Goettinger
Stadtinfo Texte
und Bilder
© Impressum
Entwürdigungen
Erlebnisse die "den Druck im Kessel
erhöhen"
> Arbeitsamt
(Leitseite) Arbeitslose sollten prüfen
ob sie noch krankenversichert sind Mietvertrag
schon unterschrieben? Dann brauchen Sie keine Umzugskostenerstattung! Was
man zur Zeit so alles an empörten Berichten erfährt, lässt sich
nicht mehr nur in kurzen Worten schildern. Deshalb veröffentlichen wir Erlebnisberichte,
die die ganze subjektiv empfundene Entwürdigung verdeutlichen.
Arbeitlose sollen prüfen ob sie noch krankenversichert sind! Beim
Übergang vom Arbeitsamt zum Jobcenter wurden viele von der Krankenkasse abgemeldet
aber vom Jobcenter nicht wieder angemeldet
Sehr geehrte Damen und Herren! Bedauerlicherweise gehöre ich auch zu dem Kreis,
den Hartz IV trifft. Ich habe bis Ende letzten Jahres Arbeitslosenhilfe bezogen
und bekomme nunmehr den Hartz IV Satz. Mein erster Bescheid hierzu kam von der
Agentur für Arbeit und umfasste einen Bewilligungszeitraum bis zum 30.04.05. Auf
diesen Bescheid legte ich Widerspruch ein, da er eine nicht nachvollziehbare Kürzung
enthielt. Diesem Widerspruch wurde von der Stadt Göttingen auch teilweise entsprochen
und in gleichem Schreiben eine Verlängerung des Bewilligungszeitraums bis zum
30.06.05 stattgegeben. Anfang April dieses Jahres bekam ich einen Brief meiner
Krankenversicherung, dass sich in meinem Versicherungsverhältnis zum 31.03.05
etwas geändert hätte, wozu ich Stellung nehmen möge. Mein Anruf bei der Stadt
zu dem Thema ergab, dass ich offenbar von der Arbeitsagentur abgemeldet worden
bin, aber von der Stadt, die ja in Göttingen (blöd-)sinnigerweise nun zuständig
ist, noch nicht angemeldet worden bin. Der durchaus bemühte und freundliche Mitarbeiter
der Stadt versicherte mir, nachdem er in seinen Computer gesehen hatte, und feststellte,
dass ich in der Tat nicht angemeldet bin, dass er das sofort ändern würde und
spätestens zum 01.05.05 eine entsprechende Meldung bei der Krankenversicherung
vorläge. Ein weiterer Anruf meinerseits bei der Krankenversicherung, in meinem
Fall der Techniker Krankenkasse, klärte mein Problem zunächst mal, gleichzeitig
hörte ich allerdings von der Mitarbeiterin der TK, jetzt verstünde sie auch, warum
sie so viele Abmeldungen bekommen hätten. - Offenbar liegt da also ein prinzipielles
Problem vor, und es ist jedem Betroffenen nur dringend anzuraten, bei seiner KV
nachzuhaken, ob er denn eigentlich noch krankenversichert ist. Ich denke, dass
diese Information für alle Betroffenen möglicherweise wichtig sein könnte und
es von daher auch wert wäre auf der goest.de Plattform veröffentlicht zu werden.
Mit freundlichen Grüßen B.K. (e-mail an die Redaktion vom 16.4.05)
Zuschrift
zu diesem Artikel von der PDS-Fraktion (25.4.05) "In der Bürgerfragestunde
des Rates der Stadt Göttingen am 22.04. stellte Frau Dr. med. R. foldende Frage:
Werden betroffene ALG II-AntragsstellerInnen ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass sie ihren Krankenversicherungsschutz verlieren, wenn sie nicht verheiratet
sind und ihr Antrag abgelehnt wird, weil sie in einer "Bedarfsgemeinschaft" wohnen
und der Wohnungspartner/ die Wohnungspartnerin "zu viel" Geld verdient? Und welche
finanzielle Hilfe wird von Seiten der Stadt geboten? Eine Familienmitversicherung
kommt in einem solchen Fall nämlich aus gesetzlichen Gründen nicht in Frage. Der/Die
Betroffene muss sich "freiwillig selbst versichern". Das ist recht teuer (rund
240 EUR monatl. einschließlich der gesetzlich vorgeschriebenen "Pflegeversicherung").
Da das so teuer ist, versichern sich solcher Art betroffene Menschen oft nicht
selber. Wer so handelt, kommt nie wieder in die "gesetzliche Krankenversicherung"
zurück, sondern, muss sich (wenn später doch eine KV abgeschlossen wird) "privat"
versichern. Das perverse an "Privatversicherungen" ist, dass die Beiträge zunächst
geringer sind (oft geringer als bei den "gesetzlichen KV"). Sobald die Versicherten
aber älter werden, steigen automatisch dei Beiträge (angeblich wegen des "steigenden
Risikos" zu erkranken). Ebenso im Falle einer tatsächlichen Krankheit. Solche
Versicherungen müssen außerdem nicht jede Person aufnehmen. Das heißt, dass wer
chronisch krank ist, gar nicht erst aufgenommen wird oder aber akzeptieren muss,
dass alles was mit dieser chronischen Erkrankung zu tun hat, nicht von der "privaten"
Versicherung übernommem wird, also selbst (anders ausgedrückt: tatsächlich "privat")
bezahlt werden muss. In der BR Deutschland betrifft das schon jetzt (100 Tg. Hartz
IV) mindestens 300.000 Menschen. Frau Dr. Schlapeit-Beck und alle Anderen fanden
keine Antwort. Man werde sich des Themas annehmen, hieß es nur. Na toll." zum
Anfang
Mietvertrag schon unterschrieben? Dann brauchen Sie auch keine Umzugskostenerstattung
Erlebnisbericht
1 einer alleinerziehenden Mutter von zwei kleinen Kindern in Göttingen:
"Geierlogik: Montag. Gestern hatte ich einen Mietvertrag unterschrieben,
der die fragwürdigen Bedingungen zu erfüllen schien, die Hartz IV als
Maßgabe an allen Maßen vorbei setzt. Bisher wohnte ich in 70 qm für
432 € und fand diesen Wohnungsgenossenschaftspreis bereits sensationell günstig.
Dennoch, 390 €, das war das Äußerste, was mir nun zustand. Ich bereitete
mich innerlich mit Bildern vor, die mich und die beiden Mädchen, sowie den
Hamster in einer Zweizimmerwohnung zeigten. Wir müssten einige Möbel
verkaufen und die Mädchen müssten die Hausaufgaben am Küchentisch
machen und der Hamster im Flur, Bad oder auf der Fensterbank wohnen. Okay, dachte
ich, ist klar, nichts ist selbstverständlich, auch nicht das, an das wir
uns gewöhnt haben. Andere in anderen Ländern müssen um ihr anderes
Überleben kämpfen, während wir nur anders leben müssen. Dennoch
bleibt bei diesen Trostgedanken immer eine bittere Neidspur im Gehirn zurück,
gegen die ich beim bestem Willen nicht ankomme. Denn ich will ja arbeiten. Leider
begegnen mir öfters Ehepaare, die kinderlos sind, dafür aber beide hochdotiert
arbeiten. Auch dann meldet sich die bittere Spur, die mich fragen lässt,
ob die Notwendigkeit erkannt worden ist, mit der hier eingegriffen werden muss,
damit die Menschen sich noch verstehen können. Von ebensolchen Ehepaaren
zum Essen eingeladen zu werden mag kulinarisch ein Genuss sein, psychisch ist
es eine Folter für mich. Es wird sich über die letzten Fernurlaube in
diesem Jahr unterhalten und über die Sternerestaurants, die in dieser oder
jener Metropole zu finden sind. Erstaunlich das Gedächtnis dieser Leute an
Seezunge in Erdbeerschaum auf Rehköttelkot. Ich bin dann so allein mit meinen
Sorgen und bin so unerreichbar vererdet und habe den festen Willen so nicht und
nie zu werden. Das ist die Spaltung, die ich meine. Gestern aber geschah mir
ein Wunder, ein Sonntagswunder. Eine Wohnung von 95 qm für mich und meine
beiden Kinder für 390 € Kaltmiete. Übereifrig und in dem Gefühl
eine gute, ja hervorragende Staatsbürgerin zu sein, die den Setzungen des
Amtes unverzüglich nachkommt, machte ich mich auf den Weg, um die Behörde
über den Wohnungsfund aufzuklären.
(auf
dem Amt) Mein Pech sollte sein, dass sich meiner eine Sachbearbeiterin annahm,
die eigentlich ganz unverfänglich aussah, aber hätte ich doch bloß
auf die Augen geachtet. Jeder kennt solche Augen, flüchtig, kalt und zickig,
mehr Adler- als Geieraugen, denn da wird nicht lange gefackelt und gewartet, da
wird gleich zugepackt. Es war ein Meisterexemplar dieser Art und ich habe es nicht
erkannt. Nun denn! Vertrauensselig legte ich ihr beides vor, Mietbescheinigung
und Mietvertrag, auch mit einem gewissen Stolz, versteht sich, denn wem in dieser
200.000 City gelingt es, eine solche Wohnung aufzutreiben? Gleich unterschrieben,
alles klargemacht, damit mir nichts durch die Lappen geht, very proudly. Sie schaute
sich das durch, dann sagte sie was Bedenkliches wegen der Größe, dann
ein Aufschrei, triumphal. "Sie haben ja bereits unterschrieben, ja, dann
können wir Ihnen die Umzugskosten nicht ersetzen." Sie hat mindestens
einen so fetten Fang gemacht wie ich mit der Wohnung, scheint`s. Meine Frage "Wieso?"
wurde mit einer Antwort Genüge getan, die meiner Logik nicht Genugtuung ist.
Sie sagte: "Wenn Sie den Mietvertrag unterschrieben haben, gehen wir davon
aus, dass Sie Geld genug haben, den Umzug selbst zu bezahlen." ???
Mir fallen in diesem
Moment Alternativen ein, die keine sind. Ich sage der Vermieterin: "Entschuldigen
Sie, bevor ich dieses Wahnsinnsangebot unterschreibe, muss ich erst mal nachprüfen
lassen, ob die Behörde zustimmt. Ich bin nämlich Arbeitslosengeld II-
Empfängerin. Es wird aller Erfahrung nach nur zwei bis drei lächerliche
Wöchelchen dauern, bis ich eine Tendenz erfragt habe, ob es eher in Richtung
Ja oder Nein geht." Ich
habe noch nie einen Vermieter mit Heiligenschein kennen gelernt. Die Leute, die
diese Vorgaben machen, müssen in einer wunderbaren sozialen Schicht leben,
wo es nur so von Vermietern und Vermieterinnen mit Heiligenschein wimmelt.
Ich bat die Sachbearbeiterin,
meinen Irrtum, der keiner war, erkennend um Rückgabe des Mietvertrages, da
er ja mein Eigentum sei. Sie erwiderte, davon mache sie erst mal Kopien für
die Kollegen. Ich sagte "Nein". Sie packte das Zeug und wanderte ab
und ließ mich in sozialer Handlungsohnmacht. Als sie zurückkam, konnte
ich sie nicht mehr ansehen vor Wut und ich presste nur hervor, dass sie froh sein
solle, dass sie Arbeit habe. Morgen ist Dienstag. Ich gehe zur Beschwerdestelle
der Stadt. Ich nenne ihren Namen. Ich wehre mich gegen die Schamzufügung,
die man Menschen antut, die keine Arbeit haben, die vermittelte Unmündigkeit,
die ihnen nicht mehr ermöglicht, über ihr Papiere zu verfügen.
Ich wehre mich gegen Gesetzesvorgaben, die sich an einer Realität orientieren,
die es nicht gibt. Ich wehre mich dagegen, in wichtigen Situationen gezwungen
zu werden, meine sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse offen legen zu
müssen und dafür Nachteile in Kauf zu nehmen, die ich doch ohnehin auf
der ganzen Linie habe. zum
Anfang |