Informationsdienst Computer&Medien

Archiv   Nr.1 / 1992

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TERMINE *
Organisationen, Institutionen, Personen *
CCC-TREFFEN ZUR JAHRESWENDE *
"IBM-INSTITUT" FÜR INFORMATIK UND GESELLSCHAFT *
IKÖ-MITGLIEDERVERSAMMLUNG UND TAGUNG *
CULTEC - COMPUTER, MEDIEN, BIOTECHNIK *
Umwelt, Computer & Medien *
ELEKTROSMOG: GERICHT VERFÜGT BAUSTOP FÜR (MOBIL-)FUNKTURM *
"DIE PROBLEMATIK DER OFFENLEGUNG VON UMWELTDATEN" *
ELEKTROSMOG ALS ARGUMENT FÜR LOKALFUNK *
Bildung/Ausbildung *
COMPUTERBILDUNG SEKUNDARSTUFE I *
Computerisierung/Datenschutz *
DATENSCHUTZ IM NICHT-ÖFFENTLICHEN BEREICH *
ZWANG ZUR BENUTZUNG VON BANKAUTOMATEN *
26 MILLIONEN ADRESSEN FÜR 5000 MARK *
Piratensender *
"DER SCHWARZE KANAL" (DDR/1986) *
PIRATENSENDER IN WIEN *
Freie Radios *
FREIE RADIOS: INTERKONEXIONES *
VERFAHREN GEGEN RADIO DREYECKLAND EINGESTELLT *
ZÄHE LEGALISIERUNG FREIER RADIOS *
"FREIES RADIO" + "OFFENER KANAL" = "LOKALE OFFENE FREQUENZ" ? *
Offene Kanäle *
OFFENER KANAL BREMEN/BREMERHAVEN *
ALTERNATIVES SATELLITEN-TV *
Etablierte Medien in der Kritik *
INITIATIVE: "DEUTSCHES FUNK- UND FERNSEHPARLAMENT" *
POLIZEILICHE DESINFORMATION *
KOMMERZIELLES LOKALPATRIOTISCHES "HEIMATRADIO" *
HDTV-Diskussion *
Unternehmen, Märkte *
WACHSTUMSKRISE IN DER WACHSTUMSBRANCHE *
Mailboxen *
INTERNATIONALE MAILBOX-NETZE *
"ANTIFASCHISTISCHES COMPUTERNETZ (ECN)" ? *
TÜRKEI: JOURNALISTEN DURCH MORD ZUM SCHWEIGEN GEBRACHT *
BÜCHER, BROSCHÜRERN, MATERIALIEN *

 

 

TERMINE

27.- 29.3.92 Nürnberg, Tagung der Mailbox-Vereinigung "ComLink" zum Thema "Kommunikation und Neue Medien". "ComLink" ist letztes Jahr aus dem Zusammenschluß von "Compost" mit LINK-Systemen entstanden. "Comlink" arbeitet mit dem Trägerverein "Kommunikation und Neue Medien e.V."/München zusammen. Kontakt: ComLink e.V. Udo Schacht-Wiegand, Moorkamp 46, 3000 Hannover 1,

30.- 31.3.92, Berlin, Jahrestagung der Gesellschaft für Rechts- und Verwaltungsinformatik (GRVI),(Vgl. auch ID C&M, 4/91) Kontakt: R. Wilhelm, TU Berlin FB Informatik, Sekr. FR 5-10, Franklinstr. 28/29, W-1000 Berlin 10, Tel.: 030/ 314-73478 (Teilnahmegebühren in der abschreckenden Höhe von 400 DM! Für Studierende und Arbeitslose 75 DM)

5.4.92, Bielefeld, Rechtliche Aspekte von Mailboxen, Datenschutz, haftung, Presserecht und G 10, (Freiherr von Gravenreuth, Rechtsanwalt, München), Veranstaltungsort: Bunker am Ulmenwall, im Rahmen des Computertreffens ab 15.00 Uhr, Kontakt: Bionic - Bielefelder Mailbox, 0521/175254, Di-Fr. 14-18 Uhr, Zerberus-Netz/Bionic 0521/68000, Subnet BI-LINK 05202-88888

5.4. - 10.4.92, Hattingen/DGB Bildungszentrum, "Ratlos, drahtlos - oder stehen die Gewerkschaften auf dem Kabel? (Elektronische) Medien und gewerkschaftliche Öffentlichkeitsarbeit" In dreitägigen Workshops soll mit dem Herstellen von Fernseh- und Radiosendungen für die gewerkschaftliche Öffentlichkeitsarbeit experimentiert werden. In Foren werden die folgenden Themen behandelt: Lokalfunk und offene Kanäle, Betriebszeitungen, Gewerkschaftszeitungen als Diskussionsforum oder Zentralorgan?, die Scheu der Gewerkschaften vor den Medien. Eingeladen: Radioinitiativen, Offene Kanäle, Betriebszeitungen, Gewerkschaftspresse, Gottfried Jarren, Jürgen Prott, Hans Kleinsteuber und Oskar Negt.

Anmeldungen: DGB Bildungszentrum Hattingen, Am Homberg 46-50, 4320 Hattingen/Ruhr, Tel.: 02324/50950 (Teilnahme ist nach allen Freistellungsregelungen für Betriebs und PersonalrätInnen möglich), Teilnahme kostenlos.

6.4. - 8.4.92, Hattingen/DGB Bildungszentrum, "Medien, Mittel zur Manipulation oder Wirklichkeitsproduktion?", ReferentInnen: Traudel Günnel (Radio Dreyeckland), Christel Schachtner (Uni München), Karl-Heinz Grieger und Gerd Hurrle (DGB Bild.zentrum Hattingen), Dr. Volker Volkholz (Ges. für Arbeits-Humanisierung o.ä.), Prof. Dr. Siegfrid J. Schmidt (Uni Siegen, Verfechter der konstruktivistischen Theorie/Systemtheorie, Selbstorganisation und zentral am Konzept des Funkkollegs Medien beteiligt - Heavy Konstruktivismus!), Prof. Dr. Klaus Merten (Uni Münster/Systemtheorie, Konstruktivismus, Autor im Funkkolleg Medien und Kommunkation)

Anmeldungen: DGB Bildungszentrum Hattingen, Am Homberg 46-50, 4320 Hattingen/Ruhr, Tel.: 02324/50950 (Teilnahme ist nach allen Freistellungsregelungen für Betriebs und PersonalrätInnen möglich) Teilnahme kostenlos

24.4. - 26.4.92, Hannover, (Jugend-)Seminar für Computeranwendungen in der Jugendpressearbeit a) allgemeine Probleme der Computerisierung b) Einführung eines Desktop Publishing-Programmes

Anmeldung: Gleisdreieck, Borriesstr. 28, 3000 Hannover 81, Tel.: 0511/8387177, 15 DM Beitrag/Schlafsackunterbringung, Fahrtkostenbeihilfen

15.5. - 17.5.92, Barsinghausen, (Jugend-)Seminar, Tips, Tricks, Kniffe für das Layout ohne Computer, vom einfachen Strich über Letra-set zur exakt vermessenen Seite, über Untergründe, Raster, graphische Elemente, Karikaturen und Photos

Anmeldung: Projektwerkstatt Deister Vorland, Müllerweg 8, 3013 Barsinghausen 9, 05105/61922, 15 DM Beitrag/Schlafsackunterbringung, Fahrtkostenbeihilfen

21.- 22.5.92, Offenbach, EDV im Umweltschutz - Datenschutz und Datensicherheit, (stark von Unternehmensinteressen geprägte Fragestellungen, vgl. Artikel "Die Problematik der Offenlegung von Umweltdaten") Kontakt: Umweltinstitut Offenbach, Nordring 82 B, Offenbach am Main, Tel.: 069/810679, Veranstaltungsort: Ledermuseum, Frankfurter Str. 86, Offenbach. Teilnahmegebühr: 640 DM (tja!).

22.5.-24.5.92, DFÜ-Werkstatt II der LINKSysteme, die erste DFÜ-Werkstatt hatte 1991 zum Thema "Zerberus C Version" stattgefunden. An diesem Wochenende sollen sich die System-Operators (SyOps) des LINKSysstems austauschen. Einladungen und Anmeldungen erfolgen nur über das Mailboxnetz.

25.5.92 REDAKTIONSSCHLUSS für die nächste Nummer (2/92) des Infodienstes COMPUTER & MEDIEN

 

Organisationen, Institutionen, Personen

 

CCC-TREFFEN ZUR JAHRESWENDE

(c&m) Zur Jahreswende Ende Dezember 91 fand wie in den Jahren vorher ein vom Chaos-Computer-Club (CCC) in Hamburg organisiertes Treffen statt. Der Name "Chaos" stammt übrigens nicht von einer intensiven Beschäftigung mit der Chaos-Theorie, sondern diese Bezeichnung wurde angeblich 1981 auf dem "TUNIX"-Kongress in Berlin für eine chaotisch erscheinenden Gruppe von Computerfreaks eingeführt, aus der später der CCC enstanden sein soll. Deshalb wurde auch vom "10jährigen Bestehen" des CCC gesprochen der seit 1986 als Chaos-Verein amtlich registriert ist.

Die ca. 350 TeilnehmerInnen des Treffens beschäftigten sich u.a. mit dem Innenleben von Chipkarten. Da wurde über die Untersuchung von Chipkarten mit dem Rasterelektronenmikroskop und Experimente mit radioaktiver Bestrahlung der Karten berichtet, bei radioaktiver Bestrahlung gehen die Herstellerangaben als erste kaputt. Die als Spezialisten anerkannte Amsterdamer Gruppe "Hack-Tick" bot einen workshop unter dem Titel "Radio und Armbanduhren" an und zeigten u.a., wie Telefonapparate als Minisender ein Radio zum Lautsprecher werden lassen. Für Frauen gab es den männerfreien workshop "Feminines Computerhandling". Fragen der "Internationalen Netze" und der Kostenersparnis beim Telefonieren ins Ausland gehörten ebenfalls zu den Themen.

Auch das Selbstverständnis des CCC geriet in die Diskussion und selbst das laute Nachdenken über eine Vereinsauflösung war nicht tabu, wurde aber verworfen. Die Spannung zwischen den unpolitischen Technik-Freaks ("kleine Jungs") und den Kommunikationsspezialisten mit politisch-philosophischem Anspruch ist ja seit Jahren Anlaß für interne Diskussionen.

Material: Ein Bericht über den CCC-Congress findet sich im Mailbox-Brett CL/TECHNIK/ALLGEMEIN

 

"IBM-INSTITUT" FÜR INFORMATIK UND GESELLSCHAFT

(c&m) An der Freiburger Universität hat das seit 1987 in Gründung befindliche "Institut für Informatik und Gesellschaft" nun den Studienbetrieb aufgenommen. Die Freude über den Titel des Instituts verfliegt schnell, wenn man erfährt, daß seit 1990 der ehemalige Direktor des IBM-Wissenschaftszentrums Heidelberg, Prof. Dr. Günter Müller (Mathematik und Betriebswirtschaft) mit dem Aufbau des Instituts beauftragt ist. Die IBM-Wissenschaftszentren versuchen über Themen wie Bevölkerungswachstum, Ernährung, Umweltschutz, Katastrophenschutz, Luftverschmutzung, Gesundheitsvorsorge, Städteplanung, Sozialplanung usw. in Kontakt zu den Behörden der jeweiligen Länder zu treten, und eine Zusammenarbeit anzuleiern. Manchmal stellen sie zu diesem Zweck auch DV-Anlagen und Arbeitskräfte von IBM kostenlos zur Verügung.

IBM beton gelgentlich, daß viele IBM-Mitarbeiter als Professoren und Dozenten an wissenschaftlichen Institutionen in der EG tätig seien. Dies scheint Ergebnis gezielter Firmenpolitik zu sein. In der Technischen Universität Karlsruhe wurde schon 1984 ein Kooperationsvertrag mit IBM abgeschlossen, demzufolge Vertreter des IBM-Wissenschaftszentrums Heidelberg in Projekte an der Karlsuhrer Universität eingebunden werden (Projekt Rechnerverbund für Forschung und Lehre); nach der technisch dominierten Universität Karlsruhe wird nun durch Personalpolitik auch Einfluß auf die "geisteswissenschaftlich ausgerichtete" Universität Freiburg genommen.

Als Themen des Freiburger Instituts werden genannt: "Auswirkungen auf das Handeln des Staates oder die Partizipation des Bürgers am Staat sowie auf die Stabilität der öffentlichen Ordnung und auf internationale Beziehungen, vor allem zu Ländern der Dritten Welt" (Pressemitteilung der Uni vom 9.7.90). In der Universitätszeitung vom Nov. 91, heißt es zu Eröffnung des Instituts überflüssigerweise noch einmal ausdrücklich: "Der Ansatz des Professorenteams ist nicht technikfeindlich". Kritische Forschung und Lehre, Behandlung von problematischen gesellschaftlichen Auswirkungen sind von diesem Institut nicht zu erwarten, schade um die Steuergelder, denn das könnte doch auch von IBM bezahlt werden.

Prof. Müller betreut das Gebiet Telematik und bietet gegenwärtig Vorlesungen über "Rechnernetze und verteilte Systeme", "Nichtlineare Modellierung gesellschaftlicher und ökonomischer Phänomene", "Telekommunikation: Problem oder Lösung?" sowie ein Seminar zu "Methoden der Technikbewertung und Technikgestaltung" sowie zu "Aktuellen Fragen der IuK-Technologien" an. Die anderen beiden Professoren sind Gerhard Strube, zuständig für "Kognitionswissenschaft", psychologische und linguistische Wissenschaft, behandelt Mensch-Maschine-Interaktionen, Zeitmessungen und Blickbewegungsanalysen. Prof. Brita Schinzel ist mit Projekten befaßt, in denen die "Abhängigkeit der geistigen Leistungsfähigkeit vom Informationsangebot des Computers" untersucht werden soll. Auch das Thema "Frauen und Informatik" und ein "Hirnatlas für Neurologen" werden von ihr als Themen genannt. Werner Langenheder aus der GMD ist ebenfalls mit dabei, das Institut in Freiburg aufzubauen.

Inzwischen hat das Institut für Informatik und Gesellschaft (IIG) intensive Kontakte mit der Gesellschaft für Informatik (GI), insbesondere mit deren "Fachbereich 8, Informatik und Gesellschaft" aufgenommen. Am 23.-26. September 1992 veranstalten GI/Fb8 und IIG eine gemeinsame Tagung in Freiburg. Einerseits werden kritische Leuten wie z.B. Heidi Schelhowe (Uni Bremen) und Themen wie "Informatik und Ökologie" angekündigt, andererseits dient dies offensichtlich dazu, IBM-Vertreter Prof. Müller und andere in den Diskurs einzuführen. Als einer der hervorgehobenen einleitenden Referenten im Anfangsplenum wird "Prof. Karl Ganzhorn (UNESCO, ehemals IBM)" angekündigt.

 

IKÖ-MITGLIEDERVERSAMMLUNG UND TAGUNG

(c&m) Auf der Mitgliederversammlung des IKÖ wurden die angekündigten Satzungsänderungen beschlossen. Von den ca. 300 Mitgliedern des IKÖ waren zu Anfang ca. 50 und gegen Ende ca. 30 bei der Versammlung anwesend. (Dies ist übrigens vergleichbar mit der Mitgliederversammlung der DVD im Oktober 1991; von den ca. 210 DVD-Mitgliedern waren 15 anwesend.) Die IKÖ-MV verlief weitgehend ohne Kontroversen.

Aus dem Vorstand zurückgetreten sind: A. Bahl-Benker, P. Hell, A. Becker, I. Helmreich, G.J. Schäfer. Der neue Vorstand besteht aus: Herbert Kubicek (Finanzen), Eva Emenlauer-Blömers (Sprecherin) Jürgen Fickert (Sprecher) aus Dortmund (was insofern verwirrend ist, als das IKÖ-Büro gerade von Dortmund weg nach Bonn verlegt wurde) Beisitzer: L. Glagow-Schicha (Essen), A. Gericke (Hamburg), W. Trampe, K. Lüdemann (Wuppertal) und Th. Herrmann (Dortmund).

Vom 24.- 26.1., vor der Mitgliederversammlung, hatte das IKÖ im gleichen Haus gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Mühlheim/Ruhr die Tagung "Kommunikation im Widerspruch - Zukunft der Unternehmen zwischen technischer Effizienz und Kommunikationslosigkeit" durchgeführt. Über diese Tagung bekamen wir sehr unterschiedliche Bewertungen zugesandt. Während Werner Langenheder vom IBM-Institut Freiburg meint, endlich lohne es sich wieder zu IKÖ-Versammlungen zu gehen, meint Hannes Bötticher in einem bissigen Beitrag, diese Tagung "machte einmal mehr die Verlogenheit einer selbsternannten kritischen Bewegung deutlich". Dabei bezieht er sich besonders auf die Referate des "Siemens-Psychologen Reinhard Helmreich, der die neuen Möglichkeiten der ISDN-Kommunikation preist", und der Organisationsberaterin Ingrid Ebeling, "Sie weiß, daß die Hierarchie flacher werden muß, damit sich das Management auf die Ziele und Strategien beschränkt." Und dann kommts nochmal knüppeldick: "Die Wirklichkeit die hinter allen schönen Wünschen dieser Sorte kritischer Reflexionen steckt, ist die Vereinsmeierei. Das IKÖ, vor drei Jahren als "Crème der Technologiekritik" (taz) gefeiert, entpuppt sich als Arbeitsgruppe zur Abstimmung von Satzungsänderungen. Kommunikationsökologin Barbara Mettler-Meibom trägt real-feministisch dazu bei, indem sie die Abschaffung der Quotenregelung fordert. Am Biertisch ist die Rede von den Irrtümern des erlauchten Professorenvereins und vom Mißtrauen der Gründerväter untereinander."

Eva Emenlauer-Blömers, Vorstandssprecherin des IKÖ, bestätigt in ihrem Bericht zwar den Werbeauftritt von Siemens-Mitarbeiter Helmreich, und die Ratschläge Ingrid Ebelings (Management by vison), berichtet aber auch über erfreulichere Beiträge von Personal- und Betriebsräten. Im Fazit bewertet sie die Tagung zwar "als vollen Erfolg" erwähnt aber auch, daß da ein "Wermutstropfen" bleibe: "Wir sollten uns für zukünftige Mitgliedertreffen vornehmen, unsere kommunikationsökologischen Vorstellungen und Forderungen auch auf uns selbst anzuwenden. Während der Mitgliederversammlung im Anschluß an die Tagung dominierten Satzungsparagraphen und formale Strukturdiskussionen.

Neue Anschrift: Das IKÖ mit der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD) eine Bürogemeinschaft eingegangen. Reuterstr. 44, 53 Bonn 1, Tel 0228/222498.

 

CULTEC - COMPUTER, MEDIEN, BIOTECHNIK

(gjs) Unter der Überschrift "Kultur und Technik im 21. Jahrhundert - CULTEC" veranstaltete das Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen vom 22.-23.11.91 im Essener "Congress-Center" (das "K" wie Kohle scheint man in NRW gerne zu vermeiden) eine Tagung mit 600 TeilnehmerInnen und 100 akkreditierten JournalistInnen.

Die OrganisatorInnen des Kongresses, Jutta Fedrowitz und Dirk Matejovski vom Wissenschaftszentrum NRW, hatten ein bemerkenswertes Programm zusammengestellt. Es umfaßte die Themengebiete Computer, "KI", Robotik, Medien, Kommunikation, Cyberspace, Computer- und Medien-Kunst, Kultur, Neurobiologie, Biokybernetik, Medizin, Bio- und Gentechnik.

Die Finanzierung des "CULTEC"-Kongress erfolgte mit 450.000 DM vom "Initiativkreis Ruhrgebiet", einem Zusammenschluß von Wirtschaftsunternehmen, wozu u.a. auch die Zeitungsgruppe WAZ (neben Burda, Daimler Benz, Mannesmann, Allianz, Krupp, Siemens, u.a.) gehört. Die WAZ brachte dann auch ihre Wunschträume als Tatsachenmeldung: "Die Forschungs- und Kulturlandschaft an Ruhr, Lippe und Emscher erweist sich erneut als Anziehungspunkt für hochkarätige Wissenschaftler. Was sie diskutieren, wird weltweit Beachtung finden. So hat dieser Kongress eine Wirkung über den Tag hinaus: Er zeigt erneut den Wandel vom einstigen Kohlerevier zu einer der attraktivsten Regionen Europas." (WAZ, 23.11.91)

Die Einbeziehung von Persönlichkeiten wie Ivan Illich, Jean Baudrillard und Vilem Flusser steigerten die Attraktivität des Kongresses auch für kritische InteressentInnen. Die öffentlichkeitswirksame Einleitung der Veranstaltung wurde dann aber zwei extrem unkritischen WissenschaftlerInnen überlassen. Die eine war Helga Rübsamen-Waigmann (Leiterin des Chemotherapeutischen Forschungsinstituts, Georg-Speyer-Haus, Frankfurt/M - Hoechst ist nicht weit!) mit einer Lobpreisung der Gentechnik, der andere war Hans Moravec (Robotics Institute, Carnegie-Mellon-University, Pittsburgh USA). Moravec behauptete, daß die Übertragung der Bits aus den menschlichen Gehirnen auf Computer vollständig möglich sei und vom menschlichen Körper gelöst werden könne: Auf operativem Wege könnten zukünftig Roboter das menschliche Gehirn zerlegen und den darin enthaltenen Informationsgehalt auf einen Computer übertragen, wo er dann als körperloses bewußtes Subjekt herumgeistere oder in den Körper eines Roboters schlüpfen könne. Der Name Moravec zog sich anschließend durch sämtliche Zeitungen mit Artikelüberschriften wie "Geist ohne Körper", "Faxbare Persönlichkeiten", "Maschinen sind unsere Erben", "Kommunikation zwischen Geistern", "Roboterexperte: Der menschliche Geist wird bald vom Körper befreit". Andere bezeichneten das als "modische Cyberspace-Spinnereien" (FAZ, 4.12.) und der Rheinische Merkur vom 29.11. kolportierte, daß Moravecs Buch "Mind Children" gelegentlich als "Mein Kampf" der KI-Gemeinde apostrophiert werde. Selbst in den VDI-Nachrichten stieß Moravec auf Skepsis. In einem Interview (6.12.91) fragte Helene Conrady verwundert nach: "Aber zwischen Kindern und Maschinen besteht doch ein Unterschied!" Moravecs Antwort: "...Man kann sie (die Maschinen) aber auch als unsere Produkte sehen, Erzeugnisse, die eines Tages, wenn sie selbständig sind unsere Kultur erben sollen. Und dann sind sie wie unsere Kinder. Auch die wachsen und werden selbständig." Ungläubig hakte die Frau nochmal nach: "Dennoch sehe ich immer noch einen qualitativen Unterschied zwischen Kindern und Computern."

Sympathischere Töne sind dann in den Berichten über Ivan Illich, Baudrillard, Flusser, Oswald Wiener und Ernst Pöppel (Prof. für Neurobiologie am Institut für medizinische Psychologie, Uni München) zu lesen. So meinte Illich z.B.: "In den Arm nehmen kann man das Du im Netzwerk der Computer nicht." und "Verflucht sei das Leben, das als Ressource genutzt und verwaltet werden kann".

(An dieser Stelle sei der Pressestelle des Wissenschaftszentrums für die freundliche Bereitstellung der Presse- und Rundfunkdokumentation gedankt)

Material: Im Kongreßband in dem die Beiträge abgedruckt sind, wird wohl bis Mai/Juni 92 erscheinen, Das Wissenschaftszentrum gibt die Zeitschrift "Das Magazin" heraus, deren Ausgabe 2/91 Aufsätze von Moravec, Flusser und Rübesamen-Waigmann enthält.

Kontakt: Wissenschaftszentrum NRW, Postfach 200807, Reichsstr. 45, 4000 Düsseldorf 1, Tel.: 0211/370586

 

Umwelt, Computer & Medien

 

ELEKTROSMOG: GERICHT VERFÜGT BAUSTOP FÜR (MOBIL-)FUNKTURM

Als ein spezieller Zweig des Umweltschutzes bildet sich allmählich die Bekämpfung des "Elektrosmog" heraus. Mit "Elektrosmog" ist das unsichtbare Durcheinander von unterschiedlichen elektromagnetischen Wellen in unserer Umwelt gemeint. Diese Wellen (nicht-ionisierende Strahlungen) werden u.a. von Radiosendern, Fernsehsendern, Fernsehgeräten, Computern, Richtfunk, CB-Funk, schnurlosem Telefon, Sprechfunkgeräten, Autotelefon und Mobilfunk-Verteilstationen wie auch den einzelnen Mobilfunkgeräten ausgesandt. (Wir konzentrieren uns hier auf die genannten Bereiche, wohlwissend, daß Hochspannungsleitungen und Transformatorenstationen noch stärkere Abstrahlungen haben).

Die Verbreitung des Mobilfunks wird von Betreibern (Telekom, Mannesmann) und Geräteherstellern (u.a. SEL, Siemens) massiv gefördert, ohne daß zu befürchtende Gesundheitsschädigungen des Elektrosmogs öffentlich thematisiert würden. Immerhin wurde Ende Februar die Meldung veröffentlicht, daß Mobilfunktelefone nicht zu dicht am Kopf gehalten werden dürfen, weil sonst die Funkwellen zu einer Wärmeentwicklung im Kopf führen. Dabei bleibt aber wiederum die gesamte "nichtthermische Wirkung" der elektromagnetischen Strahlung unberücksichtigt, die im Verdacht steht, u.a. Zellschädigungen, Krebs, Leukämie und hormonale Veränderungen zu bewirken.

Damit Mobilfunk-Gespräche von jedem Ort aus geführt werden können, muß das gesamte Bundesgebiet von ca. 3000 Funktürmen im Abstand von 10 bis 20 km flächendeckend versorgt werden. In Lüneburg klagte nun eine BürgerInnen-Initiative gegen die Errichtung eines solchen Funkturmes und forderte einen Baustop mit Hinweis auf die Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Strahlungen.

Am 6.2.92 beschloß die 2 Kammer Lüneburg des Verwaltungsgerichtes Stade sensationellerweise tatsächlich einen Baustop und verlangte die vorherige Einholung eines Gutachtens über die Gesundheitsabstrahlungen. Zentrales Zitat aus der Urteilsbegründung (AZ -2 B 89/91): "Denn es liegen bislang keine substantiierten und nachvollziehbaren Gutachten von Sachverständigen zu der Frage vor, ob von der hier streitigen baulichen Anlage nach der Inbetriebnahme die Gesundheit der Antragsteller beeinträchtigende Energieabstrahlungen ausgehen werden." Obwohl schon mehr als 1 Million DM in dem 76 m hohen Lüneburger Funkturmbau verbaut wurden, darf die Telekom nun keine Technikinstallationen dort vornehmen. Mit Hinweis auf diesen Beschluß könnten nun an allen Funkturm-Baustellen Anträge auf Baustop gestellt werden.

Auch in Hessen, in Lorch-Ransel, gibt es eine BürgerInnen-Initiative "Sendemast e.V.". Sie ist der Auffassung, "Ein starker Radarsender kann einen bisher kerngesunden Wald binnen weniger Monate töten" (Informationsschrift der Initiative) und ausgehend von dieser Erkenntnis richtete sich ihr Interesse auf die mögliche Gefährdung durch die Mikrowellen des Telekom-Sendemastes. MdB Michael Jung (CDU) hat daraufhin den Bundespostminister um Stellungnahme gebeten. Die Stadtverordnetenversammlung von Lorch lehnt geschlossen die Inbetriebnahme des Sendemastes ab und Bürgermeister Günter Retzmann (SPD) hat am 6.3.92 im HR-Fernsehen wieder diese Ablehnung engagiert bestätigt. Auch in Kidrich und Rüdesheim werden die Sendenmasten inzwischen zum öffentlichen Thema.

Material: a) Hearing Elektrosmog, 28.1.1992 Landtag - Referate, Daten, Fakten DIN A 4, 104 Seiten, 10 DM, Hrsg.: Die Grünen im nds. Landtag, Pressestelle , H.W.Kopf-Platz 1, 3000 Hannover 1, Tel.:0511/3030443, b) Artikel im Infodienst Computer & Medien Nr. 2/91, Dr. Andreas Varga (Gutachter für die Stadt Lorch), Hygiene-Institut Uni Heidelberg hat Mißbildungen von Hühner-Embryonen als Folge elektromagnetischer Strahlung nachgewiesen (Vgl. dessen Artikel in Funkschau 22/89)

Kontakt: a) Rechtsanwälte der Lüneburger BürgerInneninitiative, Christine Zembol/ Wilhelm Krahn-Zembol, Kastanienweg 8, W-2124 Amelinghausen, Tel.: 04132/1492, b)Die Grünen im LT, Wigbert Mecke, Umweltreferent, HWK-Platz 1, Hannover, Tel.: 0511/3030-482

 

"DIE PROBLEMATIK DER OFFENLEGUNG VON UMWELTDATEN"

Für den 21.-22.5.92 ist eine Tagung unter dem Titel "EDV im Umweltschutz - Datenschutz und Datensicherheit" - Erfassung und Bewertung von Umweltauswirkungen, Untersuchung von Altlasten, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Berufsfortbildung" angekündigt. Veranstalter ist das "Umweltinstitut-Offenbach-GmbH". Ein Blick auf das Programm des "Umweltinstituts" im Jahr 1992 zeigt eine starke Orientierung an Bedürfnissen der Industrie. So werden Kurse für "Betriebsbeauftragte für Abfall, Gewässerschutz und Immissionsschutz" durchgeführt, "Altlasten als Planungshindernis" abgehandelt und eine "Messe für Umwelttechnik, MUT " durchgeführt(nicht zu verwechseln mit M.U.T. - Mensch und Technik e.V. in Hamburg!) Die ReferentInnen- und Themenliste der Veranstaltung im Mai ist dazu geeignet, weitere Bedenken aufkommen zu lassen: Da referiert am 21.5. um 16.00 Uhr im Ledermuseum Offenbach Dr. Andreas Jaschke zum Thema "Die Problematik der Offenlegung von Umweltdaten" - Herr Jaschke kommt vom Institut für Datenverarbeitung im Kernforschungszentrum Karlsruhe! Georg Nischke von der Allianz-Generaldirektion in München referiert am 22.5. um 16.00 Uhr zum Thema "Der Umgang mit umweltrelevanten Daten im Versicherungsbereich", Klaus Iven aus dem Bundes- Atomministerium referiert über "Altlastenkataster und Datenschutz", Dipl. Ing. Wolfgang Selke vom Stadtverband Saarbrücken wird etwas zum Thema "Datenschutz und Öffentlichkeitsarbeit im Umgang mit Altlasten" erzählen. Ganz besonders ironisch wirkt in dieser illustren Reihe der Vortragstitel von Herrn Jürgen Kupfrian (Media Security Service): "Die Entsorgung von Umweltdaten".

Die Themenstellungen würden eher den Tagungstitel "Seminar für die Geheimhaltung von Umweltdaten" rechtfertigen. Damit es nicht gar so einseitig aussieht, sind drei von insgesamt 18 ReferentInnen eingeladen, bei denen ein echtes Interesse am Umweltschutz vermutet werden darf. Ursula Philip vom BUND, Landesverband Hessen referiert zu "Anforderungen an den Datenschutz aus der Sicht der Umweltverbände", Johann Bizer vom Ökoinstitut Darmstadt zum Thema "Offenlegung von Daten im Genehmigungsverfahren" und MdB Klaus Feige vom Bündnis 90/Grüne zur Frage "Der Umgang mit Umweltdaten in der ehemaligen DDR".

VertreterInnen von Umweltschutzinitiativen werden durch die hohe TeilnehmerInnengebühr von 640 DM abgeschreckt, wahrscheinlich, weil die zahlungskräftigen Firmen-, Behörden und VerbandsvertreterInnen unter sich bleiben wollen.

Kontakt: Umweltinstitut Offenbach, Nordring 82 B, Offenbach am Main, Tel.: 069/810679, Veranstaltungsort: Ledermuseum, Frankfurter Str. 86, Offenbach.

 

ELEKTROSMOG ALS ARGUMENT FÜR LOKALFUNK

Auf einer ExpertInnenanhörung der Grünen im niedersächsischen Landtag zum Thema "Elektrosmog" am 28.1.92 führte Dr. Brüggemeier vom nds. Landesamt für Immissionsschutz u.a. folgendes aus: "Eine Möglichkeit den "Elektrosmog" erheblich zu verringern, wäre die Sendeleistungen aller Sender im Kurz- und Mittelwellenbereich erheblich zu reduzieren. In Europa beträgt die Sendeleistung oft mehr als 1000 kW pro Sender. In den USA werden die Sender in der Regel nur mt 50 kW betrieben. Die hohen Sendeleistungen sind ein Relikt aus dem kalten Krieg. Wenn alle Länder ihre Sendeleistungen gleichzeitig reduzieren würden, bliebe die Empfangsqualität überall gelich und nebenbei könnten alleine in der Bundesrepublik Deutschland Strom für mehr als 10.000.000 DM pro Monat eingespart werden."

 

Bildung/Ausbildung

 

COMPUTERBILDUNG SEKUNDARSTUFE I

(chf) Homecomputer und Personalcomputer waren erst wenige Jahre alt, als schon Anfang der achtziger Jahre ein "Informatikunterricht für alle", ein "Computerführerschein" oder auch eine "Computer Literacy" als eine vierte Kulturtechnik (neben Rechnen, Lesen und Schreiben) gefordert wurden.

Einen vorläufigen Abschluß fand die Diskussion mit der Verabschiedung eines "Rahmenkonzepts für die informationstechnische Bildung in Schule und Ausbildung" durch die Bund-Länderkommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) im Dezember 1984. Dieses Rahmenkonzept sieht vor: a) eine informationstechnische Grundbildung für alle SchülerInnen der Pflichtschulzeit, die in der Sekundarstufe I aller Schulformen realisiert werden soll, b) eine vertiefende informationstechnische Bildung in Form der Informatik (als Schulfach) und eine berufsbezogene informationstechnische Bildung - beides in der Sekundarstufe II.

Lehrpläne und Schul- bzw. Unterrichtsgestaltung sind in starkem Maße Ländersache, d.h. der Bund bzw. die Bundesregierung hat bestenfalls eine Richtlinienkompetenz und so läuft die Entwicklung einer IuK-Grundbildung in den einzelnen Bundesländern durchaus sehr unterschiedlich. (Bis hierher wurde der Text aus der unten näher bezeichneten Broschüre, S. 18 übernommen)

In Nordrhein-Westfalen gab es von 1987 bis 1989 einen Modellversuch "Informations- und Kommunikationstechnologische Grundbildung", der dann schließlich zu einem konkreten Curriculum geführt hat - nachzulesen in den "Vorläufigen Richtlinien zur IuK- technologischen Grundbildung in der Sekundarstufe I" vom Februar 1990. Mit Beginn des neuen Schuljahres soll in NRW nun diese neue Grundbildung eingeführt werden. Das besondere daran ist, daß nicht nur der Computer, sondern seine Einbindung in das Netz der IuK-Techniken (Telefax, Btx, ISDN,..) thematisiert wird. Nicht der Computer selbst ist vorrangiges Thema (des Curriculums), sondern eher das, was man damit machen kann und zwar im betrieblichen oder privaten Alltag. So soll z.B. die Umstellung eines Warenhauses auf ein Warenwirtschaftssystem oder die Bedeutung der IuK-Technik für eine Zeitungsredaktion behandelt werden.

Die Einführung dieser neuen Unterrichtsthematik wird auch bei den Eltern ein Bedürfnis nach Informationen über IuK-Techniken hervorrufen. Für diesen Bedarf wurde vom Kommunikativen Bildungswerk e.V. in Dortmund eine Broschüre erstellt, die auf Bestellung kostenlos zugeschickt wird - solange der Vorrat reicht.

Material: Eltern, Kinder, Computer - Zur Computerbildung in der Schule, von Christian Förster und Gerda Langenbuch, Dezember 1991, DIN A 5, 55 Seiten, kostenlos - bei der Bestellung adressierten Rückumschlag DIN A 5 mit 1,40 DM frankiert beilegen.

Kontakt: Kommunikatives Bildungswerk e.V., Adlerstr. 83, 46 Dortmund 1, 0231/143123 oder Christian Förster, Essener Str. 16, 46 Dortmund 1

 

Computerisierung/Datenschutz

 

DATENSCHUTZ IM NICHT-ÖFFENTLICHEN BEREICH

(hfr/gjs/dvd) Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern sind lediglich für den Datenschutz im öffentlichen Bereich zuständig. Die gesamte Datenschutzproblematik der Privatwirtschaft fällt nicht in ihren Zuständigkeitsbereich. Personalinformationssysteme, Warenwirtschaftssysteme sowie die Verwendung von Daten, die im Zusammenhang mit der Nutzung z.B. von Mailboxen und Scheckkarten anfallen, unterliegen der Aufsicht der jeweiligen Landesinnenministerien bzw. Bezirksregierungen.

Eine Anfrage bei den Innenministerien der Länder nach Datenschutzberichten über den nicht-öffentlichen Bereich ergab folgendes: keine Berichte werden herausgegeben von Bayern, Saarland, Rheinland-Pfalz und Berlin; Datenschutzberichte über den nicht-öffentlichen Bereich liegen vor in Hessen, Hamburg, Bremen/Bremerhaven, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In Hessen, Hamburg, Bremen/Bremerhaven erscheint jährlich ein solcher Bericht, in den anderen Fällen scheint es sich um einmalige Berichterstattungen zu handeln. Von Baden-Würtemberg ist lediglich bekannt, daß hier die FDP/DVP Fraktion 1985 einen solchen Bericht von der Landesregierung verlangt hat. Im Saarland werden zwar Berichte erstellt, da aber keine Veröffentlichungspflicht laut BDSG besteht, sind bisher auch keine erschienen.

Dr. Manfred Sachau, Ministerialrat im Bayrischen Staatsministerium des Inneren, München vertrat in einem Aufsatz folgende Auffassung zur Frage einer stärkeren Kontrolle des Datenschutzes in der Wirtschaft: "Bei einer Angleichung des Umfangs der Fremdkontrolle, wie sie im öffentlichen Bereich geübt wird, müßte entsprechend dem Umfang der Datenverarbeitung in der Privatwirtschaft der Personaleinsatz bei den Aufsichtsbehörden mindestens verzehnfacht werden. Eine allgemeine Überprüfung der privaten Informationsverarbeitung hätte zudem besonders illiberale Züge; sie wäre wegen der umgreifenden Natur des Kontrollgegenstandes stets mit der Tendenz zu einer umfassenden Ausforschung der Betriebe verbunden." (Resümee und Erfahrungen im Datenschutz aus der Sicht der bayrischen Aufsichtsbehörden, RDV 1986, Heft 1, S. 10). Wäre interessant zu erfahren, was Herr Sachau angesichts des BASF-Datenskandals zu sagen hätte.

Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu überwachen obliegt nahezu ausschließlich den betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Diese werden jedoch vom Betrieb ebenso benannt, wie dies auch bei Sicherheitsbeauftragten der Fall ist. Häufig wird aber der Bock zum Gärtner gemacht, wenn z.B. der Leiter des Rechenzentrums gleichzeitig zum Datenschutzbeauftragten des Betriebes ernannt wird. Da die Aufsichtsbehörden der Länderinnenministerien und Bezirksregierungen nur bei Beschwerden tätig werden und keine Stichprobenkontrolle aus eigenem Antrieb machen, kann eine öffentliche Diskussion über die Problematik nur dadurch angeregt werden, daß sich Leute mit Beschwerden hinsichtlich bestehender Datenschutzprobleme sofort an die Innenministerien und Bezirksregierungen wenden.

Zusatz (gjs): Abwegig ist die Forderung der DVD (Presseerklärung vom 5.3.92), "das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik" (BSI) solle eine absolut genaue Überprüfung der Datenfernübertragungen von Betrieben und Veröffentlichung dieser Ergebnisse" betreiben, denn das BSI selbst ist aus den Geheimdiensten hervorgegangen und seine Beschäftigten werden noch als "Soldaten" auf der Gehaltsliste geführt.

Material: Vierter Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Behörden, (10.9.91) Hessisches Ministerium des Inneren und für Europaangelegenheiten, Postfach 3167, 6200 Wiesbaden; Datenschutzaufsicht in der Wirtschaft, Tätigkeits- und Erfahrungsbericht der niedersächsischen Aufsichtsbehörden (Landesdrucksache 10/5750 vom 10.3.85); (Berichte über Datenschutz in der Wirtschaft) genaue Titel nicht bekannt, Hamburgischer Datenschutzbeauftragter, Baumwall 7, 2 HH 1; Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Bremen, Arndtstr. 1, 2850 Bremerhaven;

Kontakt: DVD, Reuterstr. 44, Bonn - Zuschriften unter dem Stichwort "Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich", oder an die Redaktion C&M.

 

ZWANG ZUR BENUTZUNG VON BANKAUTOMATEN

(c&m) Um die Benutzung ihrer 1100 Geldautomaten durchzusetzen, verlangt die Deutsche Bank von KundInnen, die ihr Geld am Schalter abheben wollen, die Zahlung von Sonder-Gebühren. Andere Banken und Sparkassen werden möglicherweise diesem Beispiel folgen. Anfang 1993, so Dr. Michael Endres, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank AG Frankfurt, werde eine neue Generation von Geldautomaten installiert, die Einzahlungen entgegennehmen könnten (lt. SZ, 42.92). Es ist also zu befürchten, daß zukünftig auch die Einzahlungen mit Sonder-Gebühren belegt werden, wenn sie nicht am Automaten, sondern am Schalter abgewickelt werden.

Diese Methoden, mit denen Automatenbenutzung durchgesetzt werden soll, kennen wir bereits von den Kontoauszugsdruckern, deren Benutzung in etlichen Fällen damit erzwungen wurde, daß für die Abholung von Kontoauszügen am Schalter zusätzliche Gebühren verlangt wurden (z.B. 1 DM pro Kontoauszug)

Statt Sonder-Gebühren bei der Geschäftsabwicklung am Schalter zu verlangen, könnte in einem umgekehrten Verfahren eine Gutschrift bei der Automatennutzungn erwartet werden, denn die KundInnen nehmen den Banken und Sparkassen Arbeit ab, die bisher vom bezahlten Schalterpersonal ausgeführt wurde.

 

26 MILLIONEN ADRESSEN FÜR 5000 MARK

(fjb) 5000 Mark kosten ein paar frei verkäufliche CDs, auf denen lt. "IBS-Systemvertrieb GmbH" die Daten (Name, Adresse, Beruf, Telefonnummer) von 26 Millonen Personen und mehr als einer Million Firmen und Institutionen gespeichert sind. Diese Datensammlung kann zur Grundlage einer Personen-Datenbank gemacht werden, in die Schritt für Schritt Daten aus anderen Quellen hinzugegeben und personenbezogen verknüpft werden. Grund genug, hier auf eine Löschung meiner Daten auf den 5 CDs hinzuarbeiten.

Bei der Suche nach dem Hersteller dieser CDs war ich zunächst auf die IBS-Systemvertrieb GmbH, (Garbsen, Carl-Zeiss-Str. 25) gestoßen, die mir im Juni 1991 auf Anfrage lapidar mitteilte, sie stelle die CDs nicht her. Erst durch Einschalten des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Bezirksregierung Hannover fand ich heraus, daß die CDs vom "Tele-Info-Verlag" hergestellt werden, der seinen Sitz ebenfalls in 3008 Garbsen 4, Carl-Zeiss-Str. 27 hat, im selben Haus wie die IBS GmbH, nur einen Eingang weiter. Außerdem wird die Geschäftsführung der IBS GmbH und diejenige des Tele-Info-Verlages von ein und der selben Person wahrgenommen.

Aufgrund meines schriftlichen Begehrens, meine Daten auf der CD zu löschen, wurde mir lediglich mitgeteilt, daß ich nicht auf der CD aufgeführt sei und deshalb auch nicht "Betroffener" im Sinne des BDSG sei. Um dieser Sache näher auf den Grund zu gehen, entschloß sich die Datenschutzgruppe der Fachschaft Jura (Uni Bielefeld) am 17.12.91 unangemeldet bei dem Verlag aufzulaufen. Inzwischen hatten wir von der Humanistischen Union Mitteilung erhalten, daß eines ihrer Mitglieder die Löschung seiner Daten auf den CDs erreicht habe. Auch der SPIEGEL gab sich interessiert und schickte einen Fotographen. Der Adressen-"Verlag" bestand aus einem Zimmer, in dem sich lediglich ein Tisch, ein Telefon und zwei Regale mit Telefonbüchern befanden. Der Geschäftsführer Ralf A. Sood kam von der IBS GmbH herüber, empfand den Besuch als "Überfall" und die fehlende VOranmeldung als "schlechten Stil". Dann versuchte er zunächst zu erklären, warum ich nicht auf der CD verzeichnet sei. Seine erste Erklärung: Vielleicht stünde ich ja nicht im Telefonbuch. Das Gegenteil konnte an Ort und Stelle bewiesen werden, also wurd nach weiteren Ausreden gesucht. Schließlich kam er auf den Gedanken, es könne sich auch um einen Scan-Fehler handeln. Erst später, am 30.12.91 erreichte mich dann ein Brief des Tele-Info-Verlages in dem mir mitgeteilt wurde, daß mein Name für die CD-Ausgabe 1992 zunächst gespeichert worden sei, inzwischen aber gelöscht wäre.

Herr Sood hatte uns zugesagt und schriftlich bestätigt, daß die Firma all jene Daten von Personen auf den CDs löscht, die dies wünschen. Allerdings werden wahrscheinlich alle, deren Daten gelöscht werden wiederum in einer Datei gespeichert, um sie bei einer erneuten Scannung als Filter zu benutzen, damit die Daten nicht auf der nächsten CD-Ausgabe enthalten sind.

- Musterschreiben - : An den Tele-Info-Verlag, Carl-Zeiss-Str. 25, 3008 Garbsen 4, Betr.: Nutzungsuntersagung, Ich gebe Ihnen hiermit bekannt, daß ich Betroffener gem. §3 BDSG bin, da ich im Telefonbuch stehe. Ich verlange, daß Sie meine Daten aus ihrer Daten löschen und sie zukünftig nicht mehr auf die CD zu bringen. Die Löschungsaufforderung bezieht sich auf §§ 29, 28 BDSG. Ich bitte um eine Benachrichtigung darüber, daß meine Daten gelöscht und zukünftig nicht mehr verwendet werden.

Wir schlagen vor, daß alle, die im Telefonbuch verzeichnet sind, (falls sie nicht ihr Recht genutzt haben, diesen Eintrag zu untersagen) den Tele-Info-Verlag bitten, ihre Daten zu löschen. (Kostet Euch nur das Porto, die Firma darf keine Gebühren erheben. Schickt bitte dann eine kurze Mitteilung an uns)

Kontakt: "Datenschutzgruppe der Fachschaft Jura und des ASTA, Uni Bielefeld, Universitätsstr. 25, T 3 - 123, 4800 Bielefeld 1, Tel.: 0521/106-4292 (Mittwochs von 15-17 Uhr)

 

Piratensender

 

"DER SCHWARZE KANAL" (DDR/1986)

(telegraph) In der Ostberliner Zeitschrift "telegraph" Nr. 1/2 vom 30.1.92 ist ein Interview mit dem Mitglied eines ehemaligen DDR-Piratensenders Reinhardt Schult) abgedruckt. Der "Schwarze Kanal" hatte am 31.10.86 um 22 Uhr auf 99,2 MHz zum erstenmal gesendet. Die Sendung wurde konspirativ im Osten vorbereitet und dann über eine technische Anlage in Westberlin (angeblich im Wedding) gesendet. RS schildert, wie die Flugblätter mit der Ankündigung der ersten Sendung gemacht wurden: "Ja wir haben die Flugblätter, auf denen die Frequenz und die Zeit stand, mit einem Stempelkasten gemacht, den es damals im DDR-Spielwarenhandel gab." Die Flugblätter wurden auf Kneipentoiletten und in Telefonzellen ausgelegt und in Briefkästen gesteckt. Die taz und der SFB berichteten zwei Tage vor Sendung darüber, daß ein unabhängiger Sender in der DDR sein werde. Am Tag der Sendung suchten zig Peilwagen in Ostberlin und in Westberlin nach dem Sender, ohne Erfolg. Danach hingen den Mitgliedern der Radiogruppe umfangreiche Stasi-Observationskommandos rund um die Uhr "an den Hacken". Nachdem etliche Leute sich nicht mehr unbeobachtet bewegen konnten, aber dennoch eine neue Sendung zustande kam, ging die DDR-Stasi dazu über, mit einem Störsender den Empfang des Schwarzen Kanals zu verhindern, RS: "Es war dann eigentlich ziemlich klar, daß man nicht gegen diese starken Störsender ankommt, daß sie es schaffen, ausßerhalb eines Umkreises von einem Kilometer um den Sender alles wegzustören.(...) Deshalb ist dann auch der Sender von unserer Seite beendet worden." Danach überlegte man, evtl. direkt aus dem Ostteil zu senden, aber 1987 kam das Angebot von Radio 100, Sendungen auszustrahlen, die im Ostteil produziert worden sind. Das passierte dann auch mit der Sendung "Glasnost", woraufhin der Stasi auch auf dieser Frequenz Störversuche unternahm. Allerdings führte das zu massiven Protesten von Seiten der West-Regierung und der Post(West). Inzwischen ist Radio 100 von einem Dudelfunksender abgelöst worden und DT 64 wird langsam stranguliert. Deshalb stellen die Gesprächspartner im Interview fest, daß heute wieder unabhängige Sender wichtig wären.

Material: Die vier Sendungen des Ostberliner Piratensenders "Der Schwarze Kanal" von 1986 sind auf zwei Kassetten für 25 DM erhältlich.

Kontakt: Redaktion "telegraph", Schliemannstr. 22, O-1058 Berlin

 

PIRATENSENDER IN WIEN

In Wien sind Ende 1991 neun Piratensender aktiv gewesen, die Montags bis Samstags ab 18.00 Uhr abends Hörfunk sendeten. Es geht um die Durchsetzung freier Radios, nichtkommerziellen Lokalfunks. Die österreichische Regierung plant, die Rundfunkliberalisierung nur auf kommerzielle Radiobetreiber zu beschränken, nur Kapitalgesellschaften sollen einen Sender betreiben dürfen. Durch die Piratensender in Wien wird die Diskussion um eine Gesetzesnovelle mit praktischen Beispielen für anderes Radio angereichert. Die Piratensender haben sich zusammengeschlossen, nennen sich "pressure group" und haben eine Art "Schwarzfahrerkasse" eingerichtet, wer erwischt wird, erhält Geld aus der gemeinsamen Kasse. Die Sender tragen Namen wie "Radio Boiler", "Radio TU", "Radio Hotzenplotz" und "Radio Bassena". Die StudentInnen am Publizistikinstitut der Wiener TU spielen bei der ganzen Kampagne offensichtlich eine tragende Rolle. Die Diskussion in der TU über freie Radios am 1.11.91 wurde live auf 103,3 MHz gesendet. Am 1.12.91 gelang es der Post dann zum ersten Mal, einen Sender zu beschlagnahmen, den sie in der TU Wien gefunden hatte.

Quelle: Der Blätterteig, Nr. 11, Dez. 1991, Adresse: Postfach 95, A-1013 Wien

Kontakt: Projektgruppe "UNI-Radio", Wolfgang Hirnber, Hormayrgasse 3, A-91170 Wien, Tel.: 46 98452 oder Thomas Krpic, Hüttelsdorfer Str. 47/4/, A-101150 Wien, Tel.:9510842

 

Freie Radios

 

FREIE RADIOS: INTERKONEXIONES

(rdl) Das Projekt "Interkonexiones" (IKX) setzt sich den internationalen Programmaustausch zwischen Freien Radios zum Ziel. Nehmen wir an, in Mailand findet eine Demonstration mit 100.000 Menschen gegen Rassismus und AusländerInnenfeindlichkeit statt, dann könnte am Abend des selben Tages der Bericht eines Freien Radios Milano mit Nachrichten, Reportagen und Interviews zum Thema auch von Freien Radios in der Bundesrepublik gesendet werden - und zwar alles auf deutsch übersetzt! Oder : Radio Segovia in Ocotal, Nicaragua sendet einen Hintergrundbeitrag über Angriffe der rechten Regierung auf die Kooperativen in ihrem Sendegebiet undzwei Wochen später können HörerInnen in ganz Europa in ihren eigenen Sprachen diesen Beitrag in Freien Radios hören.

Daß dies zumindest denkbar wird, dafür könnte vielleicht IKX sorgen. Dahinter verbirgt scih ein langgehegter Wunsch nicht nur von Radio Dreyeckland, sondern auch anderen freien Radios in Europa: Ein Netzwerk für - in den jeweiligen Sprachen neuproduzierte - Programmbeiträge aus Europa und den "Nicht-Regierungs-Sendern" in Afrika, Asien und Lateinamerika aufzubauen.

Für die Verwirklichung dieser Utopie grenz- und sprachenübergreifender Radioproduktionen ist jetzt die Basisfinanzierung gesichert. 50 % des Projektvolumens von 1 Million DM für drei Jahre sind durch einen Zuschuß der Europäischen Gemeinschaft abgesichert. Daher werden in den nächsten drei Jahren vier bis fünf Leute schwerpunktmäßig am Projekt IKX arbeiten, indem sie die Kontakte zu den Freien Radios intensivieren, den Programmaustausch und die Übersetzungen organisieren, regelmäßig Programmbeiträge und Informationen dazu verschicken. Neben den EG-Geldern braucht diese Zusammenarbeit der Freien Radios zwecks Schaffung einer internationalen Gegenöffentlichkeit aber die politische und finanzielle Unterstützung weiterer Kreise.

Kontakt: Radio Dreyeckland, Adlerstr. 12, 78900 Freiburg, Tel.: 0761/30407

 

VERFAHREN GEGEN RADIO DREYECKLAND EINGESTELLT

(rdl) Das Ermittlungsverfahren gegen Radio Dreyeckland wegen Verdachts auf Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach § 129a wurde am 27. Januar 1992 eingestellt. Wie bereits im Infodienst 4/91 berichtet, wurde dieses Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil Radio Dreyeckland ein Lied der Kölner Musikgruppe "Heiter bis Wolkig" abgespielt hatte, in dem das Wort "Rote Zora" vorkam und ein Interview mit Frauen aus der Roten Zora dokumentiert wurde, das bereits 1984 von der Zeitschrift EMMA abgedruckt worden war. Bevor die Sache nun noch peinlicher geworden wäre hat die Staatsanwaltschaft klugerweise das Verfahren endlich eingestellt. Allerdings hat das Ermittlungsverfahren zwischenzeitlich Möglichkeiten für umfangreiche legale Schnüffelei geschaffen - einer der Hauptzwecke des § 129a.

 

ZÄHE LEGALISIERUNG FREIER RADIOS

(rdl) Ende 1991 wurde im neuen Mediengesetz Baden Württemnbergs durch den § 25, Satz 2 der Aufbau nichtkommerzieller Radios in BaWü juristisch möglich und damit auch endlich Radio Dreyeckland medienrechtlich abgesichert. Die Entstehung freier Radios wird jedoch dadurch behindert, daß BaWü-Minister v. Trotha die Frequenzen (verfassungswidrigerweise) nur an wenige privilegierte, zahlungskräftige "Höchstzahlveranstalter" vergeben möchte.

(rq) In Rheinland-Pfalz wurde das Rad der Geschichte bei der Verabschiedung des neuen Landesmediengesetzes sogar rückwärts gedreht. Die Möglichkeit der Vergabe isolierter lokaler UKW-Hörfunkfrequenzen, wie sie vorher im § 6 des Gesetzes enthalten war, wurde 1991 kurzerhand ganz herausgestrichen. Hiergegen schlägt die Empörung der Medieninitiative Mainz/Wiesbaden berechtigterweise hohe Wellen. Die Programmanbietergemeinschaft, in der sich inzwischen 17 lokale Gruppen und Vereine zusammengeschlossen haben, fordert in einem Brief an die rheinland-pfälzischen Landtagsfraktionen, daß bei der geplanten Gesetzesveränderung dieses Jahr folgende Punkt mit aufgenommen werden:

1. Neben landesweiten Hörfunkketten müssen eigenständige lokale Frequenzen ausgeschrieben werden

2. Gemeinnützige Radiovereine erhalten einen Sonderstatus in Form einer Ermäßigung bzw. Erlaß der Postgebühren sowie eine Förderung mit Zuschüssen.

3. Die Unterstützung von BürgerInnenbeteiligung in allen Medien, mehr Transparenz und Zugang für Laien.

Weiterhin heißt es im Brief an die Landtagsfraktionen: "Hinweise auf die offenen Kanäle können Sie sich sparen, denn: wir wollen auch und gerade die nichtverkabelten Bürger erreichen; und warum sollten UKW-Frequenzen den Mediengiganten vorbehalten sein, für die lokale Berichterstattung ein wenig lukratives Geschäft und eine lästige Pflicht bedeutet?" und "Der Mitgliederstand unseres Vereins konnte bisher noch nicht die geforderte Wirtschaftliche Kapazität sichern. Durch Wegfall der Gebühren für kleine Lokalsender würden wir auch diese Hürde schaffen."

Kontakt: Medieninitiative Mainz/Wiesbaden (Radio Quer), Postfach 3041, 65 Mainz, Tel.: 06131/221661

 

"FREIES RADIO" + "OFFENER KANAL" = "LOKALE OFFENE FREQUENZ" ?

(tm/gjs - dieser Artikel basiert auf umfangreichen Berichten und Dokumentationen, die Thomas Muntschik zur Verfügung gestellt hat, die politisch provozierende Zuspitzung der Fragestellung am Schluß des Artikels habe ich zu verantworten - gjs)

Im § 29 des neuen Rundfunkstaatsvertrag vom 1.1.92 wird die Förderung "Offener Kanäle" geregelt. Die Landesrundfunkanstalten als Kontrollinstanzen von Privat-TV und -Radio erhalten 2% aus dem Rundfunkgebührenaufkommen ("Kabelgroschen"), das macht in Niedersachsen z.B. ca. 15 Millionen DM aus. Das steckt der LRA in Infrastrukturmaßnahmen, Förderung des Kommerzfunks, Akzeptanzuntersuchungen etc.. Ca. 12 Mio. davon könnten auch für die Finanzierung von "offenen Kanäle" verwendet werden. Im Rundfunkstaatsvertrag ist nicht näher definiert, was ein "offener Kanal" ist. Daher besteht evtl. die Möglichkeit auch nicht-kommerziellen lokalen Hörfunk zu finanzieren. Zunächst geht es in Niedersachsen entsprechend den rot-grünen Koalitionsvereinbarungen um die Frage, wo Modellprojekte für lokalen Höfunk in Niedersachsen finanziert werden.

Der Rundfunkstaatsvertrag beschränkt die Finanzierungshilfen jedoch auf offene Kanäle. "Was ist ein offener Kanal?", ist folglich die spannende Frage. Hierfür hat die INGEHN (Interessengemeinschaft Gemeinnütziger Hörfunk Niedersachsen) nun den Begriff "nichtkommerzielle, lokale offene Frequenzen" kurz "LOF" ins Spiel gebracht, und im Februar 1992 folgende Leitlinien hierfür formuliert:

1. Nichtkommerzielle, lokale offene Frequenzen (LOF) sind dauerhaft ohne einen Anteil an den Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht zu betreiben.

2. Eine Werbefinanzierung von LOF scheidet nicht nur aus politischen und medienpolitischen Gründen sondern auch aus ökonomischen Gründen aus.

3. Bis zum Inkrafttreten eines Landesmediengesetzes, das den dauerhaften Betrieb von LOF regelt, ist der Betrieb von - im Rahmen von Pilotprojekten zum nichkommerziellen, lokalen Hörfunk durchzuführenden - LOF aus dem "2%-Anteil" der Rundfunkgebühren sicherzustellen.

4. Die Lizenzvergabe für die LOF während der Pilotphase nimmt der Gesetzgeber anhand eines Kriterienkataloges für Lizenznehmer vor.

5. Der Landesrundfunkausschuß (LRA) als Aufsichtsbehörde für den privaten Rundfunk in Niedersachsen wacht über die Einhaltung technischer Vorgaben, nimmt im Rahmen seiner Aufgabe die Programmkontrolle der LOF wahr und überwacht die aufgabengemäße Verwendug von zur Verfügung gestellten Mitteln. Dem LRA obliegt eine wissenschaftliche Begleitforschung der LOF. Sie dokumentiert nicht nur in Jahresberichten während der fünfjährigen Pilotphase den Fortgang der LOF, sondern liefert in einem Abschlußbericht Kriterien und Planungsdaten zur landesweiten Einführung von LOF. Der LRA richtet für die LOF einen eigenen Ausschuß unter angemessener Berücksichtigung von LizenznehmerInnen ein. AnsprechpartnerIn für die LOF wird der LOF-"Ombudsmann"/die "LOF-Ombudsfrau" beim LRA.

LOF wird dann näher definiert als ein lokaler Hörfunksender, dessen Sendebereich nur jenen geographischen Raum umfaßt, innerhalb dessen auch HörerInnen bereit sind, sich aktiv am Radio zu beteiligen. Als Verwirklichung der "Offenheit" wird "Binnenpluralität" vorgeschlagen, die durch die Rechtsform "gemeinnütziger Vereine" gewährleistet werden soll. Aber wo ist der politisch entscheidende Unterschied zum "Offenen Kanal"? Die INGEHN meint, " Die gemeinnützig organisierte LOF garantiert nicht nur jederzeitigen kostenlosen Zugang eines jeden Bürgers, sondern gewährt ihm sogar einen Rechtsanspruch darauf (...). Während die LOF den Versuch darstellt, medienpolitisch ein neuartiges Rechtsgut zu etablieren, ist der "offene Kanal" lediglich ein Programmangebot in einem speziellen Distributionsnetz, dem Breitbandkabel."

Der zuständige Medienmensch der SPD-Landtagsfraktion, Alfred Reckmann meint hingegen "Die Finanzierung über Gebühren wird mitnichten der Fall sein, auch keine staatlichen Zuschüsse wird es geben", über Kommunenbeteiligung könne nachgedacht werden, die Finanzierung über Landesmittel sei nur schwer vorstellbar. Es bleibt nur übrig, was im Staatsvertrag stünde, die Leitungskosten, mehr sei nicht machbar. (Reckmann am 28.2. auf dem Treffen der Offenen Kanal-Initiativen in Garbsen) Mit seiner Auffassung, die Lokalradios seien grundsätzlich auch mit Werbung zu finanzieren fand er keinen ausreichenden Rückhalt in der SPD-Fraktion. Erich von Hofe, medienpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion stellte bei diesem Treffen klar, daß die Grünen keinesfalls kommerziellem Lokalfunk zustimmen werden und sowohl die 2%-Gelder, EG-Mittel, Universitätsinfrastrukturen und Zusammenarbeit mit Volkshochschulen etc. müßten für nichtkommerzielle Lolalradios genutzt werden.

Fragt sich, ob der Aufbau freier Radios über die Durchführung von LOF-Modellprojekten gefördert werden kann, oder ob sich das Konzept durch den finanziellen Zwang immer mehr dem "offener Kanal" nähert. Freie Radios haben einen politischen Standort, der sonst in den Medien nicht repräsentiert ist. Sie sollen unterdrückten und unterbliebenen Nachrichten bzw. kulturellen Äußerungen zur Öffentlichkeit verhelfen, sind also prinzipiell nicht pluralisitisch sondern ausgleichend einseitig. Klar dabei ist z.B. auch, daß keine rassistischen, faschistischen Inhalte über den Sender laufen. Wenn LOF nur ein anderer Name für das Konzept "freies Radio" ist, wäre alles schön und gut. Aber das Konzept der LOFs beinhaltet bereits die Durchführung eines offenen Kanals, verwaltet durch einen gemeinnützigen Verein. Wie weit die Initiativen auf diesem Weg bereits vorangeschritten sind, wird sich zeigen, wenn sie den "jederzeitigen Zugang aller BürgerInnen" konkreter regeln wollen.

Kontakt: INGEHN, c/o Thomas Muntschik, Geibelstr. 13a, 3000 Hannover 1, 0511/888513 oder 05535/1804; Erich von Hofe MdL, medienpolit. Sprecher Die Grünen im Landtag, HWK-Platz 1, 3 Hannover 1, Tel.:0511/ 1230-1

 

Offene Kanäle

 

OFFENER KANAL BREMEN/BREMERHAVEN

Im März 1990 beschloß die Bremische Landesanstalt (Kontroll- und Ausichtsorgan für den privaten Rundfunk im Lande Bremen) die Einrichtung des Offenen Kanals für das Bundesland Bremen. Der Sendebetrieb wird 1992 aufgenommen. Nach Angaben der Landesmedienanstalt besteht in Bremen/Bremerhaven eine sehr hohe Verkabelungsdichte, die in Bremerhaven 80.000 und in Bremen ca. 250.000 Menschen erreichen kann (die Zahl der Anschlüsse ist geringer, da mehrere Menschen pro Anschluß zu erreichen sind). Der Offene Fernseh-Kanal wird deshalb - und weil sich eine terrestrische Übertragung "nicht finanzieren" ließe - über das Kabelnetz verbreitet, der Offene Hörfunk-Kanal hingegen soll terrestrisch verbreitet werden.

Etwas unverständlich bleibt, warum das ehemals Offene Radio Bremerhaven, die sogenannte "Wutwelle/Gezeitenmüll" in Bremerhaven eingeschläfert wurde, obwohl dort bereits über 50 Initiativen aktiv beteiligt waren. Die "Wutwelle" wurde 1989/90 mit 300.000 DM von der Landesmedienanstalt finanziert, von Radio Bremen in programmrechtlicher Hinsicht getragen und gesendet. Zwei hauptamtliche Kräfte, Programmkoordinatorin und Technikerin gaben Hilfestellung, wenn die Initiativen ihre Beiträge redaktionell zusammenstellten. (vgl. Bericht von Mathias Lahmann, Wut über eine verlorene Welle, SZ 17.12.90). Eine Fortsetzung der "Wutwelle" im Offenen Hörfunk-Kanal kann es nicht bruchlos geben, weil dort das Prinzip der "Sendeschlange" praktiziert wird. D.h. die Sendungen werden nach Eingangsstempel hintereinandergereiht, man weiß nie genau was kommt. Der OK-Beauftragte Uwe Parpart meint jedoch, "das Dogma der Sendeschlange" sei längst "durch geschicktes Buchen durchbrochen" worden, "d.h. die Nutzerinnen und Nutzer der Offenen Kanäle haben quasi feste Sendeplätze erreicht - wenn sie es wollen." (in: Bremer Medien Kalender, S.10)

Material: Bremer Medienkalender, Seminare, Treffs, Initiativen Januar - Juni 1992, Der Offene Kanal in Bremen - Neue Perspektive politischer und kulturelle Weiterbildung ?! Dokumentation der Veranstaltung vom 27.6.91

Kontakt: Offener Kanal Bremen, Findorffstr. 22-24, 2800 Bremen 1 (Dirk Schwampe, Hellga Baltschun, Gunter Becker), 0421/35010-0, Offener Kanal Bremerhaven (Sabine Hartmann, Thomas Beck) und "Beauftragter der Landesmedienanstalt für Offene Kanäle" Uwe Parpart, Löningstr. 2, 2850 Bremerhaven, 0471/ 46020

 

ALTERNATIVES SATELLITEN-TV

(tak) Jede Woche sendet die Gruppe "Deep Disk Network" in den USA eine Stunde Satelliten-Fernsehprogramm, das aus Beiträgen von lokalen Gruppen zusammengestellt wird. Unter der gleichen Adresse (siehe unten) ist auch eine Medienkritik-Gruppe namens "Paper Tiger" zu erreichen. "Paper-Tiger"-Gruppen gibt es mittlerweile mehrere. Sie nutzen hauptsächliche die "Public Access Channels".

Kontakt: Deep Disk Network, 339 Cafyette St. New York, NY 10012, USA

 

Etablierte Medien in der Kritik

 

INITIATIVE: "DEUTSCHES FUNK- UND FERNSEHPARLAMENT"

(kri) Aufforderung zur Gründungsversammlung: Bei Funk- und Fernsehberichterstattungen werden häufiger als in den Printmedien Themen unterschlagen, die außerhalb kommerzieller oder werblicher Interessen liegen. ZuschauerInnen können kaum Einfluß nehmen auf Nachrichtenauswahl oder auf Form und Inhalt der Berichte; eine Kontrolle der E-Medien durch ZuschauerInnen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Funk- und Fernsehkritik erschöpft sich in Beiträgen der Anstalten nach dem Motto "Wir über uns" oder Straßeninterviews mit Fragen nach dem beliebtesten Schlager des Jahres.

Das "1. deutsche funk- und fernsehparlament (dff)" soll dem Zweck dienen, die E-Medien sachkundig zu kritisieren. Dazu ist es nötig, daß die ZuschauerInnen eigene Recherchen anstellen. So können sie in die Lage versetzt werden, selbständig zu prüfen, inwiefern die Medienberichterstattung der inneren oder äußeren Zensur unterliegen. Das dff soll mit Archiven und BürgerInnen-Gruppen zusammenarbeiten, die jene Informationen über das Weltgeschehen sammeln, die in der alltäglichen Berichterstattung nicht auftauchen. Insbesondere sind dies Nachrichten über die ehemaligen Kolonien auf der Südhalbkugel, Nachrichten aus der Wissenschaft, Informationen über Minderheiten in der Gesellschaft.

Als konkretes Projekt einer solchen regelmäßigen Arbeit wird ein Nachrichtenmagazin für die Offenen Kanäle (NOK) vorgeschlagen, das wöchentlich eine Zusammenstellen solcher Informationen gibt, die üblicherweise in den E-Medien unterschlagen werden, aber dennoch von allgemeinem Interesse sind. Dieses Nachrichtenmagazin ist gleichzeitig Experimentierfeld für die TeilnehmerInnen des "dff" und Beleg für die These, daß Hofberichterstattung nicht zwangsläufig aus kostenintensiver Produktionsweise folgen muß.

Das NOK ist den ethischen journalisten Grundsätzen der JournalistInnen-Gewerkschaften, des Presserats und der Kommerzfreiheit verpflichtet. Zur Finanzierung werden ausschließlich gemeinnützige oder medienpädagogische Geldquellen sowie die technische Unterstützung der Offenen Kanäle genutzt. Die Magazine sollen grundsätzlich für Hörfunk und Fernsehen in gleichem Maße geeignet sein und dürfen nicht an kommerzielle Sender veräußert werden. Eine Zusammenarbeit mit Medienwerkstätten wird angestrebt.

Das dff strebt weiterhin an, den Kontakt zwischen Projekten der Medienforschung und BürgerInnen-Gruppen herzustellen. Eine Zusammenarbeit mit Trägern der außerbetrieblichen Journalisten-Ausbildung kann für beide Seiten nützlich sein, sofern die Selbstbestimmung der TeilnehmerInnen am dff nicht beschränkt wird. Berufs-JournalistInnen sollten kein Entscheidungs- oder Stimmrecht haben, sondern lediglich ein Rede- und Beratungsrecht.

Kontakt: "1. deutsches funk- und fernsehparlament dff", c/o Christian Sternberg, Hertzbergstraße 21 li. SF IV, W 1000 Berlin 44

 

POLIZEILICHE DESINFORMATION

(kri) Deutsche Polizei, Geheimdienste und Staatsanwaltschaft haben im Sommer 1991 eine "Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung" (KGT) gebildet. In der Februarausgabe der Gewerkschaftszeitschrift "publizistik & kunst" warnt Ulrich Sander vor Desinformationskampagnen der KGT nach dem Vorbild des DDR-Staatssicherheitsdienstes. KGT soll nach Angaben der Innenministerkonferenz auch für eine "ständige und anlaßbezogene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung der Bevölkerung" sorgen. Sander vermutet, daß die KGT zum Beispiel den RAF-Mythos künstlich aufrecht erhalten wird, um die Hintergründe von politischen Morden zu verheimlichen. Nur so könne man nebulöse Erklärungen der Bundesanwaltschaft über die Morde an Zimmermann, Beckurts, Herrhausen und Rohwedder interpretieren.

 

KOMMERZIELLES LOKALPATRIOTISCHES "HEIMATRADIO"

(jr) Die bayerische "Landeszentrale für Neue Medien" vergab jüngst ein Forschungsprojekt mit dem Titel "Heimatidentität und Lokaler Hörfunk" an Prof. Dr. Wolfgang Protzner, wissenschaftlicher Projektleiter der "Akademie für Neue Medien" in Kulmbach, CSU-Fraktionsvorsitzender und stellvertretender Bürgermeister in derselben oberfränkischen Kleinstadt. Die Akademie bildet in Halbjahres-Kursen jeweils max. 18 RundfunkjournalistInnen vor allem für den Bereich Lokales Radio aus.

Protzner ist Prof. für Didaktik der Geschichte an der Uni Bamberg, wo er im Zusammenhang mit dem o.g. Projekt das Forschungsseminar "Geschichte und Regionale Identität" anbietet. Anhand eines Untersuchungsrasters, das angeblich auch bundesweit auf jede beliebige Region angewendet werden könne, behauptet Prof. Protzner den Begriff "Heimatidentität" allgemeingültig füllen zu können. Bestandteile dieses "allgemeingültigen" Untersuchungsrasters sind u.a.: Statistiken zum Einkaufs- und Freizeitverhalten, Ausbildungsraum, Kulturraum, politischer Raum, Entstehungsgeschichte der Räume (auch ethnisch-geographisch), Verbreitungsgebiet der Medien, Verkehrswege und -aufkommen, Wanderungsbewegungen (z.B.Flüchtlinge), Arbeitsräume (Pendlerbilanzen) etc.

Die Definition von "Heimatidentität" soll dann als Grundlage für die Programmgestaltung eines lokalen Hörfunksenders dienen. Erstes Versuchsgebiet sind die oberfränkischen Städte Bamberg, Coburg, Forchheim, Hof, Kulmbach und Lichtenfels. Die StudentInnen des Forschungsseminars, sollen zunächst die Struktur, Programmgestaltung und HörerInnenquoten aktiver Lokalsender untersuchen. Prof. Protzner definiert dann geographisch den "Heimatraum" einer Stadt und versucht ihn mit dem Sendebereich eines Lokalradios abzustimmen. Ausschließlich innerhalb der kreisförmigen Grenze des Heimatraumes habe laut Protzner eine lokale Rundfunkstation auf Sendung zu gehen, außerdem habe sich die Programmgestaltung nach der in dieser Region relevanten Heimatidentität zu richten, um schließlich auf diesem Wege den Egoismus der jeweiligen Region zu tragen, zu pflegen, zu befördern und die Identifikation mit der Heimat zu fördern. Konkret heißt das nach Protzners Vorstellung z.B.: Ein Verkehrsleitsystem (freiwerdende Parkplätze in der Innenstadt werden über den Sender bekanntgegeben) rund um die Uhr Redakteure, die aus der Region kommen, dort bekannt sind und den Heimatdialekt sprechen, Einbezug aller relevanten Heimatvereine und Personen etc. (Fragt sich, welche Auswirkungen ein so verstandenes Lokalradio auf das Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft hat, wenn der Lokalpatriotismus evtl. in Fremdenhaß umschlägt).

Mit dem Projekt "Heimatradio" der Landesmedienanstalt wird privates Kommerzradio entwickelt, das sich bei aller lokalpatriotischen "Heimat"-Sentimentalität letztlich an der Einschaltquote und damit zusammenhängenden Werbeeinahmen orientiert. Da "Bayern I" landesweit 40% der HörerInnen bindet, werden die Heimatradios mit ähnlichem Gedudel etwas von dieser Prozentmasse abjagen müssen, wenn sie "wirtschaftlich" arbeiten wollen. Statt der versprochenen Vielfalt von Heimatradios würde die Umsetzung des Konzeptes dazu führen, daß bald nur noch kleine "Bayern I-Duplikate" mit jeweils angehängtem "Heimat"-Getue im Äther zu finden wären. "Heimat" wird den Sendungen des Kommerzfunkes dann beigegeben wie neuer künstlicher Duftstoff zu einer alten Seife: "Sie hören die Werbesendungen im Lokalradio Kulmbach - jetzt mit noch mehr Heimat!"

Kontakt: Akademie für Neue Medien (Bildungswerk) e.V. in Kooperation mit der Universität Bayreuth, Langheimer Amtshof, 8650 Kulmbach, Tel.: 09221/1316-1317

 

HDTV-Diskussion

Dr. Volker Bahl

VOTUM FÜR EIN DIGITALES HDTV

Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine Passage aus dem Artikel Volker Bahls in der Wechselwirkung 52, Dezember 1991, S. 40, auf die sich Christian Sternbergs Kritik in dessen Diskussionsbeitrag bezieht:

(...) Und nun (...) noch ein klares "ceterum censeo" beim Blick auf die Techniklinien von HDTV: nämlich ein klares Vortum für das digitale HDTV- und zwar jetzt nicht technologiepolitisch begründet, weil wir ansonsten analog in die "Fortschrittsfalle" stolpern. Man muß dabei zurückblenden auf die "Vernetzungs"-Diskussion zu Beginn der Modernisierung der gesamten Telekommunikation.

Dabei erschien der "Doppelcharakter" dieser Technik zwischen privaten Kommunikationsbedürfnissen und den Interessen an Geschäftskommunikaton so infam, die dann letzlich kulminieren sollte - nach den damaligen Plänen der Post - in BIGFON, d.h. der sternförmigen Vernetzung durch Galsfaserkabel von Haushalt zu Haushalt.

Der private Wunsch nach besserem Fernsehen war so automatisch gekoppelt mit der universellen Anschlußmöglichkeit für einen elektronischen Heimarbeitsplatz mit all den unerfreulichen sozialpolitischen Folgen. Informationsgesellschaft als Flucht aus dem Arbeitsrecht war dann auch der gängige Vorwurf. Die Freiheitsrechte des Einzelnen würden dadurch enorm berührt.

So war diese Technik regelrecht unverträglich mit dem Recht auf Freiheit, auf ihrem medienpolitischen Parteitag 1984 in Essen entschied sich die SPD deshaltb auch beim Fernsehen gegen die Verkabelung und für die Satellitenübertragung - einfach weil diese Techniklinie "verträglicher" mit dem Freiheitsrecht umgeht.

Und konsequent weitergedacht muß heute eben die Entscheidung für das digitale HDTV ausfallen. Es kann nämlich ganz einfach terrestrisch (d.h. ohne Kabel und Satellit) übertragen werden. Damit würde schon technisch die Geschäftskommunikation von der privaten Kommunikation getrennt werden, die gesamten der Vernetzungstechnik innewohnenden Kontrollmöglichkeiten entfallen und der Industrie (würde) nicht auf Kosten des Fernsehbedürfnisses eine Infrastruktur für ihre Bedürfnisse zur Verfügung gestellt werden. Das ist zwar nicht im Sinne des "Erfinders" von BIGFON, aber sicher im Interesse des normalen Bürgers!

 

Christian Sternberg

VOTUM GEGEN DIGITALES HDTV

Wer "Digital" hat, hat die Qual! Volker Bahl plädiert u.a. in Wechselwirkung Nr. 52 für digitales 16:9 - HDTV (1). Dabei betrachtet er den internationalen Kampf um die Normen durchaus unter einem kritischen Blickwinkel, denn: Wer die Norm hat, hat den Markt. Dann aber kommt er zu dem Schluß: Digitales HDTV müsse her, denn wenn wir die digitale Variante des Breitbildschirms bekommen, dann können wir HDTV auch über Antenne empfangen. Diese Begründung ist zu einseitig, denn mit ihr betrachtet Volker Bahl nur technische Aspekte, keineswegs aber die industriellen, medienökonomischen und sozialen Hintergründe.

Die digitale Variante, für die Volker Bahl plädiert, wurde im vergangenen Jahr auf dem schweizerischen Fernsehsymposium in Montreux vorgestellt. Dort wurde behauptet, daß damit HDTV-Programme auch terrestrisch übertragen und mit herkömmlichen Antennen, ohne Parabolantenne und ohne Kabel empfangen werden können. Quelle des Wunders ist der amerikanische Konzern "General Electrics (GE)", der sowohl im Rüstungsgeschäft, als auch im Mediengeschäft kräftig mitmischt.(2) Dem Konzern gehört einer der drei führenden Fernsehsender der USA, nämlich die "National Broadcasting Corporation (NBC)". Außerdem sponsort GE Nachrichtensendungen von CNN (Cable News Network) sowie des Sony-Senders in den USA "Columbia Broadcasting System (CBS)" und der "American Broadasting Corporation (ABC)". Nach Martin A. Lees Angaben hat der Militär-und-Medien-Misch-Multi "GE" in den vergangenen Jahren Verträge in Milliardenhöhe mit dem US-Verteidigungsministerium abgeschlossen und ist an der Entwicklung, Herstellung und Wartung aller wichtigen Waffensysteme der USA beteiligt.(3) Die Verquickung von Rüstungs- und HDTV-Interessen ist nicht auf die USA beschränkt. So gehörten die Handelsmarken "Telefunken", "Nordmende" und "Saba" zum staatlichen französischen Rüstungskonzern "Thompson-Brandt", der seine Unterhaltungselektronik kürzlich an den ebenfalls staatlichen Atomkonzern in Frankreich verkauft hat.

"General Electrics" hat nun als Ergebnis seiner Militärforschung eine Technik namens "Digicipher" präsentiert, mit der es gelingt, die Datenflut eines einzigen HDTV-Bildes von 1,3 Gigabit pro Sekunde auf zwei Prozent zu vermindern. Wenn das dann in der alltäglichen Praxis wirklich klappt, brauchte ein HDTV-Sender noch immer mindestens so viel Frequenz wie fünf herkömmliche Fernsehsender.(3) Dem Argument, mit der digitalen Entwicklung werde HDTV den Bedürfnissen der Zuschauerinnen und Zuschauer gerecht, kann ich allein schon aus technischen Gründen nicht zustimmen. Denn warum soll die Pluralität des Angebots an Fernsehprogrammen, die wir mit Antenne empfangen können, einer teuren neuen Fernsehnorm geopfert werden, die teurer als die alte wird und zusätzlich ein ungeheures Manipulationspotential birgt?

HDTV bietet alle Manipulationsmöglichkeiten, die wir von der digitalen Bildverarbeitung her kennen: Vordergrund und Hintergrund können beliebig zusammengemixt werden, Zeichentrick und authentische Aufnahmen können kreativ oder informativ vermischt werden usw. usf.. "Wenn die HDTV-Technik wirklich bringt, was sie verspricht, dann schlägt die Stunde der Dramaturgen", sinnierte ein SFB-Redakteur für Fernsehspiel bei einer Diskussion über HDTV. Die Stunde der Dramaturgen? Die kennen wir auch schon: Die Ratschläge des Dramaturgen waren für die Dokumentarfilmer in der ehem. DDR fast schon Weisungen des Politbüros. Bei digitalem HDTV kann sich der Dramaturg unangenehme Diskussionen mit den Filmemachern sparen. Er sitzt dann am Computer, zupft Bit für Bit die Stirnrunzeln des nachdenklichen Kanzlers zurecht und paßt damit die Wirklichkeit der evtl. dann bereits existierenden "Richtlinie für ausgewogene Bilder" an. Perfekte Inszenierung und digitaler Feinschliff im Schneideraum ist das Prinzip der digitalen Fernsehtechnik im neuen Format.

Aus meiner Sicht haben die schwarzen Balken, die bei neuen 16:9-HDTV-Produktionen oben und unten auf alten 4:3-Bildschirmen zu sehen sind, mehr als nur eine rein technische Bedeutung. Ich warne auch deshalb vor digitaler HDTV-Technik, weil nicht gleichzeitig alles unternommen wird, die Scheinwirklichkeiten der Medienwelt zu entlarven (4).

1) Die EG hat entschieden, daß ab 1995 alle Satelliten-Programme in der D2-Mac-Norm ausgestrahlt werden sollen. Das heißt, das altbekannte Flimmerbild erscheint im Breitformat 16:9, das gewohnte Format hat das Seitenverhältnis 16:12. Wird eine Giraffe bildfüllend dargestellt, muß bei D2-Mac der 100 Kilo schwere Bildschirm also auf die Seite gestellt werden.

2) Martin A. Lee, Im Fadenkreuz der Industrie. Journalisten in den USA: Die schweigenden Diener der Rüstungsindustrie, in: die tageszeitung (index on censorship) vom 4.1.1992, Seite 13f. Martin A. Lee ist Herausgeber der Zeitschrift "Extra!", Organ der Medienkontrollorganisation "Fairness and Accuracy in Reporting (FAIR)". (Denn Martin A. Lee zeigt übrigens auch an einer Reihe von Beispielen auf, wie gut die innere Zensur zugunsten der Eigentümerinnen der Fernsehsender bei den JournalistInnen in den USA funktioniert. Vgl. Fußnote 4)

3) Rainer Bücken, Fernsehtechnik wird digital, in: Funkschau 16/1991, Seite 44

4) Vgl. z.B. Gisela Marx, Eine Zensur findet nicht statt. Vom Anspruch und Elend des Fernseh-Journalismus, Reinbek b. Hamburg 1988. Kaum eine/r der zitierten JournalistInnen war bereit, Aussagen unter dem eigenen Namen zu machen - aus Angst um den gut dotierten Arbeitsplatz. (Gisela Marx hat die perfekte Funktionsweise der inneren Zensur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der ehem. BRD plastisch dargestellt.)

Herbert Riehl-Heyse, Bestellte Wahrheiten. Anmerkungen zur Freiheit eines Journalistenmenschen, München 198 (Heribert Riehl-Heyse hat beschrieben, wie Sponsoring und Presse-Arbeit von Wirtschaft und Verwaltung ihre künstlichen Wahrheiten in Szene setzen.). Beide zeigen, daß digitales HDTV mit seinen zusätzllichen Möglichkeiten auf eine schon heute weitverbreitete Bereitschaft zur "Inszenierung der Wirklichkeit" trifft.

 

Dr. Volker Bahl

ANTWORT AUF DIE KRITIK

Zunächst stellt Volker Bahl in einer Stellungnahme zu Christian Sternbergs Artikel noch einmal fest, daß es eine Reihe von Übereinstimmungen in der Kritik an HDTV gibt (1). Im Folgenden drucken wir Volker Bahls nachträgliche Erläuterung als Antwort auf Christian Sternbergs Kritik ab:

Statt "Nein" zu HDTV, "Moralischen Instanzen zur Wahrnehmung der sozialen Realität" organisieren

Trotz weitgehender Übereinstimmung in der Kritik an HDTV ziehen wir unterschiedliche praktische Schlußfolgerungen daraus. Christian Sternberg möchte grundsätzlich "Nein" sagen zur HDTV, in welcher Form auch immer. Ich möchte gar nicht die gesellschaftlichen Voraussetzungen ausloten, die notwendig wären, um dieses "Nein" auch durchzusetzen. Meines Erachtens ist es nämlich grundsätzlich der falsche Weg, diese Technologie blockieren zu wollen. Wenn wir hier oder anderswo so töricht sind, uns manipulieren zu lassen, dann wird eine funktionierende Öffentlichkeit eingeschränkt oder gar beseitigt werden - mit oder ohne HDTV. Jeder soll sich also HDTV kaufen können, wie er will. Ich schätze - wenn es gut läuft - wird es unsere Wahrnehmung so verändern, daß dieses Medium weniger wichtig wird. Und als Gegengewicht, damit auch diese Bildöffentlichkeit nicht vor die Hunde geht, sollte man/frau so etwas schaffen, wie "moralische Instanzen zur Wahrnehmung der sozialen Realität". Hierzu ihren Beitrag zu leisten, sind die Gewerkschaften und die neuen sozialen Bewegungen, u.a.m. aufgerufen, damit uns der klare Blick auf unsere Verhältnisse nicht verloren geht.(2)

Aber gegen den Zwang zur elektronischen Kommunikation

Wenn ich mich dafür einsetze, daß jede/r die Freiheit hat, sich für eine Technik - und sei es HDTV zu entscheiden, so soll es umgekehrt auch nicht möglich sein, daß mit dieser Technik Zwänge entstehen können, die weit über die vom einzelnen gewollte Entscheidung - z.B. für HDTV - hinausgehen. Das heißt, via Glasfaser-Verkabelung bezahle ich als Fernsehzuschauer eine enorm teure Infrastruktur, die vor allem der Industrie für ihre Geschäftskommunikation zugute kommt. Herbert Kubicek hat diese Probleme in seinem Standardwerk "Mikropolis" breit dargestellt. Um die "Verträglichkeit der Technik mit dem Recht auf Freiheit" zu gewährleisten, hatten wir uns daher seit langem für eine Trennung der Übergangswege ausgesprochen. Anfangs hatten wir dazu das Schlagwort "getrennte Netze" gebraucht (3). Also keine gemeinsamen Übertragungswege für Massenkommunikation und Geschäftskommunikation. Aber auch aus grundsätzlichen medienpolitischen Erwägungen muß man/frau dagegen sein, daß die Massenkommunikation über Kabel statt über Satellit stattfindet. Ich möchte das abschließend nur mit einer Frage verdeutlichen: Welche Chance hätte in der damaligen DDR eine Öffentlichkeit gehabt, wenn dort schon vor vier bis fünf Jahren HDTV auf Glasfaserbasis in jeden Haushalt eingeführt gewesen wäre? Hätte die klar eingegrenzte und manipulierbare Öffentlichkeit - sozusagen die perfekte "geschlossene Gesellschaft" - noch zu dem historischen Aufbruch geführt, der die DDR zum Einsturz brachte? D.h., ich will nicht über eine Technik ein Medium eingeführt wissen, das totalitären Systemen oder Diktaturen so gute Chancen bietet, die Öffentlichkeit "in den Griff" zu bekommen. Am besten wäre sicher, "unsere" Glasfaser-Industrie u.ä. würden sich verpflichten, nirgends in der Welt solche "Systeme der geschlossenen Öffentlichkeit" zu installieren. Deshalb also mein Plädoyer für das digitale HDTV, weil es nicht nur per Satellit sondern sogar terrestrisch übertragen werden kann.

Anmerkungen: 1) Diese Kritik ist u.a. auch in der Wechselwirkung Nr. 52 abgedruckt und es zweifelt wohl auch niemand, der Volker Bahl kennt, an seiner grundsätzlich kritischen Einstellung. In der Einleitung erwähnt Volker Bahl, daß das Gewicht, das wir der HDTV-Diskussion beimessen sich u.a. auf die These von Habermas beziehen könne, nach der heutzutage die "Öffentlichkeit" in höherem Maß "konstitutiv" für unsere Demokratie sei als die Willensbildung von Großorganisation wie Parteien und Gewerkschaften (Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Vorwort zur Neuauflage 1990).

2) Anmerkung der Red.: An diesem Punkt stimmen Volker Bahl und Christian Sternberg offensichtlich überein, vgl. den Artikel "Deutsches Funk- und Fernsehparlament" von Chr. Sternberg in diesem Infodienst.

3) Vgl. Neue Medien: Angriff auf Kopf, Konto und Arbeitsplatz des Arbeitnehmers, Medientag 1982 des DGB in Rheinland-Pfalz, darin: Herbert Kubicek, S. 15 ff, S. 9 f.

 

RAUSGESCHMISSENES GELD FÜR HDTV

(kri) Gähnende Leere vor dem HDTV-Empfänger am Kurfürstendamm in Berlin. 100 Millionen französische Francs kostete der Aufritt der HDTV-Produzenten bei der Olympiade in Albertville, rund 500 Millionen Ecu kostet allein die Ausrüstung für Kameras und Ton - aber leider kann die schwere HDTV-Kamera den schnellen Flitzern auf Schnee und Eis nicht folgen. Das Interesse am Panorama der Berge von Albertville war entsprechend lau.

 

Unternehmen, Märkte

 

WACHSTUMSKRISE IN DER WACHSTUMSBRANCHE

(kri) "Vielversprechend" wird er genannt, der "Wachstumsmarkt Unterhaltungselektronik". Und Apple-Computer steigt ein, zunächst mit Systemen, die Produktion und Verarbeitung von Videos, Tönen und Animation auf dem Bildschirm ermöglichen. "Quicktime" heißt die Multimedia-Technik des Computerherstellers. Allzu viel verspricht sich die deutsche Industrie allerdings nicht mehr von der U-Elektronik. So hat "Grundig" erst einmal überall dort Kurzarbeit angesagt, wo das Unternehmen Farbfernseher herstellt. Der Grund: Bei Farb-TVs ist der Weltmarkt im vergangenen Jahr um 300 Millionen Dollar geschmolzen. Der Markt für Videorecorder stagnierte bei rund 15 Mrd. Dollar. Insgesamt hatte der UE-Weltmarkt 1991 ein Volumen von 150,9 Mrd Dollar, das bedeutet einen Zuwachs von 2,2 Prozent. Am meisten wurden Audio Equipment (41,2 Mrd.), bespielte Video-Kassetten (22,3) und Tonträger aller Art (20,6) verkauft. Das sieht alles mehr nach erbittertem Verdrängungswettbewerb aus, denn nach wachstumsträchtiger Schönwetterstimmung. Nach dem "New Deal" zwischen Ost- und West-Deutschland ist auch der UE-Verkauf in Europa gekennzeichnet von "immensem Preisdruck bei Lagerbeständen auf Rekordhöhe" (Funkschau 3/92).

 

Mailboxen

 

INTERNATIONALE MAILBOX-NETZE

(poonal) Die US-Mailboxnetze Peacenet (BürgerInnenrechts- und Friedensbewegung) und Econet (Ökologie) in San Francisco sind miteinander verbunden und werden vom "Institut für globale Kommunikation" (IGC) verwaltet. Zur Bedeutung internationaler Mailboxnetze wurde Howard Frederick, "der Chef der Nachrichtenabteilung" von IGC von "POONAL" interviewt:

H. Frederick: "Die Menschen der Länder in Entwicklung (Drittte-Welt-Länder) stehen vor dem Probelm, wie sie der Kontrolle der Massenmedien durch das transnationale Kapital und die Mitlitärregierungen ausweichen können. Am Ende des Jahrhunderts wird es nur fünf oder zehn große Korporationen geben, die 90 % des Informationsflusses kontrollieren werden.

In den letzten zehn und besonders in den letzten 3 bis 5 Jahren haben sich aber trotzdem verstärkt dezentralisierte Medien wie Video oder Telefax, elektronischer Briefkasten und Satelliten niedriger Bahn und auch das Telefon durchgesetzt. Durch diese Innovation verändert sich etwas: Hier entstand eine Gegenmacht und zwar von unten nach oben. Es entstand etwas ganz entscheidendes für die demokratische Kommunikation: Medien wurden dezentralisiert und damit die Macht in der Gesellschaft anders verteilt - im Gegensatz zur vorherigen Situation.

Zum ersten mal konnten wir diese Entwicklung 1989 während des Massakers auf dem Platz des himmlischen Friedens in China bneobachten. Hier wurden dezentralisierte Massenmedien eingesetzt, um Nachrichten über das, was in Penking geschehen war zu verbreiten. Die chinesische Regierung sah darin eine Bedrohung. Sie begann daher, die elektronische Post und die Konferenzen des akademischen Netzes Usenet zu kontrollieren. Sie hatte die Macht dieser dezentralisierten Medien erkannt.

Die Neuen Technologien erlauben es den fortschrittlichen Bewegungen, sich der Kontrolle des Informationsflusses durch die Massenmedien zu entziehen und Zugang zur Basis der Gesellschaft zu bekommen. Kleine Gruppen mit geringen Ressourcen haben Zugang zu einem Computer. Oder sie haben Freunde, die Computer besitzen. Alle Systeme der Massenmedien werden Einschaltquoten gegenüber dezentralisierten Kommunikationsmedien wie Computer, Fax, Gemeinschaftsradio, Zeitungen verlieren. Mit diesen Medien wird eine neue Informationsstruktur geschaffen, die die verschiedenen Medien verbindet. Die wöchentliche Alternativpresse hat eine weite Verbreitung in den USA; die Radiosender wiederum nehmen Themen der Alternativpresse auf. Ein Beispiel ist InterPress Service (IPS), die fünftgrößte Presseagentur der Welt. Sie ist in den USA fast unsichtbar. EIn Grund ist, daß die Inhalte von IPS der üblichen Themenpalette in den USA widersprechen. IPS hat Artikel über Umwelt, Frauen, die Schuldenkrise der "Dritten Welt" oder die Nicht-alliierte Bewegung. ALternative Zeitungen übernehmen einen Teil der Themen, amerikanisieren sie und schließlich erscheinen sie so auch in den großen Zeitungen.(...)

Zweitens werden Aktionsnetzwerke geschaffen: Telefonketten, Faxnetzwerke...Ein Beispiel ist das Christic Institut, das eine durch Gebrauch der Netze erstaunliche Kapazität bekommen hat. Das Institut kann die öffentliche Meinung bezüglich Gesetzesveränderungen verändern. Die MitarbeiterInnen sind ExpertInnen in ihren Kampagnen. Sie erreichen, daß binnen 24 Stunden 200 Faxe auf den Schreibtische eines Kongreßabgeordneten gelangen."

Kontakt: Nachrichtenpool Lateinamerika, c/o FDCL, Gneisenaustr. 2, 1000 Berlin 61, Tel.: 030/6934029, Fax: 030/6926590

Material: Nachrichtendienst POONAL Nr. 28, Januar 1992, S.7 und 8, Vgl. auch Infodienst C&M, 4/91, S.14

 

"ANTIFASCHISTISCHES COMPUTERNETZ (ECN)" ?

Als ein Beispiel für den steigenden Organisationsgrad der autonomen AntifaschistInnen (Antifa) wird von einem "Matthias Mletzko/Berlin" der Ausbau einer EDV-gestützten Datenvernetzung genannt, die gegenwärtig vom Rhein-Main-Gebiet aus aufgebaut werde "Als Kontaktadresse fungiert die Mainzer Gruppe "Spinnennetz" und der mit dem RAF-Umfeld in Beziehung stehende Wiesbadener Infoladen. Seit einem im Juni 1991 in Venedig abgehaltenen "Internationalen Kongreß" autonomer und "revolutionärer" Gruppierungen hat sich der Kontakt dieser Gruppe zu einem in Italien seit 1989 agierenden "European Counter Network" weiter konsolidiert. Im November 1991 hieß es auf einem überregionalen Treffen in Heidelberg, gleichgesinnte Gruppierungen in Polen, Norwegen, Holland, Belgien, Dänemark, Griechenland, Spanien und der Schweiz wollten sich diesem Netz anschließen."

Mletzko bereitet mit o.a. Artikel publizistisch die Ermittlung nach § 129a und damit entsprechenden Überwachungsmaßnahmen der electronic-mail nach G10 etc. vor. Rückfragen an den Herrn Mletzko sind nicht möglich, weil er weder im west- noch im Ostberliner Telefonverzeichnis steht. Ob sich vielleicht ein Kontakt über die "KGT" (vergleiche den Artikel in diesem Infodienst zu "polizeiliche Desinformation") herstellen ließe? Im Gegensatz zu Mletzkos hetzerischem Artikel handelt es sich bei ECN um ein Informationsaustauschprojekt von pluralistisch anmutender Toleranzbreite:

Ein Rundschreiben des Activist Press Service (APS) am 9.3.92 aus Amsterdam klärt darüber auf, daß das "European Counter Network" im Zusammenhang mit dem Aufbau eines alternativen Pressebüros steht, das "kein Büro von alternativen JournalistInnen ist, sondern Informationen von Aktionsgruppen verbreitet, "APS soll ein Medium sein, in dem die Gruppen ihre Informationen untereinander austauschen sollen." (An dieser Stelle fehlen bei APS Überlegungen zum Schutz vor Überwachungsmöglichkeiten in mailbox-systemen).

"APS möchte gerne Kontakte zu europäischen Aktionsgruppen und Zeitschriften aufbauen, die selbst Netzwerke errichten oder darüber nachdenken. Derzeit experimentieren wir mit dem Austausch von Informationen in so einem kleinen Netzwerk. Seit Mitte Juli 1991 tauschen wir alle 14 Tage Informationen zwischen dem Infoladen Wiesbaden/Spinnennetz in Deutschland, einem autonomen Computernetzwerk in Italien und den Niederlanden aus. Auch mit einem antifaschistische Bulletinboardsystem in Antwerben/Belgien tauschen wir Informationen aus. In diesem Jahr werden sich hoffentlich mehr Infoläden, Zeitschriften, Städte und Länder diesem Experiment anschließen. Für uns ist es in so einem internationalen Netzwerk von kleinen unabhängigen Bulletinboards wichtig, daß total unterschiedliche außerparlamentarische Gruppen und Ideologien da Zugang haben. Das heißt, APS versteht sich vor allem als eine technische Struktur und wir überlassen es unseren BenutzerInnen, sich eine Meinung über die Informationen zu bilden. Presseerklärungen, Artikel usw. sind von APS full-text abfragbar, weil wir glauben, daß so etwas als Dokumentation der progressiven Bewegung wichtig ist. Faschistische, rassistische und sexistische Gruppen werden da selbstverständlich nicht zugelassen.

Falls holländische Gruppen Nachrichten fürs Ausland vorlegen, können sie sie über APS vertreiben, ob wir uns mit der Ideologie der Gruppe einigen oder nicht. Zugangsvoraussetzung zu dieser europäischen Versendung ist natürlich, daß die politische Gruppe bei APS bekannt ist. Der zu versendende Text muß ins Englische übersetzt werden und sollte möglichst kurz (d.h. bis 2 DIN A4 Seiten) sein. Längere Berichte sind durch Quellenverweise im europäischen Netz direkt von APS abzurufen." (wegen holländischer Schreibweise sprachlich leicht überarbeitetes Zitat/gjs)

Kontakt: APS (Activist Press Service), Mail: postbus 6452 1005 EL Amsterdam, E-Mail/APS bulletinboard direct: + 31 20 689 4198, E-Mail Internet: aps@igc.org, E-Mail Peacenet: aps, Fax: +31 20 616 8967,

 

- LETZTE MELDUNG -

 

TÜRKEI: JOURNALISTEN DURCH MORD ZUM SCHWEIGEN GEBRACHT

Die türkischen Journalisten Cengiz Altun und Halit Güngen sind im Februar in der Türkei ermordet worden, nachdem sie in den Zeitungen "Yeni Ülke" bzw. "Ikibin E Dogru" Recherchen über die Contra-Guerillia veröffentlicht hatten.

Protest- und Solidaritätsschreiben sollen an die JournalistInnengewerkschaft mit der folgenden Adresse geschickt werden: Türkige Gazeteciler Sendikasi, Türkogagio, Cad Basinsaraye, Cagaloglu, Istanbul

 

BÜCHER, BROSCHÜRERN, MATERIALIEN

Feministische Öffentlichkeit - patriarchale Medienwelt, "beiträge zur feministischen theorie und praxis" Nr. 30/31, 34 DM

Darin z.B. S. 57 Ulrike Röttger, Petra Werner: Regionale Frauenzeitungen, Anspruch auf Wirklichkeit. Redaktionsanschrift: "beiträge...e.V." Herwarthstr. 22, 5000 Köln 1, Tel.: 0221/526422

Politisch arbeiten mit dem Computer - Schreiben und Drucken, Organisieren, Informieren und Kommunizieren, Gabriele Hooffacker und Martin Goldmann, Gabi Hooffacker ist in der Mailbox-Scene (Kommunikation und Neue Medien e.V., München, Trägerverein der LINKSysteme/ComLink) aktiv. RoRoRo/Computerreihe, Nr. 8184, 246 Seiten, 16,80 DM.

Der Buchdruck der frühen Neuzeit - Eine Historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Michael Giesecke, Frankfurt 1991, 943 Seiten, 120,-DM, (Habilitationsschrift, u.a. bei Niclas Luhmann)

Eltern, Kinder, Computer - Zur Computerbildung in der Schule, von Christian Förster und Gerda Langenbuch, Dezember 1991, DIN A 5, 55 Seiten, kostenlos - adressierten Rückumschlag DIN A 5 mit 1,40 DM frankiert beilegen. Bestelladresse: Kommunikatives Bildungswerk e.V., Adlerstr. 83, 46 Dortmund 1, 0231/143123

EDV-Ausstattung für das Betriebsratsbüro - Kriterien zur Auswahl eines geeigneten PC-Systems, Düsseldorf 1991, Hans-Böckler-Stiftung Manuskripte Nr. 45, Bestellungen bei: Hans-Böckler-Stiftung, Presseabteilung, Bertha-von-Suttner-Platz 3, 4000 Düsseldorf 1, Tel.:0211/7778147 (ohne Preisangabe)

Für eine soziale Gestaltung der Telekommunikation - Thesen und Vorschläge des DGB, Oktober 1991, Düsseldorf, Hrsg.:DGB Bundesvorstand, Bestellung: DGB Hans Böckler Str. 39, 4000 Düsseldorf 30, 0211/4301-148 oder 543 (Abt. Technologiepolitik/HdA), DIN A 4, 178 Seiten, kostenlos. Vgl. Infodienst Nr. 3/91, S.4 "Schlaffe Thesen des DGB". Die Thesen selbst umfassen jedoch lediglich 16 Seiten in der Broschüre, verwertbarer sind die ausführlichen Begründungen, die u.a. auch von der "Forschungsgruppe Telekommunikaiton/Uni Bremen" erarbeitet wurden). S.: 169: "Durch geeignete Maßnahmen ist sicherzustellen, daß es keinen Zwang zur elektronischen Abwicklung von Anliegen bei Verwaltungen und Dienstleistungsunternehmen gibt." (Gut! Wird in der Praxis aber nicht unterstützt) Auf Seite 172: "Vielmehr müssen Mittel bereitgestellt werden für soziotechnische Experimente....". Empfohlen werden Partizipative Softwareentwicklung, Prototyping, Zukunftswerkstatt, Planungszellen, Diskursprojekte, Bürgergutachten.(Vgl. z.B. Info C&M 2/91, S.5, Bürgergutachten)

Die "Modernisierung" der Telekommunikations-Infrastruktur als Prozeß kapitalistischer Konkurrenz und Machtkämpfe - Kritische Anmerkungen zur bisherigen Interpretation der Telekommunikationspolitik - Hinweise für einen alternativen Erklärungsansatz, Arno Gottschalk, Diskussionspapier 1989-3, DIN A 4, 37 Seiten, enthält auch eine Abhandlung über das Verhältnis der Netzstandards ISDN/OSI/SNA, kostenlos zu beziehen vom Hamburger Institut für Sozialforschung, Mittelweg 36, 2000 Hamburg 13, Tel.: 040/4140970

Der Offene Kanal in Bremen - Neue Perspektive politischer und kulturelle Weiterbildung ?! Dokumentation der Veranstaltung vom 27.6.91 in der Angestelltenkammer Bremen. Enthält vor allem Stellungnahmen von 17 beteiligten Institutionen (u.a.VHS, Filmbüro, Sportbund,zum Offenen Kanal), DIN A 4 51 Seiten, kostenlos zu beziehen bei Beauftragter für den Offenen Kanal, Löningstr. 2, 2850 Bremerhaven 1, 0471/46029,

Radio das unterschätzte Medium - Erfahrungen mit nicht-kommerziellen Lokalstationen in 15 Staaten, die als "dritter" Typ Radio neben dem dualen System, auch in Deutschland gute Chancen haben. Das Buch hilft beim Start derartiger nicht-kommerzieller Radios (Verlagstext). Hrsg.: H.J. Kleinsteuber, DIN A 5, 378 Seiten, 55 Abb., 36 DM, Lokalradio für die BRD, Hrsg.: Jarren/Widlok, DIN A 5, 276 Seiten, 32 DM , Rundfunk für alle - Bügerbeteiligung, Partizipation und zugangsoffene Sendeplätze in Hörfunk und TV, Andreas Vogel, vistascript Band 8, alle im Vistas-Verlag Berlin

Datennetze - Kommunikation, Computer, Netze /Netztechnik / Vernetzute Computer / Dienstleistungen in Computernetzen / Vernetzung und Arbeitsorganisation / Vernetzung und Management / Neue Informationssysteme und Bildung / Probleme der Rechtsordnung, in: Spektrum der Wissenschaft, Nr. 11, Nov. 91, 10,50 DM

The Big Picture: HDTV & High-Resolution Systems - Backround-Paper, US-Congress , Office of Technology Assessment,OTA-BP-CIT-64, Bestellungen an: Washington DC: U.S. Government Printing Office, June 1990) 108 Seiten, (Preis 1990: 5 Dollar)

Elektrosmog-Hearing 28.1.1992 Landtag - Referate, Daten, Fakten, Bröschüre DIN A 4, 104 Seiten, 10 DM, Hrsg.: Die Grünen im Niedersächsischen Landtag, , H.W.Kopf-Platz 1, 3000 Hannover 1, Tel.:0511/3030443

 

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