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Polen / Belarus

Kommentar: Polen / Belarus ==== NATO / Russland
Bündnis für offene Grenzen: Aufruf zur Protestkundgebung
Bündnis für offene Grenzen: Erklärung zur Blockade der SPD, 19.11.21
Integrationsrat Göttingen: Europa führt Krieg gegen Flüchtlinge! 11.11.21

 

Kommentar

Polen / Belarus --- NATO / Russland

Fährlässige Tötung durch unterlassene Hilfeleistung, dargestellt als Abwehr einer „hybriden Kriegsführung

Es ist ein unerträglicher Zynismus, das Elend vieler Flüchtlinge an der belarusischen Grenze als „hybride Kriegsführung“ zu bezeichnen. Wenn Flüchtlinge ihr Land verlassen, dann wegen Krieg, Hunger, Elend, Katastrophen. Die „hybride Kriegsführung“ ist leicht zu beenden, indem die europäische Grenze in Polen für die Flüchtlinge geöffnet wird und die Menschen wenigstens eine Möglichkeit bekommen, einen Asylantrag zu stellen.

Düstere Hintergründe der Kriegsrhetorik

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schloss  angesichts der Entwicklung an der polnisch-belarussischen Grenze eine Kriegsgefahr nicht aus. (…)  „Denn wir Polen sind fest entschlossen, unsere Grenze mit allen Mitteln zu schützen. Die Ostgrenze Europas und auch der Nato.“  Es gebe Eskalationsstufen, sagte Morawiecki. Er freue sich über den Beistand Deutschlands und anderer Nato-Staaten. Nun könnte eine gemeinsame Erklärung Polens, Litauens und Lettlands folgen. „Ein weiterer Schritt könnte sein, Artikel 4 des Nato-Vertrags zu aktivieren, der offiziell die Verletzung ihrer Staatsgebiete feststellt“, sagte er. (Quelle Frankfurter Neue Presse 18.11.21)

Der russische Außenminister Sergej Rjabkow sagte angeblich am Donnerstag live im Ersten Russischen Fernsehen nach Verweis von RT auf die russischen Nachrichtenagentur TASS:
"Uns macht vieles Sorgen, was bei den US-Amerikanern hinsichtlich ihrer Haltung zur Rolle der Nuklearwaffen passiert. Sie senken die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen, bereiten sich doktrinär und materiell darauf vor."

Blinde Eskalationsstrategie

Die antidemokratische Regierung Polens und die herrschenden Kreise um den Diktator Lukaschenko in Belarus sehen in ihrer nationalistischen Verblendung beide nicht die Logik, die in einer Eskalation läge. Im Extremfall einer Eskalation wären ihre Länder das vorgeschobene Gefechtsfeld für die Nato und Russland, deren Territorium selbst außen vor gehalten würde.

Die Nato strebt eine „Eskalations-Dominanz“ an. Über die Möglichkeiten einer Eskalation in beliebig kleinen oder großen Schritten entscheiden die Fähigkeiten der konventionellen Kriegsführung, bis hin zur nächsten Stufe, dem Einsatz „kleiner“ Atomwaffen innerhalb einer beschränkten Region. Wer auf jeder Stufe der Eskalation überlegen ist und im Hintergrund das größere, effektivere Abschreckungspotential eines atomaren Erst- und Zweitschlags besitzt, kann den Gegner politisch, wirtschaftlich und militärisch erpressen. Der Gegner, in diesem Falle Russland müsste auf jeden Fall eine Eskalation dann abbrechen, wenn andernfalls ein atomarer Schlagabtausch droht. Denn, wenn absehbar wäre, dass das Ergebnis die überwiegende Vernichtung Russlands und „lediglich“ eine Teil-Vernichtung der USA wäre, dann würde der Übergang zu einem Nuklearkrieg für Russland keinen Sinn mehr machen. Das ist der reine Wahnsinn, aber so ist die Logik der Nato in den vergangenen Jahrzehnten gewesen.

Polen und Belarus wären bei einer ausufernden Eskalation die stellvertretenden Regionen, in der die Militärblöcke die Entscheidung suchen, mit dem Risiko einer Vernichtung dieser Staaten. Die polnische Regierung wäre also gut beraten, ihren Einstieg in Kriegsrhetorik mit Begriffen wie „hybride Kriegsführung“ und die Konzentration von Militär an der Grenze zu beenden.

Polen befindet sich in einem Irrtum, der früher der deutschen Sicherheitsstrategie zu eigen war: man wähnte sich in Sicherheit, weil man glaubte, der Warschauer Pakt würde Deutschland so lange nicht angreifen, wie man sich unter dem „atomaren Schutzschirm“ der USA befände. Dieser „atomare Schutzschirm“ bot jedoch nur Sicherheit solange er als Abschreckung wirksam war. Der Ausbruch eines solchen Krieges hätte zur Vernichtung Deutschlands geführt, während die USA ihr eigenes Territorium, nicht der Rettung Deutschlands wegen einer teilweisen Vernichtung preisgegeben hätten.

Nun wurde mit der Osterweiterung der EU die Frontlinie an die Ostgrenze Polens und näher an Russland herangeschoben. Polen und Belarus stellen inzwischen ebenfalls die militärstrategischen Pufferregionen von heute dar. Die daraus erwachsenen Gefahren nehmen die nationalistisch verblendeten Regierungen in Polen und Belarus offensichtlich bewusst in Kauf.

 

 

Dokumentation

Bündnis für offene Grenzen:
Aufruf zur Protestkundgebung des Bündnis für offene Grenzen

„Solidarität mit den Geflüchteten an der polnisch-belarussischen Grenze“
Protestkundgebung 16. November 2021 um 17.00 Uhr am Gänseliesel,

Seit einigen Wochen werden tausende Menschen an der Grenze zwischen Polen und Belarus festgehalten. Sie werden gezwungen, dort unter lebensgefährlichen und menschenunwürdigen Bedingungen auszuharren. Mindestens 10 dieser Menschen sind dabei bereits zu Tode gekommen. Zehntausende polnische und belarussische Soldat*innen und Paramilitärs setzen Tränengas und andere brutale Gewalt gegen die Geflüchteten ein. Neben der polnischen und der belarussischen Regierung verfolgen dabei auch die anderen EU- und NATO-Staaten und Russland unterschiedliche Interessen.

Gemeinsam bewirken sie aber eine Entrechtung der Geflüchteten und bringen diese in Lebensgefahr. Auch an dieser Außengrenze der EU werden die Geflüchteten mit pushbacks daran gehindert, sich in Sicherheit zu bringen. Ihre Grundrechte werden vollständig ignoriert und außer Kraft gesetzt.

Wir werden zu dieser verbrecherischen Flüchtlingsbekämpfung der EU- und der anderen Staaten nicht länger schweigen. Wir werden nicht länger still dabei zusehen, wie der Ausbau der mörderischen Festung Europa auch von den deutschen Regierungsparteien und den deutschen EU-Vertreter*innen immer weiter vorangetrieben wird.

Alle Staatsführungen begründen ihr eigenes Ignorieren der humanitären Notlagen mit dem Nicht-Verhalten der anderen Staaten. Das sind Ausreden. Das Nichtstun wird auf dem Rücken tausender Geflüchteter ausgetragen.

In unseren Augen ist das hier gegenüber den Flüchtenden gezeigte Verhalten Ausdruck einer zunehmenden Faschisierung von Gesellschaften, in denen nationalistische und rassistische Haltungen systematisch gefördert und benutzt werden auch um die kapitalistische Verwertungslogik aufrecht zu erhalten. Dem setzen wir im Namen der Würde unsere Solidarität mit den Geflüchteten entgegen.

Wir fordern eine Öffnung der Grenzen Europas für Geflüchtete!

Wir fordern einen Stopp der Lager- und Abschiebepolitik! Sofortige Evakuierung der Geflüchteten aus den menschenunwürdigen und lebensgefährlichen Bedingungen an der Grenze! Unmittelbare Gewährleistung von medizinischer Nothilfe an die Geschwächten! Unabhängige Überwachung der Einhaltung von Menschenrechten auch an dieser Grenze! Aufnahme der Geflüchteten in Deutschland jetzt! Faschismus bekämpfen – überall! Bündnis für offene Grenzen! 

 

 

Dokumentation

Bündnis für offene Grenzen:
Erklärung zur Blockade der SPD-Parteizentrale 19.11. -9:06

Seit heute morgen blockieren etwa 40 Aktivist*innen des Bündnisses für offene Grenzen den Eingang der SPD-Parteizentrale in Göttingen. Mit der Blockade soll die SPD als zukünftige Regierungspartei an ihre Verantwortung in der katastrophalen Situation an der belarussisch-polnischen Grenze erinnert werden. Das Bündnis für offene Grenzen fordert die sofortige Aufnahme der Menschen auf der Flucht.  Die Blockade der Zugänge der SPD-Parteizentrale in Göttingen steht seit heute morgen. Es sind etwa 40 Menschen vor Ort, die sich in die Eingänge gesetzt haben und per Megafon die Öffentlichkeit informieren.  Die Aktivist*innen machen auf die Situation an der belarussisch-polnischen Grenze aufmerksam, unter anderem auch mit Transparenten. Seit einigen Wochen werden tausende Menschen an der Grenze zwischen Polen und Belarus unter lebensgefährlichen und menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, ohne Schutz vor Kälte und Regen, ohne Zugang zu Trinkwasser oder Nahrung und ohne medizinische Versorgung werden sie in der Grenzregion eingesperrt. Mindestens 10 dieser Menschen sind dabei bereits zu Tode gekommen. Zehntausende polnische und belarussische Soldat*innen und Paramilitärs setzen Tränengas und andere brutale Gewalt gegen die Flüchtenden ein. All das passiert unter Ausschluss der Öffentlichkeit. So wird z.B. Journalist*innen und NGOs der Zugang zu den Menschen aktiv verwehrt. 

Dazu erklärt das Bündnis für offene Grenzen: «Wir werden zu dieser verbrecherischen Bekämpfung von Flüchtenden durch die EU und die anderen Staaten nicht länger schweigen. Deshalb blockieren wir hier heute die SPD-Parteizentrale, um darauf aufmerksam zu machen und die Politiker*innen in ihre Verantwortung zu nehmen, diese Situation zu beenden und die Grenze zu öffnen».  Weiter kritisiert das Bündnis das allgegenwärtige Nichthandeln der EU-Staaten und insbesondere der Bundesregierung und fordert die sofortige Aufnahme der Menschen von der belarussisch-polnischen Grenze in Deutschland. Ausserdem wird die Gewährleistung von medizinischer Nothilfe sowie die Beachtung der Menschenwürde auch an dieser Grenze von den Aktivist*innen gefordert.  «Hauptsächlich aber wollen wir uns durch unsere heutige Aktion mit den flüchtenden Menschen solidarisieren und uns für die Bewegungsfreiheit aller Menschen aussprechen.»  Kontakt: buendnis-gegen-abschiebung@riseupe.net  Bündnis für offene Grenzen! 

 

Dokumentation

Integrationsrat Göttingen:
Europa führt Krieg gegen Flüchtlinge!
11.11.21

Das Machtspiel zwischen dem belarussischen Diktator und den sich abschottenden  EU-Staaten wird auf dem Rücken von Flüchtlingen ausgetragen. Europa führt Krieg  gegen schutzsuchende Menschen.  Polen und damit Europa (!) weist Flüchtlinge in illegalen Pushbacks zurück, genaues  weiß niemand und soll es auch nicht wissen, denn die polnische Regierung hat die  Region zum Sperrgebiet erklärt und lässt niemanden rein – keine Journalist*innen  und keine Menschenrechter*innen. Man/frau kann nur Mutmaßungen treffen. Sechs  Tote soll es bereits geben. Das EU-Land Polen hat tausende Soldaten an der Grenze  stationiert, die einen Durchbruch der Grenze und den Anlagen mit Stacheldraht ver- hindern. Es herrscht Krieg will Polen sagen und verweigert trotz der Aufforderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) weiterhin medizinische  und humanitäre Hilfe. Dabei verfolgt Polen durchaus eigene Interessen: die Stilisie- rung eines äußeren Feindes hilft der zurzeit im eigenen Land nicht geliebten PIS-Re- gierungspartei.  Und Europa? - Bis heute hat Europa keinen Modus gefunden, die Ankunft der Flücht- linge menschenwürdig zu gestalten und die Lasten untereinander zu verteilen. Polen  zu kritisieren, wagt deshalb niemand. Mehr als rügende Worte und der Beteuerung  nach „tiefster Sorge“ ist aus Brüssel nicht zu hören.  Was muss noch geschehen, damit die EU endlich einschreitet gegen die täglichen  Verletzungen der Menschenrechte an ihren Grenzen?

Vorsitzende Irina Schnar / VertreterInnen: Yanitsa Petrova / Gustavo Moreno Morales / Geschäftsführung: Birgit Sacher