabhängig davon Software entwickelt worden, die es jederman/frau ermöglichte, eine eigene Mailbox auf einem normalen PC zu betreiben und diese Mailboxsysteme auch noch untereinander zu vernetzen (d.h. vollautomatischer, billiger Nachrichtenaustausch). Ähnliche Software gab es zwar schon länger, aber nur in englischer Sprache. So entstand das "Zerberus-Netz" (Name der Software). Bald war der Kontakt zwischen den Zerberus-Entwicklern, zwei jungen Programmieren, und der Leuten der ehemaligen APOC-Gruppe hergestellt und auf dem Chaos Communication Congress 1988 wurde das COMPOST-Netz gegründet: COMPOST - Computerpost für Frieden, Umwelt, Menschenrechte. Ziel von COMPOST war und ist es, interessierte Gruppen und Einzelpersonen aus dem 'alternativen' Bereich in die Lage zu versetzen, das COMPOST-Netz zu nutzen und ihre eigenen Netze aufzubauen. Die Teilnahme an den Mailboxen im COMPOST-Netz ist in den meisten Fällen kostenlos oder kostet nur lächerlich geringe Gebühren um die Selbstkosten zu decken. Die Software, um eine eigene Mailbox aufzubauen, kostet regulär weniger als 400,- DM und wird Bürgerinitiativen ggf. sogar für ein weniger als ein zehntel dieses Betrages zur Verfügung gestellt. Die Vorstellung, durch Mailboxbetrieb das grosse Geld zu verdienen ist ziemlich abwegig. Den Betrieb des COMPOST-Netzes selber finanzieren die meisten Betreiber aus der eigenen Tasche.

Ich habe im Juni 89 an der ersten Diskussionrunde der BAG Computer & Medien zum Thema Mailboxen teilgenommen, und hatte den Eindruck, dass die Vor- und Nachteile ausgewogen zu Sprache kamen. Inzwischen habe ich erfahren, dass das Folgetreffen stattgefunden hat, ohne dass ich dazu eingeladen wurde. Um so befremdlicher sind die inzwischen erschienenen Beiträge von Mitgliedern der BAG, die das Thema unqualifiziert und einseitig in der Öffentlichkeit darstellen.

Nun noch einige Anmerkungen zu dem obigen Artikel:

- Konsumenten und Betreiber: Ziel einer Mailbox-Vernetzung ist es, gerade die Trennung zwischen Konsumenten und Betreiber aufzuheben. In einem Mailboxnetz, wie wir es planen, ist im Endeffekt jedeR TeilnehmerIn auch BeteiberIn, da jedeR seine/ihre eigene Mailbox bzw. Mailbox-System verwalten kann. Dieses ist bei vernetzten, dezentralen Mailbox-Systemen eben grundsätzlich anders als bei kommerziellen, zentralen Systemen oder bei Btx und anderen Kommunikationsdiensten (Teletex, Fax etc.).

- Grüne Mailboxbetreiber: Zwar gibt es noch keine 'grüne' Mailbox im engeren Sinne, aber es sollte doch auch dem Autor des Artikels nicht entgangen sein, dass viele den Grünen nahestehende Organisationen brennend daran interessiert und schon dabei sind, eigene Mailboxen und Datenbanken aufzubauen:

- Die Stiftung 'Leben und Umwelt' Niedersachsen plant ein größeres Mailbox- und Datenbankprojekt mit internationaler Anbindung.

- Das Oeko-Institut Freiburg betreibt bereits eine eigene Mailbox. Sie soll auch für das UdSSR-Datenbankprojekt eingesetzt werden.

- Der B.U.N.D., der DBV und das im Aufbau befindliche Datenbanksystem der Bremer Umweltberatung werden sich an COMPOST anschliessen.

- Dazu erreichen mich täglich Anfragen von Bürgerinitiativen und interessierten Einzelpersonen die an nationaler und internationaler Vernetzung interessiert sind.Im Ausland betreiben 'grüne' Gruppen längst ihre eigenen grossen Mailboxsysteme: PeaceNet (San Francisco), GreenNet (London), Nicarao (Managua), Alternex (Rio de Janeiro), FreadsNätet (Stockholm), Pegasus (Australien), Web (Toronto).

(Udo Schacht-Wiegand, Hannover)

Multikulturelle Öffentlichkeit: "29 Minuten und 41 Sekunden"

Bericht über die Fachtagung von BAG und AL am 9.12.89 in Berlin/West:

AL Berlin und BAG Computer & Medien der Grünen riefen und alle, alle kamen. Alle? Nun, die Resonanz bei den ausländischen MedienarbeiterInnen war riesig, denn die Gelegenheit, über multikulturelle Rundfunkarbeit zu sprechen ist selten in diesem Land. Allein es fehlten die deutschen DialogpartnerInnen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Die Mitglieder der Grünen in den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und noch mehr jene in den Aufsichtsgremien für den privaten Rundfunk hätten, wären sie dabei gewesen, eine Menge Erkenntnisse für ihre Arbeit mitnehmen können. Denn die allgemeine Medienentwicklung schlägt auch hier durch: Mehrheiten verdrängen Minderheiten; Nebenbeihören verleidet das Zuhören; Aktualität kommt billiger als Analyse. Geht es also den RedakteurInnen der "Ausländerprogramme" letzlich auch nicht besser oder schlechter als vielen anderen um Qualität bemühten KollegInnen ? Eben doch ! So verbreitete Evelyn Roll in der Süddetuschen Zeitung, daß bei der kürzlichen HR-Umfrage zur Vorbereitung der Hörfunkreform von 3299 Menschen kein/e einzige/r AusländerIn befragt wurde. Wen wundert es da noch, wenn die "Ausländerprogramme" des Hessischen Rundfunks ins Mittelwellenghetto abgeschoben wurden. Vielleicht wissen es auch die Menschen im Bremer Rundfunkrat nicht, daß ausländische MitbürgerInnen ebenfalls Rundfunkgebühren zahlen. Jedenfalls soll die Sendung "biz bize programi" zum 1.März 1990 eingestellt werden. Davis- und UEFA-Cup fordern halt ihren Preis !

Schon während der allgemeinen Bestandsaufnahme am Vormittag mußten die TagungsteilnehmerInnen mit bundesdeutschem Paß von liebgewonnenen Vorurteilen Abschied nehmen: Nicht die multikulturellen Sendungen, die allen gerecht werden sollen, stehen für die AusländerInnen im Vordergrund, sondern die muttersprachlichen Programme. Die jugoslawische Journalistin Aleksandra Brenetic brachte es auf den Punkt: "Muttersprache ist eines der wichtigsten Menschenrechte!". Zu ähnlichen Ergebnissen kam Gunnar Roters von der FU Berlin; bei einer Befragung der türkischen Bevölkerung habe er feststellen können, daß sogar bei der 2. und 3. Generation, der hier Geborenen, ein Bedürfnis nach Sendungen in türkischer Sprache bestehe. In ihrer Mediennutzung fände sich, wie bei der übrigen Bevölkerung auch, natürlich der Dudelsender RIAS 2, daneben wiesen aber auch die Türkischprogramme hohe Einschaltquoten auf. 87 % der Befragten würden türkische Programme vermissen, wenn es sie nicht mehr gäbe.

Bei den Referaten der MacherInnen von muttersprachlichen Programmen wird sehr schnell deutlich, daß es dabei um die Quadratur des Kreises geht. Aleksandra Brnetic stehen jedenfalls für ihr Vollprogramm, das der Information, Bildung und Unterhaltung dienen soll werktäglich genau 29 Minuten und 41 Sekunden zur Verfügung. Danach schmeißt sie der Computer der Sendeleitung unbarmherzig vom Sender. Dabei hat sie nicht nur die Ansprüche der Rundfunkgesetze unseres Landes zu berücksichtigen, sondern auch noch die Empfindlichkeiten im Vielvölkerstaat Jugoslawien selbst: 5 Republiken, 3 Weltreligionen, mehrere Amtssprachen und diverse Minderheiten. Wie Aleksandra Brnetic eventuelle politische Umwälzugen im Programm angemessen darstellen will, mag mensch da gar nicht mehr fragen. Eine kreative Lösung aus diesem Dilemma bieten 'mal wieder die innovativen Radiofreaks von Radio Dreyeckland (RDL) aus Freiburg an. Wie Redakteur Josef Dreier berichtet, stehe bei RDL das allgemeine Programm prinzipiell ebenfalls den muttersprachlichen Redaktionen offen. So seien die Redaktionen nicht in einem formalen Korsett eingeengt und darüber hinaus könne dem Wunsch der hier lebenden AusländerInnen nach Information gerade auch der deutschen Bevölkerung entsprochen werden. Ist das der multikulturelle Königsweg? Wenn dies kein Einzelfall bleiben soll, das machte diese Tagung grausam klar, dann bedarf es orginärer Sitze für AusländerInnen in allern Rundfunkgremien. Oder ist ein Deutschlehrer mit türkischer Nationalität in der "Lindenstraße" zuviel verlangt?

(Klaus-Jürgen Schäfer, Wolfenbüttel)

Material: Der Reader "Multikulturelle Öffentlichkeit. Medienöffentlichkeit und Medienzugang für ethnische Minderheiten" ist über die AL Berlin-Medienbereich, Badensche Str. 29, 1 Berlin 31 zu erhalten.

STRATEGISCHER ANSATZPUNKT: "TELEFON-NEBENSTELLENANLAGEN"

Unter dem unverdächtigen Titel "Telefon-Nebenstellenanlage" werden in den Kommunalverwaltungen ISDN-Anlagen eingeführt. Dies ist ein wichtiger strategischer Ansatzpunkt für kommunalpolitische Thematisierung des ISDN. Wenn in den Haushaltplänen die Position "Neue Telefonanlage" auftaucht, müssen für grün-alternative KommunalpolitikerInnen und PersonalrätInnen die Arlarmglocken klingeln, denn nach Einführung einer ISDN-NStAnlage kann an jeden hausinternen Telefonapparat auch ein Computer-Endgerät angeschlossen werden. Durch die Verkoppelung von kommunalen Datenverarbeitungszentren mit den Telefoncomputern können die Telefonanschlüsse ganz fix zum Ausgangspunkt für Bildschirmarbeitsplätze und Bürokommunikationssysteme gemacht werden. Wenn erst eine ISDN-Anlage eingeführt worden ist, dann brauchen nur Schritt für Schritt in den einzelnen Ämtern Terminals aufgestellt zu werden und die interne Datenkommunikation wird möglich.

Die ISDN-Nebenstellenanlage ermöglicht interne Computervernetzung, die bei der Fertigstellung des öffentlichen Post-ISDN mit einem Schlag den Durchschaltevorgang von einzelnen SachbearbeiterInnenplätzen ins öffentliche Netz ermöglicht. Das Ergebnis ist die überbetriebliche bzw. überbehördlich Vernetzung, der Datenaustausch von SachbearbeitInnenplatz zu SachbearbeiterInnenplatz über die Grenzen von Kommunalverwaltungen hinweg. Mit dem ISDN ist eine Verstärkung des Datenflusses in zentrale Landesbehörden zu erwarten, die darüber verstärkt in die kommunalen Vorgänge Einblick gewinnt und durch Landesgesetze eingreifen kann.

Die Einführung von ISDN-Nebenstellenanlagen in den Kommunalverwaltungen bieten einen guten Ansatzpunkt für den Einstieg in die ISDN-Diskussion, denn die grünalternativen ParlamentarierInnen können mit Stellungnahmen, Anfragen und Anträgen unmittelbar eingreifen. Mit dem Hinweis auf die eigenen Telefone in Fraktionsbüros bietet sich ein datenschutzrechtliches Vorgehen gegen die Nummernspeicherung an, wobei frühzeitig der Landesbeauftragte für den Datenschutz eingeschaltet (siehe den Fall ISDN im Hamburger Rathaus) und die Forderung nach einem unabhängigen kommunalen Datenschutzbeauftragten thematisiert werden sollte. Man stelle sich vor, am SachbearbeiterInnenplatz werden die Daten aus dem Speicher des kommunalen Rechenzentrums abgerufen und stehen auf dem Bildschirm, dann kann mit einer kooperierenden Stelle außerhalb telefoniert werden und bei Bedarf können die Daten dem Gesprächspartner sofort vom eigenen Bildschirm auf den seinigen übertragen werden, welch grandiose Möglichkeiten mißbräuchlicher "Amtshilfe" ergibt sich hier.

Dem Argument, es gäbe keine nicht-ISDN-fähigen Nebenstellen-Anlagen mehr, ist folgendes entgegenzuhalten: 1. hat z.B. die Stadt Göttingen ein solches Angebot erhalten, 2. werden solche Anlagen verstärkt angeboten, wenn sie in den öffentlichen Ausschreibungen explizit gefordert werden, denn dann müssen sich die Hersteller, die ja Geschäfte machen wollen, darauf einstellen. Sofern noch Konkurrenz auf dem Markt herrscht, werden einige Hersteller diese Marktlücke entdecken und bedienen. Dies würde einen Einbruch in die Herstellerpolitik bedeuten, die den Anwender zum Kauf von ISDN-Anlagen zwingen soll.

HAMBURG: BÜRGERSCHAFTSPRÄSIDENTIN TEILT BEDENKEN GEGEN ISDN

Im Hamburger Rathaus wurde Oktober 1989 eine "Hicom 300"- Anlage der Firma Siemens in Betrieb genommen. Bereits 1988 war die Einführung einer ISDN-fähigen Anlage beschlossen worden, allerdings versteckte sich die Einführung hinter dem Haushaltstitel "Erneuerung der Telefonanlage". Erst im Mai 1989 wurde auf einer Veranstaltung der Baubehörde klar, um was für eine Anlage es sich handelte. Die GAL-Fraktion versuchte daraufhin, über Kleine Anfragen etwas über die Anlage zu erfahren. Heraus kam, wie bei Kleinen Anfragen üblich nicht allzuviel. Wir erfuhren aber, welche Leistungsmerkmale geplant waren und bekamen schriftlich, daß der Senat nur den Ausbau im "voice-Bereich" plant. Da es uns nicht möglich war, die Installation zu verhindern, entschlossen wir uns, elementare Forderungen z.B. zum Datenschutz in Form eines Antrages in die Bürgerschaft einzubringen. Desweiteren teilten wir der Bürgerschaftspräsidentin unsere Bedenken mit und schalteten den Datenschutzbeauftragten ein. Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, daß weder die einführende Behörde, noch die betroffenen Angestellten und Beamten irgend eine Ahnung von der Brisanz ISDN-fähiger Nebenstellenanlagen hatten. Die Bürgerschaftspräsidentin stimmte den Bedenken der GAL-Fraktion in groben Zügen zu und es war zu erfahren, daß der Datenschutzbeauftrate stellte erhebliche Mängel feststellte, z.B. daß Hicom 300 nicht revisionssicher sei.

Der rege Schriftverkehr hat allerdings, bis auf einige Zusagen seitens der einführenden Behörde, noch kein reales Ergebnis herbeigeführt. Die Anlage wurde in das Stadium der Installation zurückdefiniert und wird z.Zt. modifiziert, während der Telefonverkehr schon über die Anlage läuft. Die endgültige Inbetriebnahme und somit auch die Überprüfung durch den Datenschutzbeauftragten, wird erst Anfang 1990 erfolgen.

Trotz der geschilderten Einschränkungen war die Aktion bis jetzt ein Erfolg, da sie die ISDN-Problematik erstmal thematisiert hat. Inwieweit wir unsere Forderungen letztlich durchsetzen können ist noch fraglich, wir haben aber eine Fülle von Forderungen entwickelt und Zusagen bekommen mit denen wir sehr gut weiterarbeiten können und auf die man bei ähnlichen Auseinandersetzungen in anderen Fällen zurückgreifen kann. Eine Forderung der Hamburger Bürgerschaftspräsidentin hat mich besonders gefreut, sie richtet sich nämlich gegen die Planung der Post, alle Verbindungsdaten zu speichern: "Es muß sichergestellt werden, daß Nebenstellen-Nummern unserer Anlage weder bei aus- noch bei eingehenden Anrufen von der Post erfaßt und gespeichert werden." (!)

Die wichtige Forderung , daß die Nebenstellenanlage nur an ein analoges Postnetz angeschlossen werden darf ist momentan leider etwas ins Hintertreffen geraten. Diese Forderung ist elementar, denn die Einführung einer ISDN-fähigen Nebenstellenanlagen wird im gesamten Bundesgebiet und West-Berlin forciert betrieben und stellt unseres Erachtens eine Einführung der ISDN-Technik durch die Hintertür dar. Die Probleme der Poststrategen, Kunden für ihr ISDN-Netz zu finden, werden durch die Installation von ISDN-fähigen Nebenstellenanlagen in den öffentlichen Verwaltungen kompensiert. "ISDN ist eine überzeugende Lösung, für die das Problem zur Zeit noch gefunden werden muß" sagte ein Mensch in der "ZEIT". Wenn sich die öffentlichen Verwaltungen ISDN-vernetzen lassen, dann erfüllen sie eine Vorreiterfunktion für die Marktöffnung. Finanziert mit Steuergeldern wird so ein wichtiger Beitrag zur Durchsetzung des ISDN geleistet. Um die Poststrategie zu durchkreuzen, muß die Forderung nach einem analogen Anschluß durchgesetzt werden, die Möglichkeiten der Hamburger GAL-Fraktion diese Forderung durchzusetzen scheinen mir jedoch gegenwärtig eher gering zu sein. Das Interesse an den Konflikten um ISDN-Nebenstellenanlagen zeigt jedoch, daß hier ein wichtiger Ansatzpunkt für Kritik und Gegenbewegung liegt.

(Uwe Jonas, Hamburg)

Material: Über unsere Aktivitäten in Hamburg haben wir eine Dokumentation erstellt, die den gesamten Schriftverkehr, den Text der Anfragen und Presseartikel enthält. Sie hat einen Umfang von 50 verkleinerten Seiten und ist für 3 DM erhältlich bei: Angelo Wehrli, GAL-Fraktion, Rathaus, 2000 Hamburg 1.

GÖTTINGEN: GAL/SPD-VEREINBARUNG ZU ISDN VOR DEM PLATZEN ?

Am 5.12.89 hat die GAL-Ratsfraktion Göttingen die im Folgenden dokumentierte Stellungnahme beschlossen:

"Im Gutachten, das die Stadt Göttingen vom Verband der Postbenutzer für 40.000 DM erstellen ließ, wurden drei Versionen von Telefonanlagen unterschieden. Zur Version I heißt es auf S. 9:

"Der Vorteil dieser Version besteht darin, daß es sich hierbei um eine seit mehreren Jahren im Einsatz befindliche Technik handelt, die jedoch den Nachteil hat, daß die Unteranlagen lediglich analog durchschaltend sind und somit auch in Zukunft als Zweitnebenstellen keine digitalen Endgeräte angeschlossen werden können. Das heißt, es könnten über die zwei vorhandenen Adern je Nebenstelle nicht gleichzeitig Sprache und Daten übertragen werden."

Die Stadtverwaltung hat sich wenig Mühe gemacht, Firmenangebote für einen solche Anlagenversion einzuholen und dennoch liegt ein Angebot für diesen Anlagentypus vor. Die monatlichen Wartungskosten für eine solche Anlage liegen niedriger als bei der ins Auge gefaßten ISDN-fähigen Anlage. Die Stadtverwaltung hat es versäumt, eine gezielte Ausschreibung für diese Anlagenversion durchzuführen. Diese hätte zum Ziel haben müssen, Angebote mit einem kostengünstigeren Einkaufspreis zu ermitteln. Bereits im Verwaltungsausschuß vom 24.4.1989 hat die GAL eine solche Neuausschreibung gefordert und diese Forderung Ende Juni 1989 wiederholt. Die GAL hatte in diesem Zusammenhang mehrfach darauf hingewiesen, daß sie der Anschaffung einer ISDN-fähigen Telefonanlage nicht zustimmen werde.

Die GAL hatte in den Vereinbarungen mit der SPD zum Haushalt 1989 die Sperrung der Mittel gefordert und die SPD hatte sich in einer schriftlichen Vereinbarung am 17.11.88 von der GAL darauf festlegen lassen, daß der Sperrvermerk nur "im Einvernehmen mit dem Gesamtpersonalrat und der GAL aufgehoben" wird. Dem Gesamtpersonalrat hat die GAL damit eine Einflußmöglichkeit geschaffen, nach der sich andere PersonalrätInnen in Niedersachsen die Finger lecken würden. Inzwischen liegt ein Entwurf des Gesamtpersonalrats für eine Dienstvereinbarung mit der Stadtverwaltung vor. Darin heißt es unter Punkt 2.: "Das im einzelnen beschriebene System der Anlage wird ausschließlich für den Fernsprechverkehr (Sprachkommunikation) und zur Erfassung der durch Amtsgespräche entstehenden Kosten eingesetzt." Wir unterstützen diese Forderung des Gesamtpersonalrates und stellen gleichzeitig fest, daß eine Anlage, die nur zum Telefonieren benutzt werden soll, nicht ISDN-fähig zu sein braucht.

Wir bleiben daher bei den mehrfach vorgetragenen Forderungen nach einer Neuauschreibung mit dem Ziel, kostengünstige Angebote für nicht-ISDN-fähige Telefonanlagen einzuholen und erklären zum wiederholten Male, daß die Fraktion der GAL der Anschaffung einer ISDN-fähigen Anlage nicht zustimmen wird.(...) Inzwischen deutet sich an, daß die SPD möglicherweise der Anschaffung einer ISDN-fähigen Anlage zustimmen wird. Dies wird nicht im Einvernehmen mit der GAL stattfinden und würde den eindeutigen Bruch des politischen Vertrages mit der GAL bedeuten. Im Falle eines solchen Vertragsbruchs seitens der SPD können Verhandlungsergebnisse mit der SPD als politisch unsicher und unzuverlässig angesehen werden. Gemeinsamen Vereinbarungen zwischen GAL- und SPD-Fraktion im Rat wären damit in Zukunft die Basis entzogen."

Als Zusatzinformation dürfte interessant sein, daß der Vorsitzende des Gesamtpersonalrates, Ulrich Käse (ÖTV/SPD) ab Januar 1990 seinen Posten abgibt und auf die Gegenseite, als Leiter der Organisationsabteilung im Hauptamt , überwechselt. Bleibt abzuwarten, ob er jetzt weiterhin für die Unterzeichnung seines Dienstvereinbarungsentwurfs eintreten wird.

Am 4.1.90 hat sich schließlich eine neue Situation ergeben, weil die Verhandlungen zwischen GAL und SPD zum Haushalt 1990 geplatzt sind. Ein Grund unter anderen dafür war die Haltung der SPD zur Telefonanlage. Allerdings bedeutet der Bruch zwischen SPD und GAL noch keinen Freifahrtschein in Sachen Telefonanlage für die SPD. Bereits vorher wurde Vereinbarung zwischen Gesamtpersonalrat und Stadtverwaltung abgeschlossen, eine Dienstvereinbarung zur Voraussetzung für eine neue Telefonanlage macht. Solange die Dienstvereinbarung nicht unterschrieben ist, würde die Freigabe der Mittel durch die SPD-Ratsfraktion zu großer Verärgerung des Personalrates führen. Der Gesamtpersonalrat seite an seite mit der GAL gegen die SPD-Ratsfratkion - das wäre dann doch zu peinlich für die SPD.

Material: Kontakt und Bestelladresse für die Dokumentation "ISDN-Blockade": GAL Ratsfraktion, Neues Rathaus, 3400 Göttingen, 0551/400-2785, die Dokumentation kostet 5 DM.

DDR: TELEFON-ABHÖRANLAGEN AUFGEDECKT

Im Dezember 1989 wurden in der DDR mehrfach die ehemaligen Stasi-Überwachungseinrichtungen bei der DDR-Post aufgedeckt und aufgelöst. Was alle wußten, wurde nun noch einmal handgreiflich bestätigt. Z.B. in Leipzig gab es eine Telefonabhör- und -aufzeichnungsanlage des Stasi, zu der ca. 2000 Telefonadern gelegt waren. In Anwesenheit von Mitgliedern des Leipziger Bürgerkomitees zersägte ein Beamter des Bezirksamts für Nationale Sicherheit den Kabelstrang. Angeblich sind alle aufgezeichneten Gespräche inzwischen vernichtet worden, die Anlage sollte bis Ende 1989 demontiert werden. (Nach SZ, 16./17.12.89)

Auf einer Pressekonferenz im Amt für Nationale Sicherheit in Gera bestätigten Geheimdienstoffiziere, daß die Briefpost kontrolliert worden sei, Telefongespräche wurden mitgehört und mitgeschnitten. Die Geraer SED-Zeitung "Volkswacht" meldete, daß die sogenannte Stelle 12 im Bahnpostamt Gera, die für die Postler nicht zugänglich gewesen sei, ihre Arbeit eingestellt habe. Die Stasi-Außenstelle im Magdeburger Hauptpostamt sei bereits am 18. November aufgelöst worden.(Nach SZ 13.12.89)

In der Zeitung "Freiheit" aus Halle vom 16.1.90 heißt es: "Fernsprechabhör- sowie Fernsprech- und Fernschreibaufzeichnungsanlagen befanden sich außerhalb der Dienststellen der Deutschen Post in Objekten des ehemaligen MfS bzw. in von diesem genutzten Einrichtungen. So gab es im ehemaligen Ministerium, in allen Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen derartige Einrichtungen.(...) Bis zum 31 Januar 1990 wird die gesamte Abhör- und Überwachungstechnik restlos demontiert sowie durch die Deutsche Post über deren weitere Verwendung entschieden."

Die Aufrüstung des DDR-Telefonnetzes scheint westdeutschen Politikern sehr am Herzen zu liegen; bei Kanzler Kohl fand dieses Thema sogar Erwähnung in der Regierungserklärung und auch SPD-Vogel machte sich auffallend stark für dieses Thema - von beiden wurde der Ausbau als "humanitärer Akt" hochstilisiert. Ein wesentlicheres Motiv im Hintergrund dürfte allerdings sein, daß bei der zu erwartenden Verstärkung wirtschaftlicher Beziehungen auch die Telekommunikations-Infrastruktur entsprechend vorbereitet werden soll. Darüber hinaus ist die DDR mit ca. 100 Telefonhauptanschlüssen auf 1000 Einwohner (gegenüber ca. 450 in der BRD) ein interessanter Markt für Telefon-Modernisierer. Wenn nun eine Modernisierung des DDR-Telefonnetzes stattfinden sollte, wäre zu hoffen, daß sich die DDR nach den schlimmen Erfahrungen mit dem Stasi nun gegen das Totalüberwachungssystem ISDN ausspricht.

WÄHLSCHEIBEN-TELEFONE STÖREN ISDN

Mit einer Sonderumtauschaktion will die Bundespost/Telekom endlich die Wählscheibentelefone aus dem Verkehr ziehen, die innerhalb des zukünftig geplanten ISDN störend sind, denn insbesondere mit den älteren Wählscheiben-Modellen können keine geeigneten Wählimpulse an eine ISDN-Vermittlungsstelle geschickt werden. Wählscheibentelefone sind somit ein kleines Sandkorn im ISDN-Planungs-Getriebe, da sie zusätzlichen Aufwand in den Vermittlungsstellen produzieren.

Bei der Post-Aktion werden Wählscheibentelefone kostenlos gegen Tastatur-Telefone eingetauscht. Seltsamerweise werden gerade die problematischen Wählscheibenapparate vom Umtausch ausgeschlossen, im Gehäuse einen Gebührenzähler haben. Diese Apparate, noch häufig bei WGs zu finden, haben die Eigenschaft, daß sie Wellen ("Kompromittierende Strahlung") aussenden, die mit einem Langwellen-Radio abgehört werden können. Das geht z.B. durch Wände und Decken hindurch. Im 10. Bericht des Bundesbeauftragen für Datenschutz (S.38) ist zwar nur von 2 m Reichweite die Rede, mit entsprechend empfindlichen Empfängern dürften jedoch auch in weiterem Abstand die Telefongespräche zu empfangen sein. Im Datenschutzbericht heißt es u.a.: "Die Deutsche Bundespost hat mir nach entsprechenden Untersuchungen diesen Sachverhalt bestätigt, einen generellen Austausch der Geräte jedoch abgelehnt.".

Protestiert man beim Personal der "Telefonläden", daß nur einfache Wählscheibentelefone ausgetauscht werden, nicht aber solche mit integriertem Gebührenzähler, obwohl die doch über Langwelle abgehört werden können, bekommt man zu hören, das sei ja auch bei der ersten Generation der Tastentelefone mit integriertem Zähler der Fall - das ist real existierender Zynismus.

Wer nun ein Wählscheibentelefon mit integriertem Gebührenzähler besitzt, steht nun vor der Frage, behalte ich mein Telefon als "Langwellen-Radiostation" oder schaffe ich mir ein ISDN-vorbereitendes Tastentelefon an. Wenn sich jemand für letzteres entscheidet, dann sollte er/sie gegenüber der Post wenigstens den kostenlosen Umtausch mit Hinweis auf die Abhörfähigkeit durchsetzen.

BÜROKOMMUNIKATON BEI BEHÖRDEN

Vom 30.11.-1.12.89 veranstaltete der Fachausschuß "Verwaltungsorganisation und Informatik" der Gesellschaft für Informatik (GI) in Mannheim eine Fachtagung zum Thema "Bürokommunikationssysteme in der öffentlichen Verwaltung". Gekommen waren hauptsächlich Praktiker (nur wenig Praktikerinnen) aus Kommunal-, Landes und Bundesverwaltungen, also Leute, die für die Technikeinführung in ihren Verwaltungen maßgeblich mitverantwortlich sind. Leider war von den Organisatoren (Prof. Klaus Grimmer, Forschungsgruppe Verwaltungsautomation an der Gesamthochschule Kassel u.a.) praktisch keine Zeit für Diskussionen vorgesehen worden, so daß die meisten Vorträge auf der Ebene von Absichtserklärungen und nicht hinterfragten Selbstdarstellungen blieben. Die Themenpalette: allgemeine Perspektiven der technikgestützten Informationsverarbeitung (TIV) in der Kommunalverwaltung, eine Marktübersicht über Bürokommunikations(BK)-Systeme, die niedersächsische Ministeriumsvernetzung BÜROMIN, das schleswig-holsteinische IKOTECH, Erfahrungsberichte mit BK-Systemen, ein Bericht über die Erhebung zur TIV in Kommunen, usw. Eindruck des Berichterstatters: man(n) ist zwar nach wie vor von der Technik begeistert, aber es sind auch z.T differenzierende Töne zu hören. Etwa:"TIV ja bitte, aber eingebettet in ein Organisationskonzept!", "Wir brauchen eine offene, d.h. hersteller-unabhängige Systemarchitektur!". Viele haben auch schon Erfahrungen damit gemacht, daß sie doch nicht alles, was sie haben wollen, bezahlt bekommen.

Trotz der Erfahrungen sind lt. einer Studie der "Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung" (KGSt) 50% aller Kommunen ohne jedes TIV-Konzept - was sie aber nicht daran hindert, die Arbeitsplätze technisch hochzurüsten: der Sättigungsgrad der Technisierung mit Endgeräten jenseits des Telefons soll von heute 22% bis zum Jahr 2000 auf 78% aller Büroarbeitsplätze gesteigert werden! Diese Studie wartet mit durchaus interessanten Ergebnissen auf: so wurde auf die Frage, welche Gründe eine Technikeinführung verhindern würden, an erster Stelle genannt:"Wenn der Bürgerservice dadurch schlechter wird", aber an letzter Stelle: "Wenn die Mitarbeiter nicht einverstanden sind" !! Auf die Frage nach Gründen für "Restriktionen beim Übergang in die TIV" werden genannt (in dieser Reihenfolge): Finanzen (87%), qualitative Personalausstattung (65%), (...), Personalratspolitik (23%),(...),politische Kräfteverhältnisse im Gemeinderat (15%). Die geringe Bedeutung des letzten Grundes wirft ein bezeichnendes Licht auf den breiten High-Tech-Konsens in den Rathäusern. Als Fazit ihrer Erhebung unter den Kommunen kritisiert die KGSt die ausgeprägte Technikzentriertheit der Kommunalverwaltungen. Solch mahnende Stimmen aus gewiß nicht technikkritischem Munde interessierte allerdings so manche Herren kaum. So z.B. Dieter Röben, beim Niedersächsischen Innenministerium zuständig für BÜROMIN, das Bürokommunikationsprojekt in und zwischen den Ministerien. Deren "Infrastrukturansatz", der irgendwie auch auf die Einbindung der Stadtverwaltung Hannover in die Ministeriumsvernetzung unter dem Namen "KOMNET" und die Vernetzung der gesamten Landesverwaltung unter dem Namen "TELENET" zielt, bedeutet nichts anderes, als daß man(n) noch nicht weiß, wofür das Ganze gebraucht werden soll. Ganz offen sprach Röben dann auch von "einem Konzept zur flächendeckenden und aufgabenunabhängigen Unterstützung allgemeiner Verwaltungsfunktionen."

Der Begriff "Bürokommunikation" schien in Mannheim alles andere als eindeutig zu sein. Während ein Referent seinen Vortrag mit "die beste Bürokommunikation ist die offene Tür" begann und Bk nur als eine Technik unter vielen verstanden wissen wollte ("wichtiger sind Anwendungsprogramme!"), ist für viele Bk an sich der Fortschritt im Büro. Technisch werden unter Bürokommunikation vor allem folgende Funktionen zusammengefaßt: Textverarbeitung, Versand/Empfang von Kurzmitteilungen, Kalender/Notizbuch, Versand von Textdokumenten/ Grafik/Tabellen, elektronisch gestützte Registratur, u.ä.. Technischer Gag u.a.: die gleichzeitige Darbietung von Text, Bild, Daten und Sprachanmerkungen. Als zentral für den "Erfolg" von Bürokommunikationssystemen in der öffentlichen Verwaltung erachtet, aber technisch noch nicht gelöst, gelten folgende Anforderungen: Unveränderbarkeit der Originale, Unterscheidbarkeit Original/Kopie, elektronische Unterschrift, unverwechselbare und unveränderbare Kennungen, etc.

Abgesehen von den technischen Problemen wurde auch auf die übliche Liste der Einführungsstrategien eingegangen: Personalrat früh einbinden, Mitarbeiter motivieren, für ständige Weiterbildung sorgen, usw. . Die Erkenntnis der "Notwendigkeit eines umfassenden Organisationskonzeptes" bei TIV führt z.B. bei der Stadt Mannheim dazu, daß sie für jeweils 30 Mitarbeiter je einen DV-Organisator bereitstellen will.

Die einzigen aus dem Rahmen fallenden Referenten waren Heinzpeter Höller und Prof.Dr. Herbert Kubicek (IKÖ und Uni Bremen), die "selbststeuernde Arbeitsgruppen" mit entsprechend angepassetem Technikeinsatz vorschlugen und damit offenbar auf einen Nerv trafen: bei kaum einem anderen Thema waren die Reaktionen so gespalten.

Fazit also: Die Technikverantwortlichen in der öffentlichen Verwaltung sind zwar noch fast ungebrochen technikzentriert, aber im Laufe der Jahre wohl etwas pragmatischer geworden. Was den Grad der Technisierung angeht, so will man hoch hinaus (siehe den angestrebten 78%-igen Sättigungsgrad der Büroarbeitsplätze). Nur wird jetzt z.T. etwas realistischer vorgegangen, also in ihrem Sinne durchaus erfolgversprechender.

(Dirk Bethe, Heidelberg)

Material: Veröffentlichungen der "Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt)", Lindenallee 13-17, 5 Köln 51, Tel.: 0221/376890 (Die KGSt ist quasi das Bundes- Rationalisierungsinstitut für die Kommunalverwaltungen)

MOBILFUNK-GEWINNER: MANNESMANN AG

Ein "Lenkungsausschuß" unter der Leitung von Erhard Kantzenbach, des ehemaligen Vorsitzenden der Monopolkommission, hatte das Konsortium um Mannesmann als Betreiber des privaten Mobilfunks vorgeschlagen. Schwarz-Schilling versuchte noch, den Konsortien von Mannesmann, BMW und MAN gemeinsam die Lizenz zu geben, scheiterte damit aber und mußte schließlich den Vorschlag des Lenkungsausschusses bestätigen. Für das BMW-Konsortium hat es nur zum 2ten Platz gereicht und der Postminister tröstete mit dem Hinweis, daß ja demnächst noch andere Lizensen zu vergeben seien.

Dem Konsortium in dem Mannesmann 51% hält, gehören die Deutsche Genossenschaftsbank mit ihren Volks- und Raiffeisenbanken, die Pacific Telesis (USA/Mobilfunknetz), die britische Cable & Wireless (GB/digitaler Telefonverkehr) und die französische Lyonnaise des Eaux an.

Unter dem Dach der Mannesmann AG selbst, die ca. 20 Mrd DM Umsatz macht, sind u.a. Rexroth (2,7 Mrd), Hartmann & Braun (1 Mrd), die Mannesmann-Kienzle GmbH (1,6 Mrd) versammelt. Die Mannesmann-Kienzle GmbH ist im Bereich der Computersysteme für Behörden, Bankenautomation, Betriebsdatenerfassungssysteme, Fahrtenschreiber, Taxometer und Tankstellenautomaten aktiv. 1986 wechselte Norbert Szyperski vom Vorsitz der GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung) auf den Chefsessel der Mannesmann-Kienzle GmbH Villingen-Schwenningen.

Mitentscheidend für die Vergabe der Mobilfunk-Lizens war offiziellen Angaben zufolge, daß dem Mannesmann-Konsortium keine Hersteller von Mobilfunk- Endgeräten oder wichtigen Systemkomponenten für den Mobilfunk angehören. Die Robert Bosch GmbH z.B. wurden von vorneherein als Bewerber überhaupt nicht zugelassen, weil sie mit der Mobilfunklizens in der Hand eine marktbeherrschende Stellung gewonnen hätte. Allerdings ist das die reinste marktwirtschaftliche Augenwischerei, denn zwischen Mannesmann und Bosch bestehen enge strategische Verbindungen. Spitzenmann von Bosch, Marcus Bierich war früher Finanzchef von Mannesmann. Beide Unternehmen haben bis 1988 zusammen die Mehrheit der Nachrichtentechnik GmbH ANT (ehemals AEG Telefunken) gehalten. Dieses Unternehmen peilte schon 1985 den Mobilfunk als Geschäft der Zukunft an: "Überdurchschnittliches Wachstum für das Unternehmen, das von Bosch und Mannesmann paritätisch geführt werde, sieht Weber (Gesch.führ.vorsitz.ANT) in der Satellitentechnik, vor allem aber in der mobilen Kommunikation: Vor einigen Jahren noch hatte z.B. das Konsortium ANT/BOSCH einen der beiden, von der Bundespost vergebenen Aufträge für einen ersten Mobilfunk-Betriebsversuch erhalten. Der digitale Mobilfunk, sagte Entwicklungs-Geschäftsführer Theodor Pfeiffer damals,(...) werde von 1990 an große Bedeutung erlangen." (Süddt.Z.24.9.1985) Mannesmann und Bosch wußten schon damals genau was sie 1990 wollen. Mannesmann gab seinen 40,8%igen ANT-Anteil 1988 an Bosch ab und konnte schuf damit die Voraussetzung, die Mobilfunklizens zu erhalten. Da sich ANT aber schon 1986 als Marktführer bei technischen Ausstattungen für den Mobilfunk fühlte, wird es bald wieder zu praktischer Zusammenarbeit zwischen ANT und Mannesmann kommen. Von Bosch kann zusammen mit der Bosch-Tochter Blaupunkt, der Bosch-Tochter Telenorma und ANT (81,6% Bosch-Anteil) der Markt für die mobile Datenkommunikation rund ums Auto mit allen Systemkomponenten und Endgeräten erschlossen erschlossen werden. Es hat nur noch die Mobilfunk-Lizens gefehlt und die hat jetzt der langjährige Kooperationspartner Mannesmann.

Im Hintergrund werden bereits Fäden für einen noch weitergehenden Ausbau dieser Verflechtungen gezogen. Lt. Spiegel gab es Überlegungen der gemeinsamen Hausbank von Mannesmann und Nixdorf für einen Zusammenschluß der beiden Firmen. Diese Überlegung wird nun erst dann zum Zuge kommen, falls der kartellrechtlich gewagte Zusammenschluß von Siemens und Nixdorf nicht genehmigt werden sollte. Dazu muß man wissen, daß der langjährige Topmanager der Robert Bosch GmbH Hans L. Merkle (76), der in Wirtschaftsmagazinen auch den Beinamen "Gottvater" trägt, seit einigen Jahren Aufsichtsratvorsitzender der Deutschen Bank ist.

Das von Bosch geführte Unternehmen ANT hat in guter alter AEG-Telefunken-Rüstungstradition bereits Großaufträge der Bundeswehr auf diesem Bereich ausgeführt, aber damit nicht genug, nun soll auch offensichtlich die militärische Komponente des Mobilfunks, der ja entscheidende Bedeutung für militärische "Kommando, Kontroll- und Kommunikationssysteme" hat, weiter ausgebaut werden. Nach einem Bericht der Süddt.Zeitung vom 22.12.89 kauft Mannesmann sich mit 71% Anteil am Grundkapital in das Rüstungsunternehmen Kraus-Maffei ein (vorbehaltlich der kartellrechtlichen Bestätigung): Kraus-Maffei ist Hersteller des High-Tech-Panzers "Leopard".

Der Mobilfunk-Zuschlag an Mannesmann verliert auf dem Hintergrund dieser Informationen den Charakter einer "ausgewogenen marktwirtschaftlichen, mittelstandsfreundlichen Entscheidung" und macht deutlich, daß er Ausdruck einer strategischen Unternehmensverflechtung incl. rüstungspolitischer Interessen ist.

WOCHENZEITUNG "DIE GRÜNEN" MIT ABGEWANDELTEM APPLE-SYMBOL

Die Wochenzeitung "DIE GRÜNEN" ist eine eigenständige GmbH und gehört nicht zur Partei DIE GRÜNEN, führt gleichwohl den selben Namen, Sonnenblume und "ökologisch, sozial, basisdemokratisch, gewaltfrei" im Untertitel. Das hat nach Auskunft des Verlags historische Gründe, sie war vor der Partei gegründet worden (von August Haußleiter); das Sonnenblumenemblem wie auch der Titel können rechtlich geschützt verwendet werden. Bei der neuesten Ausgabe im Dezember hat sich nun ein neues Symbol hinzugesellt: ein grüner apple, der angebissen ist. Unterschied zu dem Markenzeichen des Computerherstelles apple: grün und an der anderen Seite angebissen.

Im Vergleich dazu sei daran erinnert, daß die kritische Zeitschrift CHIPS und KABEL einen Prozeß angedroht bekommen hat, weil angeblich eine Verwechslung mit der Zeitschrift CHIP möglich gewesen wäre. Im Fall der Wochenzeitung DIE GRÜNEN dürfte sich die betroffene Firma für die Symbolwerbung eher bedanken.

VERLEIHUNG DES BAG-PREISES 1989

Preisträgerin 1989 ist die Heidelberger Initiative "TelekommunikAktion". Die Entscheidung zur Verleihung des Peises an die "TelekommunikAktion" wurde von der dafür zuständigen IuK-Gruppe der BAG einmütig auf der Sitzung am 9.12.89 in Haus Wittgenstein beschlossen.

Ursprünglich bestand die Idee darin, ein Hackerpreisausschreiben der BAG COMPUTER & MEDIEN zu veranstalten, das mit der Verleihung eines "Goldenen Hackebeils" und eines Geldbetrag verbunden war. Ziel dieses ersten Vorschlages war es, den Kriminalisierungskampagnen, denen die Hacker ausgesetzt sind entgegenzuwirken. Dieses Vorhaben stieß auf mehrere Probleme. Zum einen wollten viele Hacker nicht als "Hacker" gelten, gerade aus Angst vor Kriminalisierung, so daß der Preis an eine anonyme Person hätte verliehen werden müssen, zum zweiten kam innerhalb der BAG das Argument, daß in der männlich dominierten Hackerszene zuviel unkritischer Technikfanatismus verbreitet sei. Die Überlegung, mit einer Preisverleihung gerade die "Hacks" hervorzuheben, die wie z.B. der BTX-Sparkassen-Hack des Chaos-Computer-Clubs auf die Gefährdungspotentiale hinweisen, die die Computersystembetreiber zu verantworten haben, führte nicht zum Konsens innerhalb der BAG. Ein weiteres Gegenargument war, daß die Publizität von Hacker-Aktionen als Legitimation für den Ausbau des Computer-Sicherheitsstaates dient und gegenwärtig der Ausbau einer Super-Überwachungsbehörde für den Computerbereich seitens des Innenministeriums propagiert wird,angeblich als Reaktion auf Hacker, in Wirklichkeit aber eher so etwas wie ein bundesdeutscher "NSA" (National Security Agency) geschaffen werden soll, der umfassende Überwachungsaktivitäten in Computernetzen entfalten wird - Offizielle Bezeichnung: "Zentralstelle für Computersicherheit".

Stattdessen wurde nun ein Preis ausgeschrieben mit dem "besondere, sozial verantwortliche Aktivitäten im Bereich der IuK-Techniken" gewürdigt werden sollen, die "Mißbrauchsfälle und Gefährdungspotentiale" aufdecken. Bei der Suche nach preiswürdigen Personen oder Institutionen kam nun der Vorschlag, den Betriebsrat der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) dafür auszuzeichnen, daß er in einem betrieblichen Konflikt um eine ISDN-Nebenstellenanlage die Gefährdungspotentiale ins öffentliche Bewußtsein gerückt hatte. Die Überprüfung dieses Falles ergab, daß damit auch Werbung für eine Dienstvereinbarung gemacht würde, die Betriebsrat und GMD-Geschäftsleitung abgeschlossen haben, der es u.E. aber an Konsequenz und Umsetzbarkeit mangelt. Damit wären nur die Illusionen in die Regelbarkeit der Gefährdungspotentiale von ISDN-Nebenstellenanlagen verstärkt worden. Dieser Fall wurde deshalb nicht mehr für die Preisverleihung in Betracht gezogen.

Ein weiterer Vorschlag zur Preisverleihung lief darauf hinaus, jemanden auszuwählen, der/die innerhalb der Gewerkschaften wegen ihrer kritischen Position eine Reihe von Ausgrenzugen und Ärger ertragen muß und dennoch zäh an der Kritik von Computerisierung und Verdatung festhält. Allerdings, so die Überlegung, hätte die Preisverleihung durch eine Bundesarbeitsgemeinschaft der GRÜNEN das Schicksal dieser Person innerhalb der Gewerkschaften nicht unbedingt erleichtert, sondern wäre vielleicht Anlaß zu noch schärferer Ausgrenzung gewesen. Diese Schlußfolgerung beschreibt natürlich einen sehr unbefriedigenden und nicht zu akzeptierenden Zustand, daher wollen wir diese Möglichkeit nicht völlig außer Acht lassen und einen solchen Fall nach weiterer Prüfung für die folgenden Jahre ins Auge fassen.

Nach den beschriebenen Umwegen haben wir dann das Naheliegende gewählt und den Preis 1989 an die Heidelberger Initiative "TelekommunikAktion" vergeben. Der Vorschlag war auf einhellige Zustimmung getroffen, weil bekannt ist, mit welchem Aufwand an persönlicher Freizeit und Fleiß diese Gruppe 1989 daran gearbeitet hat, die kritische Gegenbewegung zur Telekommunikations-Gesellschaft zu sammeln und zu (re-)aktivieren. Diese Gruppe genießt das Vertrauen der BAG und wir konnten davon ausgehen, daß der mit 1000 DM dotierte Preis vollständig einem sinnvollen politischen Zweck zugeführt wird.

FIFF: ISDN-ARBEITSKREIS DOCH NICHT AUFGELÖST

Gestützt auf die Information eines Besuchers der FIFF-Jahrestagung (6.-8.10.89) hatten wir berichtet, daß sich die "ISDN-Koordinationsgruppe" des FIFF aufgelöst habe. Auf Nachfrage bei Hans Rupp, der den Arbeitskreis koordiniert, haben wir folgende Stellungnahme erhalten: "Die Meldung in Nr. 3/89 der C&M, daß sich der FIFF-ISDN-AK aufgelöst habe, ist falsch. Auf der letzten Jahresversammlung in Frankfurt hat der AK lediglich beschlossen, bis auf weiteres auf bundesweite Treffen zu verzichten. Der AK bleibt jedoch nach wie vor bestehen und soll v.a. dem Informationsaustausch dienen. Er hat z.Zt. 18 Mitglieder.

Kontakt:FIFF-ISDN-AK c/o Hans Rupp, Fr.-Merz-Str.32,6101 Groß-Bieberau 2 06166/8039

GROBE CHECKLISTE BEI ALTERNATIVEM COMPUTEREINSATZ

Aufgrund der konkreten Anfrage einer grünen-nahen Institution bei der BAG COMPUTER & MEDIEN, ob sie einen Kriterienkatalog für die Einführung von Computern in grün-alternativen Organisationen bereithalte, wurde folgende Mitteilung verfaßt:

Pauschale Kriterienkataloge reichen nicht aus, jeder Einzelfall hat seine besonderen Aspekte und sinnvollerweise müssen für jeden Einzelfall zunächst einige Grundfragen geklärt werden:

1. Welche Ziele hat die Organisation, innerhalb deren DV eingeführt werden soll ?

2. Welche Organisationsstrukturen, interne Kommunikationsstrukturen und Kommunikation mit externen Stellen sind mit den Werten und Normen der Organisationsziele verträglich/erwünscht ? Hierzu gehört auch die Frage, was den Angestellten zugemutet wird, welche Leitungsorganisation gewählt wird, wie demokratische Kommunikationsstrukturen aufgebaut werden, welche Einflußmöglichkeiten externen Basis-Initiativen zugedacht werden etc..

3. Welche DV-Konfigurationen, welche Anwendungssoftware sind sowohl mit den Organisationszielen und gewünschten Organisationsstrukturen/Kommunikationsstrukturen/Arbeitsorganisationsformen verträglich ?

Die Beantwortung der Fragen setzen genaue Kenntnisse der Organisation wie auch der technischen Möglichkeiten der DV voraus. Im grün-alternativen Bereich sind bei den organisationsleitenden Wertvorstellungen z.T. bewußte Technikbegrenzungen gefordert, oder es werden versuchsweise Installationen für sinnvoll erachtet, die eine Überprüfung der Folgewirkungen ermöglichen sollen.Allerdings können nicht nur organisationsspezifische Fragstellungen den Ausschlag geben, sondern auch die Berücksichtung gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge. Als grobe Checkliste könnten folgende Punkte dienen:

1. Keine ISDN-Telefonnebenstellenanlage. Hiergegen gibt es im Kommunalbereich eine Auseinandersetzung im Rahmen einer allgemeinen Kampagne gegen das ISDN-Telefonnetz.

2. Keinen BTX-Anschluß, es gibt die BTX-Boykotterklärung von Initiativen, Grünen, gewerkschaftlichen Gruppen

3. Intern: keine Personalinformationssysteme (ist bei dem relativ kleinen MitarbeiterInnenkreis sowieso nicht nötig)

4. Strengste Auswahl der Bildschirme (und Monitor-Software) nach Flimmerfreiheit, Abstrahlung, Reflexion, individuelle Verstellbarkeit, Belüftung, Geräusche, radioaktiver Strahlung (Das kann allerdings ins Geld gehen !)

5. Keine Arbeit von Schwangeren vor den Bildschirmen, Augenuntersuchungen der an Bildschirmen Beschäftigten (bestimmte Brillen dürfen nicht bei der Bildschirmarbeit benutzt werden)

6. Es dürfen keine reinen Bildschirmarbeitsplätze eingerichtet werden, z.B. Stellen ausschließlich für die Texterfassung am PC.

7. Einrichtung der Stelle einer internen Datenschutzbeauftragten.

8. Keine Betriebsdatenerfassungssysteme (elektronische Zeiterfassung, Protokollierungen bei der Texterfassung etc.)

9. Keine PC-Vernetzung, sondern ausschließlich Einzellösungen, die für ein klares Aufgabengebiet definierte Insellösungen darstellen.

10. Keine Hierarchisierung über die DV-Bedienung, indem einige Leute als Spezialisten organisatorische Entscheidungen in der DV-Planung versteckt durchsetzen. D.h. Ausbildung aller Beschäftigten an den eingesetzten Geräten.

11. Äußerste Zurückhaltung bei der Verarbeitung von Adressdaten, und gegenüber personenbezogenen Datenbanken. Auf strengste Weise die Zustimmungspflichtigkeit einhalten, Personendaten nur für den Zweck benutzen, dem die Betroffenen zugestimmt haben, d.h. keine Mehrfachnutzungen !

Zum Zwecke der Erstellung eines detaillierteren Kriterienkataloges erscheint uns eine gemeinsame Tagung mit VertreterInnen alternativer Technik-Beratungsfirmen, DV-AnwenderInnen/BedienerInnen aus dem Alternativbereich überlegenswert zu sein. Konkretere Planungen hierzu gibt es bislang nicht, wenn sich jedoch genügend Interessierte finden, könnte ein solches Projekt von der BAG durchgeführt werden.

WER HAT "URBI ET ORBI" AUF VIDEO ?

Weihnachten ist schon lange vorbei und wer die Fernsehübertragung des päpstlichen "Urbi et Orbi"-Segens nicht sah, hat eben Pech gehabt - nein halt !: Schon 1985 hat der "Großpönitentiar" der katholischen Kirche, Kardinal Luigi Dadaglio erklärt, daß auch ein über Fernsehen oder Rundfunk übertragener Segen des Papstes oder eines Bischofs Gültigkeit besitze. Sogar ein "Ablaß", der mit diesem Segen verbunden sei, habe Gültigkeit. Die "Apostolische Pönitentiarie" ist ein vatikanischer Gerichtshof, der über das "Ablaßwesen" zu entscheiden hat und eben diese Institution sah sich zu einer Entscheidung gezwungen nachdem verschiedene Bischofskonferenzen nachgefragt hatten, ob ein Segen auch per Fernsehübertragung wirksam sei. Schon 1985 hat der "Großpönitentiar" der katholischen Kirche, Kardinal Luigi Dadaglio erklärt, daß auch ein über Fernsehen oder Rundfunk übertragener Segen des Papstes oder eines Bischofs Gültigkeit besitze. Sogar ein "Ablaß", der mit diesem Segen verbunden sei, habe Gültigkeit. Die "Apostolische Pönitentiarie" ist ein vatikanischer Gerichtshof der für das Ablaßwesen zuständig ist.

Wer so einen Segen inclusive Ablaß erhalten will, muß also entweder persönlich vor Ort sein, oder sich die Sache im Fernsehen angucken. Aber was tun, wenn einem Sozialhilfeempfänger der Fernseher kaputtgegangen ist, muß der ohne Segen bleiben ? Genau das ist zu befürchten, denn 1984 hat die erste Kammer des Aachener Verwaltungsgerichts gegen die Klage einer Sozialhilfeempfängerin entschieden, die vom Sozialamt 150-200 DM zur Reperatur ihres Fernsehers haben wollte, denn ein Fernsehgerät gehöre nicht zum notwendigen Lebensunterhalt (Az: 1 K 1291/83).

Nun erhebt sich folgende Frage: Hat irgendjemand vielleicht zufällig ein paar Segen und Ablässe auf Video aufgenommen ? Dann könnte man die Video-Segen z.B. den Urbi et Orbi vom Papst denjenigen zur Verfügung stellen, die nicht anders drankommen. Es ist aber nicht sicher, ob der Segen auch über Video gültig ist, denn dann könnte sich jemand ja unaufhörlich segnen lassen und dauernd einen Sündenablaß kassieren. Dasselbe Problem haben wir mit dem kleinen Segen des Pfarrer van der Brule aus Breitenberg, wenn der auf Tonträger aufgezeichnet wird, falls der überhaupt bei Funkübertragungen gültig ist, denn der Vatikan hat ja nur von der Gültigkeit päpstlicher und bischöflicher Segen gesprochen. Evtl. gibt es entsprechend der Hierarchie kirchlicher Würdenträger eine gestaffelte Funk- und Fernsehreichweite bezüglich ihrer Gültigkeit?

Zum Schluß nochmal die Bitte: Wer Urbi et Orbi auf Video hat bitte bei der Redaktion von COMPUTER & MEDIEN melden.

PIRATENSENDER IN BREITENBERG FUNKT WEITER

Der katholische Pfarrer Jan van der Brule aus Breitenberg/Kreis Göttingen hatte seine eigene Methode gefunden, wie er seinen kleinen Segen in der Gemeinde verbreitet: er betrieb viereinhalb Jahren einen Piratensender den er selbst gebaut hatte und mit dem er Funkübertragungen aus der Kirche heraus vornahm. Zwar hat ihm der Bischof das Funken verboten und er ist vom Duderstädter Schöffengericht bereits zu Zweitausendvierhundert Mark Strafe verurteilt worden, aber den Sender haben die Fahnder noch nicht gefunden. Der Pfarrer meinte, daß die schon die Kirche Stein um Stein abtragen müßten, um den Sender zu finden, die mehrfach beschlagnahmten Sender seien nur Attrappen gewesen. Inzwischen wird munter weitergefunkt während Pfarrer van der Brule seine Hände in Unschuld wäscht, denn, so war im Göttinger Tageblatt vom 24.1.90 zu lesen: "Der Pfarrer habe längst die Gewalt über den Sender verloren, sagt der Vorsitzende des örtlichen Kirchenvorstands, Georg Borchard - allerdings nicht an eine überirdische Kraft, sondern an die moderne Technik der Fernsteuerung. Theoretisch kann jeder Katholik des Dorfes per Knopfdruck die Übertragung ermöglichen. Insgesamt fünf Fernsteuerungen sind derzeit in Breitenberg im Umlauf, wie zu erfahren war. Sie werden von Hand zu Hand weitergereicht."