Informationsdienst Computer&Medien

Archiv   Nr.2 / 1992

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TERMINE *
Redaktionelles: TECHNISCHE HINWEISE FÜR DIE ARTIKELSCHREIBERiNNEN *
INVESTIGATIVE REPORTING - PRAKTIKUM IN SAN FRANSISCO *
FRAUEN - MEDIEN - MACHT *
PR-JOURNALISMUS ALS PROSTITUTION IN REINKULTUR *
Mobilfunk/"Elektrosmog" *
GRUNDLAGENFORSCHUNG IM BUNDESAMT FÜR STRAHLENSCHUTZ GESTOPPT *
GRENZWERT-JONGLEURE PASSEN GRENZWERTE AN *
VERHARMLOSUNGSKAMPGENE - Z.B. PROF. E. DAVID *
ELEKTROMAGNETISCHER IMMISSIONS-KATASTER GEFORDERT *
SKANDALÖSES GERICHTSURTEIL PRO MOBILFUNKTURM *
MILITÄRISCHE INTERESSEN AN ELEKTROMAGNETISCHEN WELLEN *
Computerisierung/Verdatung/Überwachung *
PCs DER BUNDESTAGSABGEORDNETEN - INTIM KONTROLLIERT *
ELEKTRONIC CASH SOLL KUNDENPROFILE LIEFERN *
CHIPKARTE ALS MASCHINENLESBARER "KRANKENSCHEIN" *
Computer, KI, Cyberspace *
CYBERSPACE UND SUPERCOMPUTING IM Z G D V / DARMSTADT *
Diskussion *
GEDANKEN ÜBER ENGAGEMENT IN DER TECHNIKKRITIK *
NOCH MEHR ARGUMENTE GEGEN H D T V *
KRITIK AM "BREMER ANSATZ" IN DER ELECTRONIC-CASH-KAMPAGNE *
Mailboxen *
PRESSERECHT IM MAILBOXNETZ *
SPINNEN-NETZ: POLITISCHE MAILBOX BLAUÄUGIG? *
Offene Kanäle *
HANNOVER/WOLFSBURG: "ARBEITSKREIS OFFENER KANAL" *
Freie Radios *
NIEDERSACHSEN: LOKALRADIOS KÖNNEN AB 1993 SENDEN *
NOVELLIERUNG DES MEDIENGESETZES IN RHEINLAND-PFALZ *

 

TERMINE

7.6., Bielefeld, "Medien von unten - Geschichte Perspektiven, Utopien", Ref.: Dr. Gabi Hooffacker, im "Bunker Ulmenwall", Kreuzstr. 0, 48 Bielefeld 1, veranstaltet von der Bielefelder Mailbox-AG BIONIC/FoeBuD e.V., Tel. 0521/175254, Di-Fr. 14-18 Uhr 10.6.-12.6., Paris, Chances et Risques del'informatisation dans l'Europe demain" Tagungssprachen: Englisch, Französisch, Anmeldung: CREIS, Boite 165, Tour 55-65, Bureau 309, Université Paris VI, 4 Place Jussieu, F - 75252 Paris Cedex 05

10.6. Hannover, Gründungstreffen und Informationsveranstaltung des "Offenen Kanals", ab 18.00 Uhr im Hanns Lilien-Haus, Knochenhauerstr. 33, in Hannover. Kontakt: Jan Diekmann/Arbeitskreis Offener Kanal Hannover, Auf dem Kronsberg 34, 3008 Garbsen, Tel.: 05131/93264, Fax 05131/465148

11.6. - 14.6., Lüneburg, Zweite "Medienmesse", Medienzentrale der evangelischen Landeskirche Hannover, Archivstr. 3, 3000 Hannover 1, 0511/1241-432 (Henning Kunze), (zur ersten Medienmesse vgl. Infodienst Nr. 2/90, "Computer in der Kirche", S.7.)

27.6., Nürnberg, Usertreffen der Nürnberger LINKSystem-Mailboxen, Fete: 4 Jahre LINK-N, Jugendzentrum für politische Bildung der Stadt Nürnberg, Untere Talgasse 8, 8500 Nürnberg 1, Mbx-Kontakt: a) LINK-N: 0911/452777, b) LINK-NJD: 0911/805577

29.6.- 4.7., Kochelsee, Einführung in die IuK-Technik (Montag bis Samstag, als Bildungsurlaub anerkannt), Anmeld. über örtliche ÖTV-Verwaltungen

4.7., Offenbach, Treffen der Fachgruppe "Telematik" des IKÖ, Kontakt: Klaus Lüdemann, Neue Friedrich-Str. 3, 5600 Wuppertal 1, Tel.: 020/453697

7.7.-10.7., München/Messegelände, Fachmesse für IuK-Technik in der Bildung: interaktive, computergestützte Lernsysteme, Lernen mit Simulationsmodellen, Teach-ware, Audio-visuelle Systme, etc., Veranstalter: MediaNet, Kaiserstr. 39, 8000 München 40, Tel.: 089/38 1904 12

13.7., München, 19 Uhr, UserInnen-Treffen von ComLink, im Haus der Jugendarbeit, Rupprechtstr. 25, 8 München

21.7.-23.7., Amsterdam, Ausstellung für Kriegslogistik, "D-LOG ", Osprey Exhibitions Ltd., 33A Curch Road, Watford, Herts WD 3 PY, Großbritannien, Tel.: 44-923/818921 (IuK-Technik, Mobilfunk, etc.)

2.9.-6.9., Osnabrück, European Media Art Festival, Internationaler Wettbewerb in den Bereichen "Experimentalfilm", Videokunst", "Videoclips", "Computeranimationen". Ausstellungen, "Performances", Vorträge und Symposien. Veranstalter: Film- und Medienbüro Niedersachsen e.V. in Kooperation mit dem Experimentalfilm Workshop e.V. (Von Tabakkonzern gesponsert)

7.9.-8.9., Rüschlikon/Zürich, Qualifizierung für Neue Technologien, Lerntechnologien, Projektunterricht Informatik usw. Anmeldungen: Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) - Ressort Technologie und Gesellschaft - Langhaldenstr. 21, CH 8803 Rüschlikon, Tel.: +41/1/7246111, "Abschreckungsgebühr": 480,- SF

DGB-Bildungszentrum Hattingen (Nähe Bochum) Wochenveranstaltungen (Sonntag bis Freitag, als Bildungsurlaub anerkannt)

Teilnahmeberechtigung ist unabhängig von Mitgliedschaft in einer DGB-Gewerkschaft. Fahrtkostenerstattung für Mitglieder einer DGB-Gewerkschaft. Anmeldungen: DGB Bildungszentrum Hattingen, Am Homberg 46-50, 4320 Hattingen, Tel.: 0234/509575:

30.8.-4.9., "Die Zukunft dem Computer? - Und welche Arbeit bleibt den Frauen?", für Frauen / mit Kinderbetreuung, Zu Fragen der Qualifikationsstruktur, Büroarbeit, Arbeitsteilung, Teleheimarbeit.

20.9.-25.9., "Im Netz? - Was bringt uns die Telekommunikation?", Strukturveränderungen, Auswirkungen, Alternativen zu ISDN.

4.10.-9.10., Medien, Kommunikation und Macht - Konstruktion der Wirklichkeit in den Medien, Alternativen zum Mediensystem, praktische Fragen zu Landesmediengesetz NRW, Lokalradios und offenen Kanälen.

2.9.-27.9. Osnabrück/Kunsthalle Dominikanerkirche, Installationen, in denen Verknüpfungen von traditionellen Kunstformen und Materialien mit elektronischen Medien und Methoden realisiert sind: Videoinstallationen, computerorientierte interaktive Arbeiten, Projekte im Kontext Kunst-Technologie-Medien.

23.9.-26.9., Freiburg, "Informatik cui bono?" ("Informatik, wem nützt sie?") - Anmeld.: Institut für Informatik und Gesellschaft - Universität Freiburg, Friedrichstr. 50, 7800 Freiburg, (vgl. Infodienst 91/4), Tel.: 0761/203-4989, "Abschreckungsgebühr": 320 DM, GI-Mitglieder 240 DM, Studierende 50 DM.

25.9.-27.9., Ginsheim/Groß-Gerau, "Cyberspace und Künstliche Intelligenz" - Junge Presse Hessen/Jungdemokraten Hessen, Teilnahmegebühr 15 DM für Verpflegung, Unterkunft im NaturfreundInnenhaus (Schlafsack und Isomatte!). Junge Presse Hessen, Postfach 1406, 6348 Heborn, Tel.: 06443/2556 oder 069/573963.

1.10., Nr. 3/92, Infodienst Computer & Medien müßte in Eurem Briefkasten gelandet sein. Für die Finanzierung des Zeitraums Dez- 92 - Dez. 93 wird dann ein Überweisungsformular beiliegen.

 

Redaktionelles

 

TECHNISCHE HINWEISE FÜR DIE ARTIKELSCHREIBERiNNEN

Der Infodienst muß aus finanziellen Gründen leider auf möglichst 12 Seiten beschränkt bleiben. Artikel zu kürzen macht Mühe und Absprachen notwendig. Bemüht Euch deshalb bitte folgende Hinweise zu beachten:

1. Die Artikel sollen möglichst knapp (ca. 3000 Anschläge bzw. Bytes) und auf den wesentlichen Informationsgehalt komprimiert sein.

2. Am idealsten wäre es, wenn 5 1/4 Disketten mit fertigen Artikeln zugeschickt würden und zwar in Dateien, die vom Textverarbeitungsprogramm "word"/MS-DOS aufrufbar sind. Wenn mit anderen Textverarbeitungsprogrammen gearbeitet wird, sollten die Texte im ASCII-Format abgespeichert werden (bei der Speicherung der Textdateien gibt es meist diese Option). Die Texte sollten vor allem ohne jegliche Formatierungen (Tabs, Trennungen, etc.) abgespeichert werden. Dann braucht man nur die Disketten in den Redaktions-PC zu stecken und die Artikel in den Infodienst zu übertragen. Vielen Dank!

 

Medien allgemein/Journalismus

 

INVESTIGATIVE REPORTING - PRAKTIKUM IN SAN FRANSISCO

Das "Center for Investigative Reporting" (CIR), eine der besten Adressen im u.s.-amerikanischen "nachforschenden Journalismus", bietet neuerdings PraktikantInnenstellen für drei bis sieben Monate an, sogar mit 100 Dollar monatlich als Unterhaltszuschuß bei Halbzeitarbeit oder mehr. Die CIR-Leute stellen in den Bereichen Ökologie, Militär, Repression, Arbeit usw. Zusammenhänge her, die von den Institutionen selbst nicht mehr ganz bereitwillig herausgerückt werden, und setzen sie in Veröffentlichungen um, von Fernsehmagazinen bis zu Alternativradios. (Richard Herding, ID Frankfurt)

Material:ID-Artikel "Journalismus als Protestarbeit" (Dez.1985) und "Alternative Rechercheförderung" April-Juni 1992) in der Zeitschrift "medium" (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, Frankfurt/M, Postfach 500 550)

Kontakt: (bitte vorher oben angegebene Artikel des ID/ffm lesen, da der CIR zu überlastet ist, um allgemeine Auskünfte zu geben) CIR, 530 Howard Street, San Francisco, California, USA-94105-3007, Tel.: 001-415/543-1200 (bzw. Fax-8311)

 

FRAUEN - MEDIEN - MACHT

Die Männerfestung wird gestürmt, aber der Markt hinkt nach - . An ein Gespräch über Frauenöffentlichkeit, also immerhin über die Medien der benachteiligten Mehrheit im Lande, und noch dazu vor einem aus Männern und Frauen gemischten Publikum, kann sich wohl kaum jemand in der Alternativszene seit bald zwanzig Jahren erinnern. Die Nicht-dran-Rühren-Stimmung durchbrach der Frankfurter "Informationsdienst - Zentrum für alternative Medien" mit seinem Jahrestreffen 1991. Brigitte Bosing vom Frauenfunk des Hessischen Rundfunks und Ilona Hackert von der Redaktion des "Frankfurter Frauenblatts" zogen eine Bilanz aus zwei verschiedenen Perspektiven: während Bosing innerhalb einer etablierten Rundfunkanstalt ein Programm gestaltet, das zwar nur eine Nullkommafünf-Prozent-Nische einnimmt, aber doch den "etwas anderen Blick " der Frauen präsentieren und bis hoch zur Intendanzebene auch die Frauenförderung bis zur 50%-Quote vorantreiben will, beteiligt sich Hakert (im Beruf als Frauenbeauftragte der Stadt Offenbach wiederum eine "Etablierte") an einem Alternativblatt, unabhängig & arm & frei.

Die Zusammenarbeit zwischen beiden Ansätzen, die Männerfestung Medienwelt zu erstürmen, funktioniert über Netzwerke - etwa den "Journalistinnenbund", in dem Bosing aktiv ist - , Themenhinweise und koordinierte Proteste so gut, wie männlich dominierte Medien sich's in der erträumten "verschränkten Öffentlichkeit" zwischen alternativ und etabliert nur ausmalen können. Das war jedenfalls die übereinstimmende Beurteilung aus beiden Blickwinkeln. Nur warum, wenn doch eine spezifische Frauen-Medienöffentlichkeit so unersetzlich ist wie eh und jeh, warum ist dann z.B. die jahrelang vorbereitete Frauenwochenzeitung nie entstanden? "Der Markt ist nicht da" sagte Hakert. Eine Antwort, die zu vielen weiteren Fragen führt. So wichtig die Veranstaltung des "ID-Förderkreises Offene Medien" als Einstieg war, so zeigte sich doch ein Riesen-Defizit an Austausch über das Thema. Denn als Medien, die eine Brücke schlagen zwischen dem sogenannten "privaten" und dem öffentlichen Bereich, sind Frauenmedien heute - im Zeitalter zum Beispiel der High-Tech-Befruchtung - für Wesen beider Geschlechter unentbehrlich. (Richard Herding, Alex Kessler, Dörthe Krohn)

 

PR-JOURNALISMUS ALS PROSTITUTION IN REINKULTUR

(kri) "Ich begrüße jetzt meinen Kollegen Ralf Henscheidt, der für uns in Hannover ist" hieß es im Radio, und die HörerInnen setzten voraus, dieser Korrespondent arbeite für den Radiosender. Falsch! Zehn Computerfirmen (u.a. Samsung, Star, Intel..) haben ihn bezahlt, damit er ihre Botschaften in Berichte von der CeBit einkleidet und sie den Hörfunkstationen zum Nulltarif sendefertig anbietet. Die Radiostationen präsentierten ihn dann kostenlos als "ihren Live-Reporter". Gekaufter Journalismus in Reinkultur, über den das "PR-Magazin" Nr. 5/92 stolze Erfolge meldet. Reklameprofi Harald Weiß hatte die Idee mit RTS umgesetzt: "RTS, Radio Themen Service - Ihre Werbung produzieren wir nicht...aber ihr Thema. Im Radio! Wir bringen Ihr Thema auf Sendung. Journalistisch und professionell" (RTS-Sprüche, Eigenwerbung), "Seit drei Jahren gilt RTS als Spezialist dafür, im Kundenauftrag sendefertige Berichte zu produzieren und im Hörfunk unterzubringen. Vor allem private Rundfunkstationen aber auch öffentlich-rechtliche wie MDR und ORF sollen lt. PR-Magazin diesen Hurenjournalismus ihren HörerInnen gegenüber als unabhängig recherchierte Berichterstattung ausgegeben haben.

 

Mobilfunk/"Elektrosmog"

 

GRUNDLAGENFORSCHUNG IM BUNDESAMT FÜR STRAHLENSCHUTZ GESTOPPT

(c&m) Gesundheitliche Gefährdung durch Mobilfunk beruht a) auf Wärmeentwicklung (Mikrowellenherd-Effekt) und b) einer Beeinflussung von biologisch-elektrischen Vorgängen im Nervensystem und Zellgewebe. Von der thermischen Wirkung ist insbesondere das Eiweis im Augapfel gefährdet, das sich verdicken kann, eintrübt und dann zur Erblindung durch den "Grauen Star" führt. Nicht-thermische Effekte stehen im Verdacht, das zentrale Nervensystem, die Hormonproduktion und das Blutbild zu verändern. Umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen bestärken diesen Verdacht. Weitere öffentliche Grundlagenforschung wird z.B. im BfS, das zunächst durch seine Empfehlungen die Grenzwertdiskussion verschärft hatte, stranguliert. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter, das dem Bundesumweltministerium untersteht, hatte im August 1990 noch MitarbeiterInnen für die Grundlagenforschung im Bereich "Elektromagnetische Felder" per Zeitungsinserat gesucht, die Gelder für diese Stellen wurden gestrichen, die Stellen blieben unbesetzt.

 

GRENZWERT-JONGLEURE PASSEN GRENZWERTE AN

(c&m) Die Strahlenschutzkommission (SSK) versucht den Weg für den millardenschweren Mobilfunk-Markt (Telekom will allein 3-4 Milliarden bis 1994 in Sende-Anlagen investieren) dadurch zu ebnen, daß sie die erlaubten Strahlungs-Grenzwerte anpasst. Während das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) noch im Juni 1991 einen Abstand von 20-50 cm bei 8 Watt starken Sendern empfiehlt, beschloß die SSK ein halbes Jahr später am 12/13. Dez. 91) eine Empfehlung von lediglich 5 cm als Mindestabstand für GSM-Geräte im 900 MHz-Bereich bei 8 Watt Sendeleistung (GSM ist der europäische Standard für digitale Mobilfunkgeräte). Für analoge 5-Watt-Mobilfunk-Geräte wird hingegen ein Mindestabstand von 20-25 cm empfohlen, was bei der Handhabung praktisch nicht einzuhalten ist. Indirekt zielt die Empfehlung also auf die Einführung der Digitaltechnik. Das paßt umso mehr, als der Boom beim analogen Mobilfunk mit mehr als 500.000 TeilnehmerInnen bald dessen Kapazitätsgrenze erreicht hat und die Leute auf Digitaltechnik umgelenkt werden sollen. Das BfS erklärt übrigens neuerdings, seine Empfehlung sei kein Widerspruch zu der der SSK, weil seine Angaben von damals nicht auf Mobilfunk spezialisiert gewesen seien (Eine Abschwächung auf Weisung von Oben?!). Und einige Hersteller, wie z.B. ANT-Nachrichtentechnik, verlangen sogar noch eine Verschlechterung der Grenzwerte.

Material: Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) Schutz vor elektromagnetischer Strahlung beim Mobilfunk. Empfehlung, verabschiedet auf der 107 Sitzung der Strahlenschutzkommission am 12.13. Dez. 1991, Bundesanzeiger Nr. 43/92; Prof. Jürgen Bernhardt, Bundesamt für Strahlenschutz, interviewt von Dr. Jeanne Rubner, "Mehr Schutz vor Strahlen?", in SZ, 11.4.91; Nils Schiffhauer, Schützen Grenzwerte unsere Gesundheit?, in: Funkschau 10/92, S.38; Nils Kuster, TH Zürich, Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenztechnik hat einen Vortrag gehalten, auf dessen Grundlage ein Artikel geschrieben wurde: "Kein Persilschein für Handies", in: Funkschau 10/92, S. 44, Leserbrief von RDir W. Becker, BMPT in Funkschau 11/92, S. 90.

 

VERHARMLOSUNGSKAMPGENE - Z.B. PROF. E. DAVID

(c&m) Als wissenschaftlicher Gesundbeter vom Dienst tut sich Prof. Eduard David von der Uni Herdecke ("Forschungsstelle für Elektropathologie", bzw. "Institut für normale und pathologische Physiologie") hervor: "Die fast hysterische Diskussion dieser Umweltfrage wird durch fehlende Spürbarkeit aber gute Meßbarkeit dieser Felder einerseits und die Angstmache bestimmter Stellen andererseits sehr gefördert. Sie ist Ausgeburt unserer Überflußgesellschaft. Es ist Mode geworden, über Elektrosmog zu sprechen, obwohl das Wort Elektrosmog irreführend ist. Es macht nämlich glauben, daß der Wind das elektrische Feld einfach wegblasen kann." (E. David, "Modethema Elektrosmog - Kontra" in: "forum arbeit, April 1992, S. 33).

Nachdem die Süddeutsche Zeitung (SZ) am 29.1.91 über eine australische staatliche Studie berichtet hatte, derzufolge Kinder in elektromagnetischen Feldern einem um das 2,1 fachen erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt sind, meldet sich sofort E. David als Abwiegler vom Dienst. In einem Leserbrief an die SZ (14.3.91) schreibt David: "Wir beschäftigen uns im Rahmen der Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der biologischen Wirkungen von elektrischen und magenetischen Feldern hauptberuflich mit derartigen Fragestellungen..." und "Dennoch muß auch diese neue australische Studie sorgfältig geprüft werden, jedoch besteht kein Anlaß für eine vorzeitige Beunruhigung der Bevölkerung." Kein Wunder, daß Davids Arbeiten bevorzugt von der SSK veröffentlicht werden.

Eingerahmt von zwei Anzeigen der Mobilfunkindustrie wettert Ulrich Rhode, Chefredakteur der "Funkschau" im Editorial: "Mit Behagen steigen die Medien in die Diskussion ein und decken Gefahren von Krebsauslösung bis Unwohlsein" auf, die von Funkantennen ausgehen sollen. Ein Reizklima entsteht. Versucht man, die Quellen der Argumentation aufzudecken, wird es meist vage. Manchnmal werden Experimente verallgemeinert, die mit starken Dosen Lebendiges beeinträchtigt haben..." (Funkschau, 30.April, 1992, S.3) Offensichtlich sind die Artikelschreiber der Funkschau schon weiter als ihr Chefredakteur, denn sie enthalten massive Kritik und u.a. wissenschaftlich fundierte Angriffe gegen die aktuelle Grenzwertpolitik.

Material (Pro Mobilfunk): E. David, "Elektrosmog, Gefahr für die Gesundheit? - Kontra" in: Forum Arbeit, Magazin für Arbeitspolitik und Arbeitsumwelt, April 1992, Leserbrief von E. David : "Mit menschlichen Leben vereinbar", in SZ 14.3.91, E. David, Epidemiologische Studien über Wirkungen elektromagnetischer Felder, Bewertungen und Konsequenzen des New York State Power Line Projekts", Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, 16, S. 333-348, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1990

Kontakt: Eduard David (Prof. Dr. med.) und Jörg Reißenweber "Forschungsstelle für Elektropathologie" an der Uni Witten/Herdecke, Institut für normale und pathologische Physiologie, Beckweg 4, 5804 Herdecke

 

ELEKTROMAGNETISCHER IMMISSIONS-KATASTER GEFORDERT

(c&m) Das Problem erklärte kurz und bündig Dr. Varga, Heidelberg, in einer Fernsehreportage über Mobilfunktürme (SAT 1, 4.5.92, gebrochenes Deutsch, wie im O-Ton verschriftlicht): "Diese Türme würden wahrscheinlich keine große Leistung haben - alleine - aber diese Leistung von Türme sind sehr hochfrequente Strahlen, die sind sehr gefährlich und wenn man diese Strahlen superponiert mit andere Strahlen von Fernsehen, von Radar, von Satelliten usw., dann summiert sich das und ich befürchte, das summiert sich auf eine so hohe Leistungsdichte, was für den Menschen gefährlich werden kann. Alle sind beeinfluß aber merken nicht alle, sondern etwa jeder Dritte und zwar sieht das so aus, daß die Leute über Klimakterium, also 40, 45 Jahren, die sind empfindlicher undzwar Frauen zweimal so empfindlich wie Männer; und Kinder, weil sie mehr Wasser im Körper haben etwa drei mal so empfindlich wie Männer."

Die Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Post und Telekommunikation bestellte inzwischen Vertreter von Telekom und Mannesmann, die beiden Betreiberfirmen von Mobilfunknetzen, zu einer Beratung nach Mainz. Dabei regten Strahlenschutzexperten passend zur obigen Aussage von Varga an, "für Deutschland einen elektromagentischen Immissionskataster zu erstellen und sämtliche Sendeanlagen auf ihre Umweltverträglichkeit zu überprüfen. Solche Untersuchungen vor dem Baubeginn eines Sendemastes würden allerdings den Netzausbau weiter verzögern." (Wirtschaftswoche, 13.3.92, S.9).

Um die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten machen sie sich Gedanken....

Die oben zitierte Ausgabe der Wirtschaftswoche enthält u.a. die Anzeige einer Elektronikfirma in der es heißt: "Sie sitzen am Steuer - und plötzlich spielt alles verrückt: Ihr Auto gibt Vollgas. Oder bremst. Seitenfenster öffenen sich von Geisterhand. Und vor Ihnen der Airbag. Nicht auszudenken! Alles schon vorgekommen. Wenn beispielsweise der Blitz eines nahen Gewitters die Autoelektronik durcheinanderbringt. Heute muß Sie das nicht mehr beunruhigen. (Firma x) entwickelt und fertigt Meßsysteme, die elektromagnetische Verträglichkeit prüfen. Bei komplizierter Autoelektronik, hochempfindlichen Computeranlagen, einfachen Hausgeräten." Fragt sich, warum die elektromagnetischen Unverträglichkeiten des Menschen nicht geprüft werden.

 

SKANDALÖSES GERICHTSURTEIL PRO MOBILFUNKTURM

(c&m) Am 6.2.92 hatte das Lüneburger Verwaltungsgericht auf Antrag der Bürgerinitiative einen Baustop für den dortigen Funkturm beschlossen. Die Oberpostdirektion in Hamburg ist Betreiberin des Turms und Hans Joachim Brinkmann von der OPD sagt: "Es ist Sache zwischen der Bezirksregierung und den Bewohnern, wir liefern die Daten dazu, daß die Bezirksregierung die Genehmigung dann auch weiter aufrechterhalten kann." Am 21. April 92 faßte der 1 Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts den Beschluß: "Auf die Beschwerde der Beigeladenen und die Anschlußbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Stade, 3. Kammer Lüneburg vom 6. Februar 1992 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. Mai 1990 wird abgelehnt.(...) Der Beschluß ist unanfechtbar. Gez. Figge, Dr. Bock". Bis zum Hauptverfahren aber können Jahre vergehen in denen dann Fakten geschaffen werden: bis dahin sind nämlich ein Großteil der geplanten 3500 Funktürme gebaut und in Betrieb. Als Grundlage für die Entscheidung stützte sich das Gericht auf zwei Gutachten. Eines davon kam von der Betreiberin, der Oberpostdirektion selbst, das andere vom Landesamt für Emissionsschutz, allerdings handelte es sich dabei um ein Gutachten, das bereits schon einmal für eine andere Anlage angefertigt worden war und nun mit einem neuen Umschlag versehen dem Gericht vorgelegt wurde.

Unüblicherweise traten die Richter noch vor Aushändigung des Urteils mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit, die mit 3 DIN A4 Seiten umfangreicher war als die Urteilsbegründung.

Der Rechtsanwalt der BürgerInneninitiative in Lüneburg, Wilhelm Krahn-Zembol, bezeichnet die Aufhebung des Baustops als "eine politische Entscheidung" und ist bereit, aus dieser Angelegenheit einen Präzendenzfall zu machen.

Quelle: SAT 1, Umweltreportage, "fünf vor zwölf", gesendet am Montag den 4.5.92, 23.10 - 23.40 Uhr, Bericht von Olaf Wollentarski, Hergestellt von "tele bremen"

Kontakt: Wilhelm Krahn-Zembol, Rechtsanwalt der Lüneburger BürgerInneninitiative, Kastanienweg 8, W-2124 Amelinghausen

 

MILITÄRISCHE INTERESSEN AN ELEKTROMAGNETISCHEN WELLEN

(gjs) Dr. András Varga, Wissenschaftler am Hygieneinstitut der Universität Heidelberg und wissenschaftlicher Gutachter der Gemeinde Lorch am Rhein gegen den dortigen Mobilfunkturm wurde im Rahmen einer Reportage über Elektrosmog interviewt (1), Kommentar im Off zur Problematik elektromagnetischer Wellen: "..er befürchtet, daß sie auch gezielt gegen Menschen eingesetzt werden können", daraufhin Varga (sympatischer Mensch, mit Akzent und etwas holprigem Deutsch): "weiß ich nicht ob ich das sagen darf, aber gibt schon militärische Waffe, sogenannte Mikrowellenwaffe, womit man Herzimpulse depolarisieren kann und damit wird ein Stillstand, ein Herzstillstand und ein Tod hervorgerufen. Oder kann man Körper so bestrahlen, mit bestimmten Frequenzen, daß entsteht Blutkoagulation." Interviewer:"Sind das jetzt Hypothesen von Ihnen oder ist das mit militärischer Forschung belegt?" Varga:"Ja mit militärische Literatur kann man das nicht belegen, aber bei militärischen Konferenzen hört man sowas und das ist bekannt geworden, als im Hamburger Hafen, haben die zufällig so ne Waffe gefunden."

Vor eineinhalb Jahren wurde das Labor des unbequemen Wissenschaftlers durch einen Brand verwüstet, dessen Ursache bis heute noch nicht geklärt ist. Varga, hat u.a. die nicht-thermische Wirkung elektromagnetischer Wellen auf Lebewesen untersucht und Schädigungen von Hühner-Empryonen nach achtstündiger Bestrahlung nachgewiesen. Bei dem gegenwärtig gültigen Grenzwert von 2,5 milliWatt pro Quadratzentimeter starben die Embryonen, bei Strahlungsintensitäten darunter gab es viele Verkrüppelungen.

Hinweise auf die militärische Bedeutung von Mobilfunk und elktromagnetischen Wellen allgemein sind auch vom Bundesverteidigungsministerium zu hören. Es legt z.Zt. besonderes Gewicht auf die Militärforschung in den Bereichen Neue Radartechniken, insbesondere unter Berücksichtigung von Gallium-Arsenid-Arbeiten (hohe Leistungsdichte), Erhöhung der Mobilität, Fahrzeugführung und Navigation sowie Elektromagnetische Projektilbeschleunigung. (2)

Sehr waffenfähig scheint auch das Gerät zu sein, das die japanischen Firmen Mitsubishi und Fujitsu zusammen mit den Universitäten Kobe und Kyoto entwickelt haben. Es kann mithilfe von Mikrowellen eine Energie von 90 Watt ausstrahlen. Es besteht aus einer sechseckigen Platte von 20 cm Durchmeser, die mit sieben Elektroden bestückt ist, durch eine Bündelung von mehreren Platten kann bereits ein Energiestrahl von 1000 Watt Leistung erzeugt werden.(3)

Worterklärungen: "Blutkoagulation" = Verklumpung, Verschweißung von Blut zum Blutpfropfen wie z.B. in der Hochfrequenz-Elektro-Chirurgie / "Depolarisierung" = ein Nervenimpuls wird durch eine Depolarisierung ausgelöst bzw. ausgelöscht.

Quellen: 1) Montag den 5.5.92, 23.10 Uhr, SAT1, "Fünf vor Zwölf - Umweltreportage" 2) Aus der Antwort des Parl. Staatssekretär Willy Wimmer am 13.2.92, auf eine Anfrage des Abgeordneten Hans Wallow (SPD) Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode, Drucksache 12/2145, S. 27,28 3) New Scientist, 24.11.90

Material: Andreas Varga, Hygiene-Institut Uni Heidelberg, Nachweis von Mißbildungen an Hühner-Embryonen als Folge elektromagnetischer Strahlung nachgewiesen(Zusammenfassung siehe Artikel "Leben im Spannungsfeld", in: Funkschau 22/89, S.82-84), Andreás Varga, Physikalische Umwelt und Gesundheit des Menschen, (Selbstverlag, Adresse siehe "Kontakt")

Kontakt: Dr. Andreás Varga, im Hygieneinstitut der Universität 69 Heidelberg oder Kurt-Schumacherstr. 11, 6904 Nußloch

 

Computerisierung/Verdatung/Überwachung

 

PCs DER BUNDESTAGSABGEORDNETEN - INTIM KONTROLLIERT

(kri) Die PCs der Bundestagsabgeordneten werden systematisch kontrolliert. Die SystembetreuerInnen des "BenutzerServiceZentrums" fertigen bei ihren Besuchen in den Büros Dateien mit dem Kürzel ".BSZ" an, aus denen sämtliche Unterverzeichnisse und sämtliche Dateinamen von Texten und sonstigen Daten auf dem Festplattenspeicher hervorgehen. Die Informationen der Systemkontrolle umfassen auch Datum und Zeit, wann die Dateien angelegt worden sind. Eine der SystembetreuerInnen bemerkte anläßlich ihres Besuches: "Manche Leute geben ihren Dateien Namen, die nur aus Ziffern bestehen. Da kann man dann gar nicht erkennen, was drinsteht." Wozu auch?

Die SystembetreuerInnen weigern sich andererseits das zentral verordnete Adreßverwaltungsprogramm so einzurichten, daß es von einer Diskette aus gestartet werden kann. Die Adreßdaten seien ausreichend durch die programmeigene Verschlüsselung geschützt. Allerdings werden die Daten unabhängig von den gewählten Paßwörtern verschlüsselt. Es genügt, eine einzige Datei, die auf jedem MdB-PC den unveränderlichen Namen PCI_ADR.DBF trägt, zu kopieren, um an jedem beliebigen MdB-PC sämtliche personenbezogenen Daten eines Kollegen oder einer Kollegin lesen zu können.

Die SystembetreuerInnen können sich jederzeit Zugang zu den MdB-PCs verschaffen. Wenn zum Beispiel das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik ein neues Virus-Gerücht verstreut, kommt Besuch vom Benutzer-Service-Zentrum. Wäre zum Beispiel eine Kopierautomatik in das Virensuchprogramm eingebaut, ist der Datenraub durch die hauseigenen Computer-ÜberwacherInnen eine unsichtbare Sache von wenigen Sekunden.

Die Adreßdaten können einen vollständigen Aufschluß über die politischen Kontakte aller Abgeordneten geben: Mit wem hält der oder die MdB Kontakt? Per Sie oder per Du? Herkunft der Adresse und Verwendung. Und vieles mehr. Daraus ergibt sich ein vollständiges Aktivitätsprofil der Bonner PolitikerInnen. U.a. ein ideales Instrument zur Beschaffung von Informationen, die notwendig sind, um einen Wahlkreiskonkurrenten auszubarscheln.

 

ELEKTRONIC CASH SOLL KUNDENPROFILE LIEFERN

(c&m) Bei der Benutzung von Kreditkarten beim Einkaufen wird von den Geschäften in aller Regel gespeichert, an welchem Tag, ggf. in welchem Geschäft, zu welcher Uhrzeit, welche Artikel von welchem Kunden mit welcher Kundennummer gekauft wurden. Falls die Karte vom System nicht akzeptiert wird, wird das Geschäft aufgrund der electronic-cash- Vereinbarungen in codierter Form über die Gründe informiert.

Die bisherige EC-Karte enthält auf ihrem Magnetstreifen u.a. eine Spur mit insgesamt 29 Datenfeldern auf denen z.B. die Konto-Nr. und das Kreditlimit angegeben sind. Wenn eine Unterschrift geleistet werden muß, wird auch der Name des Kunden bekannt. Die von den Geschäften selbst herausgegebenen "Kundenkarten" enthalten von vorneherein die vollständige Adresse des Kunden.

Handelsunternehmen haben das Interesse, an Daten heranzukommen, die Aufschluß über Konsum- und Zahlungsgewohnheiten, Kauf- und Kreditpotentiale der KundInnen geben können. "Im Karteninformationsdienst "á la card" veröffentlichte Joachim Mohme Forschungsergebnisse der Universität Münster, mit denen unverhohlen für die Verknüpfung von gespeicherten Kundenwarenkörben und den dazugehörigen Kundenkartendaten geworben wird, mit dem Ziel, vollständige Kundenprofile aufzubauen" (Handelsblatt, 28.1.91).

 

CHIPKARTE ALS MASCHINENLESBARER "KRANKENSCHEIN"

Einführung ab Herbst 92 in Wiesbaden, Koblenz, Magedeburg

(gjs) Krankenkassen und Ärztevereinigungen haben sich dieses Frühjahr auf die Einführung einer Chipkarte geeinigt, die den bisherigen Papier-Krankenschein ablösen soll. Ab Oktober 1992, spätestens ab Januar 1993 soll im Main-Taunus-Kreis/Raum Wiesbaden, in der Region um Koblenz und Magdeburg mit der Einführung begonnen werden. Nach den dort gemachten Erfahrungen soll die "zügige" Einführung auf breiter Front Ende 1994 bis 1995 stattfinden.

Chipkarte als Datenträger

Chipkarten können als Träger umfangreicher Datenmengen eingesetzt werden. Dies war letztlich der Grund dafür Chip-Karten statt Magnetkarten eingeführt werden sollen. Für die Durchsetzung dieser "moderneren, zukunftsträchtigeren Technologie" sind die Ärzteverbände verantwortlich, die das Magnetkartenprojekt abgelehnt hatten. Das entsprichen damit ganz den Interessen der Computerherstellern, die über die Chipkarten-Nutzung eine Computerisierung der Arztpraxen vorantreiben wollen (PCs, Drucker, Lesegeräte, Software, DFÜ/BTX).

Schrittweise Ausweitung der Chipkartendateien

Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen auf der Chipkarte (zunächst) nur diejenigen Daten gespeichert werden, die auch auf der Magnetkarte Platz gehabt hätten, aber offensichtlich hofft man, daß der Datenschutz nach und nach abgebaut wird und irgendwann auch die Speicherung von PatientInnendaten wie z.B. Diagnose-Ergebnisse erlaubt wird, die Chip-Karte also zur tragbaren Datei mit verschlüsselten PatientInnendaten wird. Eine Ausweitung mit Zustimmung der PatientInnen ist aber auch jetzt schon möglich. Deshalb muß demnächst mit der Frage gerechnet werden: "Haben Sie etwas dagegen, wenn wir die Untersuchungsergebnissw auf ihrer Karte registrieren, damit sie auch vom Arzt, zu dem ich Sie überweise direkt abgefragt werden können?". Aufklärung müßte dafür sorgen, daß die Antwort "Nein" lautet.

Für die zukünftige europäischen Versicherungskarte wird die Speicherung folgender Informationen geplant: Arbeitgeber, Hausarzt, Befunde, Familienverhältnisse, Krankengeschichte, etc.. Jeder Arzt soll diese Daten mithilfe eines geeigneten Lesegerätes abfragen und in den PC seiner Praxis einspeichern können. Dahin könnte es kommen, wenn mit einer EG-Richtlinie das deutsche Datenschutzgesetz und das Grundgesetz übertrumpft wird. Dann könnten die technischen Möglichkeiten der Chipkarte erst voll zur Geltung kommen.

Quellen und Material: Erfaßt = Gesund?, Tendenzen im Gesundheitswesen, Artikel der Gruppe "Frauen und Neue Technologien", Hamburg 1990, Die Krankenversichertenkarte, Schlüssel zur sozialen Selektion im Gesundheitswesen, in: 1999 Zeitschrift für Sozialgeschichte Nr. 3/90 (Kurzfassung in: Wechselwirkung Nr. 47, Februar 1991), Hamburger Arbeitsgruppe "Krankenversicherungskarte" (hrsg. von IKÖ/DVD), Die Krankenversicherungskarte gefährdet ihre Gesundheit, SZ 19.2.91, Computerwoche 50, 8.Dez. 1989, "Ärzte haben schlicht Angst", in: Die Quelle (DGB), Nr. 2/92, S.17, Rieß/Steinmüller: Rechtsgutachten für die Grünen im Bundestag, in: Materialen zur Verwendung der Versicherungsnummer in den Gesetzentwürfen zur Strukturreform im Gesundheitswesen, 1988, Süddeutsche Zeitung 7.1.92, 13.1.92, 28.1.92, 31.1.92, "Transnationaler Datenverkehr im Sozial und Gesundheitsbereich", in: "Datenschutz und Informationsrecht" (Wien) Nr. 4/90, S. 9 ff, Infodienst c&m 2/91, Artikel "Europäische Gesundheitsdaten-Zentrale",

 

Computer, KI, Cyberspace

 

CYBERSPACE UND SUPERCOMPUTING IM Z G D V / DARMSTADT

(gjs) Als ein Zentrum für die Entwicklung von interaktiven visuellen und akustischen Programmen ("cyberspace") bildet sich seit 1984 das Darmstädter "Zentrum für Graphische Datenverarbeitung" (ZGDV) heraus. Das ZGDV arbeitet mit dem Institut für Informatik / Graphische Interaktive Systeme an der TH Darmstadt und mit der Fraunhofer Gesellschaft/"Arbeitsgruppe Graphische Datenverarbeitung" (AGD) zusammen. Der Vorsitzende des Trägervereins bzw. dessen Direktor ist der gebürtige Portugiese Prof. Encarnacao, Entwickler des 1985 zum internationalen Standard erhobenen GKS (Graphisches Kernsystem). Mitglieder des Vereins sind u.a. Hewlett Packard, Digital, Siemens und SEL. Das Zentrum hat ca. 90 Beschäftigte (1987: 60) ist mit ca. 40 Bildschirmarbeitsplätzen ausgestattet und schleust jährlich ca. 500 Leute durch die Ausbildung an Graphiksystemen.

Die Forschungsprojekte des ZGDV, des GRIS (Institut für Graphische Interaktive Systeme) und der AGD erfordern höchste Rechnerkapazitäten (sogenanntes "Supercomputing"). Das ZGDV beschäftigt sich u.a. mit Computer-Animation, bei der Prof. E. wie selbstverständlich von der Existenz photorealistischer Animationen berichtete, die allerdings nur deshalb möglich sind, weil dabei die Bilder off-line generiert werden und deshalb mehr Zeit zur Verfügung steht. Bei interaktiven graphischen Programmen steht weniger Zeit für den Bildaufbau zur Verfügung, deshalb wird in den Dialogprogrammen die Bildqualität mit geringerer Priorität versehen, weil sonst die Rechnerkapazitäten nicht ausreichen.

Gegenwärtig zerbrechen sich die Leute am ZGDV in einem Forschungsprojekt den Kopf darüber, wie sie die Akustik im Cyberspace realistisch integrieren könne. Die Frage der "Sonification" und der Veränderung "akustischer Perspektiven" bei der Bewegung im Raum soll in einem Dialogprogramm realitätsgetreu abgebildet werden. D.h., daß ein Gummiball im Cyberspace nicht nur Elastizität und räumlichen Weg simuliert, sondern daß auch die dabei entstehenden Geräusche raumgemäß simuliert werden: also je weiter der Aufschlag des Balls vom Standpunkt des Beobachters im Cyberspace weg ist, umso leiser ist das Anschlaggeräusch.

Desweiteren beschäftigen sich die Leute dort mit dem Problem des "Modeling of Time". Zeit als qualifizierte Dimension macht ihnen dabei Probleme, denn die Zeit, die den Objekten inhärent ist, läßt sich nicht ohne weiteres auf dem Ausgabemedium Bildschirm abbilden. Die Synchronisation von Graphik- und Akkustiksimulationsprogrammen scheint offensichtlich große Probleme zu machen.

Als Anwendungsbeispiel für Simulationsmodelle im Supercomputing nennt Prof. Encarnacao u.a. die Simulation eines Atomkraftwerkunfalls und die Verbreitung radioaktiver Teilchen in Abhängigkeit von Wettereinflüssen. Dabei zeigt sich, daß die Welt im Rechner nicht völlig losgelöst von der Realität ist, denn die Daten für Bodenmodelle wurden aus Landschaftsdatenbanken und die klimatischen Modelldaten aus den Wetterdatenbanken übernommen.

Auch aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich nannte Encarnacao ein Beispiel für Supercomputing. Man habe eine geschichtswissenschaftliche Datenbank angelegt, die sämtliche verfügbare Daten über Darmstadt erfasse: historische Straßenpläne, Bildmaterial und in mühevoller Kleinarbeit von zig studentischen Hilfskräften eingegebene Zeitungsmeldungen, Berichte, Briefe, Dokumente etc. Die Rekonstruktion geschichtlicher Realität sei damit in einem bisher nicht gekannten Maße möglich geworden und dies habe u.a. dazu geführt, das die Unhaltbarkeit einiger geschichtswissenschaftlicher Arbeiten (auch Habilitationsschriften) deutlich geworden sei.

Quellen: a) Vortrag von Prof Encarancao zum Thema "Verteiltes Supercomputing - Visualisierung und Interaktion", 12.12.91 in Göttingen, b) Interview J.L. Encaranacao,Managermagazin 10/1991, 208-216, Schein-Geschäfte, Was steckt hinter Cyberspace?

 

Diskussion

 

GEDANKEN ÜBER ENGAGEMENT IN DER TECHNIKKRITIK

Der folgende Text ist im Rahmen einer Diskussion über die Perspektiven der "technologiekritischen Bewegung" entstanden und ist Bestandteil eines persönlich gehaltenen Briefwechsels mit der Autorin gewesen. Wir sind der Autorin dankbar dafür, daß sie einer Veröffentlichung zugestimmt hat.

(xx) "Was sind eigentlich die Gründe dafür, daß etliche Leute, die mal was zur Computerkritik gemacht haben nichts mehr von sich hören lassen und warum ich selbst nicht mehr viel dazu mache:

1. Resignation, oft verbunden mit Anpassung an "Zwänge", z.B. eben auch selbst PCs zu nutzen, auch in Linken Gruppen/Projekten. Resignation als Konsequenz, großer Schwierigkeiten, Kritik glaubhaft zu vermitteln, jedenfalls als grundsätzliche (obwohl ich sie weiterhin vertrete und auch selbst immer noch keinen eigenen PC zuhause hab, allerdings vor allem aus Unlust, mich auch noch in meiner freien Zeit mit schlecht funktionierender Technik herumzuschlagen).

2. Professionalisierung, z.B. in der Technologieberatung. Um Geld damit zu verdienen, ist Grundsatzkritik heute nicht mehr gefragt, z.B. bei Betriebsräten (obwohl sie z.B. in Seminaren mit Betriebsräten oft hochkommt) gefragt ist eher konkretes Systemwissen: welchen PC, welche Programme sollen wir kaufen? Ergonomieprobleme etc.

3. Engagement in anderen "Bewegungen, wo Technologie eine Rolle spielt, aber von wenigen darüber nachgedacht wird, z.B.:

a) Gesundheitswesen /Anti-Eugenik-"Bewegung": Computerisierung von Krankenhäusern, Arztpraxen, Krankenkassen etc, zunehmende Verdatung, Gentechnologie, - all das zielt in Richtung Selektion, Veränderung des Gesundheitsbegriffs usw. und weist weit über die Technikfrage hinaus. Widerstand dagegen ist (ähnlich wie Widerstand gegen Rassismus) schwierig, da er sich gegen den herrschenden "mainstream" durchsetzen muß und die Betroffenen zu den "Schwachen" gehören. Eine StellvertreterInnenpolitik zu machen, bringt aber auch nicht viel.

b) Internationalismus, Flüchtlingsarbeit. Die zunehmende Abschottung ver Metropolen gegen die Flüchtlingsströme aus dem Trikont (durch Gesetze und Ideologie) stellt immer konkreter die Frage, worauf unser Wohlstand hier basiert, welche Rolle dabei Technologie spielt und wie wir eigentlich dazu stehen: wir kritisieren die ungerechte Weltordnung und die zu ihrer Aufrechterhaltung benutzte Technik, profitieren aber z.T. selbst davon. Und ich merke in vielen Gesprächen mit Leuten aus der "Dritten Welt", daß ich meine Technikkritik nur schwer vermitteln kann. Zurecht entgegnen mir die Leute, daß "unsere" Länder die Technik haben und zur Ausbeutung und Unterdrückung anderer einsetzen - daß sie selbst deshalb auch Computer, Gentechnik, Autos etc. wollen, ist verständlich; und das es keine Perspektive hat - dies zu erklären, wirkt arrogant. Nachvollziehbar ist Kritik m.E. eher, wenn Menschen, die aus dem Trikont hierherkommen, merken, wie "tot und hohl" hier alles ist. Dies ist es sicher nicht allein aufgrund der Technik, aber sie spielt dabei eine Rolle, z.B. bei der Vereinsamung und Kommunikationsunfähigkeit in unserer Umgebung. Und natürlich bei Kontrolle und Überwachung, die übrigens von "AusländerInnen" in Deutschland als so stark wie nirgendwo sonst wahrgenommen empfunden wird.

Widerstand dagegen kann sich aber auch nicht in Technikkritik erschöpfen, sondern müßte z.B. auch das Aufbauen anderer Lebenszusammenhänge, auch und gerade mit Menschen, die aus dem Trikont hierher kommen, bedeuten."

("Trikont" = Arme Länder in den drei Kontinenten Afrika, Asien, Lateinamerika)

 

NOCH MEHR ARGUMENTE GEGEN H D T V

HDTV frißt Antennenkanäle:

Jeder Mensch soll sich aussuchen dürfen, welches Fernsehen er oder sie möchte, schreibt Volker Bahl im letzten C&M. Die Rechnung geht nicht auf: Fernsehen ist inhaltlich und technisch eine Monopoltechnik. Jede Frequenz kann nur einmal vergeben werden. Wenn HDTV auch terrestrisch ausgestrahlt wird, dann stehen weniger Kanäle zur Verfügung. Welche Programme von den Antennen-Kanälen würden wohl geopfert? RTLplus oder West 3? Die Wahlfreiheit aller BürgerInnen wird durch HDTV eingeschränkt und nicht erweitert. Diese Entweder-Oder-Entscheidung stellt sich aufgrund der von mir im letzten C & M geschilderten technischen Voraussetzungen. Daraus kann ich nur einen Schluß ziehen: Wer für eine breite Auswahl von Antennen-Programmen plädiert, muß der herkömmlichen Fernsehtechnik Vorrang einräumen. Es sei denn, wir wollen als Linke gemeinsam mit der Industrie für Gerätepluralismus werben, statt den Meinungspluralismus wiederherzustellen.

Milliardenausgaben ohne Technologiefolgenforschung:

Eines läßt Volker Bahl völlig unberücksichtigt: Es hat zu HDTV weder eine Technik-Folgen-Bewertung, noch eine Kosten-Nutzen-Analyse gegeben. Wenn Milliarden in neue Produktionstechniken gesteckt werden, müssen vorher die positiven oder negativen Folgen zusammengetragen werden.(...)

Strahlung oder Kabel?:

Es bleibt das taktische Argument: HDTV komme sowieso, ob die Menschen es wollen oder nicht. Wenn das Unvermeidliche digital daherkomme, dann könne es auch terrestrisch ausgestrahlt werden. Wenn HDTV auch terrestrisch ausgestrahlt werden könnte, dann könnten wir auf Breitbandverkabelung verzichten. Es sei wichtiger, Breitbandverkabelung zu verhindern als HDTV. Diese monokausale Kette mit vielen "Wenns" wird die Widersprüche der kritischen Bewegung, die in latenter Resignation harrt, nicht lösen. Gegen die Strahlungen von Funk- und Fernsehtürmen werden zur Zeit gesundheitliche und ökologische Bedenken geäußert. Schon bald wird die Frage lauten: Bist Du für Kabel oder für Strahlen? Kein taktisch motiviertes Argument kann Richtschnur für technologische Entscheidungen sein. Hier hilft nur eine kritische Betrachtung unseres eigenen Glaubens an den Fortschritt durch Wissenschaft und Technik. Mit Kausalketten können wir keine Werturteile fällen.

HDTV - Dual use:

Und damit's nicht zum Aufhänger für einen Seitensprung in der Debatte wird, ein ceterum censeo: Ich bin gegen Breitbandverkabelung aus ähnlichen Gründen wie Volker Bahl. Allerdings verhandeln wir hier nicht das Thema Breitbandverkabelung, sondern das Thema "dual use", denn die neuen Fernsehnormen sind keine Kabeltechniken, sondern Film-Produktions-, Sende- und Empfangstechniken. Sie werden für die zivile Nutzung von kriegswichtigen Satelliten-Kapazitäten im Friedensfall konzipiert.

HDTV-Kamerafrau ist auf Kranwagen angewiesen:

Ferner wird HDTV, unabhängig von der Frage "analog oder digital", die kritische Berichterstattung im Fernsehen gravierend beeinträchtigen. Ein Reporter, der mit herkömmlicher Kamera arbeitet, ist so wendig wie ein Radfahrer, während die HDTV-Kamerafrau auf einen Kranwagen angewiesen ist. Enthüllungsreportagen á la Wallraff werden mit HDTV unmöglich. Was gar nicht erst produziert wird, kann weder über Antenne noch über Kabel in die Haushalte kommen. Das Prinzip der Zensur verlagert sich dann von der Verantwortung der Redakteurin auf die schnöde Ausrede der Technikerin: "Technisch nicht machbar!"

TV-Profis gegen HDTV:

Wir sollten nicht schon jetzt Argumente für die Zeit sammeln, wenn HDTV nicht mehr zu verhindern ist. Sogar verantwortliche Leute aus den öffentlich-rechtlichen Sendern wie Leo Danielenko vom WDR plädieren gegen HDTV als Fernsehtechnik. Die EG-Kommission konnte den Ministerrat nicht von der Notwendigkeit der D-2-Mac-Norm überzeugen. Wenn für eine neue Fernsehtechnik geforscht wird, dann sollte sie andere Kriterien erfüllen als HDTV. Eine digitale Technik im 4:3-Format könnte dann sinnvoll sein, wenn Amateure oder Medienwerkstätten die gleichen technischen Chancen hätten wie Profis. Die Begründung, die technische Qualität der Video-Produktionen reiche nicht aus, entfiele als Ausrede für die Redaktionen.

Resümee

HDTV dient nur den Konzernen und den Militärs. Die Krieger brauchen eine neue Technik für die Satelliten-Überwachung der Erde aus dem All; die Konzerne wollen mit neuen Angeboten eine neue Nachfrage auf den gesättigten Märkten der Unterhaltungselektronik schaffen; und die Werbeleute wollen mit neuer Technik die Leute an die Fernsehschirme zurückholen. Wir sollten als Linke nicht das profitwirtschaftliche Prinzip "Bedarfs-Weckung im reichen Norden" rechtfertigen, sondern in allen Fragen das Prinzip "Bedürfnis-Befriedigung auf der ganzen Welt" konsequent einfordern. (Christian Sternberg, Orginalüberschrift: "Plädoyer für eine medienpolitische Betrachtung des neuen Fernsehens HDTV", Artikelüberschrift und Zwischenüberschriften von der Redaktion)

 

KRITIK AM "BREMER ANSATZ" IN DER ELECTRONIC-CASH-KAMPAGNE

Die Bremer Arbeitsgruppe schlägt als Datenschutz-Lösung beim electronic-cash die anonyme Chipkarte mit voraus bezahltem, eingespeicherten Guthaben vor; das ist eine politisch zu kurz greifende Lösung. Da Kartensysteme als technische Grundlage für ein immer tiefer in den Alltag eindringendes Identifikations- und Erfassungssystem dienen können, wäre eine Kampagne gegen das Kartenunwesen insgesamt sinnvoller. (Krankenschein-Chipkarte, Telefonkarten, Personalausweis, Sozialversicherungsausweis, EC-Karte, usw..)

Die anonyme Chipkarte wäre datenschutzmäßig unbedenklich, wenn... - ja wenn es bei der Anonymität bliebe - dieses aber kann kein Gesetz garantieren, wenn die Kartensysteme weiter ausgebaut werden und nach ein paar Jahren die Gesetze wieder geändert werden können.

Auch die Banken machen sich schon seit 1974 (erste Versuche in Frankreich) Gedanken zur Chipkarte, weil sie über die Benutzung einer Geheimnummer auch die verschlüsselte Speicherung von Identifikationsdaten (Geheimnummer, Stimme, Unterschrift, Fingerabdruck) ermöglicht (vgl. J. Gabel, Kommt die Chipkarte nach Deutschland?, in: ntz, Bd 37, 1984, Heft 3, S.175), denn sie glauben, "Die auf einer Magnetkarte gespeicherten Informationen können von Unbefugten ziemlich einfach gelesen, verändert und kopiert werden." Die persönliche Identifikationsnummer auf einer Chipkarte hingegen "kann mit Hilfe geheimer Verschlüsselungen für Dritte unleserlich gemacht werden." (Otto Schwarzer, SZ 28.7.84). Von einer anonymen Chipkarte wie sie den Bremern vorschwebt, war bei den Banken bisher nie die Rede. Bei dieser Version müßten die Leute oft zur Bank gehen, um die Chipkarte dort "nachladen" zu lassen, dann könnten sie aber auch gleich Geld abheben und brauchen keine Karte, also warum nicht ganz auf die Karten verzichten?

Wer die Chipkarte als sozialverträgliche Variante in die öffentliche Diskussion bringt, besetzt den Begriff "Chipkarte" in diesem Fall positiv und muß dann bei der Krankenschein-Chipkarte erklären, warum diese im Gegensatz zur EC-Chipkarte abgelehnt wird.

Der entscheidende strategische Punkt ist die Infrastruktur der Kartensysteme: die flächendeckende Einführung von Lesegeräten, Telefonapparaten, POS-Kassen etc. und die Eingewöhnung der Bevölkerung an die Kartennutzung. Wenn die erst mal durchgesetzt sind, kann der Übergang von anonymen Karten zu Identifikationskarten schlichtweg erzwungen werden. (Ähnliches gilt für die Kontroverse um die Ablehnung von Telefonkarten, die Bremer befürworten die anonymen Telefonkarten und lehnen nur die Buchungskarte ab)

Gesetzliche Regelungen mögen hilfreich sein, aber der Schwerpunkt sollte bei der Aufforderung zur generellen Ablehnung der Kartensysteme liegen, solange dies überhaupt noch möglich ist. (G. Schäfer)

 

Mailboxen

 

PRESSERECHT IM MAILBOXNETZ

(c&m) Für Mailbox-Betreiber stellt sich die Frage, inwieweit sie eigentlich für die Veröffentlichung der Inhalte presserechtlich verantwortlich zu machen sind. Im Bielefelder Bunker am Wall wurde am 5.4.92 u.a. über diese Frage mit Rechtsanwalt v. Gravenreuth (München) diskutiert.

Die Post-Telekom ist z.B. nicht dafür verantwortlich, welche Inhalte über das Telefonnetz laufen, sie stellt nur das Netz zur Verfügung. Deshalb meinte ein Mailbox-SysOp: "Ich stelle auch nur die Software, die DFÜ und das board zur Verfügung - wieso bin ich dann verantwortlich dafür, was da an Dateien drüberläuft?" Damit stellt sich z.B. die Frage nach dem Gültigkeitsbereich des Presserechts. Der Übergang zwischen Individualkommunikation und Veröffentlichung ist gleitend, wenn im automatischen Verfahren tausende von individuellen (Daten-)Übermittlungen gleichen Inhaltes abgewickelt werden, z.B. durch Massen-Faxerei. Wenn eine Nachricht nacheinander tausend Leuten als persönliche mail zugestellt wird, unterliegt dies nicht dem Presserecht. Erst die öffentliche, zeitgleiche Zugänglichkeit der Informationen ist hier ein Merkmal für die Verantwortlichkeit nach dem Pressegesetz.

Angenommen, eine Zeitung erklärt, sie drucke alles ab und verteile dann diese Zeitung, möchte aber nicht dafür haftbar gemacht werden, was darin steht, dann wird sie bei einem Beleidigungsprozeß dennoch haftbar gemacht. Letztlich verantwortlich ist der- oder diejenige, die als presserechtlich Verantwortliche/r fungiert. Unabhängig davon, ob die einzelnen Artikel namentlich gekennzeichnet sind oder nicht.

Und ein Beispiel zum Urheberrecht: als an den Häusern der Hafenstraße in Hamburg Graffiti mit Mikey Mouse auftauchten, konnten jene, die im Besitz der Urheberrechte der Komik-Figur waren, vom Besitzer der Wand die Entfernung des Graffiti verlangen. Also wird der Sysop nicht darum herumkommen, als Verantwortlicher für die Einhaltung von Presse- und Urheberrecht in seiner Mailbox geradezustehen, wenn es zu Beleidigung-, Urheberrechts- oder anderen Klagen wegen eines Mailbox-Inhalts kommt.

Nun wurde schlau eingewandt, daß es ja auch verschlüsselte Meldungen im Mbx-Netz geben könne. Wie kann ein Sysop für verschlüsselte Mails verantwortlich gemacht werden, wenn er überhaupt nicht weiß, was darin steht? Wenn z.B. das Urheberrecht verletzt wird, weil geschützte Programme verschlüsselt über das Netz angeboten werden. Die Verantwortlichkeit des Sysops wird lt. Gravenreuth gerichtlich daran festgemacht, ob er "positiv weiß, daß es sich um decodierbare Infos handelt." Als Beispiel wurde schließlich darauf verwiesen daß der Verkauf eines Bilderpuzzles auf Karton durchaus ein urheberrechtlich geschütztes Bild betreffen kann und geschützt ist, auch wenn die Puzzlestückchen noch nicht zusammengefügt sind.

 

SPINNEN-NETZ: POLITISCHE MAILBOX BLAUÄUGIG?

(c&m) Um die politischen Aktionen z.B. gegen den Weltwirtschaftsgipfel (WWG) unter Kontrolle halten zu können, ist es für den Geheimen Staatsschutz durchaus interessant, wie die Kommunikationsstruktur der Aktionsgruppen aussieht, welche Positionen von einer bestimmten Gruppe z.B. in der Diskussion über miltanten Protest eingenommen wird und welche Gruppen als organisatorische Eckpfeiler gelten können. Auf der Basis solcher Informationen kann entschieden werden, wo gezieltere Nachforschungen gegen einzelne Personen angestellt werden, wo und mit welchem Ziel Agenten zur Beeinflußung der Entwicklung eingeschleust werden und durch welche Eingriffe die Bewegung sich politisch spalten läßt.

Wenn die Kommunikation und Organisationsvorbereitung über Mailboxen läuft, liefert die elektronische Überwachung Informationen über Orte, Gruppen und evtl. Personen. Deshalb müßte eine politische Mailbox wie z.B. das "Spinnennetz" diese Überwachungsproblematik deutlicher thematisieren. In ihrem Selbstdarstellungspapier (abgedruckt in Contraste, April 92) ist davon aber kaum die Rede.

Die SpinnenNetz-Leute erhoffen sich anscheinend von einer organisatorischen Abschottung als geschlossene Gruppe schon genügend Schutz: "Erfahrungen mit anderen Netzen haben gezeigt, daß total offene Netze irgendwann völlig unübersichtlich werden, weil aller möglicher Schrott eingegeben wird oder, daß z.B. Faschos Netze genutzt haben. Das läßt sich sowohl durch technische Mittel (Mailboxzugang, Datenmübermittlung verschlüsselt oder mit Passwort) als auch persönliche Einschätzung weitestgehend verhindern." aber: "Die drei Netzebenen sollen so persönlich wie möglich gehalten werden, damit informeller Infoaustausch und Diskussionstreffen auf Vertrauensbasis laufen können."

Kurt Regenauer kritisiert in der gleichen Contraste-Ausgabe: "Seid Ihr Euch eigentlich im Klaren darüber, daß Euer Vorgehen einer selbstinszenierten Rasterfahndung gleichkommt, bei der ein Kommunikationsprofil offengelegt wird, das verdeutlicht, welche Menschen mit welcher technischen Ausstattung in Sachen WWG u.a. mit einem Wiesbadener Infoladen Kontakt aufnehmen wollen...".

In einer Antwort gehen die Spinnennetzleute (Contraste, Mai 92, S. 5) überhaupt nicht auf das Problem ein, daß Netzverbindungen automatisiert zur Erstellung von Kommunikationsprofilen überwacht werden können. Die Kritik Kurt Regenauers tun sie als "Technikfeindlichkeit" ab (dies trifft Regenauer nicht, er arbeitet selbst im Mailboxnetz (LINK-N) ) und führen die Kritik auf "Konkurrenzdenken" zwischen verschiedenen Netzen zurück - das sollte weiterdiskutiert werden. Vielleicht läßt sich die Kontroverse dadurch klären, daß a) "Spinnennetz" mal erläutert, wie "vertrauensvolle, informelle Diskussionen übers Netz laufen" sollen, ohne daß die Überwachung zum Problem wird und b) Kurt Regenauer zur Frage "Konkurrenz zwischen den Netzen" Stellung nimmt.

 

Offene Kanäle

 

HANNOVER/WOLFSBURG: "ARBEITSKREIS OFFENER KANAL"

(ok/jd) Insbesondere die Landesanstalten des Saarlandes und Bremens und die von ihnen Beauftragten für Offenen Kanäle haben sich in den vergangenen Jahren Gedanken darüber gemacht, wie der Offene Kanal zu einem attraktiven Bürgerfunk- und -fernsehen weiterentwickelt werden kann. Dabei ist das partielle Abrücken vom "Prinzip Schlange" (die Sendebeiträge werden stur in der Folge hintereinander gesendet wie sie eingereicht wurden) und das Einrichten von Sparten, aktuellen Stunden und thematischen Blöcken nur ein Aspekt, das Angebot der Offenen Kanäle attraktiver zu machen. Wesentlicher ist, daß in den genannten Bundesländern engagierte lokale Gruppen (von Lokalradio-Initiativen über Ökogruppen bis hin zu Kirchen) verbindlich mit in die Gestaltung des Programms einbezogen sind. Ein Teil der Sendezeit steht engagierten lokalen Gruppen zu Verfügung. Diese Gruppen produzieren - mit oder ohne Technik des Offenen Kanals - ihre Beiträge in eigener Verantwortung und können sich darauf verlassen, daß ihre Beiträge an einem festen Platz gesendet werden. Dieses Modell eines Bürgerfunk- und -fernsehens, in dem Einzelpersonen, Radio-Initiativen sowie andere Gruppen und Verbände gleichberechtigt, mit festen Sendeplätzen und wiedererkennbarer Identität gemeinsam das Programm gestalten, möchten die niedersächsischen OK-Initiativen aufnehmen und für Niedersachsen weiterentwickeln.

In Niedersachsen sollten die Bürgerfunk- und -fernseheinrichtungen in Trägerschaft des Landesrundfunkausschusses stehen, wie beispielsweise in Hessen und Bremen). Damit ist am ehesten die Gewähr gegeben, daß die schlechten Erfahrungen mit den finanziell chronisch unterversorgten Offenen Kanälen in Vereinsform z.B. in NRW (ein lokaler "Offener Kanal e.V." ist Träger der Einrichtung und erhält Zuschüsse aus der Landesanstalt) sich nicht wiederholen.

Verträgt sich lokaler Bezug und möglichst große Bürgernähe mit der Trägerschaft des Offenen Kanals durch eine große Landesbehörde in Hannover? Die "Arbeitskreise Offener Kanal" in Hannover und Wolfsburg meinen "Ja": Der Offene Kanal ist ein Forum der Bürgerkommunikation, eine Plattform des politischen und kulturellen Austausches. Die Inhalte werden allein von den Bürgerinnen und Bürgern bzw. den lokalen Gruppierungen bestimmt. Die Funktion der Landesanstalt beschränkt sich darauf, dieses Prinzip per Satzung zu garantieren. Die Trägerschaft durch die Landesanstalt schafft eine deutliche Distanz gegenüber eventuellen partei- oder kommunalpolitischen Einflußnahmen vor Ort und sichert dem Offenen Kanal eine ausreichende Ausstattung mit Sach- und Personalmitteln.

Kontakt: Jan Diekmann/Arbeitskreis Offener Kanal Hannover, Auf dem Kronsberg 34, 3008 Garbsen, Tel.: 05131/93264, Fax 05131/465148

 

Freie Radios

 

NIEDERSACHSEN: LOKALRADIOS KÖNNEN AB 1993 SENDEN

(tm/c&m) Während aus Reihen der SPD der Offene Kanal als "Goldene Brücke zum Lokalfunk" angepriesen wird, bezeichnen die Radiointitiativen (INGEHN) die geplante Einbindung von Lokalradios in Offene Kanäle als "Lokalen Opportunistischen Rundfunk".

Der neue Landesmediengesetz-Entwurf sieht vor, daß ab 1993 Lokalradios senden können, die nicht-kommerziell und ohne jegliche Werbung arbeiten. Allerdings sollen sie nach dem Willen der Staatskanzlei kein Geld aus den Rundfunkgebühren-Topf bekommen. Die Offenen Kanäle hingegen sollen mit diesen Geldern finanziert werden. Deshalb, so die SPD (MdL Alfred Reckmann) sollen die Lokalradio-Initiativen sich mit terrestrisch verbreiteten Offenen Kanälen zusammentun. Die Produktion der Sendungen müßten die Radios aber über Spenden finanzieren. Die Möglichkeit, daß sich UnternehmerInnen ein Lokalradio kaufen ist dadurch also gegeben. Damit ergibt sich eine Art Druck in Richtung Lokales Radio-Sponsering.

"Der Offene Kanal", so die INGEHN-Vertreter, "biete zwar Programmteilnahme, aber keine Rundfunkteilhabe. Neben Kabelgebundenheit, komplizierter und teurer Technik im Vergleich zum Hörfunk, fehle dem Offenen Kanal vor allem der gesamte Kanon der Medienfreiheit im Alltag beruflich journalistischer Tätigkeit, wie Informationsrecht der Presse, Zeugnisverweigerungsrecht, Beschlagnahme und Durchsuchungsverbot. Die lokalen politischen Öffentlichkeiten in Niedersachsen brauchen jedoch keine Spielwiesen für audiovisuelle Vereinsmeierein, sondern einen finanziell abgesicherten, damit publizistisch unabhängigen und politisch demokratischen, weil zugänglichen Lokalfunk...." (INGEHN-Erklärung vom 31.3.92)

Der medienpolitische Sprecher der GRÜNEN kündigte an, nun juristisch prüfen zu lassen, ob die Finanzierung aus dem 2%-Topf dennoch für Modellprojekte freier Lokalradios auch außerhalb des Offenen Kanals durchgesetzt werden kann. Die Anhörungen zum Landesmediengesetz werden nach der Sommerpause laufen, die Verabschiedung soll dann im Herbst über die Bühne gehen. INGEHN beharrt weiterhin auf der Notwendigkeit, daß nichtkommerzielle Lokalradios als Bestandteil einer demokratischeren Medienlandschaft auch mit Geldern aus den Rundfunkgebühren unabhängig gemacht werden müssen.

Kontakt: Interessengemeinschaft gemeinnütziger Hörfunk Niedersachsen (INGEHN), c/o Thomas Muntschik, Geibelstr. 13a, 3000 Hannover 1

 

NOVELLIERUNG DES MEDIENGESETZES IN RHEINLAND-PFALZ

(rq/c&m) Das 1991 verabschiedete Landesmediengesetz in Rheinland-Pfalz soll bis zur Sommerpause novelliert werden, um es an europaweite Regelungen anzupassen. Der bisherige Gesetzestext sieht keine nichtkommerziellen, werbefreien, gemeinnützen Lokalradios mehr vor. Mit der Novellierung ergibt sich die Möglichkeit noch einmal das Anliegen der Freien Radios zur Sprache zu bringen. Die Medieninitiative Mainz/Wiesbaden (Radio Quer) weist zum wiederholten Male auf § 10 der europäischen Menschenrechtskonvention hin, die da lautet: "Jederman hat das Recht, Nachrichten und Meinungen zu empfangen und auszusenden, auch über Landesgrenzen hinweg". Und, so Radio Quer weiter, "Unseres Wissens existieren in allen europäischen Nachbarstaaten unzählige, eigenständige, z.T. gemeinnützige und werbefreie lokale Bürgerradios auf UKW-Frequenzen; nur in Deutschland bekommen solche Projekte kaum einen Fuß auf den Boden, werden ignoriert, diffamiert und benachteiligt." Radio Quer fordert zwar auch finanzielle Vergünstigungen (Erlaß der Postgebühren) und Zuschüsse stellt sich aber auf eine Finanzierung durch Spenden ein. Aber selbst wenn das gelänge, stünde eben weiterhin die völlig hinterwäldlerische Gesetzgebung im Wege.

Die Radio-Quer-Leute haben inzwischen feststellen müssen, daß eine Frequenzvergabe für den Raum Mainz (105,2 Mhz) an "Radioropa" stattgefunden hat obwohl die Landesanstalt für Privatrundfunk am 27.9.89 mitgeteilt hatte, daß "isolierte Frequenzen für eine lokale Nutzung nicht zur Verfügung" stünden. Hiergegen haben sie beim Medienausschuß des rheinland-pfälzischen Landtags protestiert.

Kontakt: Medieninitiative Mainz/Wiesbaden e.V. Postfach 3041, 6500 Mainz, Tel.: 06131/221661 (Mainz), 0611/608649 (Wiesbaden)

 

Liebe LeserInnen!

(hier fehlt ca. 1/4 Seite Text, der erst später im Layout eingefügt wurde lang)

REDAKTIONSSCHLUSS FÜR DIE NÄCHSTE NUMMER 3/92: 5. September 1992