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Stem Nadolny
Lesung , Deutsches Theater / Literarisches Zentrum 14.9.04

Im Rahmen des Festivals "Experiment Geschwindigkeit" beteiligte sich das Literarische Zentrum u.a. zum Abschluß mit einer Lesung Sten Nadolnys. Dessen Buchtitel "Die Entdeckung der Langsamkeit" traf in den 80er Jahren auf eine größere kulturkritische Strömung des Zeitgeistes, die auf eine Besinnung und Innerlichkeit zielte. Im Rahmen des Festivals war Nadlony zu einer Lesung und einem rückblickenden Gespräch eingeladen worden.

Nadolny erklärte an diesem Abend u.a. er habe mit dem Buch nicht zur Langsamkeit anstiften oder kulturkritisch gegen die "Hektik des modernen Zeitalters" zetern wollen. Und wenn gleich der Buchtitel zum Schlachtruf von Projekten des öffentlichen Nahverkehrs oder zu Hinweisen ayuverdischen Zeitgefühls geworden sei hoffe er, dass ihm selbst nicht das Etikett des Propagierers von Langsamkeit angeheftet werde. Dieses Mißverständnis wurde in der Vermarktung des Buches allerdings genutzt und tunichst nicht aufgeklärt. Auf den Buchdeckeln steht heute noch "Nadolny und sein John Franklin entdecken die Langsamkeit als menschenfreundliches Prinzip. Man könnte auch sagen: die Bedächtigkeit, den vorsichtigen Umgang mit sich selber und den Dingen" Damit wurde bewußt das lukrative "Ayuverda-Mißverständnis" gefördert, das mit den Intentionen des Autors nichts zu tun hatte.
Er habe damals übrigens lange hin und her überlegt mit verschiedenen Ideen zu einem Buchtitel, "Die Langsamkeit der Entdeckung" z.B. usw. dann habe er den Titel "Die Entdeckung der Langsamkeit" vorgeschlagen, der habe seiner Mutter gefallen aber sein Verleger fand den garnicht gut, der habe gemeint das sei ein "Suhrkamp Titel"

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Sten Nadolny am 14.9.04 im Deutschen Theater Göttingen

Die Legende, er habe das Geld, das er für einen Literaturpreis in Klagenfurt erhalten habe mit den anderen BewerberInnen geteilt wurde von ihm in ein völlig neues Licht gestellt: die Bewerber für den Literaturpreis hätten das alle vorher untereinander vereinbart, dass derjenige, der gewinnt mit allen teile. "Und was macht Gott?" leitet Nadolny die ironische Abschlußbemerkung ein, er lasse ihn, Nadolny gewinnen und da hätte er auch nicht mehr anders gekonnt als zu teilen.

Feine Ironie, die den Zuhörern wohl oft entgeht ist anscheinend Nadolnys Spezialität. Der Interviewpartner Mertens zitierte z.B. Nadolny, der geschrieben habe, die Wahrnehmung von Büchern erinnerten ihn an den Doppler-Effekt: so wie ein Auto beim Herannahen einen helleren Ton habe und beim Entfernen einen tieferen, dunkleren Ton, so wäre es auch mit Büchern, wenn es neu auf den Markt komme habes es einen hellen Ton und nach Jahren späte einen dunkleren. Nach der Lesung stellte Merten dann die Frage: hat das Buch für Sie nun einen dunkleren oder helleren Ton gehabt? Antwort Nadolnys: einen helleren Ton, vor allem auch, weil ich heute meine Hörgeräte trage.
Verschmitzte leise Ironie steckte auch in der Tatsache, dass Nadolny seine Lesung auf jene Textstellen beschränkte wo in seinem "guten, alten Buch - die Betonung liegt auf gut" deutlich geworden sei, dass etwas mehr Schnelligkeit ganz nützlich sein könne. Z.B. der Abschnitt wo der Romanheld in der Seeschlacht einen feindlichen Soldaten umbringt, erwürgt nur weil er zu langsam im Kopf ist um zu erkennen, dass er aufhören könnte, ihn zu erwürgen.

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Nadolny 14.9.04 im Deutschen Theater, Göttingen, rechts: Mathias Mertens der anschließend interviewte.

Wenn man einen Roman schreiben will, so Nadolny macht man sich so ein Gerüst innerhalb dessen man dann 2-3 Jahre die Handlung entwickelt, aber man ist dann auch leider gefangen in diesem Gerüst und muß sich darin bewegen auch wenn man sich weiterentwickelt und schlauer wird, muß man darin bleiben. Aber er könne gut auf der Stelle treten, meinte er später im Zusammenhang mit einer Erklärung für die Faszination die ein bestimmtest Computerspiel auf ihn ausgeübt habe. Im Übrigen erwähnte er dann doch noch einmal, dass er ja eigentlich gerne Regisseur geworden wäre, aber am Set habe sich herausgestellt, (schnell noch etwas kokettierend) dafür sei er einfach zu langsam.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde die Geduld des Publikums etwas auf die Probe gestellt. Zunächst als Nils König, vom Nervenstreß als Veranstalter des "Festival Experiment Geschwindigkeit" gezeichnet, eine Abschlußrede zum Festival hielt wobei er eine Reihe von Danksagungen aussprach sowie den Erfolg einzelner Veranstaltungen bewertete. Das war so nicht als Programmpunkt der Veranstaltung erwartbar gewesen. Hinzu kam dass danach eine junge Frau ein paar allzu schlichte, langdauernde einleitende Worte zu Nadolny sprach bis dann endlich Nadolny auf die Bühne kam.

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