GRÜNE fordern Bürgerbeteiligung
vor Abbau von Tempo 30 - Zonen
17.2.04 / Mit einer Ratsinitiative möchte
die GRÜNE-Ratsfraktion eine vorherige Bürgerbeteiligung im Falle von weiteren
Rücknahmen von Tempo 30-Zonen erwirken. "Die Unterschriftensammlungen
und Protestschreiben der Anwohner demonstrieren deutlich, dass eine rückwärtsgewandte
Verkehrspolitik in Göttingen keine Zukunft hat", so der verkehrspolitische
Sprecher der GRÜNEN Ulrich Holefleisch. Nach dem Willen der GRÜNEN sollen
künftig vor weiteren Rückbaumaßnahmen sog. Einwohnerversammlungen (§ 62
III Nds. Gemeindeordnung) stattfinden. Mit einer "Salami-Taktik"
habe Oberbürgermeister Danielowski (CDU) quasi "Häppchenweise"
den Rückbau von Tempo 30-Zonen hinter dem Rücken der Betroffenen vorangetrieben.
Eine lange Liste weiterer Straßen in denen Tempo-30-Zonen abgebaut werden
sollen, sei von der Verwaltung erstellt worden. Bisher hätten die Anwohner
der betroffenen Straßen und die Politik erst mit dem Abmontieren der Tempo-30-Beschilderung
vom Vorgehen der Stadtverwaltung erfahren. "Wenn der Oberbürgermeister
mit seiner Verkehrspolitik reinen Gewissens ist, sollte er die Meinung
der Betroffenen nicht scheuen", so Holefleisch. Bei den vorausgegangenen
"Verkehrsschauen", d.h. der Begutachtung der Tempo 30-Zonen
vor Ort, sei lediglich die Autofahrerlobby in Form des ADAC durch die
Stadtverwaltung zu Rate gezogen worden. Eine Einsichtnahme in die Akten
der Stadtverwaltung durch Holefleisch ergab, dass betroffene Anwohner,
die Beiräte für Behinderte- und Senioren, der Kinderschutzbund oder alternative
Verkehrsverbände wie der ADFC oder VCD nicht in die Verkehrsschau einbezogen
wurden. Wären alle relevanten Akteure bei der Begutachtung hinzugezogen
worden, wäre nach Meinung der GRÜNEN das Ergebnis der Verkehrsschauen
anders ausgefallen. Holefleisch erinnert daran, dass fast 2/3 aller Unfälle
und fast 30 % aller tödlichen Unfälle innerhalb geschlossener Ortschaften
stattfinden.
Antrag
für die Ratssitzung am 5. März 2004 Einwohnerversammlungen vor Tempo 30-Änderungen Der
Rat möge beschließen: "Sollte der Oberbürgermeister planen, weitere Tempo 30
Bereiche der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und höher preiszugeben und damit
auch prinzipiell eine höhere Gefahrenlage für die Bürger der Stadt in Kauf nehmen, so
wird der Oberbürgermeister beauftragt, vorher entspr. § 62 (3) NGO
"Einwohnerversammlungen" durchzuführen." Begründung: Da Maßnahmen, die
bei Verkehrsunfällen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Personenschäden mit erheblichen
Auswirkungen führen, zu den "wichtigen Planungen und Vorhaben der Gemeinde" zu
zählen sind, scheint eine angemessene vorherige Beteiligung der EinwohnerInnen mehr als
angebracht. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Bürger und Bürgerinnen für
weitere rückwärts gewandte und die Verkehrsgefahr erhöhende Maßnahmen kein
Verständnis haben. Immerhin ereignen sich fast zwei Drittel aller Unfälle mit
Personenschäden und knapp 30% aller tödlichen Unfälle innerhalb geschlossener
Ortschaften (Unfallverhütungsbericht der Bundesregierung).
Gute Argumente für Tempo 30
Tempo 30 - weniger Unfälle, Verletzte und Tote
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: In Tempo-30-Zonen sinkt die
Zahl der Unfälle um rund 20 Prozent. Der Rückgang bei schweren Unfällen ist noch
deutlicher. So sank in Hamburg die Zahl der Schwerverletzten um 37 Prozent, in Münster
sogar um 72 Prozent. Der Grund: Je langsamer ein Auto fährt, desto kürzer der Reaktions-
und Bremsweg:
- Bei 50km/h beträgt der Reaktions- und Bremsweg fast 28
Meter.
- Bei Tempo 30 steht ein Auto schon nach 13,3 Metern.
Tempo 30 - mehr Sicherheit für
Kinder
Vor allem Kinder profitieren von Tempo 30. Noch sterben in Deutschland
jährlich über 300 Kinder durch Verkehrsunfälle. 46.000 Kinder werden pro Jahr im
Straßenverkehr verletzt. Deutschland ist damit trauriger Spitzenreiter in Europa. Tempo
30 kann auch Ihrem Kind das Leben retten. Ein Beispiel: Ihr Kind läuft 15 Meter vor einem
Auto auf die Straße.
- Bei 50 km/h erfasst das Auto das Kind mit einer
Aufprall-Geschwindigkeit von 45 km/h. Schwere, oft tödliche Verletzungen sind die Folge.
- Fährt das Auto Tempo 30, kommt es noch vor dem Kind zum
Stehen.
Tempo 30 - sicherer für Senioren
und Behinderte
Neben Kindern sind besonders Senioren und Behinderte bei Tempo 30
wesentlich sicherer. Das Überqueren einer Straße ist dann auch ohne Sprint möglich.
Tempo 30 - mehr Raum für Fußgänger und
Kinder
Je schneller ein Auto fährt, desto mehr Sicherheitsabstand ist nötig und
desto breiter muss die Fahrbahn sein. Bei Tempo 30 dagegen kann die Fahrbahn schmal sein,
es bleibt mehr Platz für Fußgänger und spielende Kinder. Zugeparkte Fußwege, auf denen
Autos Müttern und Vätern mit Kinderwagen den Weg versperren, gehören dann der
Vergangenheit an.
Tempo 30 - mehr Sicherheit für Radler
Je langsamer und gleichmäßiger der Verkehr fließt, desto sicherer sind
Radfahrer unterwegs. Sie können im Verkehr mitschwimmen und sind nicht mehr auf eigene,
oft unsichere Radwege angewiesen. Bei einem Unfall gilt dasselbe wie für Fußgänger: Bei
Tempo 30 ist das Verletzungsrisiko wesentlich geringer. Und: Radler kommen zügiger voran.
Tempo 30 - gut für Umwelt und Gesundheit
Bei einer beschleunigungsarmen und niedrigtourigen Fahrweise stoßen Pkw
bei Tempo 30 im Stadtverkehr weniger Schadstoffe aus als bei 50km/h. Vor allem Stickoxide,
eine Ozon-Vorläufersubstanz, werden deutlich reduziert. Ozon ist ein Reizgas, das in
Verbindung von Sonneneinstrahlung und Autoabgasen entsteht. Ausgerechnet an den schönsten
Sommertagen ist es für Kinder bedenklich, im Freien zu spielen. Bei Überschreitung der
Grenzwerte sollten Kinder, Alte und Kranke nicht nach draußen gehen. Das
Verursacherprinzip wird umgekehrt: Kinder in die Garage, damit Autos draußen spielen
können.
Tempo 30 - mehr Ruhe
Verkehrslärm ist für die Gesundheit der Menschen ebenso schädlich wie
Autoabgase. Mit Tempo 30 lässt sich der Lärm schnell und deutlich reduzieren. Tempo 30
vermindert den Lärm um 3 Dezibel. Dies entspricht einer Halbierung der Verkehrsmenge.
Zehn Autos, die Tempo 30 fahren, sind so laut wie fünf Autos mit 50 km/h. Gespräche bei
offenem Fenster und ungestörter Schlaf werden für viele wieder möglich. Nervosität und
Konzentrationsstörungen bei Kindern nehmen ab.
Tempo 30: Wie bitte?
Sicherheit muss uns in Städten und Orten wichtiger sein als Schnelligkeit.
Die meisten Strecken innerorts sind nicht länger als fünf Kilometer. Auf dieser Distanz
bringen 50km/h allenfalls ein, zwei Minuten Zeitgewinn.
Was können wir tun, damit sich die Autofahrer an Tempo 30 halten?
Eindeutige Regelung Bislang gilt Tempo 30 lediglich
in ausgeschilderten Zonen. Der VCD fordert, Tempo 30 innerorts flächendeckend
einzuführen. Der Vorteil: Das Verwirrspiel hat ein Ende. Jeder Autofahrer weiß dann: In
geschlossenen Ortschaften gilt Tempo 30, nur auf Hauptverkehrsstraßen sind noch 50 km/h
erlaubt. Je eindeutiger die Regelung, desto höher die Akzeptanz. Solange Tempo 30
flächendeckend nicht gilt, müssen die Kommunen möglichst viele Zonen einrichten.
Kostenlose Sicherheit
Egal ob flächendeckend oder "verzont": Es fehlt den meisten
Kommunen das Geld, um Autofahrer zum Beispiel mit Fahrbahnverengungen zum langsameren
Fahren zu bewegen. Eine kostenlose Lösung lässt sich dagegen sofort umsetzen: Autos
parken am Rand der Fahrbahn statt auf dem Gehweg. Das verlangsamt den Verkehr, macht die
Gehwege breiter und sicherer - und damit wieder zum Lebensraum für alle.
Bewusstsein schaffen
Mit der Kampagne "Tempo 30 - Aber sicher!" will der VCD die
Vorteile von Tempo 30 bewusst machen: Mehr Sicherheit, mehr Lebensqualität, mehr
Spielraum für Kinder. Eine Stunt-Aktion zeigt die Folgen eines Unfalls bei 50km/h und bei
Tempo 30. Viele lokale VCD-Gruppen informieren die Bevölkerung und stellen mit farbigen
Stoffbahnen den Anhalteweg eines Autos dar.
Göttinger GRÜNE
Parteitagsdelegierte lehnten Agenda 2010 ab
(Juni 2003) Die Delegierten des Kreisverbandes (Rahima Valena
und Heike Nückel aus Göttingen, Ute Haferburg aus Friedland und Hans-Georg Schwedhelm
aus Duderstadt) votierten gemeinsam gegen den Leitantrag Bundesvorstandes auf dem
Sonderparteitag zur Agenda 2010 in Cottbus. Zwar sei der Bundesvorstand in vielen
umstrittenen Punkten, wie bei der Finanzierung des künftigen Arbeitslosengeldes II nicht
nur in Höhe der Sozialhilfe, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die
Erweiterung der Erbschaftssteuer entgegengekommen. Auch sei der Antrag des Kreisverbandes,
längerfristige arbeitsmarktpolitische Instrumente zur Sicherung lokaler Projekte in den
Bereichen Soziales, Kultur und Umwelt zu entwickeln, übernommen worden. Zudem sei der
Vorschlag des Kreisverbandes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Teilzeitarbeit
aufgegriffen worden. Allerdings mussten die Göttinger mit ihrer Initiative zur Sicherung
des Kündigungsschutzes eine knappe Niederlage hinnehmen. Dies und der ebenfalls mit
knapper Mehrheit beschlossene Ausstieg aus der paritätischen
Finanzierung des Krankengeldes habe letztlich dazu geführt, dass die Göttinger
Delegierten geschlossen den Antrag ablehnten. Volle Zustimmung fand dagegen der Leitantrag
der Initiatoren des Sozialgipfels aus Nordrheinwestfalen, der in einer Kampfabstimmung am
Vortage nur knapp unterlag.
Für die Delegierten ist der Prozess der Einflussnahme nicht mit dem Ende des Parteitags
eingetreten. Jetzt gilt es den politischen Umsetzungsprozess
wachsam zu beobachten. Wir werden weiterhin versuchen, den politischen
Prozess auf Bundesebene zu beeinflussen, so die Delegierten einmütig. |