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Gutingericks

Klaus Hübner hat versucht, Göttingen in Limericks einzufangen - und nennt sie gemäß des Göttinger Urdorfnamens "Gutingi" konsequent "Gutingericks". Hübner ist Geschäftsführer der Lichtenberg-Gesellschaft (siehe auch Lichtenbergseite in goest)

© Klaus Hübner 2005 /
Eine Definition des Limerick beschreibt ihn als ein kurzes, oft scherzhaftes Gedicht in der Form aabba. Die erste Zeile enthält traditionell die handelnde Person und endet oft mit einer Ortsangabe, so dass der Name des Ortes oder des Landstrichs, auf den der Spottvers gemünzt ist, zugleich den Reim für die zweite und fünfte Zeile vorgibt. Dabei ist es durchaus erlaubt, den Reimen etwas Gewalt anzutun, sofern das der Pointe dient. Die Möglichkeit, Limericks zu schreiben, ist in verschiedenen Sprachen auf Grund der unterschiedlichen Sprachstrukturen unterschiedlich gut:

Klaus Hübner 2007

A limerick packs laughs anatomical
Into space that is quite economical.
But the good ones I've seen
So seldom are clean,
And the clean ones so seldom are comical.

So ein Limerick bringt - anatomisch -
uns zum Lachen, ganz knapp, ökonomisch.
Doch die guten - Verszauber -
sind zumeist nicht sehr sauber
und die sauberen meist nicht sehr komisch.

In den Gutingericks beschränken darüber hinaus Ortsnamen, historische Personen, Eigenschaften und Ereignisse die Möglichkeiten von Komik und Reim. Mancher Sinn mag sich erst erschließen, wenn man die angedeuteten Hintergründe kennt:

Das Gänseliesel küssen die frischexaminierten Göttinger Doktoren. - Der Reitstall samt Reit- und Fechtunterricht für die Söhne betuchter Eltern gehörte zu den ersten und wichtigen Einrichtungen der neugegründeten Universität. - Der Dichter und Übersetzer Johann Heinrich Voß gehörte zum Dichterbund "Göttinger Hain". Er studierte bei Heyne und gab (neben anderen) den Musenalmanach heraus. Berühmt seine Übersetzungen und Nachdichtungen grch. und röm. Autoren (Homer, Ovid, Vergil, Horaz, Hesiod, Aristophanes). - Georg Christoph Lichtenberg tat sich schwer mit den Universitätsmamsellen und Bürgertöchtern. Er pflegte mehr den Hang zum Küchenpersonal und liierte sich mit jungen Frauen einfacher Herkunft. - Therese, Tochter des Altphilologen Heyne, heiratete den Weltreisenden, Schriftsteller und Revolutionär Georg Forster, in zweiter Ehe machte sie sich als Schriftstellerin Therese Huber einen Namen. - Über die Töchter des Orientalisten Michaelis, Caroline Böhmer-Schlegel-Schelling, Luise Wiedemann und Charlotte Dieterich kann nachgelesen werden. "Der kleine Teufel" Lotte hatte schon mit zwölf Jahren begonnen, den Männern den Kopf zu verdrehen. - Die Promotion von Dorothea Schlözer, verh. Budde, Tochter des Historikers Schlözer, erfolgte 1787. - Gottfried August Bürger starb verarmt und vereinsamt nach einigen Mesalliancen.

Der Student Carl von Hahn wurde 1798 beim Streit um das "Gossenrecht" (wer wem auszuweichen hatte) erstochen. Sein Grabmal (eine trauernde Frauengestalt über einem würfelartigen Grabstein) befindet sich auf dem Bartholomäusfriedhof. - Der Schlender (auch: Kontusche) war ein beliebtes, bis zu den Füßen reichendes Obergewand der Damen in der Rokokozeit, zunächst als taillenloser Überwurf mit halblangen Ärmeln, später mit fest eingesetztem Schnürleibchen. Die Weender Straße war und ist Göttingens Promeniermeile. Der Flecken Bovenden liegt nördlich vom Stadtteil Weende. - Göttingen war berühmt für seine Mettwürste. Die Weinhandlung Bremer existiert seit 1786. Heinrich Heine studierte in Göttingen, er trat hier zum Protestantismus über. - Die Osterformel von Gauss nutzt die 19-jährige Konkordanz von Sonnenjahr und Mondjahr. - Anno 1833 gelang C. F. Gauss und Wilhelm Weber in Göttingen die erste telegraphische Datenübertragung. - Zu den Göttinger Sieben (1837) gehörten auch die Brüder Grimm. - Das Grabmal des Mathematikers Peter Gustav [Lejeune-] Dirichlet (1805-1859) befindet sich auf dem Bartholomäusfriedhof. Die (heutige Goethe-)Allee gehörte zu den beliebten Spazierwegen Göttinger Professoren. - Die Masch nannten die Göttinger die Wiesen westlich vom Leinekanal. Baron von Asch trug viele Exponate zusammen, die sich in der ethnographischen Sammlung der Göttinger Völkerkunde befinden (Der aabba-Reim wurde hier der Moral geopfert!). - Die Graffiti im Karzer am Wilhelmsplatz können bei Führungen entziffert werden.

Bezüge zu Göttingen sind in den weiteren Limericks nur teilweise enthalten. Die Liebschaften von Studenten und Doktoren zu den Aufwärterinnen und Wirtstöchtern wird es in allen Universitätsstädten gegeben haben, ebenso vergeistigte Dozenten nur mit Ober- und ohne Unterleib. Der romantische Roman »Nachtwachen. Von Bonaventura« erschien 1804, der anonyme Verfasser blieb unbekannt. Das Dorf Grone ist seit langem eingemeindet. Kehr heißt ein altes Jagd(gast)haus auf den bewaldeten Höhen östlich der Stadt, Nikolausberg ist ein Stadtteil von Göttingen.

In Göttingen stand die Luise
Mit 'ner Gans und 'nem Korb auf der Wiese.
Nur zu gern sie wollt' wissen,
Wie Studenten wohl küssen,
Heute küssen Doktoren nur diese!

In Göttingen zeigt' ein Student
Für das Leben und Lieben Talent.
Er lernt Fechten und Reiten,
Nachts durchzecht' er die Kneipen,
Ward Magister, gar Doktor, am End!

In Göttingen las ein Professor
Von den Griechen den alten Homer vor.
Auf den Stühlen und Bänken
Schliefen müde Studenten,
Nur der musische Voß war ganz Ohr.

Einst ein bucklicht' Professor in Göttingen
Tat die Sehnsucht zum Weib fast verschlingen.
Zu den feinen Mamsellen
Mocht' er sich nicht gesellen,
Mit Marie tat's ihm endlich gelingen.

In Göttingen wollt' Einer frei'n
Die Therese vom Professor Heyn'.
Der sprach: "Und? Ist er Doktor?"
Er war's nicht, und nun hockt er
Vor Folianten von Vergil in Latein.

In Göttingen sprach Frau Michaelis
Ihren Töchtern vom Ehegeheimnis.
Carolin' tat erbeben
Die Luis' ward' verlegen
Sprach die Lotte: "Ja, ich weiß es!"

Herr von Schlözer, Gelehrter in Göttingen,
Seinen Kindern viel Wissen tat bringen.
Dorothee bald studierte,
Gar mit Siebzehn promovierte!
Auch 'nen Mann wusste sie zu Eheringen!

In Göttingen, schier unermüdlich,
August Bürger dem Versmaß ergibt sich.
Er tat's auch bei den Frauen,
Doch denen darf man nicht trauen,
Sie sind in der Regel nicht friedlich!

In Göttingen hoch auf dem Wall
Taten Purschen 'nen derben Krawall.
Es wollt' keiner entweichen,
Heut' erinnern zwei Leichen-
Obelisken an den tragischen Vorfall.

In Göttingen auf der Weender
Eine Jungfrau spazierte im Schlender.
"Komm doch mit an die Leine
Und zeig mir deine Beine",
Sprach ein Jüngling, es war ein Bovender.

In Göttingen aß Heinrich Heine
Von der Mettwurst, trank Bremersche Weine.
Doch er stutzt, doch ihm graut!
Und dann schimpft er gar laut:
"Oh, Ihr Gojim, Ihr schlachtet ja Schweine!"

In Göttingen rechnete Gauss
Mit 'ner Formel das Osterfest aus.
Seither legen die Hasen
Bunte Eier auf den Rasen.
Erst zu Pfingsten? Das wär' doch ein Graus!

In Göttingen schrieb Wilhelm Weber
Carl F. Gauss mit dem Zeichenangeber:
Lese: "Wissen statt meinen"
Weiter: "Sein statt (an)scheinen."
Sprach der Gauss: "Ach das wusst' ich schon eher!"

König Ernst hat die Göttinger Sieben
Aus der Uni, aus der Stadt rausgetrieben.
Voll von Grimm noch darüber
Schieden nicht nur diese Brüder,
Auch die andern wär'n gern hier geblieben!

In Göttingen auf der Allee
Herr Lejeune traf den Herrn Dirichlet,
Was ihn so echauffierte,
Dass er Primzahl'n verwirrte.
Lud er ihn, lud er selbst sich zum Tee?

In Göttingen, wohl auf der Masch,
Zeigt' ein Pursch' der Baronin von Asch
(O, wie reim ich? Fatal!
Wo bleibt da die Moral?)
- Reuse hoch! Er zeigt lieber 'nen Aal!

In Göttingen, oben im Karzer
Da saß ein ein Student, wohl ein Harzer.
Hat zuerst noch die Stunden
Für commod gar befunden,
Doch so langsam, da ärgert sich schwarz er.

In Göttingen sehnt' sich ein Doktor
Nach der Wirtin recht üppigen Tochter.
Auf dem Wall oben küsste
Er ihr Lippen, auch Brüste,
Aber dann, unterm Mieder, da stockt' er!

In Göttingen lebt' ein Dozent
Der von Liebe und Mädchen nichts kennt.
Tausend Blumen und Bienen
Sind im Traum ihm erschienen,
Nicht ein Name davon war ihm fremd.

In der Göttinger Bibliothek
Ein Student las von abends erst spät,
Stets bis morgens um Vier gar,
Nur den Bonaventura
Weil er hofft, dass er so ihn versteht.

In Göttingen, im Dorfe Grone
'ne Studentin lief neulich ganz ohne
Ihre Bücher zur Uni,
Denn die lagen im Mini,
Aber den fuhr grad heut' ihr Herr Sohne.

In Göttingen, oben am Kehr,
Mal ein Jäger vergaß sein Gewehr.
Auf der folgenden Pirsch
Sah er dann einen Hirsch,
Doch das Schießen, das fiel ihm nun schwer.

In Göttingen (Nikolausberge)
Da verunglückten jüngst sieben Zwerge.
Gut, die passten - so klein -
Auch in einen hinein,
Für den Reim kam'n sie doch in zwei Särge.

In Göttingen fragt' ein Gelehrter:
"Wo kommt denn bloß unsere Welt her?
Schuf ein Gott sie allein?
Wird für immer sie sein?"
Doch die Antwort blieb ihm ungeklärter!


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