goettinger stadtinfo
45 Namen von verschiedenen Gruppen und Institutionen standen unter dem Aufruf. Die Veranstalter nannten beim Pressegespräch die Erwartung von 1000 TeilnehmerInnen, skeptische Beteiligte erwarteten eher nur die Hälfte, einig war man sich in der Vermutung, dass wahrscheinlich am Sammelplatz Uni-Campus wesentlich mehr Leute zusammenkämen als am Sammelplatz Neues Rathaus. Aber genau das Umgekehrte war der Fall. Am Treffpunkt Goetheallee kamen zur Überraschung wesentlich weniger Leute (ca. 150) von der Uni als vom Neuen Rathaus (ca. 450). (Wir hatten ja vor einiger Zeit schon mal gemutmaßt, dass irgendwann der soziale Protest von außen an die Uni herangetragen werden könnte - z.B. die Besetzung des Juridicums durch Sozialhilfeempfänger oder so ähnlich.)
Um 12 Uhr regnete es in Strömen und erst als der Regen etwas nachließ kamen genügend Leute zu den Sammelpunkten. Angesichts der sehr widrigen Witterungsbedingungen kam aber dann doch ein ansehnlicher Zug zusammen. Die Demovorbereitung und die Durchführung wurde hauptsächlich getragen von Gruppierungen, die durch die Sparmaßnahmen betroffen werden, allen voran der Paritätische Wohlfahrtsverband und im Anlässe für diese Demo gab es jede Menge. Ganz aktuell die Verabschiedung der Gesetze, die ein Abrutschen von Millionen Menschen in die Sozialhilfe beschließen. Insgesamt aber das gesamte Angriffspaket der Agenda 2010, bestehend aus der Gesundheitsreform, der Rentenreform, Hartz III und IV, die Kürzungen im Kultur- und Bildungsbereich Altersversorgung, Bildungsetat, Kürzungen der Löhne, der Sozial- und Arbeitslosenhilfe sowie die Verschärfung der Zumutungen. SPD und Gewerkschaft: Kohl mußte weg - Schröder darf bleiben (?) Während der Proteste gegen Sozialabbau unter Kohl damals verbreitete sich die Parole "Kohl muß weg" nun kam es mit Schröder und Fischer noch schlimmer aber niemand ruft "Schröder muß weg" sowas kommt dem immer noch sozialdemokratisch beeinflußten Protest nicht über die Lippen obwohl die Maßnahmen unter Schröder fürchterlicher sind als die unter Kohl. Die SPD-Vertreter selbst fehlten selbstverständlich beim Protest gegen Maßnahmen, die unter der SPD-Regierung verabschiedet werden. Und folglich fehlen dann auch die sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaften bei der Demo, nur die Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe GALG (siehe Aufruf weiter unten) und das gewerkschaftlich beeinflußte Sozialforum war auf der Demo vertreten. Merkwürdig übrigens war, dass das Junge Theater, das bis vor kurzem so viel Solidarität gefordert hatte nicht vertreten war, ja nicht mal mit zur Demo aufgerufen hatte. (Von wegen Kampf ums Paradies) Grüne Ratsfraktion protestiert gegen Rot-Grüne Politik Die Grünen im Rat haben am 30.6.04 mit einer Presserklärung ebenfalls zur Teilnahme an der Demo aufgerufen (siehe weiter unten) obwohl die Grünen in der Regierungskoalition diese Maßnahmen mittragen - sind die Ratsgrünen inzwischen ausserhalb der Partei-Hauptlinie? Neue Basis des sozialen Protestes Aber es ist auch wohltuend, wenn sich endlich eine andere
Basis für den sozialen Protest bildet. In diesem Zusammenhang wäre es besonders
wünschenswert, wenn für die Organisierung künftig zu erwartender weiterer Proteste
Räume für das Soziale Zentrum geschaffen würden bzw. Räume wie das Café Kollabs
erhalten blieben.
Auf die Blockade der Kreuzung Groner Tor/Berliner reagierten einige Autofahrer mit dauerndem Hupen. Sie mußten sich dann durchs offene Autofenster daraufhin ansprechen lassen, dass sie wohl nicht vom Arbeitslosengeld II betroffen seien, sollten aber dran denken, wie schnell man durch einen Auto-Unfall in die Mühle eines maroden Gesundheits- und Sozialsystems komme und der Protest ginge gegen all diese Maßnahmen.
Beim Abschluß an der Stadthalle bröckelte es dann aber
gewaltig ab. Die Compagnia Buffo sollte was für Kinder machen, bei der Nachfrage dort
mußte man sich anmuffeln lassen "wir spielen doch nicht für 9 Kinder" da sei
ja garnichts los an der Stadthalle obwohl man ihnen gesgt habe es kämen da 2000 Leute
hin. Man muß sich fragen, in welchem Verhältnis der Aufwand zur Organisierung einer
solchen Demonstration zu ihrer Aussenwirkung steht. Denn mit den Transparenten,
Flugblättern und Reden während der Demo wird man wohl kaum jemanden zusätzlich davon
überzeugt haben, dass etwas gegen diese Entwicklung unternommen werden muß. Zumal auch
wenig deutlich ist, WAS denn dagegen unternommen werden kann. Eine andere Perspektive
zeigte ein Beitrag am Gothaer Haus auf: in einer Kundgebungsrede dort wurden substantielle
Widerstands- bzw. "Aneignungs-"Praktiken von Armen und Arbeitern
geschildert. Vielleicht sollte man daraus die Konsequenz ziehen, den Ablauf mit seiner
Wirkung nach innen, d.h. auf die TeilnehmerInnen stärker auszurichten. |